Vereinte Nationen: Israel praktiziert „de facto staatliche Politik“ der organisierten Folter

Der Ausschuss gegen Folter der Vereinten Nationen hat erklärt, dass Israel eine „de facto staatliche Politik der organisierten und weit verbreiteten Folter“ und Misshandlung betreibe, die sich seit dem 7. Oktober 2023 erheblich verschärft habe.

Das Gremium äußert „tiefe Besorgnis über Vorwürfe wiederholter schwerer Schläge, Angriffe mit Hunden, Elektroschocks, Waterboarding, Anwendung von Dauerstresspositionen [und] sexueller Gewalt“ sowie über die Straffreiheit der israelischen Sicherheitskräfte für Kriegsverbrechen.

Palästinensische Häftlinge mit verbundenen Augen im Internierungslager Sde Teiman im Mai 2024 [Photo by Obtained by CNN - https://www.cnn.com/2024/05/10/middleeast/israel-sde-teiman-detention-whistleblowers-intl-cmd/index.html]

Der Bericht, der am Freitag zusammen mit Berichten über Albanien, Argentinien und Bahrain veröffentlicht wurde, ist Teil der regelmäßigen Überwachung von Ländern, die die UN-Konvention gegen Folter unterzeichnet haben, durch den Ausschuss. Der Bericht deckt die letzten zwei Jahre seit Beginn des Völkermords in Gaza ab.

Der aus zehn unabhängigen Experten bestehende UN-Ausschuss äußert sich besorgt über die unverhältnismäßige Reaktion Israels auf die Angriffe vom 7. Oktober, die zu 70.000 Todesfällen, zur Zerstörung oder Beschädigung eines Großteils der Infrastruktur und Gebäude in Gaza sowie zur Vertreibung von 90 Prozent der Bevölkerung geführt haben.

Der Bericht erklärt, palästinensische Häftlinge seien gedemütigt worden, indem sie „gezwungen wurden, sich wie Tiere zu verhalten, oder mit Urin bespritzt wurden“. Ihnen wurde systematisch medizinische Versorgung verweigert und sie wurden übermäßigen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt, „die in einigen Fällen zu Amputationen führten“.

Er stellt fest, dass es in Israel keinen eigenständigen Straftatbestand für Folter gibt und dass die israelische Gesetzgebung staatliche Bedienstete von der strafrechtlichen Verantwortung für unrechtmäßigen physischen Druck während Verhören befreit, wenn diese sich auf „Notwehr“ berufen.

Der Ausschuss verweist auf den „hohen Anteil von Kindern, die derzeit ohne Anklage inhaftiert sind oder in Untersuchungshaft sitzen“, und stellt fest, dass das Strafmündigkeitsalter in Israel bei 12 Jahren liegt und dass auch Kinder unter 12 Jahren inhaftiert wurden. Kinder, die als Sicherheitsgefangene eingestuft werden, „unterliegen strengen Beschränkungen des Familienkontakts, können in Einzelhaft gehalten werden und haben keinen Zugang zu Bildung, was gegen internationale Standards verstößt“, heißt es in dem Bericht. Der UN-Ausschuss appelliert an Israel, die Gesetzgebung so zu ändern, dass Einzelhaft nicht gegen Kinder angewendet wird.

Der UN-Bericht ergänzt die wachsende Zahl von Beweisen, die bereits vorgelegt wurden von israelischen und palästinensischen Menschenrechts- und Rechtsbeistandsgruppen über Folter, Misshandlung und Vernachlässigung in israelischen Haftanstalten, die von den israelischen Streitkräften (IDF) und dem israelischen Strafvollzugsdienst (IPS) betrieben werden. Der israelische Fernsehsender Channel 14 strahlte eine Sendung aus, in der ein israelischer Gefängnisbeamter Misshandlungen an Gefangenen beschrieb. Gleichzeitig sind Zeugenaussagen über Misshandlungen und Folter in den sozialen Medien weit verbreitet, begleitet von Fotos und Videos, die von israelischen Soldaten und ehemaligen Häftlingen aufgenommen wurden.

