Bollwerk Bärlin: Bundeswehr probt den Einsatz im Inneren und operiert bis nach Neuseeland und ins All

Diese Woche fand in Berlin eines der martialischsten Militärmanöver der Nachkriegszeit statt. Unter dem Tarnnamen „Bollwerk Bärlin“ ließ die Bundesregierung 250 schwer bewaffnete Soldaten des Wachbataillons beim Verteidigungsministerium in U-Bahnschächten und auf einem stillgelegten Fabrikgelände den Häuserkampf und den Einsatz gegen Gegner in urbanen Räumen trainieren.

Soldaten des Wachbataillons beim Training [Photo by Bundeswehr/Serkan Heerer]

Offiziell dient die Übung der „Vorbereitung auf den Verteidigungsfall“. In Wirklichkeit markiert sie einen qualitativen Sprung der Militarisierung im Inneren. Sie ist Teil der systematischen Vorbereitung der herrschenden Klasse auf Krieg nach außen und Repression nach innen.

Das Manöver ist Teil einer umfassenden militaristischen Offensive Deutschlands. Während die Regierung aufrüstet wie seit Hitler nicht mehr, operiert die Bundeswehr längst auf globalen Kriegsschauplätzen: Die Luftwaffe patrouilliert inzwischen bis nach Neuseeland, und mit der jüngst vorgestellten Weltraumsicherheitsstrategie reicht die deutsche Militärplanung bis ins All. Die Übung in Berlin steht in direktem Zusammenhang mit dieser weltweiten Eskalation.

Gleichzeitig können die Entwicklungen in Deutschland nicht getrennt von den Vorgängen in den Vereinigten Staaten betrachtet werden. Dort versucht der faschistische Präsident Donald Trump eine offen diktatorische Herrschaft zu errichten. Er mobilisiert militärische und paramilitärische Einheiten in den Innenstädten, um die wachsende Opposition gegen sein Oligarchenregime niederzuschlagen. Dieselbe Logik entfaltet sich in Europa – und besonders in Deutschland.

Die herrschende Klasse rüstet für einen globalen Krieg und bereitet sich darauf vor, den unvermeidlichen Widerstand der Arbeiterklasse gewaltsam zu unterdrücken. Die Militarisierung der Innenpolitik ist keine Nebenerscheinung, sondern integraler Bestandteil der Kriegsvorbereitung.

Wenn die Bundeswehr behauptet, das bedrohliche Auftrumpfen der Bundeswehr in Berlin diene der Vorbereitung auf einen russischen Angriff, ist das gleich doppelt gelogen. Zum einen bedroht nicht Russland Deutschland, sondern Deutschland und andere imperialistische Mächte haben Putins reaktionäre Invasion der Ukraine durch jahrzehntelange militärische Expansion und die Einkreisung Russlands provoziert. Nun nutzen sie den von ihnen selbst herbeigeführten Konflikt, um die Gesellschaft zu militarisieren und die Weichen für einen direkten Krieg gegen die rohstoffreiche und geostrategisch zentrale Atommacht zu stellen.

Zum anderen richtet sich die Übung gegen die eigene Bevölkerung. Die Wahl der Übungsorte ist bezeichnend: der öffentliche Raum und ein Fabrikgelände sind keine klassischen Kriegsschauplätze, sondern Orte, an denen Arbeiter demonstrieren, streiken oder sich gegen soziale Angriffe wehren. Die Bundeswehr trainiert für Einsätze gegen Proteste, Aufstände und Streikbewegungen – also gegen jene Millionen Menschen, die Krieg, Aufrüstung und soziale Verwüstung ablehnen.

Die Armee wird damit wieder zum Unterdrückungsinstrument im Innern, was in Deutschland eine lange und blutige Tradition hat. Bereits im Kaiserreich, der Weimarer Republik und unter den Nazis wurden das deutsche Militär und paramilitärische Kampfverbände zur Niederschlagung sozialer und politischer Proteste und revolutionärer Aufstände der Arbeiterklasse eingesetzt.

