Neue Coronawelle: „Frankenstein“-Variante breitet sich rasant aus

Weitgehend ignoriert von Regierungen und Gewerkschaften breitet sich rasant eine neue SARS-CoV2-Variante aus: die „Stratus“ oder „Frankenstein“-Variante XFG. Sie sorgt für hohe Krankenstände an Kitas und Schulen und in der Pflege und wird das Heer der Long-Covid-Patienten noch weiter vergrößern. Derweil setzt die Bundesregierung ungerührt ihre Kürzungen im Gesundheitswesen fort.

Eine Frau passiert ein Coronavirus-Testzentrum in Duisburg, 12. Oktober 2021 [AP Photo/Martin Meissner]

Die „Stratus“-Variante ist in kurzer Zeit zur weltweit vorherrschenden Variante geworden und verzeichnet in allen Hauptregionen der WHO (Westpazifik, Nord- und Südamerika, Europa) ein „substanzielles“ Wachstum. In Deutschland machte sie Anfang Oktober 2025 schon 84 Prozent der nachgewiesenen SARS-CoV-2-Varianten aus. Auch in Österreich und der Schweiz ist die XFG-Variante dominant und bestimmt in der Schweiz bis zu 80 Prozent der Viruslast im Abwasser.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet seit September einen deutlichen Anstieg an akuten Atemwegserkrankungen, die alle Altersgruppen betreffen. Als Erreger wurden neben den Rhinoviren am zweimeisten die SARS-CoV-2-Viren festgestellt.

Laut RKI-Daten lag die geschätzte Covid-19-Inzidenz in der zweiten Oktoberwoche bei rund 600 Corona-Erkrankungen pro 100.000 Einwohner – in der Vorwoche waren es etwa 400. Die Dunkelziffer ist sehr groß, da nur noch äußerst wenig und unsystematisch getestet wird.

Die Bezeichnung „Frankenstein“-Variante ist keine Übertreibung, sondern die präzise Beschreibung eines genetischen Monsters. XFG ist eine rekombinante Variante aus den Omikron-Linien LF.7 und LP.8.1.2, also der genetische Zusammenbau von Bestandteilen unterschiedlicher Virentypen zu einer neuen, resistenteren und „fitteren“ Variante. Die Ansteckung ist sehr hoch, und infizierte Patienten berichten neben schon bekannten Symptomen wie Husten, Schnupfen, Fieber, Müdigkeit über intensive („rasierklingenartige“) Halsschmerzen.

Die Zahl der Long-Covid-Patienten wird zweifellos weiter ansteigen. Schon Ende 2024 hat Deutschland mehr als 1,5 Millionen Long-Covid- oder ME/CFS-Patienten registriert, wobei der Unterschied fließend ist: Die schwere chronische Multisystemerkrankung ME/CFS, die auch schon sehr junge Patienten betrifft, ist häufig die Folge einer Covid-19-Infektion. Sie führt oft zu vollständiger und dauerhafter Arbeitsunfähigkeit, denn die Genesungsrate liegt bei nur etwa 5 Prozent pro Jahr.

Doch Institutionen wie das RKI und die Regierung wiegeln ab. Es fehlen systematische Testreihen und Studien über die klinischen Auswirkungen, und die Berichterstattung über schwere Verläufe (z. B. auf Intensivstationen) wurde „wesentlich reduziert“. Das System fliegt absichtlich im Blindflug.

Das RKI und das Gesundheitsministerium empfehlen den Senioren, Vulnerablen und Pflegekräften, sich in Eigeninitiative impfen zu lassen. Über die STIKO-Impfempfehlung für Risikogruppen hinaus sind keine Notfallpläne, Schutzmaßnahmen oder öffentliche Ansprachen zur XFG-Welle vorgesehen. Die regierende Koalition in Berlin ignoriert bewusst die Ausbreitung und behandelt Covid-19 als private Erkrankung, vergleichbar mit einer Grippe, bei der jeder selbst verantwortlich ist.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat beschlossen, an der Präsenzpflicht in den Schulen festzuhalten. Sie sieht im Herbst 2025 trotz steigender XFG-Zahlen von flächendeckenden Masken- oder Testkonzepten ab. Die Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hält eisern an ihrem Plan fest, 1,8 Milliarden Euro allein in den Krankenhäusern einzusparen. Der Gesundheitsetat wurde von 64 Milliarden Euro (2022) auf 20 Milliarden Euro (2025) auf weniger als ein Drittel zusammengestrichen.