Der kürzlich von Physicians for Human Rights–Israel (PHRI) veröffentlichte Bericht „Death Sentence for Palestinians in Custody | New Report and Testimonies” (Todesurteil für Palästinenser in Haft | Neuer Bericht und Zeugenaussagen) besagt, dass seit dem 7. Oktober 2023 mindestens 98 Palästinenser in israelischen Haftanstalten gestorben sind, wobei in vielen Fällen Hinweise auf Folter, Hunger oder medizinische Vernachlässigung vorliegen. Da Hunderte von in Gaza inhaftierten Palästinensern vermisst werden, dürfte die tatsächliche Zahl der Todesopfer erheblich höher sein. In den zehn Jahren vor dem Krieg starben weniger als 30 Gefangene in israelischer Haft.

Diese hohen Zahlen und die Tatsache, dass sie sich auf mindestens zwölf Haftanstalten sowohl des Israel Prison Service (IPS) als auch der Israel Defence Forces (IDF) verteilen, deuten darauf hin, dass es sich nicht um Einzelfälle oder das Werk einiger weniger „Schwarzer Schafe“ handelt, sondern um das Ergebnis einer gezielten Politik der Tötung von Palästinensern in Haft.

Der PHRI-Bericht untersucht Todesfälle aufgrund von körperlicher Gewalt, medizinischer Vernachlässigung, mangelnder Behandlung schwerer Infektionen und Unterernährung. Dabei wurden Informationsfreiheitsanfragen, forensische Berichte und Interviews mit Anwälten, Aktivisten, Angehörigen und Zeugen herangezogen. Der Bericht liefert Beweise für die schweren Misshandlungen palästinensischer Häftlinge durch die israelischen Sicherheitskräfte.

Das ausgemergelte Aussehen der 1.726 Häftlinge, die kürzlich freigelassen wurden und nach Gaza zurückkehrten, machte das Leid deutlich, das sie ertragen mussten. Sie beschrieben die schockierenden Misshandlungen, denen sie ausgesetzt waren, darunter Entzug von Nahrung, Wasser und Schlaf, Verweigerung von Medikamenten und Behandlung, nur einmal täglich Zugang zur Toilette, Fesselung in schmerzhaften Positionen, Ersticken, sexuelle Übergriffe, Vergewaltigungen, Schläge, Misshandlungen und Folter, die in einigen Fällen zu bleibenden Verletzungen und sogar zur Erblindung führten. Verbale, körperliche und psychische Folter und Demütigungen waren an der Tagesordnung.

Frei gelassene palästinensische Gefangene winken bei ihrer Ankunft im Gazastreifen, nachdem sie im Rahmen eines Waffenstillstandsabkommens zwischen der Hamas und Israel aus israelischen Gefängnissen entlassen wurden, in Khan Yunis, südlicher Gazastreifen, Montag, 13. Oktober 2025. [AP Photo/Jehad Alshrafi]

Der PHRI-Bericht enthält erschreckende Details über die körperliche Misshandlung und medizinische Vernachlässigung der Gefangenen. Darunter sind auch persönliche Aussagen von Gefängnispersonal, das von so schweren Fesselungen der Gefangenen berichtet, dass diese gravierende Verletzungen an Armen und Beinen davontrugen und ihnen schließlich Gliedmaßen amputiert werden mussten. Andere Fälle deuten auf ein systematisches Muster schwerer Gewalt hin, darunter Kopfverletzungen, innere Blutungen und gebrochene Rippen.

Der UN-Ausschuss stellt fest, dass die Zahl der Todesfälle in israelischer Haft „ungewöhnlich hoch ist und offenbar ausschließlich palästinensische Häftlinge betrifft“. Der Bericht merkt an, dass „bis heute kein Staatsbediensteter für solche Todesfälle zur Verantwortung bzw. Rechenschaft gezogen wurde“.

