Perspektive

Der Brand im Wang Fuk Court in Hongkong: ein Verbrechen des globalen Kapitalismus

Die offizielle Zahl an Todesopfer des katastrophalen Brandes, der sieben Hochhäuser des Wang Fuk Court in Tai Po, Hongkong, verschlang, stieg am Montag auf 151.

Über 2.000 Überlebende haben alles verloren und sind nun obdachlos. Hunderte sind in umgebauten Covid-Isolationsunterkünften auf der Landebahn des alten Flughafens Kai Tak untergebracht.

Niedergelegte Blumen für die Opfer in der Nähe des tödlichen Brandes vom 19.11.2025 im Wang Fuk Court, einer Wohnsiedlung im Bezirk Tai Po in den New Territories von Hongkong [AP Photo/Chan Long Hei]

Vierzehn Personen, die in Verbindung stehen mit dem Ingenieurbüro und dem Gerüstbau-Subunternehmer, der die Renovierungsarbeiten an den Außenwänden des Wang Fuk Court durchgeführt hat, wurden im Rahmen der laufenden Ermittlungen zur Brandursache wegen fahrlässiger Tötung festgenommen.

Die Ermittler haben festgestellt, dass die Bauunternehmer unter anderem nicht zugelassene, leicht entflammbare Netze an den Bambusgerüsten verwendet haben, welche die Gebäude umgaben. Die Flammen breiteten sich über die Netze auf Styroporplatten aus, die die Fenster bedeckten und als Brandbeschleuniger wirkten, wodurch sich das Feuer im gesamten Gebäude ausbreitete. Die Wohnungen von tausenden Menschen waren in Zunder gehüllt.

Am Wochenende erfasste eine unübersehbare, aber kaum berichtete Veränderung Hongkong. Die grünen Netze, die jede Baustelle und jeden Renovierungsort umgeben, wurden stillschweigend abgenommen; sie liegen nun in Ballen an den Straßenecken. Die Skelette der Bambusgerüste stehen in weiten Teilen der Stadt kahl da. Dies ist ein stillschweigendes Eingeständnis der allgegenwärtigen Verwendung minderwertiger und illegaler Materialien und zeigt das Ausmaß des Versagens staatlicher Aufsicht und eines laxen Durchgreifens.

Wang Fuk Court war mit etwa 2.300 nicht normgerechten Netzen bedeckt. Jedes illegale Netz kostete etwa 50 HK$ weniger als ein vorgeschriebenes flammhemmendes Netz. Die Sparmaßnahme, die den Komplex zerstörte und über 150 Menschen das Leben kostete, brachte wahrscheinlich 115.000 HK$ ein, etwa 13.000 Euro – grob gerechnet etwa hundert Euro pro verbranntem Menschen.

Die verkohlten Überreste des Wang Fuk Court stehen in Tai Po in den New Territories. Es war das letzte Stück Land, das der britische Imperialismus China im Perlflussdelta abgerungen hatte. Großbritannien eroberte Hongkong in mehreren so genannten „Opiumkriegen“ und zwang China mit Waffengewalt, seine Grenzen für das Gift zu öffnen, das Großbritannien in Mohnfeldern in Indien anbaute, in Singapur verarbeitete und über Kanton vermarktete.

Großbritannien gab Hongkong 1997 an China zurück. Die Stadt ist von erschütternder Ungleichheit geprägt und trägt die Spuren von anderthalb Jahrhunderten kolonialer Unterwerfung.

Die breiten demokratischen Impulse, die in Hongkong existieren, sind sicherlich nicht das Ergebnis der britischen Kolonialherrschaft oder der Wiedereingliederung durch die regierende Kommunistische Partei Chinas (KPCh) in Peking, die eine bescheidene Ausweitung der direkten Parlamentswahlen durchgesetzt hat. Vielmehr sind sie das Erbe harter Kämpfe der Arbeiterklasse, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Abstimmung mit den Arbeitern in Guangzhou Generalstreiks und Massenproteste organisierte.

Beijing stellte die Wiedereingliederung Hongkongs in das Festland unter das Motto „Ein Land, zwei Systeme”. Unter dieser Vorgabe hat China das mit Großbritannien ausgearbeitete Grundgesetz beibehalten und eine gewisse politische Autonomie für die Sonderverwaltungszone gewahrt. Es ist ein grundlegendes Anliegen der chinesischen Regierung, Hongkong weiterhin als Verbindungspunkt für den freien Fluss des internationalen Finanzkapitals zu erhalten; alle anderen Überlegungen sind diesem untergeordnet.

Was Beijing am meisten fürchtet, ist die Verbreitung sozialer Unruhen, die über die Grenze schwappen. Die Greater Bay Area des Perlflussdeltas vom Festland mit Shenzhen und Guangzhou über die Inseln von Macau bis hinunter zur Halbinsel Kowloon und Hongkong ist eine einzige wirtschaftliche Einheit. Ein Funke des Widerstands in der Arbeiterklasse könnte sich an jedem Punkt entzünden und die Flamme der Revolution in ganz Südchina entfachen.