Das Verharmlosen der Pandemie hat europaweit und weltweit seit Jahren Methode. So schätzt die WHO das Risiko trotz der alarmierenden Ausbreitung von XFG momentan als „gering“ ein, da „derzeit keine Hinweise darauf vorliegen, dass diese Variante zu einer schwereren Erkrankung oder zu mehr Todesfällen führt als andere zirkulierende Varianten“. Diese Risikoeinschätzung ist zynisch nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass in Europa laut WHO-Schätzungen rund 36 Millionen Menschen an Long-Covid erkrankt sind.

Die WHO hat die IHR Standing Recommendations für Covid-19 bis April 2026 verlängert, was zeigt, dass die herrschende Klasse die Pandemie nicht als beendet ansieht. Das ist das offizielle Eingeständnis des „Dauerzustands der Infektion“. Die Medizin konstatiert: „Das Virus ist gekommen, um zu bleiben“, wie es der Medizinjournalist Dr. med Christoph Specht ausdrückte. „Wir werden immer mit dem Virus zu tun haben“, sagte er gegenüber ntv.de.

Die Technical Advisory Group on Covid-19 Vaccine Composition (TAG-CO-VAC), die der WHO angehört, hält die aktuellen Antigene (JN.1 oder KP.2) für weiterhin geeignet und betont, sie würden wirksam vor symptomatischer und schwerer Krankheit schützen. Dieser Fokus auf den Schutz vor schwerer Krankheit zeigt, dass bewusst darauf verzichtet wird, die Infektion zu eliminieren.

So kann sich „Frankenstein“ ungehindert in den Kitas, Schulen, Pflegeheimen und über die öffentlichen Verkehrsbetriebe in der ganzen Gesellschaft ausbreiten. Der Krankenstand wird weiter in die Höhe schnellen. Schon bisher ist die Zahl der Krankschreibungen anhaltend hoch. Nach Angaben der AOK wurden im letzten Jahr 228 Krankschreibungen pro 100 AOK-Mitglieder registriert, und für dieses Jahr werden bereits noch höhere Zahlen erwartet. Der Hauptgrund sind Atemwegserkrankungen, die für mehr als jeden dritten Ausfall verantwortlich sind.

Bewusst wird in Kauf genommen, dass Senioren und Vulnerable gefährlich erkranken, und dass Pflegeheime, Krankenhäuser, Kitas und Schulen an ihre Grenzen kommen bis hin zum Kollaps. Von den Beschäftigten im Bus- und Bahnverkehr, den Erzieherinnen, Lehrkräften und dem Pflegepersonal etc. wird erwartet, dass sie trotz geringem Lohn alle Ausfälle schultern und ausgleichen, während ihre Eltern, Großeltern und vulnerablen Verwandten erkranken und zu Pflegefällen werden – für die es immer weniger und immer teurere Pflegeplätze gibt.

Die Corona-Folgen für die Arbeiterklasse sind das Ergebnis der bewussten Entscheidung aller politisch Verantwortlichen seit Beginn der Pandemie. Während ernsthafte Wissenschaftler warnten, ließen die kapitalistischen Regierungen sehenden Auges die Durchseuchung der Gesellschaft zu, weil ein Shutdown der Produktion die Profite der Großkonzerne gefährdet hätte.

Profite vor Leben – so lautet seither das allgemeine Motto. Auf dieser Grundlage konnte das SARS-CoV-2-Virus unkontrolliert zirkulieren und neue, flucht-mutierte und „fittere“ Linien– wie eben die aktuelle Variante XFG – hervorbringen, die sich noch leichter ausbreiten.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) und die World Socialist Web Site haben schon früh vor der Pandemie gewarnt und sich konsequent für eine globale Eliminierungsstrategie eingesetzt. Im April 2021 hat das IKVI die ungebremste Ausbreitung des Coronavirus zum Anlass genommen, die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) ins Leben zu rufen.

In der Gründungserklärung der IWA-RFC, die am Ersten Mai 2021 zu einer „globalen Gegenoffensive der Arbeiterklasse“ aufrief, heißt es:

Die Pandemie ist ein welthistorisches Ereignis, dessen Nachwirkungen noch Jahrzehnte spürbar sein werden. (…) Die Pandemie wird weitergehen, bis die Arbeiterklasse als bewusste und unabhängige Kraft aktiv wird, um der herrschenden Kapitalistenklasse die Kontrolle zu entreißen und das Vorgehen gegen das Virus selbst zu bestimmen und zu organisieren. (…)

[Die Internationale Arbeiterallianz] wird ein Instrument sein, mit dem Arbeiter auf der ganzen Welt Informationen austauschen und einen vereinten Kampf organisieren können, um den Schutz der Beschäftigten, die Schließung unsicherer Betriebe und nicht notwendiger Produktionsstätten und andere Notfallmaßnahmen durchzusetzen, die notwendig sind, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen.

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