Der Bericht verweist darauf, dass Israel das „Gesetz über unrechtmäßige Kombattanten“ in großem Umfang anwendet, um die langwierige Inhaftierung Tausender palästinensischer Männer, Frauen und Kinder ohne Gerichtsverfahren zu rechtfertigen. Dieses Gesetz erlaubt es Israel, Menschen während Kriegszeiten ohne Anklage oder Gerichtsverfahren auf unbestimmte Zeit zu inhaftieren, ohne sie als Kriegsgefangene anzuerkennen, wie es die Genfer Konventionen vorschreiben, wenn „begründeter Anlass“ zu der Annahme besteht, dass sie an „feindlichen Aktivitäten gegen den Staat Israel“ beteiligt waren oder dass sie Mitglieder einer Gruppe sind, die dies getan hat. Den Inhaftierten kann bis zu 75 Tage lang der Zugang zu einem Anwalt verweigert werden, während die Gerichte ihre Inhaftierung routinemäßig auf der Grundlage „geheimer Beweise” verlängern.

Nach Angaben der israelischen Menschenrechtsgruppe HaMoked hält der Strafvollzugsdienst etwa 2.660 Bewohner des Gazastreifens als „unrechtmäßige Kämpfer” fest, die höchste Zahl seit Beginn des Krieges. Andere Menschenrechtsgruppen gehen davon aus, dass Hunderte weitere in militärischen Haftanstalten festgehalten werden, bevor sie in IPS-Gefängnisse überstellt werden. Das Gesetz bedeutet, dass Hunderte, wenn nicht Tausende von Palästinensern gewaltsam verschwunden sind und ohne externe Kontrolle festgehalten werden.

Daten, die im Mai von der Militärischen Nachrichtenabteilung der IDF (Israelische Verteidigungsstreitkräfte) veröffentlicht wurden, zeigen jedoch, dass Israel von den 47.653 Palästinensern, die es als Hamas- oder PIJ-Kämpfer betrachtet, nur 1.450 Palästinenser aus den militärischen Flügeln der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) festgenommen hat. Das bedeutet, dass die überwiegende Mehrheit der etwa 10.000 Palästinenser, die in Gefängnissen festgehalten werden, und die Tausenden weiteren, die in Militärhaftanstalten festgehalten werden, Zivilisten sind, die keiner der beiden Gruppen angehören. Menschenrechtsgruppen und israelische Soldaten haben ausgesagt, dass der Anteil der Kämpfer unter den in Gaza Inhaftierten noch geringer ist als die aus IDF-Quellen durchgesickerten Zahlen.

Michael Sfard, einer der führenden Menschenrechtsanwälte Israels, erklärte, dass das Völkerrecht die Internierung von Zivilisten nur dann erlaubt, wenn sie eine zwingende Sicherheitsbedrohung darstellen, während gleichzeitig die Grundrechte garantiert werden müssen. Israel verletzt demnach das Völkerrecht.

Sfard sagt: „Die Haftbedingungen für Gazaner in Israel entsprechen zweifellos nicht den Bestimmungen der Vierten Genfer Konvention.“ Er verweist darauf, dass gewaltsame Misshandlungen, Nahrungsentzug und die Verweigerung von Besuchen des Roten Kreuzes und der Kommunikation mit Familienangehörigen an der Tagesordnung sind. Sfard fügt hinzu, dass die Gesetzgebung, auf deren Grundlage sie festgehalten werden, selbst „ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht“ sei.

Diese Zahlen widersprechen eindeutig den Behauptungen des IPS, wonach - ohne Angabe von Beweisen – fast alle in israelischen Gefängnissen inhaftierten „unrechtmäßigen Kämpfer“ Mitglieder der Hamas oder der PIJ seien. Auch israelischer Politiker, die IDF und die Leitmedien brandmarken routinemäßig alle palästinensischen Häftlinge aus Gaza als „Terroristen“. Wie Tal Steiner, Direktor des Öffentlichen Komitees gegen Folter in Israel, sagt, untergräbt die Tatsache, dass die meisten von ihnen keine Mitglieder militanter Gruppen sind, „die gesamte Rechtfertigung für ihre Inhaftierung“.

Israel ist für den Tod Dutzender palästinensischer Zivilisten in Haft verantwortlich, der auf die grauenhaften Bedingungen in israelischen Haftanstalten zurückzuführen ist. Der Palästinensische Gefangenenverein erklärt, dass palästinensische Gefangene „einem langsamen Tod durch systematische Verschlechterung der unmenschlichen Lebensbedingungen, medizinische Verbrechen und Folter“ ausgesetzt sind, und macht auf die medizinische Vernachlässigung palästinensischer Gefangener aufmerksam.

