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80 Jahre Kriegsende – wie eine europäische Revolution 1945 verhindert wurde

80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Nazi-Diktatur ist die Gefahr von Krieg und Faschismus wieder mit Händen zu greifen. Die Menschheit droht erneut in der Barbarei zu versinken, wenn die internationale Arbeiterklasse den Kapitalismus nicht stürzt und eine sozialistische Gesellschaft aufbaut.

Der folgende Artikel zeigt, weshalb der Kapitalismus nach dem Zweiten Weltkrieg überleben konnte, obwohl sich mit der Niederlage Nazi-Deutschlands eine Welle massiver Arbeiterkämpfe ausbreitete, die sich von Italien, Frankreich, Griechenland und Jugoslawien bis nach Deutschland erstreckte. Bewaffnete Arbeitermilizen, Betriebsausschüsse, Arbeiterräte und antifaschistische Komitees versuchten, ihre Kontrolle über die Produktion und die staatlichen Einrichtungen zu errichten und die faschistischen Mörder zu bestrafen. Auch in den Kolonien Großbritanniens und Frankreichs kam es zu zahlreichen Aufständen.

Französische Nazi-Kollaborateure verhaften Mitglieder der Resistance [Photo by Bundesarchiv, Bild 146-1989-107-24 / Koll / undefined]

Doch diese Kämpfe wurden von der stalinistischen Bürokratie im Kreml und den von ihr abhängigen Kommunistischen Parteien verraten und unterdrückt. Sie bestanden darauf, dass erst die „Demokratie“ – d.h. die bürgerliche, kapitalistische Herrschaft – wiederhergestellt werden müsse, bevor von Sozialismus auch nur die Rede sein könne. Sie entwaffneten die Partisanen in Italien und Frankreich, lösten antifaschistische Komitees in Deutschland auf und arbeiteten mit dem britischen Imperialismus zusammen, um die griechische Revolution im Blut zu ertränken.

Selbst in der sogenannten Pufferstaaten Osteuropas, die auf den Konferenzen von Jalta und Potsdam dem sowjetischen Einflussbereich zugesprochen worden waren, verhalf Stalin anfangs bürgerlichen Politikern an die Macht. Erst als sich diese mit der Eskalation des Kalten Krieges dem Westen zuwandten, übernahmen die Stalinisten die uneingeschränkte Herrschaft und gingen zu umfassenden Verstaatlichungsmaßnahmen über. Diese waren aber nicht mit der Schaffung von Organen der Arbeitermacht verbunden, sondern gingen mit verschärften Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Arbeiterklasse einher, die in den 1950er Jahren in der Niederschlagung der Aufstände in der DDR, Polen und Ungarn gipfelten.

Der Stalinismus hatte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg eine konterrevolutionäre Rolle gespielt. Stalin war in den 1920er Jahren als Vertreter einer privilegierten Bürokratie aufgestiegen, die aufgrund der internationalen Isolation der Sowjetunion an Einfluss gewann. Er hatte Lenins wichtigste Mitstreiter in der Oktoberrevolution nach und nach ausgeschaltet und die von Leo Trotzki gegründete Linke Opposition unterdrückt. Im Großen Terror von 1937/38 ließ er schließlich hunderttausende Oppositionelle und die Führungsspitze der Roten Armee ermorden, um die Herrschaft der Bürokratie zu festigen. 1940 erreichte ein gedungener Mörder Stalins auch Trotzki im mexikanischen Exil.

Auf internationaler Ebene verwandelte Stalin die Kommunistische Internationale aus einer Partei der sozialistischen Weltrevolution in ein Instrument der nationalistischen sowjetischen Außenpolitik. Katastrophale Fehler und schließlich eine bewusst konterrevolutionäre Politik führten zu verheerenden Niederlagen der Arbeiterklasse in Großbritannien, China, Frankreich und Spanien. In Deutschland verdankte Hitler 1933 seinen Sieg der Spaltung der Arbeiterklasse durch die falsche Politik der stalinistischen KPD, die sich strikt weigerte, für eine Einheitsfront mit der SPD gegen die Nazis zu kämpfen. Als sich die Kommunistische Internationale weigerte, die Lehren aus der deutschen Katastrophe zu ziehen, rief Trotzki zur Gründung der Vierten Internationale auf.

„Stalinismus – Totengräber der Revolution“ erschien erstmals von April bis Juli 1985, zum 40. Jahrestag des Kriegsendes, als vierteilige Serie in der Neuen Arbeiterpresse, der Zeitung der deutschen Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), die damals Bund Sozialistischer Arbeiter hieß. Wir reproduzieren sie hier in leicht gekürzter und redigierter Form.

Als die Artikelserie 1985 erschien, existierten die Sowjetunion und die DDR noch. In der Sowjetunion wurde Michail Gorbatschow in diesem Jahr zum Generalsekretär der KPDSU gewählt und weltweit von pseudolinken Kreisen als Reformer des Sozialismus gefeiert.

Das IKVI teilte diese Illusion nicht. Es hielt an seiner Einschätzung fest, dass der Stalinismus durch und durch konterrevolutionär sei, die es bei seiner Gründung im Jahr 1953 gegen den Revisionismus von Michel Pablo und Ernest Mandel verteidigt hatte. Es warnte, dass Gorbatschow im Namen von „Glasnost“ und „Perestroika“ die Restauration des Kapitalismus und damit die Vollendung der stalinistischen Konterrevolution vorbereite, vor der Trotzki eindringlich gewarnt hatte.

1985 war auch das Jahr, in dem das IKVI mit der britischen Workers Revolutionary Party brach, die seit den 1970er Jahren zunehmend opportunistische Standpunkte vertreten hatte und ebenfalls Gorbatschow unterstützte.

Das IKVI sollte Recht behalten. Sechs Jahre nach Gorbatschows Machtübernahme existierten die Sowjetunion und die deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas nicht mehr. Die stalinistischen Herrscher liquidierten das gesellschaftliche Eigentum und verwandelten sich in eine Kapitalistenklasse. Nun schwenkten dieselben pseudolinken Kreise, die Gorbatschow als Reformer des Sozialismus gefeiert hatten, ins Lager derer um, die den Sozialismus für gescheitert erklärten.

Auch das wies das IKVI zurück. Es vertrat den Standpunkt, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion eine neue Periode von Kriegen und Revolutionen einleite. Derselbe Widerspruch, der Stalins nationalistische Politik vom „Aufbau des Sozialismus in einem Land“ zum Scheitern gebracht hatte – die Unvereinbarkeit der modernen, globalen Produktionskräfte mit dem Nationalstaat – verschärfte auch die Gegensätze zwischen den imperialistischen Mächten und entzog allen reformistischen Organisationen, einschließlich der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften, die Grundlage.

Auch hier sollte das IKVI recht behalten. Die letzten 35 Jahre waren von eskalierenden imperialistischen Kriegen und der Zuspitzung der Klassengegensätze geprägt. Die USA, einst Stabilitätsanker der kapitalistischen Nachkriegsordnung, überzieht die ganze Welt mit Strafzöllen und Krieg. Deutschland rüstet wieder auf wie seit Hitler nicht mehr. Mit der AfD sitzt wieder eine rechtsextreme, teils faschistische Partei im Bundestag.

