Im Verlauf des nächsten Monats werden tausende Mitglieder von Jeremy Corbyns neuer Partei „Your Party” an regionalen Versammlungen teilnehmen, mit denen der Gründungsparteitag in Liverpool am 29. und 30. November vorbereitet werden soll.
Als Zarah Sultana und Jeremy Corbyn im Juli die Gründung einer neuen linken Partei ankündigen, um Starmers rechte autoritäre Regierung herauszufordern, unterzeichneten 850.000 Personen als Unterstützer.
Millionen von Arbeitern und Jugendlichen suchen einen Weg, um gegen die Kürzungspolitik, Völkermord, die Eskalation des imperialistischen Weltkriegs, den Aufstieg der extremen Rechten, die Klimakatastrophe und den Angriff auf demokratische Rechte Widerstand zu leisten. Hunderttausende erkennen, dass es notwendig ist, mit der Labour Party politisch zu brechen und eine neue Massenpartei der Arbeiterklasse aufzubauen, die für Sozialismus kämpft.
Doch „Your Party“ ist keine derartige Partei.
Corbyn hat deutlich gemacht, dass es sich bei der Partei, die er und Sultana aufbauen, um eine Labour Party 2.0 handeln soll. Zu den wichtigsten Initiatoren gehören Bürokraten aus den Reihen der Labour Party und der Gewerkschaften wie Karie Murphy, die unter Corbyn geschäftsführende Direktorin des Büros des Oppositionsführers war, der ehemalige Unite-Generalsekretär und lebenslange Stalinist Andrew Murray und James Schneider, ein Mitbegründer der Corbyn-Unterstützergruppe Momentum. Ein weiterer Mitbegründer von Momentum ist Jon Lansman, der unter Corbyn dafür verantwortlich war, die Labour Party von linken Mitgliedern zu säubern. Sie alle gründen mit der „Your Party“ eine reformistische politische Organisation mit dem Ziel, eine politische Abrechnung der Arbeiterklasse mit der Labour Party zu blockieren und die Entstehung einer echten sozialistischen Massenpartei gegen den Kapitalismus zu verhindern.
Die „Grundsatzerklärung“ von Your Party, die aus bloß 263 Wörtern besteht und ihre „allgemeinen Prinzipien und Ziele“ zusammenfasst, ist eine Ansammlung von Phrasen, die die Partei zu nichts verpflichten.
Sie werde eine „von den Mitgliedern geführte sozialistische Partei“ sein, die „für Frieden, Gleichheit, soziale Gerechtigkeit und internationale Solidarität“ stehe und „den Reichtum und die Macht, die jetzt in den Händen einiger weniger konzentriert ist, an die überwältigende Mehrheit einer demokratischen und sozialistischen Gesellschaft übertragen“ wolle.
Doch wie soll der Reichtum und die Macht der kapitalistischen Oligarchie und des britischen Staates an die Mehrheit „übertragen“ werden? Die Worte „Kapitalismus“, „Enteignung“ und „sozialistische Revolution“ kommen nicht vor. Werden die riesigen Monopolkonzerne, Banken und Milliardäre ihren Reichtum friedlich abgeben, nur weil Gesetze es von ihnen verlangen oder die Bevölkerung von unten Druck ausübt?
Die „allgemeinen Prinzipien“ von Your Party hängen frei in der Luft, außerhalb von Zeit und Ort. Es gibt keinen einzigen Verweis auf die konkreten politischen Ereignisse und Erfahrungen in der Welt oder in Großbritannien, die eine sozialistische und internationalistische Massenpartei der Arbeiterklasse so notwendig machen.
Trumps Bestrebungen, in den USA eine faschistische Diktatur zu errichten, die Förderung rechtsextremer Parteien in ganz Europa und der weltweite Ausbruch von imperialistischer militärischer Gewalt, darunter Israels anhaltender Völkermord an den Palästinensern, um Trumps „Neuen Nahen Osten“ zu verwirklichen, zeigen die brutale Realität des Kapitalismus: die herrschende Klasse wird vor nichts haltmachen, um ihren Reichtum und ihre Macht gegen ausländische Rivalen und die Arbeiterklasse im Inland zu verteidigen.
