Italien: Die wachsende Zahl tödlicher Arbeitsunfälle und die Notwendigkeit von Aktionskomitees

Demonstration am 1. Mai in Rom [Photo by Confederazione Generale Italiana del Lavoro]

Am 25. August wurde der 58-jährige Demetrio Rima, Wartungsarbeiter bei Cebat Spa, bei Wartungsarbeiten in einem Enel-Kraftwerk zwischen Sparanise und Francolise in der Provinz Caserta durch einen Stromschlag getötet. Sein Tod ist Teil einer größeren Serie von tödlichen Arbeitsunfällen in Italien. Seit Anfang 2025 starben 873 Arbeiter – durchschnittlich ein Todesfall alle sechs Stunden.

Laut der Nationalen Beobachtungsstelle für Todesfälle am Arbeitsplatz ereigneten sich 621 dieser tödlichen Unfälle direkt am Arbeitsplatz (und nicht auf dem Weg dorthin und zurück). Dies ist die höchste Zahl seit Gründung der Einrichtung im Jahr 2008. Von den Todesopfern sind 32 Immigranten, denen überproportional häufig die gefährlichsten, am meisten unterbezahlten und prekärsten Arbeiten zugeteilt werden. Mehr als 30 Prozent der Getöteten sind über 60 Jahre alt, und viele von ihnen sind aufgrund sinkender Renten und stagnierender Löhne gezwungen, weit über das Rentenalter hinaus in unsicheren Arbeitsumgebungen zu bleiben.

Eine Woche voller Todesfälle

Demetrio Rimas Tod folgte auf eine Woche, die von einer ganzen Reihe schrecklicher Unfälle geprägt war, die den systematischen Charakter dieses Massakers verdeutlichen:

  • 19. August: Der 61-jährige Mario Fabbro brach zusammen und starb an einem Herzinfarkt, während er auf der Baustelle der Firma Sac Costruzioni an der Pinzolo-Umgehungsstraße in Giustino arbeitete. Kollegen berichteten von brutalen zwölfstündigen Schichten, kaputter Ausrüstung, fehlenden Klimaanlagen und Fahrzeugen mit abgefahrenen Reifen sowie kaputten Fenstern – eine tödliche Kombination aus Erschöpfung und Vernachlässigung durch das Unternehmen.
  • 20. und 21. August: Der 28-jährige pakistanische Immigrant Hussain Mazammal wurde zu Tode gequetscht, als er in einer Pellet-Fabrik in Marmorta di Molinella einen Gabelstapler bediente. Das Unternehmen versteckt sich hinter einer „laufenden Untersuchung“, doch es ist offensichtlich, dass er durch Arbeitshetze, unsichere Maschinen und Kostensenkungsmaßnahmen ums Leben kam.
  • 22. August: In Ragusa wurde der 15-jährige Andrea Passalacque, ein Schüler am Fabio-Besta-Institut, auf dem Bauernhof seiner Familie von einem Traktor überfahren. Die Tatsache, dass ein Jugendlicher in einem unsicheren landwirtschaftlichen Umfeld zur Arbeit gedrängt wurde, die ihn tödlichen Risiken aussetzte, veranschaulicht die wirtschaftliche Verzweiflung, die unter großen Teilen der italienischen Arbeiterklasse herrscht.

Diese Welle von Todesfällen entlarvt eine zunehmende soziale Krise, die das Ergebnis jahrzehntelanger Deregulierung, Kostensenkung, Normalisierung von Überlastung, prekärer Arbeitsverträge, des brutalen Regimes von Subunternehmen und der systematischen Unterordnung des Lebens der Arbeiter unter den Profit ist. Es ist notwendig, es beim Namen zu nennen: es ist ein soziales Verbrechen, begangen vom kapitalistischen Staat, den Konzernen und der Gewerkschaftsbürokratie, das diese Zustände ermöglicht hat.

Deregulierung und das Arbeitsmarktgesetz

Der Bericht der Beobachtungsstelle ist unmissverständlich: Die Zahl der Todesfälle am Arbeitsplatz ist seit der Abschaffung von Artikel 18 des Arbeiterstatuts, das zuvor begrenzten Schutz vor ungerechtfertigten Entlassungen bot, um 43 Prozent gestiegen. Ein Gesetz von Juni 2023 zur Vergabe an Subunternehmen hat die Krise weiter verschärft und führte zu einem Anstieg der Todesfälle um 15 Prozent in Bereichen wie dem Baugewerbe und öffentlichen Bauprojekten.