Der Kampf gegen Kapitalismus, Krieg und Faschismus erfordert das Wissen und Verständnis der Geschichte. Das Fortbestehen des Kapitalismus nach dem Zweiten Weltkrieg lag nicht an der mangelnden Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse, sondern am Verrat und Versagen ihrer Führung. Der Aufbau einer neuen Führung – des Internationalen Komitees der Vierten Internationale – ist die wichtigste Vorbereitung auf die unausweichlichen kommenden Klassenkämpfe.

* * *

Stalinismus – Totengräber der Revolution

Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht. Die Rote Armee stand in Berlin.

Für die deutsche Arbeiterklasse war dies ein Tag der Befreiung, für die amerikanischen, britischen und französischen Imperialisten war es jedoch ein gefährlicher Tag – denn zahlreiche spontane Aktionen der Arbeiterklasse und revolutionäre Bestrebungen bedrohte den Kapitalismus in ganz Europa.

Die Imperialisten hatten jedoch einen verlässlichen Helfershelfer, um die revolutionäre Gefahr abzuwenden: die stalinistische Bürokratie in der Sowjetunion.

Stalin hatte sich mit den amerikanischen und den britischen Imperialisten seit 1941 in einer Anti-Hitler-Koalition zusammengeschlossen und im Geheimabkommen die Aufteilung Europas in „Einfluss-Sphären“ beschlossen. Diese wurden auf den Konferenzen von Jalta im Februar 1945 und Potsdam im Juli 1945 besiegelt.

Die französischen, italienischen, jugoslawischen und griechischen Arbeiter, die nicht nur heroischen Widerstand gegen die faschistischen Besatzer leisteten, sondern im Jahre 1944 auch den Kampf aufnahmen, um die Ursache von Faschismus und Krieg, den Kapitalismus zu beseitigen, wurden mithilfe der Stalinisten zurückgeschlagen.

Die Antifaschistischen Komitees der deutschen Arbeiter, die sich bei Kriegsende spontan bildeten, wurden mithilfe der vom Moskauer Regime eingesetzten Ulbricht-Gruppe in der sowjetisch besetzten Zone wieder aufgelöst.

Aufstand in Athen

Zur Zeit der Konferenz in Jalta kämpften noch die Arbeiter Athens gegen die britischen Truppen. Zuvor, am 9. Oktober 1944, hatte sich Stalin mit Churchill, dem britischen Premierminister getroffen.

Um was es dabei ging, erklärte Churchill in aller Offenherzigkeit in seinen Memoiren:

Da mir der Moment günstig schien, um die Dinge entschlossen anzupacken, sagte ich: „Lassen Sie uns unsere Angelegenheiten im Balkan regeln. Ihre Armeen sind in Rumänien und Bulgarien. Wir haben dort Interessen, Missionen und Agenten. Lassen Sie uns dort nicht in kleinlicher Weise gegeneinander arbeiten. Um nur von Großbritannien und Russland zu sprechen, was würden Sie dazu sagen, wenn sie in Rumänien zu neunzig Prozent das Übergewicht hätten und wir zu neunzig Prozent in Griechenland, während wir uns in Jugoslawien auf halb und halb einigen?“

Während das übersetzt wurde, schrieb ich auf ein halbes Blatt Papier: Rumänien: Russland 90% / die anderen 10%. Griechenland: Großbritannien (im Einvernehmen mit den USA) 90 % / Russland 10 %. Jugoslawien: 50 zu 50 %. Ungarn: 50 zu 50 %. Bulgarien: Russland 75 % / Die anderen 25 %.

Ich schob den Zettel Stalin zu, der inzwischen die Übersetzung gehört hatte. Eine kleine Pause trat ein. Dann ergriff er seinen Bleistift, machte einen großen Haken und schob uns das Blatt wieder zu. Die ganze Sache beanspruchte nicht mehr Zeit, als sie zu schildern.

(...) Diesmal trat ein langes Schweigen ein. Das mit Bleistift beschriebene Papier lag in der Mitte des Tisches.

Schließlich sagte ich: „Könnte man es nicht für ziemlich frivol halten, wenn wir diese Fragen, die das Schicksal von Millionen von Menschen berühren, in so nebensächlicher Form behandeln? Wir wollen den Zettel verbrennen.“ – „Nein, behalten Sie ihn,“ sagte Stalin.[1]

Diese Aussagen Churchills wurden von der sowjetischen Führung zu keiner Zeit dementiert. In einer Rede zum Jahrestag der Oktoberrevolution am 6. November 1944 erklärte Stalin stolz:

Als noch klarerer Beweis für die Festigung der Front der Vereinten Nationen sind die kürzlich mit dem Chef der Regierung Großbritanniens, Herrn Churchill, und dem Außenminister Großbritanniens, Herrn Eden, in Moskau geführten Verhandlungen zu betrachten, die in freundschaftlicher Atmosphäre und im Geiste völliger Einmütigkeit verliefen.[2]

Am 7. November 1944, einen Tag nach Stalins Rede, gab Churchill seinem Außenminister Eden folgende Instruktion:

In Anbetracht des teuren Preises, den wir bezahlen mussten, um von Russland freie Hand in Griechenland zu erhalten, dürfen wir nicht zögern, britische Truppen einzusetzen, um die königliche hellenische Regierung Papandreous zu stützen. (...) Ich erwarte mit absoluter Sicherheit einen Zusammenstoß mit der EAM, und wir dürfen uns vorbehaltlich einer wohlüberlegten Wahl unseres Schlachtfeldes dem nicht entziehen.[3]

Nur einen Monat später bekamen die griechischen Arbeiter zu spüren, was das heißt.

Der griechische Widerstand, der von der Kommunistischen Partei innerhalb der Nationalen Befreiungsfront EAM geleitet wurde, hatte gegen Ende des Jahres 1944 praktisch das ganze Land unter Kontrolle.

Die EAM hatte rund zwei Millionen Mitglieder und Sympathisanten (bei einer Bevölkerungszahl von nur sieben Millionen). Als Ende Oktober 1944 die Nazi-Truppen aus Griechenland abzogen, weil ihr Nachschub von der Roten Armee abgeschnitten war, trafen zwei Tage später britische Truppen zusammen mit zwei griechischen Brigaden, die als Privatarmee der Rechten bekannt waren, in der Hauptstadt Athen ein.

Die stalinistische KP-Führung begrüßte in ihrer Zeitung die britischen Truppen als „die tapferen Söhne des die Freiheit liebenden alliierten Großbritannien“.

Aber als am 3. Dezember die unbewaffnete Athener Bevölkerung gegen den verhassten griechischen König demonstrierte und rief: „Lang lebe Churchill, lang lebe Roosevelt“, eröffneten die britischen Truppen das Feuer. Mit Stalins Einwilligung im Rücken ließ Churchill die Athener Arbeiter blutig zusammenschießen

Der Kampf dauerte von Anfang Dezember 1944 bis zum 12. Februar 1945, einen Tag nach der Konferenz von Jalta. 13.000 Angehörige der Partisanenbewegung EAM fanden allein in Athen den Tod. Zehntausende wurden eingekerkert.