In den Dokumenten von Your Party gibt es keinen Verweis auf die Geschichte. Corbyn gibt keine Erklärung, wie und warum sich die 125 Jahre alte Labour Party in ein rücksichtsloses Werkzeug rechtsextremer Politik verwandeln konnte. Es gibt keine Analyse der großen Kämpfe der Arbeiterklasse in Großbritannien oder weltweit. Your Party bezeichnet sich als sozialistisch, hat aber nichts über die Russische Revolution oder den Kampf Leo Trotzkis gegen den Verrat der Revolution durch die stalinistische Bürokratie zu sagen. Selbst aus den letzten zehn Jahren werden keine Lehren gezogen, da dies die Initiatoren der Your Party, darunter Corbyn selbst, und ihre weltweiten Verbündeten (Bernie Sanders in den USA, Jean-Luc Mélenchon in Frankreich und Yanis Varoufakis in Griechenland) als Verräter an der Arbeiterklasse entlarven würde.
In seiner Grundsatzerklärung definiert Corbyn Sozialismus als den Kampf mit dem Ziel, „die Kräfteverhältnisse auf allen Ebenen der Gesellschaft“ durch „Organisation und Kampagnen in Gemeinden und Betrieben, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen“ zu verschieben. Doch in den letzten 40 Jahren bestand die wesentliche Tätigkeit der Gewerkschaften gerade darin, „Macht“ und Vermögen von der Arbeiterklasse an die Konzerne und den Staat zu verschieben.
Die Erklärung verspricht zwar eine „größtmögliche gesellschaftliche Koalition, bei der die Arbeiterklasse im Mittelpunkt steht“. Doch deren unabhängigen Interessen werden verkommenen „Koalitionen“ mit kapitalistischen Parteien und klassenübergreifenden Bündnissen mit „sozialen Bewegungen“ untergeordnet, die vom gehobenen Kleinbürgertum dominiert werden. Mögliche Koalitionspartner sind etwa die Grünen – eine Partei, die die Nato verteidigt – und Corbyns Independent Alliance of MPs („Unabhängiges Abgeordnetenbündnis“, darunter Ayoub Khan, der den Einsatz des Militärs gegen streikende Arbeiter in Birmingham gefordert hatte).
Die Satzung und Geschäftsordnung der Partei, die ebenfalls am 17. Oktober veröffentlicht wurden, kommen einer bürokratischen Intrige gleich. Darin ist vorgesehen, dass der Gründungsparteitag vollständig von Corbyns wichtigsten Unterstütztern kontrolliert wird, wobei die Delegierten des Parteitags zufällig per „Sortierung“ ausgewählt werden und als Individuen statt als gewählte Vertreter eines Ortsverbands teilnehmen. Die Ortsverbände selbst haben kein Recht, Änderungen oder Resolutionen zur Debatte vorzulegen.
Die Satzung verbietet Mitgliedern aus anderen nationalen Parteien den Beitritt – „es sei denn, das CEC [„Zentrales Exekutivkomitee“, führendes Parteigremium] legt etwas anderes fest”. Mitglieder dürfen sich keinen „Organisationen anschließen oder sich an ihnen beteiligen, die die Werte der Partei untergraben.“ Beide Vorgaben werden benutzt werden, um diejenigen auszuschließen, die „marxistischen Sekten“, wie Corbyns wichtigste Verbündete sie verächtlich bezeichnen, angehören.
Rund 40 Prozent des Exekutivkomitees wird aus nicht gewählten, von Mitgliedern des Gremiums selbst handverlesenen Personen ernannt. Die Abgeordneten von Corbyns Independent Alliance werden die neue Partei zwischen dem Gründungsparteitag und der Wahl des Exekutivkomitees im nächsten März „vorläufig“ leiten. Dass ein Modell für die Parteiführung durch eine Einzelperson festgelegt wird, widerlegt Zarah Sultanas Äußerungen, sie werde die Partei gemeinsam mit „Jeremy“ führen.
Pseudolinke Bauernfänger
Trotz ihres reformistischen Programms und der üblen politischen Vergangenheit ihrer wichtigsten Initiatoren haben sich sämtliche kleinbürgerlichen pseudolinken Gruppen – von der Socialist Workers Party bis hin zur Revolutionary Communist Party – hinter Your Party gestellt und die Behauptung verbreitet, sie könne in ein Werkzeug zum Aufbau des Sozialismus verwandelt werden.
Sie versuchen, die gleiche üble Rolle wie in den Jahren 2015-19 zu spielen, als sie Corbyns Wahl zum Labour-Parteichef hochgelobt und als Wetterleuchten des Sozialismus im 21. Jahrhundert ausgegeben hatten. Stattdessen verriet Corbyn sein Mandat zum Kampf gegen Kürzungspolitik und Krieg, das ihm die Mitglieder erteilt hatten. Er kapitulierte bei jeder Gelegenheit vor den Angriffen der rechten Blair-Anhänger in der Labour Party, autorisierte eine freie Abstimmung über Luftangriffe auf Syrien, unterstützte die Nato und das Trident-Atomwaffenprogramm, wies Labour-Kommunalverwaltungen an, die Kürzungen der konservativen Regierung umzusetzen, und weigerte sich, die vom britischen Staat konstruierte Kampagne gegen „linken Antisemitismus“ zu bekämpfen, mit der seine eigenen Anhänger unterdrückt und die Linke kriminalisiert wurde.