Dieses Muster des Missbrauchs ist eine bewusste Strategie, die darauf abzielt, die Palästinenser zu terrorisieren und die Sinnlosigkeit von Widerstand zu demonstrieren. Itamar Ben Gvir, der rechtsextreme israelische Minister für Nationale Sicherheit, erklärte, eine seiner obersten Prioritäten sei es, die Bedingungen für palästinensische Gefangene zu verschlechtern, unter anderem durch die Bereitstellung nur „minimaler“ Nahrungsmittel, „und ihre Rechte auf das gesetzlich vorgeschriebene Minimum zu reduzieren“.

Im Juni 2024 warnte Ronen Bar, der Leiter des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor der Überbelegung der Gefängnisse, in denen 21.000 Menschen untergebracht waren – 50 Prozent mehr als ihre maximale Kapazität von 14.500 – und vor der Behandlung der Gefangenen, die „an Misshandlung grenzt“ und Staatsbedienstete der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung im Ausland aussetzt.

Während die IDF behauptet, alle Vorwürfe von Missbrauch zu untersuchen, hat ihr oberster Anwalt keine Strafverfahren gegen Soldaten wegen der Tötung von Zivilisten eingeleitet. Dies gilt sogar nach hochkarätigen Angriffen, die internationale Empörung ausgelöst haben und eindeutig gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen, darunter die Tötung von Hunderten Medizinern und Mitarbeitern im Gesundheitsdienst sowie 562 Hilfskräften, ganz zu schweigen von Zehntausenden palästinensischen Zivilisten.

Nur ein einziger israelischer Soldat wurde strafrechtlich verurteilt und erhielt eine siebenmonatige Haftstrafe wegen Körperverletzung an Häftlingen aus Gaza. Fünf weitere Soldaten wurden wegen schwerer Misshandlung und schwerer Körperverletzung eines Häftlings im Sde Teiman-Gefangenenlager angeklagt – eine Herabstufung gegenüber den ursprünglichen Vorwürfen der Vergewaltigung – nachdem im vergangenen Jahr Aufnahmen an die israelischen Medien gelangt waren, die Soldaten zeigten, wie sie einen palästinensischen Häftling mit verbundenen Augen vergewaltigten und ihm schwere Verletzungen zufügten.

Israelische Soldaten protestieren am 29. Juli 2024 am Tor der Militärbasis Sde Teiman dagegen, dass Soldaten wegen der Misshandlung von Häftlingen verhört werden [AP Photo/Tsafrir Abayov]

Dies ist eine bewusste Politik. Im vergangenen Monat kam es zu einem Aufruhr, nachdem Generalmajor Yifat Tomer-Yerushalmi, die oberste Anwältin der IDF, enthüllte, dass sie es war, die das berüchtigte Video geleakt hatte. Sie wurde zum Ziel einer rechten Verleumdungskampagne, die bereits zur Verteidigung der IDF-Kriminellen mobilisiert worden war.

Dass die arabischen Regime zusammen mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, und dem Zentralkomitee der Fatah zu Israels Misshandlung und Folter von Gefangenen schweigen, zeugt von ihrer Perfidie und ihrer Komplizenschaft mit Israel bei der Unterdrückung der Palästinenser.

Das Schweigen von Politikern weltweit und der Mainstream-Medien zu Israels Misshandlung und Folter an palästinensischen Gefangener ist ein Beweis für ihre Mitschuld an Israels genozidalen Angriffen auf Gaza und der Eskalation gegen das Westjordanland. Israel genießt die Unterstützung aller imperialistischen Mächte, die derzeit selbst demokratische Rechte und die Meinungsfreiheit einschränken, um jegliche Opposition gegen ihre Innen- und Außenpolitik zu unterdrücken. Auch für sie sind das humanitäre Völkerrecht und die Genfer Konvention, die nach dem Zweiten Weltkrieg ausgearbeitet wurden, nichts als Makulatur.

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