Von zentraler Bedeutung für diese Katastrophe ist das Arbeitsgesetz, das die Renzi-Regierung im Jahr 2015 mit voller Unterstützung der Demokratischen Partei (Partito Democratico, PD) und in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL durchgesetzt hat. Durch dieses Gesetz erhielten Arbeitgeber umfassende Befugnisse zur Einstellung und Entlassung ohne Angabe von Gründen. Außerdem wurde die Pflicht zur Wiedereinstellung bei ungerechtfertigten Entlassungen abgeschafft und ein „einheitlicher Arbeitsvertrag“ eingeführt, der hart erkämpfte Schutzvorschriften schwächte, die invasive Überwachung von E-Mails, Browserchroniken und Telefonen der Arbeiter legalisierte und die Cassa Integrazione durch ein schwächeres soziales Sicherheitsnetz ersetzte.

Das Gesetz wurde als „Modernisierung“ verkauft, tatsächlich wurde jedoch bewusst den Gewinnen der Konzerne Vorrang vor dem Leben der Arbeiter eingeräumt. Die Unternehmen können heute ihre Verantwortung an mehrere kleine Subunternehmen abwälzen, während bei Inspektionen gekürzt und Sicherheitsvorschriften abgebaut werden.

Als Reaktion auf die steigende Zahl von Todesfällen verabschiedete das Parlament das Gesetz 203/2024, das es der Meloni-Regierung ermöglichte, 650 Millionen Euro zur Schaffung von „Präventionsanreizen“ zur Verfügung zu stellen. In Wirklichkeit werden damit Kosten für die Arbeitgeber gesenkt und die Verantwortung auf die Arbeiter abgewälzt. Es täuscht eine „Kultur der Prävention“ vor, welche die Verantwortung des Einzelnen für Sicherheit am Arbeitsplatz und Arbeitspraktiken betont. Durch diesen Mechanismus werden einzelne Arbeiter, nicht die Konzerne, für ihre eigenen Invaliditäts- und Todesfälle verantwortlich gemacht.

Die Gewerkschaften: Komplizen eines sozialen Massakers

Die CGIL, CISL und UIL reagieren auf jeden Todesfall am Arbeitsplatz mit den gleichen hohlen Stellungnahmen:

„Ein weiteres Leben endet zu früh, ein weiterer Arbeiter, der nie wieder nach Hause zurückkehren wird. Ein weiterer Tod, der nach Gerechtigkeit schreit.“

Diese routinemäßigen „Beileidsbekundungen“ wirken wie automatisierte Antworten. Sie nennen keine Schuldigen und mobilisieren nicht zum Kampf. In Wirklichkeit arbeitet die Gewerkschaftsbürokratie eng mit Giorgia Melonis faschistischer Regierung und den Konzernen zusammen. Sie versucht, die Wut einzudämmen, indem sie Streiks blockiert und das für diese Morde verantwortliche System schützt.

Im Mai 2025 traf sich der Generalsekretär der CGIL, Maurizio Landini, unter dem Vorwand, die Sicherheit am Arbeitsplatz zu verbessern, mit der Meloni-Regierung. Danach lobte er das Ergebnis:

„Zum ersten Mal haben sie offiziell ihre Bereitschaft erklärt, zu diskutieren und inhaltlich auf das Problem einzugehen.“

Drei Monate später musste die CGIL-Sekretärin Francesca Re David zugeben:

„Die am 8. Mai im Palazzo Chigi gemachten Zusagen wurden nicht eingehalten.“

Kein Arbeiter darf glauben, dass eine Regierung, die auf faschistischen Traditionen beruht, freiwillig die Sicherheit verbessert. Landini und Seinesgleichen wussten das, haben Meloni aber dennoch geholfen, Zeit zu gewinnen, um noch reaktionärere Maßnahmen durchzusetzen.

Am 4. August hat der Ministerrat das „Vereinfachungsgesetz“ gebilligt, das Artikel 4 des Arbeiterstatuts abändert. Damit wird es Arbeitgebern erlaubt, Videoüberwachungs- und Kontrollsysteme zu installieren, „ohne dass dafür die Genehmigung der Gewerkschaften benötigt wird, wie es vorher der Fall war.“

Re David machte deutlich, dass sie sich auf die Verräter in der Demokratischen Partei verlässt: „Wir wollen während des gesamten parlamentarischen Prozesses entschiedenen Widerstand gegen die Maßnahme leisten.“ Ihr geht es nicht um den historischen Angriff auf das demokratische Recht der Arbeiter auf Privatsphäre und Würde, sondern darum, dass die Gewerkschaft die Macht verloren hat, diese Angriffe zu genehmigen.