Seit Jahren arbeitet die Bundesregierung daran, den eigentlich vom Grundgesetz verbotenen Einsatz des Militärs im Inneren zu legalisieren. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marcus F. Röwekamp, erklärte in dieser Woche im Deutschlandfunk, die Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit sei „nicht mehr zeitgemäß“. Man müsse über eine Grundgesetzänderung diskutieren, die es ermögliche, die Bundeswehr bei „besonderen Bedrohungslagen“ im Inland einzusetzen. Dazu gehöre auch die „Vereinfachung“ militärischer Amtshilfe für die Polizei und der Einsatz von Bundeswehr-Drohnen zur Abwehr „gegnerischer Systeme“.

Die Militarisierung wird bewusst „normalisiert“. Für Bollwerk Bärlin verteilte die Bundeswehr Flyer an Anwohner, richtete eine Hotline ein und stellte einen Informationsstand auf – damit „sich niemand wundert, wenn vermummte Soldaten aus ihren Fahrzeugen steigen und in den U-Bahnhof laufen“, wie ein Sprecher erklärte. Das ist die schrittweise Gewöhnung der Bevölkerung an das Bild von Soldaten, die im öffentlichen Raum polizeiliche Aufgaben übernehmen.

Berlin ist nicht der einzige Ort solcher „Manöver“: In Bremerhaven trainierte die Bundeswehr 2024 im Rahmen von „Fishtown Guard“ den Kampf in der Stadt. In Hamburg fand im September die Übung „Red Storm Bravo“ statt, bei der Soldaten die Verlegung von Nato-Truppen nach Osten, die Niederschlagung von Anti-Kriegsdemonstranten und die Abwehr von Drohnenangriffen probten.

Parallel zur inneren Aufrüstung treibt die Bundesregierung die äußere Kriegsvorbereitung mit enormem Tempo voran. Nach der Verabschiedung von Kriegskrediten über eine Billion Euro, unterstützt von allen Bundestagsparteien einschließlich Linkspartei und Grünen, setzt Berlin immer größenwahnsinnigere Rüstungsprogramme um.

Am 19. November präsentierten Außenminister Johann Wadephul (CDU) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Deutschlands erste Weltraumsicherheitsstrategie. Bis 2030 sollen 35 Milliarden Euro in neue Raketen, Satelliten, Teleskope, Frühwarnsysteme und Bodenstationen fließen. Die Strategie ist Ausdruck eines offensiven deutschen Anspruchs im All.

Pistorius erklärte bei der Vorstellung der Strategie unverblümt: „Wir beobachten, dass Russland und China sich auch aufstellen, Einfluss zu nehmen auf andere Satelliten, also die von uns oder auch den Amerikanern. Das heißt: Der Weltraum militarisiert sich.“ Und dann: „Wir müssen in der Lage sein, uns offensiv im Sinne eines Gegenschlags zu wehren.“

Damit steigt die Bundesregierung in die gewaltsame Aufteilung des Weltraums ein – ein gigantischer Eskalationsschritt, der die Spannungen zwischen den Großmächten weiter verschärft.

Und die Kriegsoffensive reicht längst auch auf der Erde weit über Europa hinaus. Zum ersten Mal in der Geschichte übt die deutsche Luftwaffe aktuell im Südpazifik über Neuseeland. Der Kommodore des Geschwaders, Oberst Markus Knoll, erklärte, der Südpazifik diene als ideales Gelände, um Angriffe in komplexen Gebirgs- und Tiefflugszenarien zu trainieren – und sich damit auf zukünftige Kriegsszenarien gegen Russland und weltweit vorzubereiten. „Wenn wir es schaffen, die taktischen Fähigkeiten hier unten zu projizieren, also von uns aus gesehen am anderen Ende der Welt, dann schaffen wir das überall auf der Welt, insbesondere an der Nato-Ostflanke.“

Ein Kommentar des ZDF zum Manöver brachte die imperialistischen Ziele der deutschen Militäroffensive auf den Punkt. Es geht nicht um die Verteidigung von Freiheit und Demokratie, sondern um wirtschaftliche und geostrategische Interessen – vor allem gegenüber Russland und China, aber zunehmend auch gegen die USA. „Deutschland will nicht länger geopolitischer Trittbrettfahrer sein, sucht nach Verbündeten im Indopazifik, einer Region, die für die deutsche Wirtschaft überlebenswichtig ist, in der China immer aggressiver auftritt und die USA eigene Interessen verfolgen“, heißt es dort.