Blutbad am Syntagma-Platz in Athen am 3. Dezember 1944 [Photo by Alfred Klahr Gesellschaft]

Während das Blut auf den Straßen Athens floss, kam Churchill unter dem Schutz britischer Panzer nach Athen, um mit den Führern des griechischen Widerstands zu verhandeln. Um sie zur Kapitulation zu bewegen, erklärte er: „Die Briten sind mit dem Einverständnis Präsident Roosevelts und Marschall Stalins nach Griechenland gekommen.“

Der Chef der sowjetischen Mission in Athen, der in dem von Partisanen umzingelten britischen Hauptquartier geblieben war, während draußen die Kämpfe tobten, bestätigte die Erklärung Churchills.

Zwei Tage später brachen die Verhandlungen ab, und die britische Luftwaffe bombardierte die Athener Bevölkerung. Zur gleichen Zeit ernannte Stalin einen sowjetischen Botschafter bei der königlich-griechischen Regierung. Und auf der Konferenz von Jalta erklärte er: „Ich habe Vertrauen zu der Griechenlandpolitik der britischen Regierung.“

Am 12. Februar 1945 wurden die griechischen Partisanen unter dem Druck Stalins zu dem Waffenstillstandsabkommen von Varize gezwungen, das die Wiedereinsetzung des Königs ermöglichte. 1946 brach erneut Bürgerkrieg aus.

Französische Arbeiter entwaffnet

Die Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie war für die französische Arbeiterklasse das Signal für Massenkämpfe, in denen sie das Vichy-Regime, das mit den Nazis kollaboriert hatte, stürzten. Überall im Land übernahmen bewaffnete Einheiten der Résistance, die sich „patriotischen Milizen“ nannten, die Kontrolle.

Die Kommunistische Partei Frankreichs (KPF), die in Gewerkschaften und Betrieben, in den Befreiungskomitees und bei den bewaffneten Kräften der Résistance großen Einfluss hatte, arbeitete jedoch auf Anweisung Stalins mit den bürgerlichen Teilen der Résistance unter General De Gaulle zusammen. Dieser wurde seitens der stalinistischen Führung zum Widerstandskämpfer und zum Vorkämpfer der französischen Demokratie hochgejubelt.

Bereits 1942 hatte sich der sowjetische Außenminister Molotow mit De Gaulle in London getroffen und diesem dort zugesichert, dass sich alle Franzosen und die französischen Kolonien seiner Führung unterordnen werden. Unter dem Vorsitz von De Gaulle und Girard gründete sich das Französische Komitee für die Nationale Befreiung (CFLN), dem die KPF beitrat, und etablierte nach dem Sturz des Vichy-Regimes die Provisorische Regierung unter De Gaulle.

Eine ihrer ersten Entscheidungen war am 28. Oktober 1944 das Dekret über die Auflösung der Milizen. Die zwei kommunistischen Minister der Regierung protestierten zwar dagegen, aber blieben in der Regierung.

Anfang November begnadigte De Gaulle den Generalsekretär der KPF, Maurice Thorez, der in der Zeit von 1936 bis 1938 den „Volksfront“-Verrat organisiert und sich während der Illegalität der KPF in Moskau aufgehalten hatte. Am 27. November kam Thorez in Paris an, am 2. Dezember traf De Gaulle in Moskau ein, um das bilaterale sowjetisch-französische Abkommen zu schließen. Auf dieser Grundlage verlangte Thorez von der KPF-Führung die bedingungslose Unterordnung unter den französischen kapitalistischen Staat. Seine politische Parole war: „Ein einziger Staat! Eine einzige Polizei! Eine einzige Armee!“

De Gaulle in seinen Memoiren dazu:

Gleich am Tag nach seiner Rückkunft in Frankreich legte Thorez mit Hand an, den letzten Grüppchen der „patriotischen Milizen“ ein Ende zu machen, Er widersetzte sich den Eingriffsversuchen der Befreiungskomitees und den Gewalttaten, zu denen die überreizten Mannen sich hinzugeben neigten.

Thorez gab sofort nach seiner Ankunft die Anweisung, die Milizen aufzulösen und die Waffen auszuliefern. Die bewaffneten Kräfte der Résistance, die im Wesentlichen unter Kontrolle der KP standen, wurden dem gaullistischen und alliierten Oberkommando untergeordnet und schließlich der „Großen Armee“ Frankreichs eingegliedert, deren Aufbau Thorez eifrig befürwortete. Während die KP die Arbeiter entwaffnete, führte sie sie gleichzeitig in eine „Produktionsschlacht“ für den Wiederaufbau des „Ewigen Frankreichs“.

Bereits vor Thorez’ Ankunft in Paris rief am 10. September 1944 ein führendes KP-Mitglied, Frachon, die Arbeiter auf, „unsere Großindustrie auf rationelleren Grundlagen wieder aufzubauen und ihre volle Auslastung zu gewährleisten“. Damit dieser Wiederaufbau nicht „zum Vorteil der Finanz- und Industrieoligarchien geschehen“ könne, sollte „das Volk über die Ordnung, die es sich zu geben wünscht, befragt“ werden. Doch bevor die Arbeiter zur Wahlurne schreiten durften, mussten sie an die Arbeit. Die KP forderte „patriotische Produktionskomitees“, verhinderte Streiks und rief ständig zur Produktionssteigerung bei gleichzeitigem Lohnstopp auf.

Im Juni 1945 erklärte Thorez vor dem X. Parteitag der KPF: Das Volk müsse „sich für die Produktionsschlacht rüsten, wie es sich für die Befreiungsschlacht rüsten musste; es geht darum, die Größe Frankreichs wiederherzustellen, es geht darum, die materiellen Bedingungen für die Unabhängigkeit Frankreichs anders als durch bloße Worte zu sichern.“

Diejenigen Mitglieder, die diesen Kurs der KPF kritisierten und erklärten, dass damit die „revolutionäre Linie“ aufgegeben werde, wurden als Linksabweichler, Sektierer und „Hitlertrotzkisten“ beschimpft und verfolgt.

Thorez rief zur Wachsamkeit auf, um „alle Unruhestifter, Provokateure, feindliche Agenten, Hitlertrotzkisten, die sich sehr häufig hinter linksradikalen Phrasen verbergen“, aufzuspüren und aus der Partei auszuschließen.[4]

Doch der Kampagne der KP und der von ihr kontrollierten Gewerkschaftsorganisation CGT zum Trotz gingen die Bergarbeiter in mehrere Streiks gegen die schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen. Daraufhin reiste Thorez in die Bergbaugebiete, und am 21. Juni 1945 erklärte er in Waziers vor einer Versammlung kommunistischer Bergarbeiter:

Hier, werte Genossen, stelle ich euch das Problem in vollster Verantwortlichkeit: im Namen des Zentralkomitees, im Namen der auf dem Parteitag gefassten Beschlüsse sage ich euch in aller Offenheit: Es ist unmöglich, auch den kleinsten Streik gutzuheißen, vor allem, wenn er wie letzte Woche in den Bergwerken von Bethune ohne die Unterstützung der Gewerkschaft und sogar gegen sie durchgeführt wird.

