In drei Wochen, am Dienstag, den 4. November, wird der Demokrat Zohran Mamdani wahrscheinlich zum nächsten Bürgermeister von New York gewählt.
Mamdani gewann im Juni die Vorwahlen der Demokraten mit einem überraschenden Sieg über den Favoriten des Parteiapparats, den ehemaligen Gouverneur von New York Andrew Cuomo. Mamdanis Sieg war Ausdruck einer bedeutenden Linksentwicklung breiter Bevölkerungsschichten.
In den vier Monaten seit seinem Sieg bei den Vorwahlen der Demokratischen Partei hat Mamdani jedoch einen systematischen politischen Rückzug angetreten. Er hat sich von früheren Positionen verabschiedet – darunter die Forderung nach einer Entfinanzierung der Polizei, das Ziel, die Macht der Superreichen in New York zu brechen, und seine Unterstützung des Slogans „Globalize the Intifada“, der weltweit für eine breite Mobilisierung gegen den israelischen Völkermord in Gaza steht.
Stattdessen hat Mamdani auf einer Reihe von Treffen hinter verschlossenen Türen mit Vertretern der Immobilienkonzerne, der Börse und der Großbanken geplaudert. Außerdem hat er wichtige Berater aus dem Establishment der Demokratischen Partei ins Boot geholt, um zu signalisieren, dass von seiner Regierung nichts Radikales zu erwarten wäre, auch wenn er den bisherigen demokratischen Bürgermeister Eric Adams ablöst, ein verhasster Gauner und Trump-Handlanger, der früher Polizeikapitän war.
Teile der herrschenden Klasse und des Establishments der Demokraten haben aufgrund von Mamdanis jüngstem Kurs ihre Haltung geändert. Die New York Times hat seit ihrem Leitartikel „Anyone but Mamdani“ (Jeder außer Mamdani) im Juni noch immer keine offizielle Position zu den Wahlen bezogen. Aber ihre Nachrichten- und Meinungsseiten haben sich faktisch zu einer Wahlkampfplattform für den demokratischen Kandidaten entwickelt.
Dies erreichte in den letzten Tagen einen Höhepunkt, als die Times ein halbes Dutzend Artikel und Kolumnen mit insgesamt fast 25.000 Wörtern – die Länge eines Kurzromans – veröffentlichte, in denen Mamdani als brillante, charismatische und historisch bedeutende Persönlichkeit dargestellt wurde.
Einige Anmerkungen müssen zu dem längsten dieser Artikel gemacht werden – einer Titelstory des New York Times Magazine von Astead Herndon mit der überschwänglichen Überschrift „Inside the Improbable, Audacious and (So Far) Unstoppable Rise of Zohran Mamdani“ (Einblick in den unwahrscheinlichen, kühnen und [bislang] unaufhaltsamen Aufstieg von Zohran Mamdani).
Herndon liefert Details über Mamdanis Bemühungen, sich bei der Führungsspitze der Demokratischen Partei einzuschmeicheln, und zitiert den langjährigen Spendensammler der Demokraten, Robert Wolf:
„Für mich ist Zohran eher ein progressiver Kapitalist“, sagte Wolf zu mir und fügte hinzu, dass er sich bei ihren privaten Begegnungen davon überzeugt habe, dass Mamdani die Bedeutung eines florierenden Privatsektors in seinem New York verstehe. „Er ist jemand, der herausfinden will, wie man die Regierung in angemessener Weise für Dinge einsetzen kann, die der Gleichberechtigung und den Benachteiligten helfen.“
Herndon bemerkt weiter, dass Mamdani im Zuge dieser politischen Anpassung seine Positionen „optimiert“ habe, was eine grobe Untertreibung ist:
Er hat deutlich gemacht, dass er Mieter unterstützen will, nicht Vermieter bestrafen. Er will die öffentliche Bildung fördern, nicht mit der Brechstange gegen Eliteschulen vorgehen. Er unterstützt die Rechte der Palästinenser, ist aber kein Antizionist. In Bezug auf die Polizeiarbeit hat er wichtige Zugeständnisse gemacht. Vor allem hat er deutlich gemacht, dass er in Bezug auf seine vorgeschlagene Millionärssteuer kompromissbereit ist. Nennen wir es Mamdani 2.0.
Mit anderen Worten: Mamdani propagiert die Fiktion, dass es in der kapitalistischen Gesellschaft keine grundlegenden Gegensätze und keine unüberbrückbaren Konflikte zwischen Klasseninteressen gibt. Es sei möglich, Arbeiter zu unterstützen, ohne sich gegen die Oligarchen zu stellen, die sie ausbeuten; Palästinenser zu unterstützen, ohne sich gegen den Staat zu stellen, der sie ermordet; Einwanderer zu unterstützen, ohne sich gegen die Institutionen zu stellen, die sie inhaftieren, foltern und deportieren.
Mamdanis Leugnung des Klassenkonflikts bedeutet die Unterordnung der Arbeiterklasse unter die Interessen der Kapitalistenklasse durch den Mechanismus der Demokratischen Partei. Das ist die wesentliche Funktion nicht nur der Mamdani-Kampagne, sondern aller Bestrebungen der „Linken“ der Demokratischen Partei, einschließlich Bernie Sanders, Alexandria Ocasio-Cortez und den Democratic Socialists of America.
Mamdanis Programm eines „progressiven Kapitalismus“ wird vollständig widerlegt durch seine eigene Reaktion auf Trumps Kurs für eine Präsidialdiktatur. Trump hat bereits begonnen, von einem „kommunistischen New York“ zu sprechen. Wenn Mamdani zum Bürgermeister gewählt wird, erwarten ihn sofort heftige Angriffe. Trump hat mit einer direkten Intervention gegen New York gedroht und es bleibt abzuwarten, ob die Oligarchie einen auch nur nominell linksliberalen Politiker an der Spitze des Finanzzentrums des Weltkapitalismus tolerieren würde.