Und weiter: „Durch den Indopazifik und seine Seestraßen verlaufen die wichtigsten Handelsrouten der Welt. Allein durch die Straße von Malakka gehen 25 Prozent des Welthandels.“ Mit den Leitlinien zum Indopazifik habe die Bundesregierung 2020 „erstmals eigene geostrategische Interessen für die Region festgelegt. Aber neben der Diplomatie gehört militärische Glaubwürdigkeit dazu, wenn man geopolitische Ansprüche formuliert.“

Was das in letzter Konsequenz bedeutet, erklärt der neue Inspekteur des Heeres, Christian Freuding, in einem aktuellen Interview mit der F.A.Z.. Im Stil und Geist eines Wehrmachtsgenerals verlangt er, dass sich die deutsche Armee, die deutsche Industrie und die deutsche Bevölkerung insgesamt wieder auf die Möglichkeit eines totalen Kriegs vorbereiten.

„Wir müssen die Einsatzbereitschaft des Heeres auf dem Weg zur Kriegstüchtigkeit weiter erhöhen. Jeder Tag zählt, und wir haben wenig Zeit. Der Feind wartet nicht auf unsere Fertigmeldung“, so Freuding. Die zweite Priorität gelte „dem Aufwuchs“. Die Armee müsse „wachsen“ und dafür schaffe die Regierung „mit dem neuen Wehrdienstgesetz Voraussetzungen“. Zudem müsse man die „Technologiesprünge, die wir im Krieg Russlands gegen die Ukraine beobachten“, auch für das deutsche Heer „nutzbar machen“ und „eine Führungskultur“ etablieren.

Das Berliner Manöver ist Teil dieser umfassenden Kriegs- und Militarisierungsoffensive, die nicht nur rhetorisch an die Nazis erinnert. Die Herstellung der „Kriegstüchtigkeit“ nach außen bedeutet wie in der Vergangenheit unweigerlich die Militarisierung der gesamten Gesellschaft. Wie am Vorabend des Zweiten Weltkriegs hält die herrschende Klasse ihre imperialistischen Ziele nur für durchsetzbar, wenn sie zugleich eine autoritäre Staatsordnung errichtet.

Die deutschen Kriegsvorbereitungen stehen im offenen Widerspruch zu den Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung. Die Haushaltskürzungen, die Massenentlassungen, die Sparprogramme, das dramatische Anwachsen sozialer Ungleichheit und die Wiedereinführung der Wehrpflicht stoßen auf wachsende Opposition. Millionen Menschen lehnen die Kriegs- und Aufrüstungspolitik ab.

Gerade deshalb sieht sich die herrschende Klasse gezwungen, das Militär im Inneren zu stärken. Der Einsatz gegen Demonstranten, Streikende und Jugendliche wird vorbereitet, weil die Regierung weiß, dass sich ihre Politik nur mit Gewalt durchsetzen lassen wird.

Wie in den Vereinigten Staaten, wo Trump auf Diktatur setzt, reagiert auch die europäische Bourgeoisie auf die tiefste Krise des kapitalistischen Systems seit den 1930er Jahren mit Krieg nach außen und Repression nach innen. Die Parallelen zur Weimarer Republik und zur Machtübertragung an Hitler sind unübersehbar: Auch heute geht die herrschende Klasse dazu über, ihre imperialistische Neuaufteilung der Welt und ihre Angriffe auf die Rechte und Errungenschaften der Arbeiterklasse mit diktatorischen Mitteln durchzusetzen.

Die Arbeiterklasse kann und muss diese Entwicklung stoppen. Aber sie kann es nur, wenn sie ihre eigenen, unabhängigen Organisationen aufbaut und eine klare politische Perspektive entwickelt: eine internationale sozialistische Strategie, die den Kampf gegen Krieg untrennbar mit dem Kampf gegen seine Ursache verbindet – das kapitalistische Profitsystem.

Der Kampf gegen Bollwerk Bärlin, gegen die Militarisierung des Inneren, gegen die Weltraumstrategie und die „Weltkriegstüchtigkeit“ der Bundeswehr ist letztlich der Kampf gegen ein System, das Krieg und Unterdrückung hervorbringt. Er erfordert den Aufbau einer neuen sozialistischen Massenbewegung, die die Arbeiter in Deutschland, Europa und weltweit vereint und die Kriegsgefahr an ihrer Wurzel bekämpft.

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