Den Produktionsausfall von 30.000 Tonnen Kohle durch den Streik bezeichnete Thorez als „Skandal, eine Schande, ein äußerst schwerer Fehler gegenüber der Gewerkschaft und gegenüber den Interessen der Minenarbeiter.“[5]

Ein Jahr nach diesem Appell erklärte Thorez zur inzwischen gestiegenen Kohleproduktion zynisch:

Die Kohleproduktion hat um 50% zugenommen. Mit beinahe 160.000 Tonnen täglich übertreffen wir das Vorkriegsniveau um 8%. Ein bemerkenswerter Erfolg! Mit Ausnahme der Sowjetunion ist Frankreich das einzige Land, das mit Stolz auf ein solches Resultat blicken kann (...) Man muss unseren Bergarbeitern Glückwünsche aussprechen, die nicht mit Schweiß und Mühen gespart haben.[6]

Er sagte nicht, dass die Produktionssteigerung in Frankreich dem Wiederaufbau des Kapitalismus diente, statt wie in der Sowjetunion einer Produktion unter verstaatlichten Eigentumsverhältnissen.

Im Dezember 1945 beschloss der öffentliche Dienst einen Warnstreik. Auf einer riesigen Versammlung im Velodrome d’Hiver sprachen sich sämtliche Redner für einen Generalstreik aus – bis auf Henry Raynaud, der Führer der kommunistischen CGT: „Unter den gegenwärtigen Umständen wäre ein Generalstreik katastrophal; er hätte namentlich durch den Ausfall der Eisenbahnen eine Aushungerung des Landes zur Folge.“ Zwei Tage später akzeptierte Thorez im Ministerrat den Plan des Finanzministeriums, im öffentlichen Dienst Einschränkungen durchzuführen.

De Gaulle schrieb in seinen Memoiren über Thorez:

Unablässig gab er die Parole aus, soviel zu arbeiten, wie man konnte und zu produzieren, koste es, was es wolle. War das bloße politische Taktik? Ich werde dem nicht weiter nachgehen, mir genügt es, dass Frankreich ein Dienst erwiesen wurde.

KPF-Führer Maurice Thorez (3. von links) in der Regierung von Charles de Gaulle (1945)

Bis 1947 beteiligte sich die Kommunistische Partei Frankreichs an den bürgerlichen Regierungen. Ihr Verrat an der französischen Arbeiterklasse dehnte sich auf die Bevölkerung in den französischen Kolonien aus.

Wie bereits zur Zeit der Volksfront 1936 trat die KPF für den Verbleib der französischen Kolonien in der Französischen Union ein. Im Juni 1945 nannte Thorez das: „Die Bedingungen für eine freie, vertrauensvolle und brüderliche Union der Kolonialvölker mit dem französischen Volk schaffen.“

In der Praxis bedeutete es jedoch, dass die KPF alle blutigen Unterdrückungsmaßnahmen bis 1947 als Teil der Regierung mitverantwortete: So die blutige Niederschlagung des Aufstands im Gebiet von Constantine, bei der im Mai 1945 Tausende von Algeriern getötet wurden; so die Unterdrückungsmaßnahmen gegen das syrische und das libanesische Volk, die ihre Unabhängigkeit forderten; so der Krieg gegen Vietnam.

Der Krieg gegen Vietnam, der mit der Beschießung der Stadt Haiphong durch die französische Flotte am 23. November 1946 ausbrach, wurde sechs Monate durch eine Regierung geführt, in der fünf Minister der stalinistischen Kommunistischen Partei saßen. Die KPF erklärte zu Beginn sogar, dass der Kriegsausbruch möglicherweise von „vietnamesischen Provokateuren“ angezettelt worden sei. Ab Januar 1947 war sogar für vier Monate ein Stalinist Verteidigungsminister – François Billoux, der schon 1944 Mitglied der Provisorischen Regierung unter De Gaulle war und 1946 zum Minister für Wiederaufbau ernannt wurde.

Als im März 1947 die Nationalversammlung den Militäranleitungen für den Kolonialkrieg zustimmte, enthielten sich die kommunistischen Abgeordneten der Stimme, die kommunistischen Minister stimmten jedoch aus „Regierungssolidarität“ dafür.

Vor Beginn des Kriegs hatte die Kommunistische Partei Vietnams einen siegreichen Volksaufstand durchgeführt und die Unabhängigkeit Vietnams erreicht. Die französischen Imperialisten versuchten jetzt mithilfe der KPF, das Kolonialregime zu restaurieren.

1947 – während der Viererkonferenz in Moskau, an der Vertreter Großbritanniens, den USA, Frankreichs und der Sowjetunion teilnahmen – schlugen die französischen Truppen den Aufstand von Madagaskar blutig nieder. Mehrere Führer der Befreiungsbewegung, darunter vier Abgeordnete im französischen Parlament, wurden zum Tode verurteilt. Außer der Forderung der KPF, die Immunität der Abgeordneten zu verteidigen, kam von ihr nichts.

Die „Sache Frankreichs“, das heißt der französischen Bourgeoisie, vertrat Thorez und die Führung der KPF auch gegenüber der deutschen Arbeiterklasse, die durch Faschismus und Krieg am meisten betroffen war. Thorez trat für den Zwangsarbeitereinsatz von deutschen Kriegsgefangenen in den Bergbaugebieten und für vermehrte Reparationszahlungen ein. Er betonte, nach dem Ersten Weltkrieg sei der Fehler gemacht worden, Reparationszahlungen von Deutschland in Geldform zu verlangen; viel wirksamer sei es, „Reparationen in Naturalien und vor allem in Form einer Nutzung deutscher Arbeitskraft“ zu verlangen.

Die stalinistische Führung der KPF ging wie Stalin selbst davon aus, die Arbeiterklasse Deutschlands für Hitlers Terrorregime mitverantwortlich zu machen. Sie trat für eine „langandauernde Besetzung“ Deutschlands, die Eingliederung des Saargebiets in Frankreich und die „Internationalisierung“, das heißt Zerstückelung des Ruhrgebiets ein.

Der stalinistische Verrat an der europäischen Arbeiterklasse nach 1945 und an den kolonialen Massen war die wichtigste Grundlage für den US-Imperialismus, seine Vorherrschaft in Europa zu festigen, den Kapitalismus wiederaufzubauen und letztlich die Front des „Kalten Kriegs“ gegen die Sowjetunion und Osteuropa zu eröffnen.

Zehn Tage Arbeitermacht in Italien

Im April 1945 hatte die Arbeiterklasse in Norditalien zehn Tage lang die Macht. Die wichtigsten Industriebetriebe und der Großgrundbesitz waren enteignet und unter Kontrolle der Arbeiter, bewaffnete Partisanenmilizen überwachten die Ordnung, eine Volksarmee von 300.000 Kämpfern, die jede Menge Waffen von den deutschen faschistischen Truppen erbeutet hatte, schützte das von Faschisten befreite Gebiet. Die Hauptanführer der italienischen Faschisten einschließlich Mussolini wurden hingerichtet.

