Die rechte Regierung unter der Nea Dimokratia (ND) in Griechenland hat beschlossen, alle Asylanträge von Flüchtlingen aus Nordafrika für drei Monate auszusetzen. Die Maßnahme wurde am 11. Juli mit 174 von 300 Stimmen im griechischen Parlament durchgesetzt.
In einem Interview mit der Boulevardzeitung Bild verteidigte Premierminister Kyriakos Mitsotakis die Maßnahme mit den Worten: „Griechenland ist kein offener Korridor. Die Reise ist gefährlich, der Ausgang ungewiss, und jedes an Schlepper gezahlte Geld ist letztlich verschwendet. Illegale Überfahrten führen nicht zu einem Aufenthaltsrecht.“
Der Beschluss ist ein Todesurteil für viele verzweifelte Menschen, die vor wirtschaftlicher Not, politischer Verfolgung oder Krieg fliehen und dabei ihr Leben riskieren. Sie werden in ihr Herkunftsland oder das Land, aus dem sie geflohen sind, zurückgeschickt, ohne die Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Nach Angaben des Nachrichten- und Informationsdienstes InfoMigrants stammen die meisten Betroffenen aus Somalia, Sudan, Ägypten und Marokko.
Der Schritt erfolgte vor dem Hintergrund einer Zunahme von Flüchtlingen, die aus Libyen auf die Insel Kreta gelangen. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) haben in diesem Jahr bisher mehr als 16.800 Migranten Griechenland auf dem Seeweg erreicht, davon über 7.000 auf Kreta. Laut Vassilis Kikilias, dem Minister für Schifffahrt und Inselpolitik, sei die Zahl der auf Kreta angekommenen Migranten im Vergleich zum Vorjahr um 350 Prozent gestiegen.
Die Aussetzung der Asylanträge ist Teil eines umfassenderen Maßnahmenpakets, das in einem neuen Gesetzentwurf enthalten ist, der am 17. Juli zur Debatte vorgelegt wurde. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Haftdauer für Migranten ohne Papiere von 18 Monaten auf zwei Jahre zu verlängern. Derzeit sind über 2.000 Menschen in Haftanstalten unter unmenschlichen Bedingungen ohne angemessene Infrastruktur, Reinigung oder medizinisches Personal festgehalten.
Gemäß dem Gesetzentwurf sollen Flüchtlinge, die das Land nach Ablehnung ihres Asylantrags nicht verlassen, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren ohne Bewährung und einer Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt werden können. Migranten ohne Papiere erhalten keinen automatischen Rechtsstatus mehr, wenn sie nachweisen können, dass sie sich seit mindestens sieben Jahren im Land aufhalten.
Der Gesetzentwurf stammt von Makis Voridis, einem faschistischen Politiker, der 2012 nach seinem Ausschluss aus der rechtsextremen Partei LAOS (Orthodoxer Volksalarm) der heutigen Regierungspartei ND beitrat. Voridis war bis Ende Juni dieses Jahres Migrationsminister, musste jedoch zurücktreten, nachdem er in eine Untersuchung der Europäischen Union (EU) wegen des Missbrauchs von Subventionen für griechische Landwirte verwickelt worden war.
Mitsotakis signalisierte, dass die Regierung ihre Antiflüchtlingspolitik unvermindert fortsetzen werde, indem er Thanos Plevris zum Nachfolger von Voridis ernannte. Plevris ist ein weiterer Überläufer aus der LAOS, der etwa zur gleichen Zeit wie Voridis der ND beitrat. Er ist der Sohn des berüchtigten faschistischen Antisemiten Konstantinos Plevris, der als Beamter in der griechischen Militärjunta von 1967 bis 1974 diente. Thanos Plevris selbst hat früher offen zur Tötung von Flüchtlingen aufgerufen. Bei einer Veranstaltung der rechten Zeitschrift Patria im Jahr 2011 erklärte Plevris: „Grenzsicherheit kann es nicht geben, wenn es keine Opfer gibt, und um es klar zu sagen, wenn es keine Toten gibt.“
In derselben Rede forderte er brutale Maßnahmen, um Migranten von vornherein davon abzuhalten, ins Land zu kommen. Er drohte Einwanderern: „Wenn Du hier bist, gibt es nicht nur keine Sozialleistungen, du wirst auch nichts zu essen und zu trinken kriegen, du kannst nicht ins Krankenhaus gehen und du wirst den anderen in Pakistan sagen: Hier geht es uns schlimmer.“ Man müsse Migranten in Griechenland abschrecken. „Die Hölle soll ihnen wie das Paradies erschienen, nach dem was sie hier erlebt haben!“
In einem Interview mit Skai TV Anfang Juli wiederholte Plevris seine faschistischen Tiraden von vor 14 Jahren: „Wir sagen dem griechischen Volk Folgendes: Wir werden keine Invasion aus Nordafrika mit einem kontinuierlichen Zustrom von Booten tolerieren. Und das ist auch eine klare Botschaft an den Rest Europas.“
Was „Abschreckungsmaßnahmen“ angeht, erklärte er, dass „die Regierung von nun an eine drastische Kürzung der Leistungen [für Asylbewerber] vornehmen wird“, und kündigte gleichzeitig Pläne an, die Verpflegung in den Haftanstalten zu kürzen, die er als „hotelähnlich“ bezeichnete. Er erklärte: „In Asylzentren gibt es derzeit viermal täglich drei Gerichte zur Auswahl. Das Einwanderungsministerium ist kein Hotel nach dem Motto: ‚Ich stelle einen Asylantrag, ich esse, schlafe, bekomme 75 Euro Sozialleistungen und wenn mein Antrag angenommen wird, erhalte ich [zusätzliche Leistungen].‘ Ich habe darum gebeten, dass das aufhört.“
Die neuen Maßnahmen stellen eine brutale Verschärfung der flüchtlingsfeindlichen Politik der griechischen Regierung dar, die seit Jahren illegale „Pushbacks“ (Zurückweisungen) durchführt. Das katastrophale Schiffsunglück von Pylos am 14. Juni 2023 war das Ergebnis eines solchen Pushback-Versuchs.