Unter diesen Umständen traf Mamdani die sehr bewusste und wohlüberlegte Entscheidung, zu erklären, dass Trump „Anerkennung verdient“, wenn der Waffenstillstand in Gaza hält. „Anerkennung“ für einen Präsidenten, der nach seinem Vorgänger Joe Biden das Blutbad an zehntausenden Palästinensern angeführt und bewaffnet hat und derzeit unter dem Banner eines „Waffenstillstands“ eine neokoloniale Operation der ethnischen Säuberung und imperialistischen Herrschaft in Gaza vorantreibt.
Wie Sanders, Ocasio-Cortez und das Magazin Jacobin – das inoffizielle Organ der DSA – hat Mamdani fast völliges Schweigen darüber gewahrt, dass Trump versucht, eine Polizei- und Militärdiktatur in den Vereinigten Staaten zu errichten.
Bei einer Kundgebung am Montagabend in Washington Heights, einem Stadtteil von Manhattan, trat Mamdani Seite an Seite mit der Generalstaatsanwältin von New York, Letitia James, auf. James wurde letzte Woche von der Trump-Regierung unter dem Vorwand des Hypothekenbetrugs angeklagt – offensichtlich ein Akt der Vergeltung, weil sie eine Zivilklage gegen die Trump Organization wegen Fälschung von Steuer- und Eigentumsunterlagen gewonnen hatte.
In seiner Rede bezeichnete sich Mamdani nicht als „demokratischer Sozialist“ und erwähnte weder den Sozialismus (noch den Kapitalismus). Die Arbeiterklasse benannte er nur einmal. Und er sagte nichts über Trumps Entsendung des Militärs in Städte wie Chicago, Los Angeles und Portland oder seine Drohungen eines Einmarschs in New York. Er ging auch nicht auf Trumps Drohungen ein, das Aufstandsgesetz (Insurrection Act) anzuwenden oder linken Widerstand als „Terrorismus“ zu brandmarken.
Auf direkte Fragen der Presse bei anderen Gelegenheiten hatte Mamdani bereits erklärt, dass er auf den Einsatz von Truppen gegen die New Yorker Bevölkerung reagieren würde, indem er 200 Anwälte engagiert und Klagen einreicht. Das heißt, er stützt sich auf ein Justizsystem, in dem alle Wege zum Obersten Gerichtshof führen, der wiederum von der extremen Rechten kontrolliert wird und in dem drei der neun Richter von Trump persönlich ausgewählt wurden.
Mamdani vertritt die Politik der Democratic Socialists of America, die als Fraktion der Demokratischen Partei agieren. Die „linke“ Rhetorik der DSA verschleiert ihre wahre Rolle: die politische Entwaffnung und Demobilisierung der Arbeiterklasse angesichts der größten Bedrohung der demokratischen Rechte in der modernen amerikanischen Geschichte.
In einer Analyse nach den Vorwahlen im Juni erklärte die WSWS, dass Mamdanis Sieg eine Reihe von Mythen der amerikanischen Politik erschüttert habe. Er widerlegte den Mythos, der Sozialismus wirke „toxisch“ für amerikanische Arbeiter und Jugendliche und Trumps Wiederwahl markiere einen Rechtsruck in der amerikanischen Bevölkerung. Die Tatsache, dass eine Mehrheit der jüngeren jüdischen Wähler für Mamdani stimmten, widerlegt außerdem die Behauptung, Kritik am Völkermord in Gaza sei „antisemitisch“ oder politischer Selbstmord.
Die Begeisterung für Mamdani ist jedoch eine Mischung aus politischer Naivität und mangelndem historischen Verständnis. Die Bezeichnung dieses ziemlich konservativen Halbreformisten der wohlhabenden Mittelschichten als „Sozialist“ spiegelt ein geringes politisches Bewusstsein wider. Tatsächlich ist Mamdanis Programm selbst nach den Maßstäben der sozialliberalen Demokraten und progressiven Republikaner der 1960er Jahre eher konservativ und sicherlich nicht „sozialistisch“. Seine verschiedenen Manöver mit Oligarchen und Immobilienmagnaten sind schon die Vorbereitung auf die Zeit nach der Wahl, wenn er seine Versprechen und Prinzipien unweigerlich aufgeben wird.
Die Hinwendung der amerikanischen herrschenden Klasse zu Diktatur zeigt sich in Trumps offenem Kurs auf ein Präsidial- und Militärregime und der Weigerung der Demokraten, sich dagegen zu stellen. Diese Entwicklung macht deutlich, dass es unmöglich ist, die Bedürfnisse der großen Mehrheit der Bevölkerung mit den Interessen des Finanzkapitals in Einklang zu bringen. Mamdanis Programm und Perspektive sind bereits bankrott, bevor er überhaupt ins Amt kommt.
Leere populistische Demagogie, kombiniert mit Versicherungen gegenüber der Wall Street, dass er keine Gefahr für die bestehende Ordnung darstellt, und Schweigen über die existenzielle Bedrohung der Demokratie durch die Trump-Regierung – das ist die Wahlkampagne von Zohran Mamdani. Arbeiter und junge Menschen in New York und darüber hinaus sollten alle Illusionen ablegen und sich darauf vorbereiten, für eine echte sozialistische Alternative zum Kapitalismus zu kämpfen, die von der Socialist Equality Party in den USA und der Sozialistischen Gleichheitspartei in Deutschland vertreten wird.