Doch nach zehn Tagen legte die stalinistische Führung der Kommunistischen Partei Italiens selbst Hand an, um die Arbeiter zu entwaffnen. Sie unterstützte die imperialistischen Verbündeten Stalins, die amerikanischen und britischen Truppen bei der Rückgabe der Macht an die Kapitalisten.

Diese stand im Einklang mit dem Abkommen, das Stalin in Jalta mit den westlichen Alliierten getroffen hatte und das eine Regierung der Nationalen Einheit mit rechten kapitalistischen und sogar monarchistischen Kräften vorsah.

Im Juli 1943 war der faschistische Verbündete Hitlers in Italien, Benito Mussolini, durch eine Opposition in den eigenen Reihen und Monarchisten gestürzt worden und hatte sich nach Norden zurückgezogen, wo Einheiten der Wehrmacht ihren Einmarsch vorbereiteten. Die neue Regierung der Nationalen Einheit unter Marschall Pietro Badoglio, die auf die Seite der Alliierten wechselte, wurde von Stalin im Oktober 1943 bei der Außenministerkonferenz in Moskau anerkannt.

Der Sturz Mussolinis war für die italienische Arbeiterklasse der Auftakt zu einem Massenaufstand. Bereits im Frühjahr des Jahres hatten die Arbeiter von Turin eine riesige Streikwelle begonnen, die sich von Mailand bis Genua erstreckte. In Sizilien waren zu diesem Zeitpunkt bereits die englischen und die amerikanischen Truppen gelandet.

Im Sommer entstanden überall Vereinigte Antifaschistische Komitees, in den Fabriken wurden Arbeiterkommissionen gewählt und Streiks für die Freilassung der politischen Gefangenen organisiert.

Die Badoglio-Regierung reagierte mit Gewalt und erteilte Schießbefehl. Als die Wehrmacht mit achtzehn Divisionen Nord- und Mittelitalien besetzten, rührte sie keinen Finger zur Verteidigung und hoffte stattdessen, dass die deutschen Faschisten die revolutionäre Bewegung der Arbeiter zerschlagen würden.

In Badoglios Schießbefehl gegen die Arbeiter hieß es wörtlich:

Jede Bewegung muss schon im Ansatz rücksichtslos zerschlagen werden ... Die Truppen werden in Gefechtsaufstellung eingreifen und ohne vorherige Warnung, auf Distanz, unter Einsatz von Mörsern und Artillerie das Feuer eröffnen, als ob sie dem Feind im Felde gegenüberstünden. Aus keinem nur denkbaren Grunde wird auch nur ein einziger Schuss in die Luft abgegeben; es ist wie im Gefecht nur auf den Mann zu zielen. Ist es irgendwo auch nur zu einem vereinzelten Gewaltakt gekommen, sind die Verantwortlichen auf der Stelle hinzurichten.[7]

Während die Arbeiterklasse in den von Nazi-Truppen besetzten Gebieten im Norden Italiens sofort in die Offensive ging, organisierte Stalin und sein Zögling, der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Italiens (KPI), Palmiro Togliatti, der sich Ende 1943 noch in Moskau aufhielt, den Ausverkauf der Revolution.

In der Italien-Erklärung der Außenministerkonferenz von Moskau vom Oktober 1943 wurde nicht nur die Badoglio-Regierung anerkannt, sondern auch der Eintritt von „Antifaschisten“ in die Regierung gefordert. Togliatti schrieb am 12. November 1943 in einem Artikel der „Prawda“ in nicht zu überbietenden Zynismus: „Die in der Italien-Erklärung vorgeschlagenen Maßnahmen entsprechen den Interessen und Hoffnungen des italienischen Volkes aufs Haar.“

Togliatti wurde im März 1944 in Neapel eingeflogen, um Stalins Politik gegen alle Widerstände in der KPI durchzusetzen. Bis zu Togliattis Eintreffen hatte die KPI im von den Alliierten besetzten Süden des Landes gegen die Badoglio-Regierung gekämpft und den König in die Flucht geschlagen.

Ende Januar 1944 verlangte noch ein Kongress aller antifaschistischen Parteien in Bari die sofortige Abdankung des Königs, und als am 22. Februar der britische Premierminister Churchill die antimonarchistischen Forderungen kritisierte, riefen die Arbeiter von Neapel sofort einen Streik aus.

Feiern in Neapel nach der Befreiung der Stadt durch einen Volksaufstand im September 1943 - einen Monat später anerkannte Stalin die rechte Regierung Badoglio

Am 12. März fand eine riesige „Volksversammlung“ statt, auf der nur Vertreter linker Organisationen sprachen. Am 14. März – auf dem Höhepunkt der Mobilisierung gegen die Badoglio-Regierung und gegen die britischen Imperialisten – gab dann plötzlich Badoglio die Anerkennung seiner Regierung durch die Sowjetunion und die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen bekannt, noch bevor dies die Alliierten getan hatten.

Zwei Tage, nachdem Togliatti eingetroffen war, am 29. März, wurde auf einem Treffen aller Parteiführer in Salerno die Politik Stalins beschlossen: nicht Kampf gegen die Regierung Badoglios, gegen den König und gegen die imperialistischen Besatzer, sondern eine Regierung der Nationalen Einheit unter der Schirmherrschaft des Königs. Togliatti selbst trat in diese Regierung ein.

Die Zusammenarbeit der KPI mit den Christdemokraten und Königstreuen ermöglichte der herrschenden Klasse Italiens und dem Vatikan, sich schnell zu reorganisieren. Nach der Befreiung Roms Mitte 1944 wurde Marschall Badoglio als Regierungsoberhaupt von Ivanoe Bonomi abgelöst, ein ehemaliger Sozialdemokrat, der 1911 wegen seines extremen Sozialchauvinismus aus der Sozialistischen Partei ausgeschlossen worden war. Unter Bonomi wurde systematisch der alte kapitalistische Staatsapparat wiederaufgebaut.

Togliatti unterstützte ihn im Namen von „Ruhe und Ordnung“. „Die Aufgabe, vor der die italienischen Arbeiter heute stehen, ist es nicht, das zu tun, was sich in Russland ereignet hat“, erklärte er in seiner ersten öffentlichen Rede nach seiner Rückkehr aus Moskau.

Während die Stalinisten im Süden die Unterordnung unter den kapitalistischen und sogar monarchistischen Staat (der König hatte allerdings inzwischen von selbst abgedankt) betrieben, entwickelte sich im Norden der bewaffnete Kampf der Arbeiterklasse gegen die faschistischen Besatzer.

Im März 1944 nahmen eine halbe Million Arbeiter an einem Generalstreik teil, der in Turin eine ganze Woche andauerte. Gleichzeitig wurde die Partisanenbewegung immer stärker und im Sommer 1944 standen bereits rund 100.000 Mann unter Waffen.

Mussolini hatte im Norden unter dem Schutz von Hitlers Truppen seine Republik von Salo errichtet. Aber in vielen besetzten Gebieten gab es bereits eine Doppelherrschaft durch die Befreiungskomitees der Partisanen.

