Angriff auf Kiew und NATO-Eskalation drohen in direkten Krieg zwischen Russland und Europa zu münden

Feuerwehrleute im Einsatz am 28. August 2025 an der Stelle eines brennenden Gebäudes nach einem russischen Angriff in Kiew [AP Photo/Efrem Lukatsky]

In den frühen Morgenstunden des 28. August startete Russland den tödlichsten Luftangriff auf Kiew seit Juli und tötete nach Behördenangaben mindestens 23 Menschen, darunter mehrere Kinder, und verletzte Dutzende weitere. Mehr als 90 Gebäude wurden beschädigt, darunter die Büros der EU-Delegation und des British Council. Der Kreml behauptete, die Angriffe hätten militärischer Infrastruktur gegolten, doch die Raketen durchschlugen Wohnviertel und ein Einkaufszentrum.

Die gezielten Angriffe auf EU-Institutionen markieren eine neue Eskalationsstufe des Krieges. Moskau sendet damit eine unmissverständliche Botschaft: Es wird europäische Truppen in der Ukraine nicht akzeptieren. Erst einen Tag zuvor hatte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow Vorschläge zur Entsendung europäischer „Friedenstruppen“ in die Ukraine kategorisch zurückgewiesen und damit die Behauptung von US-Präsident Donald Trump widerlegt, Wladimir Putin sei bereit, eine solche Truppe im Rahmen einer ausgehandelten Einigung zu akzeptieren. Peskow warnte, die Osterweiterung der NATO sei eine der Hauptursachen für die russische Invasion von 2022 gewesen, und europäische Truppeneinsätze würden als feindliche Akte betrachtet.

Die Logik des Krieges führt direkt zu einer militärischen Konfrontation zwischen Russland und Europa – mit der Gefahr, dass das Leben von Millionen Menschen und die gesamte Existenz des Kontinents zerstört werden.

Weit davon entfernt, angesichts der russischen Angriffe zurückzuweichen, nutzten die europäischen Regierungen diese, um neue Drohungen auszusprechen und die Kriegspolitik zu verschärfen. Der britische Premierminister Keir Starmer warf Putin vor, „jede Hoffnung auf Frieden zu sabotieren“. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verurteilte die russische „Barbarei und den Terror“. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte ein 19. Sanktionspaket an, versprach neue Reisen in EU-Grenzstaaten und gelobte, die Ukraine in ein „stählernes Stachelschwein“ zu verwandeln, das mit westlichen Waffen gespickt sei. Bundeskanzler Friedrich Merz erklärte an Bord der Fregatte Bayern, Russland „teste unsere Einsatzbereitschaft“ und drohte, Berlin werde „alles“ tun, um NATO-Territorium zu verteidigen.

Diese Aussagen sind nicht defensiv, sondern aggressiv. Die Behauptung, die imperialistischen Mächte Europas verteidigten „Freiheit“ und „Frieden“ gegen russische Aggression, ist Kriegspropaganda. Russlands reaktionäre Invasion der Ukraine ändert nichts an der Tatsache, dass die NATO den Konflikt über Jahrzehnte systematisch provozierte: Sie dehnte sich bis an die Grenzen Russlands aus, brach ihre Versprechen, umzingelte Moskau militärisch und verwandelte die Ukraine in einen Vorposten der NATO.

Unmittelbarer Hintergrund ist der Trump-Putin-Gipfel in Alaska am 15. August, bei dem der US-Präsident eine Neuausrichtung der amerikanischen Strategie signalisierte. Trump umarmte Putin und machte klar, dass Washingtons Priorität die Konfrontation mit China sei. Zwar sei er bereit, Waffenlieferungen an die Ukraine fortzusetzen, doch müsse Europa die finanziellen und militärischen Lasten des Krieges gegen Russland tragen.

Die europäischen Mächte reagierten verärgert. Sie fürchten, aus einem möglichen russisch-amerikanischen Deal ausgeschlossen zu werden, der den USA Zugang zu russischen Ressourcen sichert, während die EU der vollen Wucht des Krieges ausgesetzt bleibt. Um ein solches Szenario zu verhindern, verschärfen Berlin, Paris und London ihre Intervention in der Ukraine – bis hin zu Diskussionen über die Entsendung von Bodentruppen, die sie zynisch als „Friedenstruppen“ bezeichnen.

An der Spitze dieser Offensive stehen die großen europäischen Mächte – Großbritannien, Frankreich, vor allem aber der deutsche Imperialismus. Am 25. August reiste Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil nach Kiew, wo er Präsident Wolodymyr Selenskyj mindestens 9 Milliarden Euro jährlich an zusätzlicher Militärhilfe versprach und Berlins Bereitschaft bekräftigte, „Sicherheitsgarantien“ für die Ukraine zu übernehmen. Er sagte massive deutsche Unterstützung für den Ausbau der ukrainischen Rüstungsindustrie zu, einschließlich der Produktion von Langstreckendrohnen und Raketen. Bemerkenswerterweise vermied Klingbeil es, den Einsatz deutscher Bodentruppen auszuschließen – und ließ so die Möglichkeit offen, dass deutsche Soldaten erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder gegen Russland in der Ukraine eingesetzt werden.