Inmitten der weit verbreiteten Bestürzung und Wut über den Brand warnt das Amt für die Wahrung der nationalen Sicherheit in Hongkong, dass jeder, der „versucht, die Trauer der Opfer für seine politischen Ambitionen zu nutzen“, verhaftet und gesetzlich bestraft werde. Die chinesischen Behörden sind sich bewusst, dass die Wut über den unnötigen Verlust von Menschenleben in Hongkong bei den arbeitenden Menschen in China, die aufgrund laxer Sicherheitsvorkehrungen und Kosteneinsparungen von Bauträgern und Bauunternehmern tragische Verluste durch Brände in Wohnhäusern, Fabriken und Krankenhäusern erlitten haben, auf Resonanz stoßen wird.

Auch wenn die Schrecken des Brandes im Wang Fuk Court sich gerade an den Besonderheiten von Bambusgerüsten und grünen Netzen festmachen, handelt es sich nicht nur um ein singuläres Ereignis in Hongkong. Das Inferno in Tai Po ist der lokale Ausbruch einer globalen Krise: der Krise des Kapitalismus, der für die Arbeiterklasse eine Katastrophe nach der anderen bereithält.

Die offensichtlichste und auffälligste Parallele ist der Brand im Grenfell Tower in London, bei dem 2017 zweiundsiebzig Menschen ums Leben kamen. Die grünen Netze von Wang Fuk und die brennbare Verkleidung des Grenfell Tower umhüllten Arbeiterwohnungen – die beengten Behausungen der Entbehrlichen.

Engels prägte 1845 in seinem Werk „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ den Begriff „sozialer Mord“ für den Prozess, durch den der Kapitalismus Hunderttausende von Arbeitern in Bedingungen brachte, die zu ihrem „vorzeitigen und unnatürlichen Tod“ führten. Dieser Begriff ist absolut zutreffend.

Die Katastrophen von Wang Fuk Court und Grenfell sind spektakuläre Ausbrüche der elenden und völlig vermeidbaren weltweiten Wohnraumkrise. Sie sind keine bloßen Exzesse, keine Versäumnisse der Regulierung, sondern ein unvermeidlicher Teil des Kapitalismus. Für den Kapitalismus ist ein Mord gleichzeitig ein kalkulierbarer Kostenfaktor; eine hohe Zahl von Todesopfern ist untrennbar mit dem Funktionieren des Systems verbunden.

Kostensenkung, Beschleunigung der Fließbandarbeit, Immobilienbetrug und Massenräumungen – der Kapitalismus wird durch seine eigene Logik des Wettbewerbs und der Profitmaximierung zu diesen Maßnahmen getrieben. Der Kapitalist, der diese Maßnahmen nicht anwendet, wird durch einen anderen verdrängt, der dies eben tut, und die Aktienkurse steigen.

Der soziale Charakter der Kapitalistenklasse ist hiervon geprägt. Durch diesen tief verwurzelten Wettbewerb trägt die herrschende Klasse die Gleichgültigkeit und Habgier von über zwei Jahrhunderten globaler Ausbeutung in sich.

Die glitzernden Exzesse der Finanzwelt zeigen sich in Hongkong in den Bankentürmen von Central und den Villen von Peak. Dort und rund um den Globus leben jedoch diejenigen, welche diesen Reichtum erschaffen und pflegen, in Elendsvierteln, in Käfigen. Zum Essen und Schlafen versammeln sie sich mit ihren Familien in Häusern, die von brennbaren Netzen umgeben sind.

Der Kapitalismus hat die Welt urbanisiert, aber auf grotesk ungleiche und irrationale Weise.

Rund dreihundert Menschen – Eltern, Großeltern, Kleinkinder, Wanderarbeiter – verbrannten in ihren Wohnungen in Grenfell und Wang Fuk Court. Wie viele Millionen sterben an vermeidbaren Krankheiten in den Elendsvierteln und Slums dieser Welt? Die armseligen Habseligkeiten von zwangsgeräumten Mietern werden in Amerika unter Aufsicht der Ordnungsbehörden auf die Straße geworfen.

Selbst in den Zentren konzentrierten Reichtums ist der Kapitalismus regelmäßig nicht in der Lage, der Arbeiterklasse Wohnungen mit sauberem Trinkwasser oder sichere Fabrikarbeitsplätze zu bieten, sie vor Verstümmelung und Tod im Betrieb zu bewahren. Die Infrastruktur für den Hochwasserschutz in Ländern, die von Wirbelstürmen heimgesucht werden – den Philippinen, Sri Lanka, Vietnam – ist kriminell unterentwickelt und schlecht instandgehalten, und jedes Jahr sterben Tausende von Arbeitern, wenn ihre Häuser von Fluten überschwemmt werden.

Alles unterliegt dem Profitstreben; es gibt kein anderes Leitprinzip im Kapitalismus. Menschenleben sind kein gültiger Maßstab in diesem System.

Der soziale Mord von Wang Fuk Court schreit nach dem Sturz des Kapitalismus. Der Kapitalismus muss weltweit ersetzt werden durch den Sozialismus – das heißt durch ein System, das die Wirtschaft rational nach den menschlichen Bedürfnissen ausrichtet und jedem Menschen Würde, Schutz und Sicherheit bietet.

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