Köln: Polizei geht brutal gegen Friedensdemonstranten vor

Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg. 86 Jahre danach geht der deutsche Staat wieder mit brutalen Repressionsmaßnahmen gegen Demonstranten vor, die seine imperialistische Kriegstreiberei ablehnen. In Köln kesselte die Polizei am Samstag fast elf Stunden lang Teilnehmer einer Friedensdemonstration ein, überwiegend Jugendliche und junge Menschen.

Der Beginn der Demonstration wurde von der Polizei mit Vorwänden um rund eine Stunde verzögert [Photo: WSWS]

Der Polizeieinsatz war von Anfang an auf ein gewalttätiges Vorgehen ausgerichtet. Denn der diesjährigen Demonstration des Kölner Friedensforums hatten sich mehrere Tausend Teilnehmende des Camps „Rheinmetall entwaffnen“ angeschlossen. Das Camp, das sich gegen einen führenden deutschen Rüstungskonzern richtet, war 2018 von unterschiedlichen Gruppen und Initiativen ins Leben gerufen worden. In diesem Jahr stellte es seine Zelte vom 25. August bis 1. September in einem Park inmitten der Kölner Innenstadt auf.

Die Kölner Polizei hatte versucht, das Camp im Vorfeld zu verbieten. Doch das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster kippte schließlich die Entscheidung der Polizei und des Verwaltungsgerichts Köln. Von den geplanten Diskussionen, Vorträgen, Workshops und künstlerischen Aktionen gehe „keine Gefahr aus“.

Offensichtlich beschloss die Polizei dann, ein Exempel zu statuieren. Laut Polizeiangaben wurden 1600 Polizisten in schwerer Kampfmontur eingesetzt. Wasserwerfer und Räumpanzer standen abseits am Rheinufer zur Verfügung. Zahlreiche Gruppen von jeweils 10 bis 15 Polizisten standen in den Nebenstraßen des Kundgebungsortes und entlang der Demonstrations-Route zum Einsatz bereit.

Schon der Beginn des Demonstrationszuges verzögerte sich um rund eine Stunde, weil die Polizei die Demo mit immer neuen Vorwänden blockierte, wie verbotene Metallstangen oder Verstöße gegen das Vermummungsverbot.

Mehrmals wurde der Demonstrationszug wegen fadenscheinigen Anschuldigungen von der Polizei aufgehalten, bevor er nach etwa der Hälfte der geplanten Route gegen 18 Uhr vollständig zum Stehen gebracht wurde.

Die Polizei gab als Gründe „Angriffe auf Einsatzkräfte und wiederholte Verstöße gegen das Versammlungsrecht“ an. Teilnehmende hätten „sich vermummt, Rauchtöpfe gezündet und Schutzbewaffnung angelegt“. Mit Schlägen und Pfefferspray griff die Polizei den am Ende der Demo gehenden so genannten „Revolutionären Block“ an, um mehrere Hundert Menschen von den restlichen Demonstrierenden abzutrennen. Allein dabei gab es mehrere Dutzend Verletzte.

Der Lautsprecherwagen wurde gestürmt, dabei seien angeblich Gas- und Spiritusflaschen gefunden worden. Der gesamte Block wurde von Hundertschaften eingekesselt. Weitere Polizeieinheiten und das schwere Gerät wurden herangezogen. Stoßtrupps der Polizei drangen immer wieder mit Gewalt in den Kessel ein und zogen willkürlich einzelne Personen heraus. Die Tagesschau berichtet, die Polizei habe 524 Personalien aufgenommen. Die Polizei nahm ihren Angaben zufolge einen Tatverdächtigen wegen Widerstands fest und zwei Personen in Gewahrsam.

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Ein Sanitäter berichtete, eine Person sei am Kehlkopf verletzt worden, was potentiell lebensgefährlich sei.

Ein im Gesicht Verletzter erklärte unseren Reportern vor Ort, dass er von einem Polizisten mit der Faust ins Gesicht geschlagen wurde. Nach einer medizinischen Untersuchung wurde er von Polizisten zur erkennungsdienstlichen Behandlung hinter die Polizeiabsperrung abgeführt. Auf die Frage, ob der Verursacher der Verletzung ermittelt wurde, antwortete ein Polizist, er gehe hier und grundsätzlich von der Rechtmäßigkeit des Handelns der „Kollegen“ und deshalb von keiner Straftat seitens der Polizei aus.

Auch gegen Beobachter und Journalisten ging die Polizei rabiat vor. Der parlamentarischen Beobachterin der Partei Die Linke wurde der Zutritt verweigert. Ein junger Journalist wurde, obwohl er sich mit seinem Presseausweis kenntlich machte, kurzzeitig in Gewahrsam genommen.

Selbst sich solidarisierende Anwohnerinnen und Anwohner, die die Eingeschlossenen u. a. mit Wasser versorgen wollten, wurden von der Polizei bedrängt. Laut Beobachtern wurde die medizinische Versorgung verletzter Personen teilweise gezielt behindert.