Corbyn erwähnt diese Geschichte nicht. Sultanas kurzer Kommentar zu den „Kapitulationen des Corbynismus“ wurde rasch zurückgenommen. Die britischen Pseudolinken beteiligen sich bereitwillig an dieser Vertuschung, verbergen ihre eigene üble Vergangenheit und machen sich erneut, in einer viel gefährlicheren Situation, zu Corbyns Komplizen.
RS21, eine Abspaltung von der Socialist Workers Party, veröffentlichte am 8. Oktober eine üble Erklärung, die beispielhaft für all diese opportunistischen Gruppierungen war:
„Die letzten Wochen waren steinig und herausfordernd. Verantwortungslose politische Führer und Bürokraten der Bewegung haben ernsthaften Schaden angerichtet. Unsere Schwierigkeit, über die Grenzen des Corbynismus hinauszugehen, spiegelt sich in der Schwäche der heutigen Linken in Großbritannien und den desorganisierten Zustand der Arbeiterklasse. Diejenigen, die die Macht haben, ein neues politisches Projekt ins Leben zu rufen, kommen aus Bereichen wie der Labour-Linken und den Gewerkschaftsbürokratien, in denen es vor kleinlichen Fraktionsmanövern, bürokratischen Intrigen und Mobbing wimmelt. Und sie verfügen über keine klare politische Basis.“
Nachdem sie die Verkommenheit der wichtigsten Gründer der Your Party geschildert haben, schieben sie die Verantwortung für ihre eigene „Schwierigkeit“, über den Corbynismus hinauszugehen, dem „desorganisierten Zustand der Arbeiterklasse“ zu. Danach kommen diese politischen Schurken zu ihrem zentralen Argument: eine neue Massenpartei der Arbeiterklasse ist nur dann legitim, wenn Labour Party und Gewerkschaften dieser Partei ihren Segen geben.
Sie betonen, Your Party stelle eine Gelegenheit dar, eine „neue Schicht von Militanten und eine kollektive Führung aufzubauen, die die heutige Arbeiterklasse repräsentiert.“ Sie rufen auf: „Wir müssen diese Gelegenheit ergreifen, statt abzuwarten... Die Chance, eine sozialistische Massenpartei aufzubauen, die ernsthaft für die Entwicklung der Eigenaktivität der Arbeiterklasse eintritt, ist zu groß, um sie so früh schon aufzugeben. Wir wollen mit Linken und Aktivisten bei den Grünen zusammenarbeiten, ohne unsere übergeordneten Ziele aufzugeben.“
Ja, eine sozialistische Massenpartei der Arbeiterklasse ist dringend notwendig. Eine solche Partei muss international sein und die britischen Arbeiter mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Rest der Welt verbinden und sie muss die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von der Kapitalistenklasse und deren Dienern in der Labour Party und den Gewerkschaften zum Prinzip machen. Außerdem muss sie sich für den Aufbau von Organisationen der einfachen Arbeiter in allen Betrieben und Stadtvierteln einsetzen, um die Arbeiterklasse mit dem Ziel zu mobilisieren, das Vermögen der Oligarchie zu enteignen, den Widerstand des Staates zu überwinden und die wirtschaftliche und politische Macht in die Hände der Arbeiterklasse, der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung, zu legen.
Eine solche Partei wird nur entstehen in einem entschlossenen Kampf für sozialistisches Bewusstsein in der Arbeiterklasse gegen die reformistische und prokapitalistische Politik von Corbyn, Sultana und ihren pseudolinken Unterstützern. Um den Imperialismus zu besiegen, braucht die Partei eine Führung, die sich auf die Lehren der Geschichte und den ein Jahrhundert langen Kampf der trotzkistischen Bewegung für die Strategie der sozialistischen Weltrevolution gründet. Diese Partei ist die Socialist Equality Party, die britische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.
Entscheidet euch heute, Mitglied zu werden, und beteiligt euch daran, die wirkliche sozialistische Massenpartei der Arbeiterklasse in den bevorstehenden Klassenkämpfen aufzubauen.