Auf dem Weg von der libyschen Hafenstadt Tobruk nach Italien kenterte das Schiff Adriana vor der Küste von Pylos, nachdem es von der griechischen Küstenwache in italienische Gewässer geschleppt worden war. An Bord waren schätzungsweise 750 Menschen – über 600 ertranken, darunter viele Frauen und Kinder, die unter Deck festsaßen.
Anfang Juni urteilte nun ein Gericht in Piräus, dass Angehörige der griechischen Küstenwache wegen Hunderter vermeidbarer Todesfälle auf der Adriana strafrechtlich verfolgt werden sollen.
Die neuen Maßnahmen Griechenlands stehen im Einklang mit der Migrationspolitik der EU. In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom 26. Juni wurde „die besorgniserregende Lage in Libyen und ihre möglichen Folgen auch für die Sicherheit Europas sowie für die Migrationsströme“ angeführt. Der Rat fordert die „Verhinderung und Bekämpfung irregulärer Migration, auch durch neue Wege im Einklang mit dem EU-Recht und dem Völkerrecht“ sowie „Bemühungen zur Erleichterung, Verstärkung und Beschleunigung der Rückkehr unter Einsatz aller einschlägigen EU-Richtlinien, Instrumente und Werkzeuge“.
Unter Berufung auf diese Argumente befürwortete Markus Lammert, Sprecher für Inneres, Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit bei der Europäischen Kommission, die Entscheidung der griechischen Regierung, Asylanträge auszusetzen, und erklärte, Griechenland befinde sich in einer „Ausnahmesituation“. „Alle Maßnahmen Griechenlands müssen vor diesem Hintergrund verstanden werden“, sagte er und fügte hinzu: „Wir sind bereit, diese Unterstützung weiter zu verstärken, und wir werden weiterhin eng zusammenarbeiten, wenn es darum geht, die Arbeit mit den Partnerländern zu intensivieren.“
Dies wurde von Plevris bestätigt, der in einem Interview mit der griechischen Tageszeitung Proto Thema deutlich machte, dass die neuen Maßnahmen in Absprache mit der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden: „Wir sind nicht mehr in der Ära, in der [die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela] Merkel Flüchtlinge willkommen hieß, jetzt wollen wir nicht mehr, dass sie sich die Mühe machen, zu kommen.“
Tatsächlich hat auch Merkel eine flüchtlingsfeindliche Politik betrieben. Aber seit dem Ende ihrer Amtszeit hat sich die Haltung aller Regierungen gegenüber Asylbewerbern und Flüchtlingen noch weiter verschärft. Eine Vielzahl von Berichten aus den letzten zehn Jahren belegt, dass die EU-Grenzschutzagentur Frontex seit langem in die Pushbacks involviert ist, die von Griechenland und anderen Mitgliedstaaten durchgeführt werden, um die „Festung Europa“ abzuschotten.
Die pseudolinke Partei Syriza stellt sich als Gegnerin der migrantenfeindlichen Agenda der Regierung dar. Ihre Abgeordneten haben gegen die Aussetzung der Asylverfahren gestimmt. Zu Plevris’ Ernennung schrieb Syriza-Chef Sokratis Famellos auf X: „Es ist provokativ, dass das Amt des Migrationsministers erneut mit einem ehemaligen LAOS-Mitglied besetzt wird, der den Tod von Flüchtlingen und Migranten an der Grenze gefordert hat.“
Aber Syriza war zwischen 2015 und 2019, als sie an der Regierung war, ein williger Komplize der Festung Europa. Zehntausende Flüchtlinge wurden in ihrer Amtszeit interniert, im Rahmen eines schmutzigen Deals, den Griechenland und die Türkei 2016 geschlossen hatten. Dieses Abkommen sah vor, dass alle Flüchtlinge, die aus der Türkei nach Griechenland kamen, bis zur Bearbeitung ihrer Fälle interniert und dann in die Türkei zurückgeschickt werden sollten.
Die Brutalität dieser Politik zeigte sich im Lager Moria auf der Insel Lesbos, das von der BBC als „schlimmstes Flüchtlingslager der Welt“ bezeichnet wurde und 2020 niederbrannte. Hilfsorganisationen haben immer wieder die entsetzlichen Zustände in Moria verurteilt, das von Insassen als „Hölle auf Erden“ beschrieben wurde.