Die stalinistische Führung der KPI ging schließlich vereint mit den imperialistischen Verbündeten von Stalin daran, die Partisanenbewegung zu zerschlagen.

Im Herbst 1944 stoppten die Alliierten ihren Vormarsch und halfen damit den Nazi-Truppen der Wehrmacht, während des harten Winters 1944/45 gegen die Partisanen vorzugehen.

Als General Alexander die Einstellung der Kämpfe der Partisanen befahl, ignorierten diese zunächst diesen Befehl. Aber das Nationale Befreiungskomitee für Oberitalien (CLNAI) schickte eine Delegation nach Rom, wo sie unter Druck der KPI-Führung das „Protokoll von Rom“ am 7. Dezember 1944 unterzeichnete, in dem die Partisanen im Norden auf die Instruktionen der britischen und amerikanischen Generäle verpflichtet wurden.

Als „Gegenleistung“ wurde das CLNAI als „legale“ Regierung im Norden anerkannt – mit der praktischen Folge, dass die Arbeiter und die Partisanen bei der Winteroffensive der faschistischen Truppen unterstützt von Mussolini-Anhängern völlig allein gelassen wurden. Die Alliierten ließen die Faschisten wüten, und die KPI-Führung organisierte keinerlei Verteidigung der Partisanen durch eine Mobilisierung der Arbeiter im Süden.

Erst als die Partisanen und die bewaffneten Arbeitermilizen in den Betrieben die deutschen Truppen praktisch zurückgeschlagen hatten, setzten gegen Mitte April die Alliierten ihre Offensive fort.

Noch vor dem Eintreffen der alliierten Truppen befreiten die Partisanen und die Arbeiter den größten Teil der Städte und der besetzten Gebiete. Sie retteten die Industriebetriebe vor der Zerstörung, erbeuteten Waffen und errichteten überall die Arbeitermacht.

Die Hauptanführer der italienischen Faschisten wurden hingerichtet, Mussolini aufgehängt. Zehn Tage lang leitete das Befreiungskomitee für Oberitalien das gesamte politische, soziale und wirtschaftliche Leben in diesem Gebiet. Besondere Partisaneneinheiten versahen den Polizeidienst, während andere Partisaneneinheiten die faschistischen deutschen Truppen verfolgten, um sie zu entwaffnen.

Die Revolution hatte günstige Bedingungen. An der Ostgrenze des Landes stand die jugoslawische Revolutionsarmee, die – ebenfalls gegen den Widerstand Stalins – die Kontrolle im ganzen Land errichtet hatte, an der österreichischen Grenze stand die Rote Armee der Sowjetunion.

Doch die KPI-Führer halfen auf Anweisung Stalins und entsprechend den Abmachungen von Jalta den Alliierten, die Partisanen zu entwaffnen. Togliatti erklärte dazu auf dem 5. Parteitag der KPI im Dezember 1945:

Uns alle vereint die Übereinkunft, im Kampf zwischen den Parteien nicht auf Gewalt zurückzugreifen. Diese Übereinkunft fordert die Entwaffnung aller, und wir waren die ersten, die sie ausführten, indem wir bei den Partisaneneinheiten Maßnahmen in dieser Richtung ergriffen.[8]

Mit dieser Unterstützung der KPI im Rücken erklärte die anglo-amerikanische Militärverwaltung für Norditalien den Kriegszustand. Sie löste alle Einrichtungen der Arbeitermacht auf, setzte alte reaktionäre Beamte der Verwaltungen wieder ein, gab den Grundeigentümern und Kapitalisten ihr Eigentum zurück und entwaffnete die Partisanen.

Die Befreiungskomitees und die Arbeiter versuchten, ihre Waffen zu verstecken, und die Niederschlagung ihres Widerstands zog sich über das ganze Jahr hin. Togliatti war in dieser Zeit Justizminister der Regierung in Rom, der nicht nur die Befreiungskomitees nicht verteidigte, sondern auch die Säuberung von Faschisten in den Verwaltungen sabotierte.

Nachdem die Revolution schließlich erfolgreich erwürgt war und die Kapitalisten und ihr Staat wieder fest im Sattel saßen, entließ der Christdemokrat De Gasperi die kommunistischen Minister.

Revolution in Jugoslawien wider Stalins Willen

Die Geheimabkommen zwischen Stalin und Churchill über die Aufteilung des Balkans wurden 1945 nicht erfüllt – die jugoslawischen Arbeiter und Bauern und ihre Partisanenkämpfer machten den Imperialisten und Stalin einen Strich durch die Rechnung.

Gegen die faschistischen Truppen Italiens und Deutschlands hatte in Jugoslawien die Kommunistische Partei unter Führung Titos eine revolutionäre Partisanenarmee aufgebaut, die sich vor allem auf die Arbeiterklasse und die Bauern stützte.

Im Gegensatz zu anderen Ländern, wo die stalinistischen Parteien eine Volksfrontpolitik verfolgten und die Zusammenarbeit mit kapitalistischen Parteien anstrebten, waren in Jugoslawien alle, die die Beibehaltung des Kapitalismus oder sogar der Monarchie befürworteten, ausgeschlossen.

Stalin dagegen unterstützte genauso wie die britischen Imperialisten die Exilregierung von König Peter, die in London residierte, und dessen Verteidigungsminister Oberst Draja Michailowitsch, dessen bewaffnete Einheiten, die „Tschetniks“, in Jugoslawien mit den Faschisten kollaborierten.

Eine Einheit der Vierten proletarischen montenegrinischen Brigade in Westserbien 1944

Doch die Partisanenarmee Titos bekam innerhalb von zwei Jahren große Unterstützung durch die Bevölkerung. Gerade die Tatsache, dass sie den Kampf gegen den Faschismus mit dem Kampf zum Sturz des kapitalistischen Systems verband, ließ ihren Einfluss wachsen und isolierte Oberst Michailowitsch und seine Tschetniks.

Sobald die Partisanenarmee ein Stück Land befreit hatte, setzte sie dort Machtorgane der Bauern und Arbeiter ein, an denen die Kämpfer der Partisanen beteiligt wurden. Ein unmittelbares Ziel, die Agrarrevolution, wurde während des Kampfes durchgesetzt.

Die britischen und amerikanischen Imperialisten drängten Stalin, dieser Entwicklung ein Ende zu setzen. Stalin ließ daraufhin Tito durch Dimitrov Botschaften schicken, um ihn dazu zu bewegen, seinen Kurs zu ändern und eine „nationale Front aller Feinde Hitlers und Mussolinis“ aufzubauen, d.h. eine Einheit mit Kapitalisten, Monarchisten und sonstiger Reaktionäre.

Der „Verdacht“ sei aufgekommen, so Dimitrov in einer Botschaft vom 5. März 1942, „dass die Partisanenbewegung einen kommunistischen Charakter annimmt und auf die Sowjetisierung Jugoslawiens hinzielt. Warum war es beispielsweise nötig, noch spezielle proletarische Brigaden zu bilden?“

Tito wird in der gleichen Botschaft aufgefordert, seinen Kampf „nicht einzig und allein vom nationalen Gesichtspunkt, sondern auch vom internationalen Gesichtspunkt, von der englisch-amerikanisch-sowjetischen Koalition aus zu betrachten“.

