Pariser Gipfel: Die „Koalition der Willigen“ will gegen Russland Soldaten in der Ukraine stationieren

Der französische Präsident Emmanuel Macron bei einer Rede im britischen Parlament am 8. Juli 2025 [Photo by Roger Harris/House of Lords 2025 / CC BY-NC-ND 4.0]

Über das Gipfeltreffen der sogenannten „Koalition der Willigen“ am 4. September in Paris ist bisher nur wenig bekanntgeworden. Mehr als 30 Staats- und Regierungschefs versammelten sich dort unter Vorsitz des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Es ging um die Entsendung von Soldaten in die Ukraine, was eine deutliche Eskalation des Kriegs gegen Russland bedeuten würde.

Die von Großbritannien und Frankreich angeführte Koalition konnte sich jedoch bei ihrem achten Treffen auf keine substanziellen Maßnahmen einigen. Nach wie vor sind die europäischen imperialistischen Mächte stark von Washington abhängig, und sie reagieren darauf mit verstärkter Aufrüstung, um den Krieg gegen Russland in eigener Regie zu eskalieren. Dies geht in jedem Land mit umfassenden Sparmaßnahmen einher, die sich in erster Linie gegen die Arbeiterklasse richten.

Emmanuel Macron, Friedrich Merz und der britische Premier Keir Starmer trafen sich mit den übrigen Staats- und Regierungschefs Europas und mit Vertretern Kanadas und Australiens, ehe sie am Nachmittag mit US-Präsident Donald Trump telefonierten. Macron gab bekannt, dass 26 Staaten in irgendeiner Form Unterstützung für die Ukraine „zu Land, zu Wasser, in der Luft oder im Cyberspace“ zugesagt hätten, falls es zu einem Waffenstillstands- oder Friedensabkommen mit Russland komme. Gleichzeitig droht Macrons aktueller französischer Regierung jedoch am Montag zum zweiten Mal in kurzer Zeit das Aus.

Sechs Monate nach dem ersten Treffen der „Koalition der Willigen“ im März haben bisher nur Großbritannien, Frankreich und Estland offiziell bestätigt, dass sie Bodentruppen in die Ukraine entsenden werden. Es ist weiterhin völlig unklar, wie viele Soldaten jedes Land stellen soll.

Die Koalition wurde als Reaktion auf Trumps Versuch gegründet, sich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu verständigen. Die europäischen Mächte befürchten, dadurch um ihren Anteil an der Beute ukrainischer und russischer Rohstoffe und Märkte geprellt zu werden. Vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine im Jahr 2022 ­– den die Imperialisten, vor allem die USA, bewusst provoziert hatten – setzten Großbritannien, Frankreich und Deutschland lange Zeit stark darauf, dass das transatlantische Bündnis mit dem US-Imperialismus es ihnen ermöglichen werde, die Ukraine und Russland gemeinsam auszuplündern. Um dies zu erreichen, schränkten sie sogar die Einfuhr von billigem russischem Gas massiv ein, obwohl dieses für die europäische Industrie wichtig ist.

Doch aufgrund von Trumps „America First“-Politik betrachtet Washington die europäischen Mächte zunehmend nicht als Verbündete, sondern als Rivalen in einer rasant fortschreitenden Neuaufteilung der Welt. Der amerikanische Möchtegern-Diktator hat nicht nur in Aussicht gestellt, auf Kosten der Europäer ein Abkommen mit Putin zu schließen, sondern im Rahmen seines globalen Handelskriegs auch Zölle von 15 Prozent auf alle Importe aus der Europäischen Union verhängt. Die World Socialist Web Site schrieb letzten Monat nach Trumps Gipfeltreffen mit Putin in Alaska:

Trump, der die Tradition der ultrarechten „America First”-Bewegung aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs wiederbelebt, spricht für Schichten der amerikanischen herrschenden Klasse, die sich auf den Krieg im Pazifik und die Konfrontation mit China ausrichten. Diese Perspektive hat er mit Zoll- und Handelskriegsmaßnahmen gegen die europäischen Mächte gekoppelt. Für diese Fraktion bietet der Rückzug aus dem Russland-Ukraine-Konflikt potenzielle Vorteile: die Sicherung des Zugangs zu lebenswichtigen Ressourcen in Russland und der Ukraine, die Lockerung von Moskaus Bündnis mit Peking und die Schwächung des europäischen Imperialismus.

Die europäischen Imperialisten sind entschlossen, ihre militärische Abhängigkeit von Washington durch ein wahnsinniges Aufrüstungsprogramm zu verringern. Die EU hat 800 Milliarden Euro für das Programm „Rearm Europe“ bereitgestellt. Deutschland hat ein Sondervermögen von einer Billion Euro für sein Militär und die Modernisierung kriegswichtiger Infrastruktur aufgesetzt.

Doch die Umsetzung all dieser Pläne braucht Zeit, und vor allem gilt es für die Herrschenden, die noch vorhandenen Zugeständnisse an die europäische Arbeiterklasse aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg abzuschaffen. Deshalb reagierten sie auf Trumps Kurswechsel mit dem Versuch, ein potenzielles Abkommen zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml zu sabotieren. Um die USA im Krieg zu halten, stellten sie für Russland völlig inakzeptable Forderungen wie die Entsendung von Nato-Truppen in die Ukraine.

Macron, Starmer und Merz unterstützen den Plan des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, mit europäischem Geld US-Waffen im Wert von 90 Milliarden Dollar zu kaufen. Laut der New York Times wurde ein Nato-Beschaffungsmechanismus eingerichtet, der den Kauf von Waffen von US-Rüstungsunternehmen durch die europäischen Staaten im Wert von einer Milliarde Dollar pro Monat ermöglicht. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Hightech-Waffen wie Marschflugkörper und Luftabwehrsysteme. Da die europäischen Mächte gleichzeitig ihre eigene Aufrüstung fortsetzen, beschleunigen diese Summen den Klassenkrieg der herrschenden Elite gegen die Arbeiter weiter.