Der gemeinnützige Verein Demosanitäter berichtet, auf der Demo selbst habe er am Samstag insgesamt 147 Personen behandelt („64 x Pfefferspray, 52 x chirurgisch, 16 x psychisch, 15 x internistisch, davon 13 x Rettungsdienst, 5 x Krankenhaus selbstständig“). Im „Rheinmetall entwaffnen“-Sanitätscamp gab es „weitere 218 Behandlungen, davon über die Hälfte nach und während der Demonstration (mehrfach öffentlicher Rettungsdienst)“. Der Verein schließt: „Von einer hohen Dunkelziffer am Samstag ist auszugehen.“

Der Ort der Einkesselung war offensichtlich bereits weit im Vorfeld durch die Polizei ausgewählt worden. So waren unmittelbar neben dem Polizeikessel sogar mobile Toiletten aufgebaut – für die Polizisten, nicht für die eingekesselten Demonstrierenden.

Die Polizeigewalt in Köln ist der bisherige Höhepunkt der eskalierenden Angriffe des Staatsapparates auf alle, die sich der Kriegstreiberei und dem Genozid in Gaza widersetzen. Erst letzte Woche gingen die Bilder brutaler Faustschläge mehrerer Polizisten gegen die Irin Kitty O’Brien durch die sozialen Medien, die in Berlin gegen den Völkermord an den Palästinensern und die Ermordung von Journalisten im Gaza-Streifen demonstrierte.

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Die junge Irin wurde nicht nur mehrfach ins Gesicht geschlagen, bei ihrer Festnahme wurde ihr auch der Arm gebrochen. Diese Brutalität hatte weltweit Proteste gegen die deutsche Polizei und die Bundesregierung ausgelöst. Irlands Botschafter in Deutschland, Maeve Collins, sowie hochrangige Beamte des irischen Außenministeriums sahen sich bemüßigt, die deutschen Behörden zu kontaktieren, um ihre Besorgnis zu übermitteln.

Die Polizeigewalt ist eine direkte Folge der sozialen und politischen Pläne der Bundesregierung unter Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD). Sie steckt eine Billion Euro in Aufrüstung und Krieg, führt die Wehrpflicht wieder ein und will Deutschland zur größten europäischen Militärmacht aufbauen. Sie heizt den Krieg gegen Russland in der Ukraine mit Waffenlieferungen in zweistelliger Milliardenhöhe an und riskiert damit bewusst einen Angriff der zweitgrößten Atommacht auf Deutschland.

Gleichzeitig schützt sie die Profite und die Vermögen der Reichen und Konzerne mit Steuersenkungen und Milliardengeschenken vor den Folgen des internationalen Zoll- und Handelskriegs.

Dies erfordert massive Angriffe auf die Arbeiterklasse – auf ihre Arbeitsplätze, Löhne, Renten und Sozialleistungen. Kanzler Merz hat bereits angekündigt, den Sozialstaat, so wie er jetzt existiert, abzuschaffen.

Die Kriegspolitik und die sozialen Angriffe können nicht mit demokratischen Methoden durchgesetzt werden. Die Bundesregierung lässt die Polizei von der Leine, weil sie sich gezielt auf eine Auseinandersetzung mit der Arbeiterklasse vorbereitet. Zur Wahrung ihrer Profite und des Fortbestands des kapitalistischen Systems schreckt sie vor keiner Untat zurück, wie ihre Unterstützung des Genozids im Gazastreifen zeigt.

Bei der Errichtung autoritärer Herrschaftsformen sind Merz und die CDU/CSU auch bereit, mit der AfD zu paktieren. Deshalb hat die Regierung die migrationsfeindliche Agenda der AfD übernommen und schon mehrfach mit ihr kooperiert.

Der Widerstand gegen Krieg und Faschismus und der Kampf gegen Sozialabbau sind eng miteinander verbunden. So wichtig Proteste und Demonstrationen sind, werden sie die Herrschenden nicht zur Umkehr bewegen. Es ist notwendig, die Arbeiterklasse, die entscheidende revolutionäre Kraft in der kapitalistischen Gesellschaft, für ein sozialistisches Programm zu gewinnen, das für den Sturz des Kapitalismus und für die Reorganisation der Wirtschaftsproduktion sowie des gesellschaftlichen Lebens zum Nutzen aller und nicht nur für den Profit der Reichen eintritt.

Dafür treten die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Jugendorganisation International Youth and Students for Social Equality ein. Vertreter der SGP und der IYSSE waren am Samstag und Köln und haben den IYSSE-Aufruf gegen die Wehrpflicht verteilt. Dieser schließt:

Wir rufen alle jungen Menschen auf: Organisiert euch an Schulen, Unis und Ausbildungsstätten gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht! Diskutiert diesen Aufruf mit euren Mitschülern, Kommilitonen und Kollegen! Nehmt mit uns Kontakt auf und werdet Mitglied der IYSSE!

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