Doch Stalin sandte nicht nur Botschaften. Er versuchte auch praktisch, die Partisanenarmee Titos zurückzuhalten. Forderungen der jugoslawischen Revolutionäre nach Unterstützung mit Waffen und Munition beantwortete die Moskauer Bürokratie mit Nein.

Als Grund wurden technische Schwierigkeiten angegeben, später stellte sich jedoch heraus, dass die Sowjetunion zur gleichen Zeit den königstreuen Tschetniks Militärmaterial und sogar die Entsendung einer Militärmission anbot.

Im Herbst 1942, als die Befreiungsarmee bereits 150.000 Kämpfer zählte, beschloss der Antifaschistische Rat für die nationale Befreiung Jugoslawiens (AVNOJ), eine provisorische Regierung zu bilden. Stalin widersetzte sich, konnte diesen Beschluss jedoch nur ein Jahr aufschieben.

Während der Außenministerkonferenz 1943 in Moskau sandte Tito eine Mitteilung nach Moskau, dass sich der AVNOJ als den einzigen Repräsentanten des jugoslawischen Volkes betrachte und weder König noch die Londoner Exilregierung anerkenne.

Stalin erkannte jedoch weiterhin die Regierung König Peters an. Daraufhin versammelten sich während der Teheraner Konferenz 1943, als Stalin, Churchill und Roosevelt die „Einfluss-Sphären“ der Welt aufteilten, Delegierte der Komitees für die Befreiung aus ganz Jugoslawien in Jajce und erklärten die Londoner Exilregierung für abgesetzt.

Stalin tobte. Manuilski sandte im Auftrag Stalins eine Botschaft an Tito, in der er ihn davon in Kenntnis setzte, dass der „Chef ausgesprochen wütend ist. Er sagt, dass dies ein Dolchstoß in den Rücken der Sowjetunion und der Teheraner Beschlüsse sei.“

Erst nachdem die amerikanischen und die britischen Imperialisten Titos Regierung anerkannten, folgte ihnen Stalin. Gleichzeitig versuchte er weiterhin, Tito zur Übereinkunft mit König Peter zu drängen und den britischen Imperialisten 50 Prozent des Einflusses in Jugoslawien gemäß den Geheimabkommen mit Churchill zu überlassen, was ihm letztlich nicht gelang.

Auflösung der Komintern

Während die Stalinbürokratie Tito einen nationalen Standpunkt vorwarf, weil er sich ihren Abkommen mit den britischen und amerikanischen Imperialisten nicht unterwarf, löste Stalin auf Druck der Alliierten am 10. Juni 1943 die Dritte Internationale, die Komintern auf.

Er ging damit auf die Drohungen der Imperialisten ein, dass sie sich mit Hitlerdeutschland verbünden würden, wenn Stalin nicht endlich die „trotzkistische Idee“ der „Weltrevolution“ aufgebe.

Stalin, Roosevelt und Churchill 1943 auf der Konferenz von Teheran

Nach der Auflösung der Kommunistischen Internationale jubelte die amerikanische bürgerliche Presse: „Die Welt atmet auf’, hieß es in Leitartikeln. „Der alte Wahn Trotzkis wurde aufgegeben, der Traum von Marx von beendet.“ Die Chicago Tribune schrieb: „Stalin hat die Derwische des marxistischen Glaubens beerdigt. Er hat die Bolschewiken exekutiert, deren Reich diese Welt war und die die Weltrevolution wollten.“

Damit zog die Stalin-Bürokratie die organisatorischen Konsequenzen ihrer Politik des „Sozialismus in einem Land“, die sie seit Lenins Tod vertreten hat und die zu den verheerendsten Niederlagen der internationalen Arbeiterklasse in den dreißiger Jahren geführt hatte.

Seit der Niederlage der deutschen Arbeiterklasse 1933 und dem Sieg Francos 1936 in Spanien wurde die Perspektive der Weltrevolution nur noch von Trotzki und den Mitgliedern der Linken Opposition vertreten, die den Aufbau der Vierten Internationale vorbereiteten.

Die Position, dass der Sozialismus in einem Land, der Sowjetunion, vollendet werden könnte, hatte die Stalin-Clique direkt zur engsten Zusammenarbeit und zur Geheimdiplomatie mit den Imperialisten geführt – um den Preis des Verrats der Revolutionen anderer Länder.

Kampf für Arbeiterräte und Enteignung in Deutschland

Obwohl die deutsche Arbeiterklasse durch faschistischen Terror und Bombenkrieg dezimiert und ihrer besten Kämpfer beraubt war, gab es bei Kriegsende eine Vielzahl Versuche, den Kampf für ein sozialistisches Deutschland aufzunehmen.

Überall entstanden antifaschistische Komitees und Betriebsausschüsse, die teilweise bewusst an die Tradition der Arbeiter- und Soldatenräte von 1918 anknüpften, und die die Organisierung des Wiederaufbaus, die Versorgung der Bevölkerung und teilweise die politische Macht in die Hand nahmen.

Nicht nur die amerikanischen und britischen Besatzer betrieben jedoch ihre Unterdrückung und Auflösung; auch die sowjetischen Besatzer und die KPD-Exilführung. die aus Moskau eingeflogen wurde, wandten sich gegen die Ausschüsse und Komitees. Gemäß Stalins Abkommen mit den Imperialisten in Potsdam und Jalta mussten Versuche in Deutschland, die Kapitalisten zu entmachten und den Sozialismus zu errichten, abgewürgt werden.

In der sowjetisch besetzten Zone vertrat die aus Moskau eingetroffene KPD-Exilgruppe unter Leitung Walter Ulbrichts die Perspektive einer parlamentarischen bürgerlichen Demokratie und der freien Entfaltung „der privaten Unternehmerinitiative auf der Grundlage des Privateigentums“.[9] Der Arbeiterklasse wurde von Stalin die Mitschuld am Faschismus und Krieg gegeben.

„In den letzten Tagen sind verschiedene Büros, Komitees und Organisationen entstanden, die sich Antifaschistische Komitees, Anti-Nazi-Gruppen, Sozialistische Büros, Nationalkomitees oder sonst wie bezeichnen“, erklärte Walter Ulbricht im Mai 1945 auf einer der Besprechungen der Initiativgruppe in Berlin, die speziell von Moskau eingeflogen wurde, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.

Es wurde in Erfahrung gebracht, dass diese Büros von Nazis aufgezogen worden sind. Es sind also Tarnorganisationen, deren Ziel es ist, die demokratische Entwicklung zu stören. Wir müssen alles daransetzen, sie aufzulösen. Dies ist jetzt die wichtigste Aufgabe. Jeder soll in seinem Bezirk unbedingt herausbekommen, wo sich solche Komitees befinden und ihre sofortige Auflösung bewirken.[10]

Die Perspektive, die Stalin für Deutschland hatte, gab die KPD in ihrem Gründungsaufruf am 11. Juni 1945 unmissverständlich aus:

Mit der Vernichtung des Hitlerismus gilt es gleichzeitig die Sache der Demokratisierung Deutschlands, die Sache der bürgerlich-demokratischen Umbildung, die 1848 begonnen wurde, zu Ende zu führen, die feudalen Überreste völlig zu beseitigen und den reaktionären altpreußischen Militarismus mit allen seinen ökonomischen und politischen Ablegern zu vernichten.