Der Kreml reagierte auf Macrons Ankündigung vom Donnerstag erwartungsgemäß mit der Drohung, in der Ukraine stationierte westliche Truppen anzugreifen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte am Rande eines Wirtschaftsforums in Wladiwostok: „Wir betrachten das – die Präsenz internationaler oder ausländischer Streitkräfte, von Streitkräften aus Nato-Staaten auf ukrainischem Boden nahe unserer Grenze – als Gefahr für uns.“ Putin erklärte, dass Russland jeden Nato-Soldaten auf ukrainischem Staatsgebiet als „legitimes Ziel“ betrachten werde.

Es bleibt unklar, ob Trump die von Macron und Starmer vorgeschlagenen „Sicherheitsgarantien“ für die Ukraine ausdrücklich unterstützen wird. Macron behauptete, Trumps Zusage, einer solchen Truppe im Falle eines russischen Angriffs US-Schutz zu gewähren, werde in den kommenden Tagen eingeholt. Ohne Unterstützung der USA, vor allem der US-Geheimdienste und Luftstreitkräfte, scheint eine Stationierung europäischer und kanadischer Truppen in der Ukraine derzeit unmöglich.

Sicher ist jedoch, dass die europäischen imperialistischen Mächte einen brutalen Angriff auf die Arbeiterklasse vorbereiten, um die Mittel für die Eskalation des Kriegs gegen Russland aufzubringen und ihre eigenen globalen Interessen unabhängig von Washington rücksichtslos zu verfolgen. In Deutschland hat Merz‘ schwarz-rote Koalition einen „Herbst der Reformen“ angekündigt und plant Kürzungen der Sozialausgaben in zweistelliger Milliardenhöhe, um die Kosten für Aufrüstung und Krieg zu decken.

Der französische Premier François Bayrou wird am Montag vermutlich eine Misstrauensabstimmung verlieren, wenn seine unpopuläre Minderheitsregierung einen Haushaltsplan mit Ausgabenkürzungen von 44 Milliarden Euro vorlegen wird, um Frankreichs massives Aufrüstungsprogramm zu finanzieren. Im politischen Establishment herrscht zwar Einigkeit darüber, mehr für den Krieg auszugeben, doch Bayrou gilt als unfähig, die notwendigen Angriffe auf die Arbeiterklasse durchzusetzen.

Die bisher angekündigten Kürzungen sind nur eine Anzahlung. Eine Aufrüstung in dem Ausmaß, wie es die europäischen Imperialisten fordern, angesichts eines sich rapide entwickelnden dritten Weltkriegs, wird jedoch ähnliche diktatorische Regime erfordern wie das, das Trump in den USA zu errichten versucht.

Deshalb fördern Teile der herrschenden Klasse in allen großen europäischen Staaten systematisch die rechtsextremen Parteien. In Deutschland sind die Pläne, die AfD an die Macht zu bringen, weit fortgeschritten. In Frankreich versicherte der Parteichef des Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, letzte Woche französischen Wirtschaftsführern in einem Brief, dass eine RN-Regierung Kürzungen in Höhe von 100 Milliarden Euro durchsetzen könnte – mehr als doppelt so viel wie die von Bayrou und Macron vorgeschlagenen Kürzungen.

Die sogenannten „linken“ Parteien unterstützen die Aufrüstung des europäischen Imperialismus auf Kosten der Arbeiterklasse nicht weniger entschieden. Die deutsche Linkspartei hat im Bundesrat für die Kriegskredite in Höhe von einer Billion Euro gestimmt. Zudem nutzte die Linkspartei ihre Stimmen im Bundestag, um Merz‘ Wahl zum Kanzler sicherzustellen Sie unternimmt nichts, um die Arbeiter gegen den Angriff der Regierung auf ihren Lebensstandard zu mobilisieren.

In Frankreich hat Jean-Luc Mélenchons Wahlbündnis Neue Volksfront letztes Jahr ausdrücklich die Entsendung von „Friedenstruppen“ in die Ukraine gefordert. Mélenchon hat sich angesichts des Zusammenbruchs der internationalen Nachkriegsordnung dafür ausgesprochen, die nationalen Interessen des französischen Imperialismus aggressiver durchzusetzen. Und die Gewerkschaftsbürokratien ihrerseits vertreten allesamt die Interessen ihrer „eigenen“ nationalen Bourgeoisie in einem wahnsinnigen Wettlauf um Aufrüstung und den Schutz der Unternehmensprofite.

Der Widerstand gegen die Eskalation des imperialistischen Kriegs muss von der Arbeiterklasse in ganz Europa und der Welt ausgehen. Es herrscht weit verbreiteter Widerstand gegen die Rückkehr der imperialistischen Barbarei, und in den letzten zwei Jahren gab es eine massenhafte Beteiligung an Protesten gegen Israels von den USA unterstützten Völkermord an den Palästinensern.

Dieser Widerstand muss mit den auflebenden Kämpfen der Arbeiter gegen die Zerstörung von Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen verbunden werden. Angetrieben werden diese Kämpfe von der immer schärferen Krise des Weltkapitalismus und den Bestrebungen der herrschenden Eliten, große Teile der zivilen Industrie auf Kriegsproduktion umzustellen. Dieser Kampf kann nur auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms erfolgreich sein. Er muss zum Ziel haben, dem Kapitalismus – der Ursache von Krieg, Diktatur und sozialem Elend der Arbeiterklasse – ein Ende zu setzen.

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