Die staatliche Politik verschärft die Krise

Die jüngsten politischen Änderungen verschlimmern die Lage. Das 203/2024-Gesetz erlaubt den Arbeitgebern, Einspruch gegen Entscheidungen der INAIL einzulegen. INAIL ist die wichtigste gesetzliche Arbeitsschutz- und Versicherungsbehörde und zuständig für die Pflichtversicherungen von Arbeitern gegen Schäden durch Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Diese Maßnahme schwächt die Durchsetzungsbefugnisse der Behörde. Gleichzeitig wurden Einschränkungen für die Arbeit in engen Räumen gelockert, sodass Arbeiten in gefährlichen Umgebungen ohne ausreichende Überwachung von toxischen Emissionen möglich sind.

Es wurde zwar eine „Sicherheitskommission“ eingerichtet, diese wird jedoch vollständig von der Exekutive kontrolliert, ohne unabhängige Kontrolle durch die Arbeiter. Immigranten, informelle Beschäftigte und Arbeiter von Subunternehmen, die bereits jetzt zu den am stärksten gefährdeten gehören, bleiben faktisch außen vor.

Weder Melonis faschistische Regierung noch die so genannte „Mitte-Links“-Fraktion hat eine Lösung für diese heraufziehende Katastrophe. Das Arbeitsgesetz der Demokraten hat den Weg für das heutige Massaker geebnet, und die Rechte verschärft die Zerstörung der noch verbliebenen Schutzmaßnahmen.

Diese parteiübergreifende Einigkeit entspricht den Trends in ganz Europa und der Welt. Angesichts einer immer schärferen globalen kapitalistischen Krise bauen alle Teile der herrschenden Elite – unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung – den Schutz der Arbeiter ab, um ihre Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Italiens Rekordzahl an Todesopfern ist Teil einer breiteren Offensive gegen die Arbeiterklasse, bei der Menschenleben der unerbittlichen Akkumulation von Kapital untergeordnet werden.

Der Weg vorwärts: Aktionskomitees und internationaler Kampf

Die Arbeiter dürfen kein Vertrauen in die Regierung, den Staat, seine Gerichte oder den Gewerkschaftsapparat setzen. Diese Institutionen sind strukturell der Verteidigung kapitalistischer Interessen verpflichtet und der Aufrechterhaltung der Bedingungen, die zum Tod der Arbeiter führen. Der einzige Ausweg führt über eine unabhängige Organisation außerhalb und gegen die Kontrolle von CGIL, CISL, UIL und ihren Anhängseln.

Die Arbeiter müssen in allen Betrieben Aktionskomitees aufbauen und sie über alle Branchen, Regionen und Länder vernetzen. Diese Komitees müssen die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen und dem Vorbild der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) folgen, die eine Untersuchung zum Tod von Ronald Adams Sr. in den USA ins Leben gerufen hat. Diese Initiative, die von den Arbeitern selbst angeführt wird, zeigt den einzigen Weg auf, um unabhängige Untersuchungen durchzuführen, die Wahrheit aufzudecken und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Diese Komitees müssen vollständige Transparenz über Todesfälle am Arbeitsplatz fordern, von den Arbeitern selbst geleitete Sicherheitsinspektionen durchführen und gegen die Konzerne, den Staat und die Gewerkschaftsbürokratie kämpfen. Vor allem aber müssen sie die italienischen Arbeiter mit ihren Klassenbrüdern und -schwestern im Rest der Welt vereinen und ein globales Netzwerk von Aktionskomitees aufbauen, um gegen die Ausbeutungsbedingungen zu kämpfen, die der Kapitalismus schafft.

Das eskalierende Massaker an Arbeitern wird nicht durch Appelle an dieselben Kräfte gestoppt, die es verursacht haben. Nur durch kollektive unabhängige Aktionen und den Aufbau einer internationalen sozialistischen Bewegung können Arbeiter ihr Leben verteidigen und für eine Gesellschaft kämpfen, die menschliche Bedürfnisse über das Profitstreben stellt.

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