Nach dem landesweiten Streik stoppen belgische Gewerkschaften weitere Proteste gegen den Sparhaushalt

Leere Halle des Brüsseler Flughafens Zaventem. Die Abflugtafel zeigt lauter annullierte Flüge, 26. November 2025 [AP Photo/Mark Carlson]

In Belgien brachte letzte Woche eine mächtige, dreitägige Streikbewegung gegen den Sparhaushalt das ganze Land zum Erliegen. Bestreikt wurden der öffentliche Dienst, der Flug- und Bahnverkehr und Teile der Industrie in ganz Belgien.

Der Streik fand parallel zu einem landesweiten Streik in Italien statt, und gleichzeitig wird ein landesweiter Streik in Portugal vorbereitet. Dies zeigt die immense Macht der Arbeiterklasse und die Entschlossenheit, gegen die Sparpolitik und den Militarismus der Nato in ganz Europa zu kämpfen.

Gleichzeitig warf der Streik in Belgien wichtige Fragen zur Strategie und politischen Perspektive auf, mit denen Arbeiterinnen und Arbeiter nicht nur in Belgien, sondern auf der ganzen Welt konfrontiert sind.

Die rechtsgerichtete belgische Koalitionsregierung verabschiedete provokativ am ersten Streiktag, dem 24. November, ihren Sparhaushalt. Sie investiert auch weitere Milliarden Euro in das äußerst unpopuläre Militärprogramm, schafft F-35-Kampfflugzeuge an und beteiligt sich weiterhin an der Finanzierung des Nato-Kriegs gegen Russland in der Ukraine.

Der massiven Opposition und der Streikbewegung zum Trotz ist die Regierung entschlossen, die Sparpolitik fortzusetzen. Ihre Zustimmungsrate ist in Umfragen mittlerweile auf 34 Prozent abgesunken.

Die Regierung wird von dem flämischen Nationalisten Bart de Wever und dem Führer der frankophonen Reformbewegung (MR), Georges-Louis Bouchez geführt. Sie kann von den schwerwiegenden Schwächen des Streiks profitieren.

Diese Schwächen sind erstens das Fehlen internationaler Verbindungen zu Arbeitenden in anderen Ländern, die in ganz Europa gegen Sparmaßnahmen und Krieg kämpfen, und zweitens das Fehlen einer Perspektive für eine unabhängige Mobilisierung an der Basis, um die Regierung zu stürzen. Trotz der explosiven sozialen Wut verbleibt der Streik deshalb bisher unter der Kontrolle der nationalen Gewerkschaftsbürokratien, und diese tun alles in ihrer Macht Stehende, um die rechtsextreme Regierung nicht zu gefährden.

Der belgische Gewerkschaftsbund FGTB hat eine Erklärung herausgegeben, in der er den Streik lobte, aber zu keinen weiteren Streikmaßnahmen gegen die Regierung aufrief. Der FGTB hat erklärt: „Nach drei aufeinanderfolgenden Streiktagen gegen die Regierungspolitik waren die Gewerkschaften mit ihrem Einsatz erfolgreich und sind mit dem Ausmaß der Mobilisierung voll und ganz zufrieden.“ Die Regierung wird nur milde kritisiert; so heißt es: „Ihr Schweigen ist zutiefst betrüblich“, und die Gewerkschaften könnten in Zukunft in Betracht ziehen, sich der Stimmung in der Bevölkerung anzuschließen und weitere Maßnahmen zu ergreifen:

Die Gewerkschaften haben die heutige Botschaft der Arbeiterbewegung vernommen. Es ist offensichtlich, dass der Erfolg der drei Streiktage sie dazu zwingen könnte, in den kommenden Tagen über eine Fortsetzung der sozialen Bewegung nachzudenken.

Raoul Hedebouw, der Vorsitzende der kleinbürgerlichen, stalinistisch-maoistischen Belgischen Arbeiterpartei (PTB), hat ein kurzes Video publiziert, in dem er wirkungslos an die Regierung appelliert, auf das Volk zu hören und einen Rückzieher zu machen. Er sagte: „De Wever, Bouchez und [Außenminister Maxime] Prévot, hört auf die Botschaft derer, die unser Land am Laufen halten: Finger weg von unseren Renten, von der Inflationsanpassung unserer Gehälter und von unseren Nachtzuschlägen.“

Die pablistische Partei Antikapitalistische Linke rief zu einer „Einheitsfront“ mit der PTB und den Gewerkschaftsbürokratien auf. Sie rief dazu auf, „den Schwerpunkt [auf] die soziale Bewegung in all ihren Formen zu verlagern: Gewerkschaften, Kollektive, Vereine, feministische, ökologische und antirassistische Mobilisierungen sowie Bewegungen der internationalen Solidarität.“ Das war ein Aufruf zur Vereinigung – nicht der Arbeiterklasse, sondern der verschiedenen staatlich finanzierten Bürokratien, die das dominieren, was kapitalistische Medien in Belgien als „Linke“ bezeichnen.