Gleichzeitig bereitet Klingbeil ein Kriegshaushalt vor, der den deutschen Verteidigungsetat bis 2029 von 52 auf 153 Milliarden Euro verdreifachen und langfristig auf 5 Prozent des BIP – 225 Milliarden Euro jährlich – steigern soll. Zur Finanzierung dieser Aufrüstung hat die Regierung die Militärausgaben von der verfassungsmäßigen Schuldenbremse ausgenommen und 1 Billion Euro neue Schulden genehmigt. Während unbegrenzte Mittel für den Krieg bereitgestellt werden, wird die Sozialpolitik zerschlagen. Merz erklärte unverblümt vergangene Woche: „Der Sozialstaat, wie wir ihn kennen, ist nicht mehr bezahlbar.“

Das Ausmaß der Militarisierung ist seit den Weltkriegen beispiellos. Die Bundeswehr soll von 181.000 auf mindestens 260.000 Soldaten anwachsen. Der Wehrdienst wird wieder eingeführt. Am 27. August verabschiedete das Kabinett den Entwurf eines Wehrdienstmodernisierungsgesetzes, das ab 2026 alle jungen Männer für den Wehrdienst registrieren wird. Verteidigungsminister Boris Pistorius betonte, die Wehrpflicht werde zunächst freiwillig sein, könne aber bei Bedarf verpflichtend werden. Ziel sei der schnelle Aufbau der Bundeswehr und massenhafte Aufwuchs der Reserve.

Bei derselben Kabinettssitzung am Mittwoch wurde zudem ein Nationaler Sicherheitsrat geschaffen – in Wahrheit ein Nationaler Kriegsrat –, um die Koordination von Militär-, Geheimdienst- und Wirtschaftspolitik zu zentralisieren. Dieses Gremium, dem neben dem Kanzler Minister, Generäle, Geheimdienste sowie Vertreter von Industrie und Thinktanks angehören, verfügt über weitreichende Befugnisse, Entscheidungen ohne parlamentarische Kontrolle durchzusetzen. Es institutionalisiert die Hinwendung zu Kriegswirtschaft und autoritärem Staat.

Alles deutet auf den Übergang des deutschen und europäischen Kapitalismus in den Kriegsmodus hin. Eine aktuelle Untersuchung der Financial Times auf Grundlage von Satellitenbildern dokumentiert einen historischen Boom der Rüstungsproduktion: Europas Waffenfabriken expandieren seit 2022 dreimal so schnell wie im Frieden und haben mehr als sieben Millionen Quadratmeter neue Industriefläche hinzugefügt.

Rheinmetall, Deutschlands größter Rüstungskonzern, plant, die jährliche Munitionsproduktion von 70.000 im Jahr 2022 auf 1,1 Millionen bis 2027 zu steigern. Eine neue Rheinmetall-Anlage in Unterlüß, die diese Woche von Pistorius, Klingbeil und NATO-Chef Mark Rutte eröffnet wurde, soll bis 2027 zur größten Munitionsfabrik Europas werden und jährlich 350.000 Artilleriegranaten produzieren. Andere deutsche und europäische Firmen weiten die Produktion von Raketen, Drohnen und Panzern in rasantem Tempo aus, oft durch Umstellung ziviler Industrien auf Kriegszwecke – ganz wie in den 1930er Jahren.

Die laufenden Manöver „Quadriga 2025“ unterstreichen das Ausmaß der NATO-Kriegsvorbereitungen. Rund 8.000 Soldaten aus 14 Ländern führen unter Führung der deutschen Marine großangelegte Übungen in Deutschland, Litauen, Finnland und der Ostsee durch. Geprobt werden unter anderem maritime Nachschubwege, Luft- und U-Boot-Abwehr sowie die Abwehr von Raketenangriffen – kurz: Vorbereitungen auf einen direkten Krieg mit Russland.

Außerdem stationiert die Bundeswehr dauerhaft eine Kampfbrigade in Litauen – die erste langfristige Stationierung deutscher Bodentruppen im Ausland seit dem Zweiten Weltkrieg.

Der aggressive Kurs Deutschlands ist nicht defensiv, sondern eine Fortsetzung seiner historischen Kriegsziele: die Kontrolle über die Ukraine, der Zugriff auf russische Rohstoffe und die Beherrschung des eurasischen Kontinents. Diese Ziele standen im Zentrum der deutschen Offensiven in beiden Weltkriegen. Heute werden sie erneut unter Bedingungen kapitalistischer Krise, wachsender sozialer Ungleichheit und verschärfter Rivalitäten zwischen den imperialistischen Mächten verfolgt.

Der Drang zum Weltkrieg ist untrennbar mit dem Angriff auf die Arbeiterklasse im Inneren verbunden. Während Billionen in die Rüstung fließen, werden Löhne, Renten, Gesundheitsversorgung und Bildung gekürzt. Um Widerstand zu unterdrücken, rüstet die herrschende Klasse Polizei, Geheimdienste auf und errichtet einen autoritären Staat.

Die Arbeiterklasse muss alle reaktionären Lager in diesem Konflikt zurückweisen. Putins Invasion der Ukraine war ein reaktionärer Akt eines kapitalistischen Regimes, das seine räuberischen Interessen verteidigen will. Seine Umarmung Trumps und seine Appelle an rechtsextreme Kräfte in Europa entlarven den Bankrott des russischen Nationalismus. Trumps Manöver bedeuten keinen „Frieden“, sondern eine taktische Reorientierung, um amerikanische Ressourcen für den Krieg gegen China freizumachen. Die Pose der europäischen Mächte als Verteidiger der Demokratie ist die dreisteste aller Lügen: In Wirklichkeit bereiten sie ihr eigenes imperialistisches Schlachten vor.

Wie die Redaktionsleitung der WSWS in ihrer Perspektive zum Trump-Putin-Gipfel betonte:

Weder die Manöver Trumps, noch die Intrigen der europäischen Mächte, noch die reaktionären Berechnungen Putins bieten einen Weg nach vorn. Der Kampf gegen Völkermord, Austerität, Diktatur und Krieg erfordert den Aufbau einer bewussten internationalen sozialistischen Bewegung der Arbeiterklasse, die unversöhnlich gegen alle kapitalistischen Regierungen und ihre politischen Handlanger kämpft.

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