Der italienische Generalstreik und die Proteste am 28. und 29. November: ein politisches Aufbegehren der Arbeiterklasse gegen Krieg und Austerität

Streikende Arbeiter im italienischen Florenz am 28. November 2025 [Photo by IzquierdaDieario.es]

Der italienweite Generalstreik am 28. November, der dritte in drei Monaten, auf den am 29. November landesweite Massenproteste folgten, überschnitt sich mit dem Internationalen Tag der Solidarität mit Palästina.

Die beiden Ereignisse sind Ausdruck der wachsenden Bewegung der italienischen Arbeiterklasse gegen die autoritäre Kriegspolitik der Meloni-Regierung, und allgemeiner der internationalen Arbeiterklasse gegen Angriffe auf demokratische Rechte, gegen imperialistischen Krieg und Völkermord. Unmittelbarer Auslöser war der Haushaltsplan für 2026, das „Manovra 2026“. Die Streikwelle ist jedoch Ausdruck eines weitaus tiefergehenden Widerstands gegen soziale Ungleichheit, sinkende Löhne, Militarisierung und Italiens Rolle in den globalen Kriegsplänen der Nato.

An dem Streik am 28. November, zu dem die Basisgewerkschaften USB, CUB, COBAS, SGB und weitere aufgerufen hatten, beteiligten sich zehntausende Beschäftigte des Transports-, Gesundheits- und Bildungswesens, des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft im ganzen Land. Der Bahn- und Flugverkehr wurde massiv beeinträchtig. Am Abend des 27. November begann ein 24-stündiger Bahnstreik, und ITA Airways strich mindestens 26 Flüge. Der öffentliche Nahverkehr in den Städten kam fast oder ganz zum Erliegen. Beschäftigte der Autobahnen legten die Arbeit nieder. Im Gesundheitswesen wurde nur der Notbetrieb beibehalten. An Schulen, städtischen Behörden und Logistikzentren gab es große Beteiligung.

Arbeiter sehen Austerität und Militarismus als zwei Seiten der gleichen Politik. In allen Bereichen bestehen die gleichen Probleme: sinkende Reallöhne, zunehmend unerträgliche Arbeitsbedingungen, immer höheres Rentenalter und die Weigerung des Staats, in soziale Bedürfnisse zu investieren, während Milliarden in die Aufrüstung fließen. Die Arbeiter forderten einen Mindestlohn von 2.000 Euro pro Monat, eine Senkung des Rentenalters auf 62 Jahre und eine umfassende Umverteilung öffentlicher Mittel von Waffen zu Gesundheits-, Bildungswesen und Wohnungen.

Diese Forderungen entlarven den wahren Klassen- und politischen Charakter von Manovra 2026: Es handelt sich um einen Kriegshaushalt. Während die Inflation die Einkommen schmälert und ganzen Regionen der soziale Zusammenbruch droht, hat die Regierung beschlossen, die Militärausgaben zu erhöhen, Italiens Rolle in den Nato-Operationen auszuweiten, die Mittel für grundlegende Dienstleistungen zu kürzen und die Bereicherung der Konzerne zu begünstigen.

Der Streik ist ein politisches Aufbegehren der Arbeiterklasse gegen eine kapitalistische Regierung, welche die Bevölkerung immer weiter in die Armut treibt, während sie das Land in immer gefährlichere globale Konflikte führt.

Einen Tag später, am 29. November, griff die Dynamik des Streiks auf die Straßen über. In Rom organisierten die USB, CUB und diverse palästinensische Solidaritätsgruppen einen Demonstrationsmarsch mit etwa 100.000 Teilnehmern, die von Piramide nach San Giovanni zogen. Der Protest verband Widerstand gegen den Kriegshaushalt mit der Verurteilung von Italiens Komplizenschaft beim Völkermord in Gaza. Er fiel mit dem Internationalen Tag der Solidarität mit Palästina zusammen und folgte auf wochenlange riesige Kundgebungen in ganz Europa, dem Nahen Osten sowie Nord- und Südamerika.

Die Demonstration in Rom wurde angeführt von der UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese, der Klimaaktivistin Greta Thunberg und dem brasilianischen Aktivisten Thiago Avila von der Globalen-Sumud-Flotille. Landesweit demonstrierten Zehntausende in Genua, Mailand, Bologna, Neapel und Turin. Parolen wie „Stoppt die Abkommen mit Israel, Sanktionen und Embargo jetzt“ zeigten die tiefsitzende Wut über den sogenannten Trump-„Waffenstillstand“, der von den Demonstranten als Betrug verurteilt wurde, da er die Rechte des palästinensischen Volks nicht anerkennt und es Israel erlaubt, seine Besetzung unter dem Deckmantel der Diplomatie auszuweiten.

Im Flugblatt für die Demonstration in Rom hieß es: „Dieser Waffenstillstand ist eine Lüge, mit der der illegitime Staat Israel seine Besetzung und koloniale Eroberung fortsetzen kann. Italien spricht vom Frieden, nachdem es Waffen geliefert und den Völkermord direkt unterstützt hat.“ Es wächst die Erkenntnis, dass der Krieg in Gaza untrennbar mit der umfassenderen imperialistischen Agenda der USA, der Nato und ihrer Verbündeten verbunden ist.

Dass bei den Demonstrationen am 29. November auch Parolen gegen Journalisten skandiert wurden, verdeutlichte eine weit verbreitete und berechtigte Feindschaft gegenüber den Mainstreammedien. Ihre Berichterstattung über den Völkermord in Gaza und die Streikwelle in Italien war durchweg falsch und verzerrt, wodurch sie sich mitschuldig gemacht haben. Die gegen die Presse gerichtete Wut bezog sich nicht nur auf Palästina. Sie war ein Ausdruck des Widerstands gegen die Rolle der Medien als Instrument des Staats, die Kriegsnarrative verbreiten und Diskussionen über den Kampf der Arbeiterklasse gegen Austerität abblocken.