In Wirklichkeit lautet die „Botschaft der Arbeiterbewegung“, dass diese Regierung für die Arbeiterklasse inakzeptabel ist. Die Entscheidung der Gewerkschaftsbürokratien, unterstützt von der PTB, weitere Streikmaßnahmen zu verschieben und stattdessen an De Wever zu appellieren – selbst nachdem De Wever seinen Haushalt vorgelegt hat –, bedeutet nicht, dass sie die Botschaft der Arbeitenden „gehört“ hätten. Sie bedeutet, dass sie entschlossen sind, den Kampf, zu dem die Arbeiterklasse bereit ist, zu stoppen.

Bart De Wever stammt aus einer Familie, deren frühere Generationen eng mit den Nazi-Besatzern in Belgien kollaborierten. Sein Großvater Léon de Wever war Mitglied der VNV (Vlaams Nationaal Verbond), die zur wichtigsten Stütze der Besatzer im Zweiten Weltkrieg wurde. Sein Vater Rik hatte umfangreiche Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen im Belgien der Nachkriegszeit. Bart De Wevers Ernennung zum Premierminister ist ein Zeigen dafür, dass die belgische Bourgeoisie sowohl in ihrem flämischen als auch ihrem französischsprachigen Flügel, entschlossen ist, die letzten sozialen Errungenschaften zu zerstören, die die europäischen Arbeiter im Widerstand gegen den Nationalsozialismus errungen haben.

Der von De Wever am 24. November vorgelegte Haushalt beendet die Verknüpfung der Löhne mit der Inflation (zunächst allerdings nur für Gehälter über 4.000 Euro pro Monat) und erhöht das Rentenalter von 64 auf 67 Jahre. Er verdoppelt die Steuern für Verbraucher von Erdgas sowie für die Restaurants, Hotels und Sportevents. Er führt eine Steuer von 2 € auf Importe von Kleinpaketen ein, die bezeichnenderweise die Produkte betrifft, die Arbeiter im chinesischen Online-Marketing kaufen. Außerdem werden 100.000 der derzeit 526.000 erwerbsunfähigen Arbeitnehmer zur Aufnahme einer Arbeit gezwungen.

Der dreitägige landesweite Streik in der vergangenen Woche hat gezeigt, dass Arbeiterinnen und Arbeiter entschlossen sind, gegen diese unsozialen Maßnahmen zu kämpfen. Gleichzeitig wehren sie sich dagegen, dass die Regierung den Krieg gegen Russland finanziert und Steuersenkungen zugunsten der Reichen auf Kosten der Arbeiterklasse ermöglicht. Immer mehr Arbeitende verstehen instinktiv, dass Verhandlungen mit solchen Regierungen sinnlos sind, und dass man ihnen nur mit Klassenkampf beikommen kann.

Am 24. November fand ein erster landesweiter Transportstreik statt, von dem vor allem die Eisenbahn betroffen war. Der größte Teil des Zugverkehrs der Belgischen Staatsbahn (SNCB) wurde eingestellt, ebenso wie der Regionalverkehr in Lüttich, Namur und anderen Städten im französischsprachigen Wallonien. In Flandern war die Hälfte des Regionalverkehrs bei De Lijn betroffen, mit den stärksten Streiks in Antwerpen und Gent. Im Großraum Brüssel verkehrten nur eine Handvoll U-Bahnen und Busse.

Am 25. November weiteten sich die Streiks auf die Post, Schulen und Kindertagesstätten, die Müllabfuhr und staatlichen Krankenhäuser aus, wodurch die für diesen Tag geplanten Konsultationen verzögert wurden.

Am 26. November weiteten sich die Streikmaßnahmen weiter aus. Die Gewerkschaften hatten zu einem eintägigen nationalen Generalstreik aufgerufen, der landesweit befolgt wurde. Nun waren auch die Flughäfen von Brüssel und Lüttich geschlossen, Geschäfte und staatliche Verwaltungsgebäude blieben zu, und im ganzen Land wurden Streikposten vor Fabriken und Industriekomplexen errichtet. Das Volvo-Werk in Gent, das 6.500 Arbeiter direkt beschäftigt, war durch den Streik lahmgelegt.

Am Tag danach kam es in Lüttich zu Protesten, da Bouchez versucht hatte, in der Stadt politisch aufzutreten. Eine Menge von 600 Menschen, aufgerufen von antifaschistischen Gruppen über die sozialen Medien, versammelte sich um das Gebäude, in dem Bouchez sprechen sollte. Es kam zu Rangeleien mit der Bereitschaftspolizei, die plötzlich um das Gebäude herum aufgestellt war. Weit über die von den „antifaschistischen” Gruppen mobilisierten Kräfte hinaus, versucht die Arbeiterklasse jedoch, gegen die belgische Regierung und ähnliche Regierungen in ganz Europa zu kämpfen.

Der einzige Weg für die Arbeiterklasse, die Abwärtsspirale aus Krieg und gesellschaftlichem Rückschritt zu stoppen, besteht darin, Regierungen wie die von de Wever in Belgien und Meloni in Italien überall in Europa zu stürzen. Daraus sind politische Schlussfolgerungen zu ziehen: Ein solcher Kampf erfordert die Mobilisierung der Basis, unabhängig von den Bürokratien und unter Ablehnung ihrer Politik, die sich auf Appelle an Regierungspolitiker wie de Wever konzentriert. Notwendig ist die Errichtung der Arbeitermacht und die Umsetzung sozialistischer Politik.

Als erster Schritt in einem solchen Kampf muss eine Bewegung zur Vorbereitung eines Generalstreiks in Belgien und in ganz Europa aufgebaut werden. Der größte Verfechter dieser Strategie war Leo Trotzki. Er unterschied zwischen einem eintägigen nationalen Streik, der von der Bürokratie kontrolliert wird, und einem echten Generalstreik, wie zum Beispiel 1961 in Belgien und 1936 oder 1968 in Frankreich. In einem Artikel über den eintägigen Generalstreik, zu dem die französische Gewerkschaftsbürokratie CGT als Reaktion auf den gescheiterten Putsch der extremen Rechten in Paris am 6. Februar 1934 aufgerufen hatte, erklärte Trotzki:

Der Generalstreik ist seinem Wesen nach ein politisches Unternehmen. Er stellt die Arbeiterklasse in ihrer Gesamtheit dem bürgerlichen Staat entgegen. Er versammelt gewerkschaftlich Organisierte und Unorganisierte, sozialistische, kommunistische und parteilose Arbeiter. Er benötigt einen Presse- und Agitatorenapparat (…)

Der Generalstreik stellt direkt die Frage der Machteroberung durch das Proletariat. Die CGT kehrte und kehrt dieser Aufgabe den Rücken (der Blick der CGT-Führer ist auf den bürgerlichen Staat gerichtet) (…)

Und der Generalstreik vom 12. Februar 1934? Das war nur eine kurze und friedfertige Demonstration, die der CGT von den sozialistischen und kommunistischen Arbeitern aufgezwungen wurde. Jouhaux und Konsorten übernahmen die formelle Führung des Widerstands, eben um zu verhindern, dass er zum revolutionären Generalstreik wird. [Leo Trotzki, „Noch einmal: Wohin geht Frankreich?“, in: Wohin geht Frankreich?, Essen 2023, S. 99]

Dieser vor über 90 Jahren geschriebene Absatz beschreibt nicht nur die Rolle der Gewerkschaftsbürokratien und ihrer politischen Satelliten heute, sondern zeigt auch den Weg auf, der beschritten werden muss. Notwendig sind basisdemokratische Kampforganisationen der Arbeiterklasse, die unabhängig von den Gewerkschaftsbürokratien aufgebaut werden, sowie eine revolutionäre Führung, die sich auf die Verteidigung des Trotzkismus gegen den Pablismus durch das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) stützt.

Dies ist die Grundlage für einen Kampf, um das Hindernis des Stalinismus und Pablismus zu überwinden, um die Regierung De Wever zu stürzen und die Europäische Union durch die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa zu ersetzen.

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