Dieser Kontext ist wesentlich für das Verständnis der konstruierten politischen Empörung wegen der Äußerungen von Francesca Albanese über das Eindringen von Personen, die als pro-palästinensische Demonstranten identifiziert wurden, in die Redaktion von La Stampa. Albanese äußerte sich bei einer Veranstaltung der Global Movement to Gaza an der Universität Roma Tre sehr zurückhaltend.

Sie verurteilte das Eindringen, hob die Hände, um ihr Beharren auf gewaltfreiem Verhalten zu unterstreichen, und erklärte, die Redaktion verdiene volle Gerechtigkeit. Sie billigte die Aktion nicht und entschuldigte sie nicht. Ihre einzige „Provokation“, wenn man es so nennen kann, bestand darin, zu sagen, der Vorfall solle die Presse dazu veranlassen, sich „wieder auf die Fakten zu konzentrieren“.

Diese Aussage war unbedenklich und völlig zutreffend. Fast 80 Jahre lang, seit der Gründung des Staates Israel, hat die westliche Presse eine unverzichtbare Rolle dabei gespielt, Kriegsverbrechen zu beschönigen, die imperialistischen Interessen zu verschleiern und unterdrückte Bevölkerungsgruppen zu dämonisieren. Albanese erwähnte nicht einmal, dass staatliche Provokateure die Lage ausgenutzt haben könnten. Sie wies nur auf die lange Geschichte von Verzerrungen und Auslassungen der Medien hin.

Doch selbst das war für das politische und mediale Establishment unertragbar. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nutzte die Äußerungen, um sich als Verteidigerin der Pressefreiheit zu inszenieren und erklärte, es sei „grundfalsch“, den Medien irgendeine Verantwortung zuzuschieben. Ihre Empörung war sowohl eigennützig als auch politisch kalkuliert: Die Medien sind eine wesenliche ideologische Waffe des Staats, und jede Gefahr für ihre Glaubwürdigkeit bedroht die gesamte Herrschaftsstruktur.

Noch aufschlussreicher war jedoch die Reaktion der so genannten linken Mitte. Senator Filippo Sensi von der Partitio Democratico verurteilte Albaneses Äußerungen über die „faschistische Aggression“ gegen La Stampa als „schrecklich“, warf ihr herablassendes Verhalten vor und wies ihre Kommentare als unzumutbare Belehrung von Journalisten zurück.

Sensis Ausbruch offenbart den Rechtsruck der Demokraten. Da sie seit langem die Kriegspolitik der Nato und den Sicherheitsapparat unterstützt, zeigt die PD nun dieselbe dünnhäutige Intoleranz gegenüber abweichenden Meinungen wie die extreme Rechte. Ihre Vertreter wetteifern mit Meloni darin, die Rolle der Medien als unantastbare Säule des Staates zu verteidigen. Folglich wird selbst die beschränkteste Kritik als Angriff auf die Demokratie verurteilt.

Die unverhältnismäßige Aufmerksamkeit, die Albaneses Äußerungen erhielten, ist beabsichtigt. Angesichts von Massenstreiks und einer wachsenden politischen Bewegung der Arbeiter und Jugend versucht die herrschende Klasse, die Aufmerksamkeit von den Missständen abzulenken, die Hunderttausende auf die Straßen bringt. Indem sie einen nebensächlichen Vorfall zu einem nationalen Skandal aufbauschen, lenken die Medien die Aufmerksamkeit von ihrer eigenen Komplizenschaft bei der Kriegspropaganda und ihrer Unterdrückung der sozialen und politischen Krise ab, mit der Millionen von Menschen konfrontiert sind.

Hinter dieser Nervosität verbirgt sich die wahre Angst der herrschenden Klasse. Die Generalstreiks der letzten drei Monate, deren Höhepunkt die Aktionen am 28. und 29. November waren, haben eine zunehmend bewusste und politisch explosive Arbeiterklasse gezeigt. Die Arbeiter stellen den Zusammenhang zwischen Austerität, Militarismus und dem kapitalistischen System selbst her. Sie handeln unabhängig von den offiziellen Gewerkschaftsverbänden, die lange mit Staat und Arbeitgebern zusammengearbeitet haben. Selbst die CGIL, die am 12. Dezember begrenzte Aktionen plant, versucht vor allem, die Bewegung einzudämmen und nicht, sie zu fördern.

Die Streikwelle in Italien ist Teil einer breiteren internationalen Offensive der Arbeiter gegen Inflation, Ungleichheit und Krieg. Von Deutschland über Frankreich, vom Vereinigten Königreich bis zu den USA und vom Nahen Osten bis nach Lateinamerika entstehen die objektiven Bedingungen für eine globale Bewegung gegen den Kapitalismus. Das Potenzial dieser Bewegung ist nichts anderes als revolutionär.

Die Ereignisse vom 28. und 29. November stellen einen politischen Wendepunkt in Italien dar. Die Arbeiterklasse hat erneut als mächtige Kraft die Bühne der Geschichte betreten und fordert nicht nur die Meloni-Regierung, sondern den gesamten Kurs der Kapitalistenklasse auf Krieg, Austerität und Autoritarismus heraus. Die Aufgabe ist jetzt, die Führung und Organisation aufzubauen, die notwendig sind, um diese Kämpfe zu vereinen, sich von der Gewerkschaftsbürokratie zu befreien und den Kampf gegen Krieg mit dem Kampf für den internationalen Sozialismus zu verbinden.

Loading