Wir sind der Auffassung, dass der Weg, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen, falsch wäre, denn dieser Weg entspricht nicht den gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen in Deutschland.

Wir sind vielmehr der Auffassung, dass die entscheidenden Interessen des deutschen Volkes in der gegenwärtigen Lage für Deutschland einen anderen Weg vorschreiben, und zwar den Weg der Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk.

Damit auch klar ist, dass es sich um eine bürgerliche „demokratische Republik“ handeln soll, wird weiter gefordert:

Völlig ungehinderte Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative auf der Grundlage des Privateigentums.[11]

Als Rechtfertigung für diese Perspektive der Wiedererrichtung des Kapitalismus in Deutschland wurde die Kollektivschuldthese aufgestellt. Im gleichen Aufruf heißt es, dass „in jedem deutschen Menschen das Bewusstsein und die Scham brennen (muss), dass das deutsche Volk einen bedeutenden Teil Mitschuld und Mitverantwortung für den Krieg und seine Folgen trägt“.

Antifaschistische Arbeiterräte und Komitees

Im Gegensatz zu den üblen Verleumdungen von Ulbricht waren die meisten antifaschistischen Komitees, die 1945 in den Arbeitergebieten entstanden, von den kommunistischen Mitgliedern organisiert worden, die den Widerstandskampf gegen die Nazis überlebt hatten.

Sie waren meist die direkte Fortsetzung von Widerstandsgruppen, die jetzt glaubten, dass der. Kampf für die Arbeitermacht und für die endgültige Beseitigung des kapitalistischen Systems, das Faschismus und Krieg hervorgerufen hatte, geführt werden müsse. Der Partisanenkampf in Griechenland, Italien und Frankreich – auch wenn nur spärliche Nachrichten nach Deutschland drangen – hatte viele Arbeiter ermutigt. Manche Widerstandsgruppen versuchten sogar, den Alliierten mit einem bewaffneten Aufstand zuvorzukommen und riskierten noch in den letzten Tagen des Faschismus ihr Leben.

In Mülheim am Main in der Nähe von Offenbach leitete Michael „Willy“ Busch, ein Kommunist, der schon 1918 Matrosenräte organisiert hatte, lange Zeit im KZ Dachau war und dann fliehen konnte, die bewaffnete Erstürmung des Rathauses – drei Tage, bevor die amerikanischen Truppen eintrafen.

Die Arbeiter entwaffneten die deutschen Soldaten und schickten sie mit Zivilkleidern nach Hause. Die NS-Verbrecher wurden ins Gefängnis gesteckt und später den Amerikanern übergeben.

In Düsseldorf versuchte eine kleine Widerstandsgruppe, die schon viele Mitglieder durch den Naziterror verloren hatte, wenige Stunden vor dem Einmarsch der britischen Truppen das Polizeipräsidium zu besetzen. Sie wurden von der SS niedergemetzelt.

Auch in Dachau mussten noch einige KPD-Mitglieder mit ihrem Leben bezahlen, als sie versuchten, zusammen mit einer Widerstandsgruppe der Außenkommandos des KZs bewaffnet das Rathaus zu stürmen, und von der SS vertrieben wurden.

In Schwarzenberg im Erzgebirge bewaffneten sich die Arbeiter und hatten bis zum Juni 1945 den Kreis unter Kontrolle. Es war der einzige Kreis, der bis dahin unbesetzt blieb.

Anti-Nazi-Transparent in Berlin-Neukölln, Sommer 1945 [Photo by Bundesarchiv, Bild 183-2005-0901-517 / undefined]

Überall ging Arbeiter trotz ihrer Schwächung und Zersplitterung in den Kampf. Betriebsräte und Betriebsausschüsse reorganisierten die Produktion der Industrie. Antifaschistische Ausschüsse nahmen die Trümmerbeseitigung, die Lebensmittel und Wohnraumbeschaffung in die Hand und verjagten die Nazis aus ihren Gebieten, aus den Verwaltungen und den Betrieben. Führende Nazis, die noch nicht geflohen waren, wurden aus ihren Villen vertrieben und zur Zwangsarbeit in den Aufräumtrupps für Schutt und Trümmer herangezogen.

In vielen antifaschistischen Komitees wurde entgegen der Perspektive Stalins über die Schaffung eines sozialistischen Rätedeutschlands diskutiert. In Meißen wurde ein „Rat der Volkskommissare“ gebildet, in Usedom in Mecklenburg-Vorpommern die Diktatur des Proletariats verkündet.

Die Widerstandsgruppe in Leipzig unter Führung von Georg Schumann und Otto Engert hatte noch vor dem Ende des Faschismus revolutionäre Perspektiven ausgegeben. „Nicht nur Deutschland – ganz Europa steht am Vorabend einer gewaltigen Revolution“, hieß es im illegalen Kadermaterial der Leipziger Gruppe im Juni 1944. Einen Monat später zerschlug die Gestapo die Widerstandsgruppe und ließ zehn ihrer führenden Mitglieder, darunter Schumann, Engert und Kresse hinrichten.

Schumann, der der KPD und Engert, der der KPO angehörte, hatten 1943 noch die Parole „Klassenkrieg dem imperialistischen Krieg und Sonderfriede mit der Sowjetunion“ ausgegeben und sich damit vollkommen gegen den stalinistischen Standpunkt, dass die Alliierten einen antifaschistischen Krieg führten, gestellt.

Schumann und Engert forderten in ihren Leitsätzen 1943 das Vorantreiben der Weltrevolution, indem die kapitalistische Macht in Deutschland und ganz Europa niedergerissen wird.

1945 waren die wenigen Überlebenden der Leipziger Widerstandsgruppe, die sich NKFD (Nationalkomitee Freies Deutschland) nannte, jedoch mehr auf Stalins Linie. Nach der Besetzung durch die amerikanischen Truppen arbeitete das NKFD mit den Militärbehörden zusammen und untersagte zum Beispiel die Bewaffnung der Arbeiter.

Dennoch verbot die Besatzungsbehörde das Komitee, nachdem es immer mehr Anhang unter den Arbeitern gefunden hatte und eine große 1. Mai-Demonstration mit befreiten Zwangsarbeitern vorbereitete. Das NKFD akzeptierte das Verbot, getreu der Anweisung der stalinistischen Führung, mit den Alliierten zusammenzuarbeiten.

Als am 2. Juli 1945 die Rote Armee in Leipzig die Kontrolle übernahm, wurden die Überreste des antifaschistischen Komitees aufgelöst. Ende August bis Mitte September griff die Führung der Berliner KPD ein und ließ kurzerhand führende KPD-Funktionäre Leipzigs absetzen, darunter Kurt Roßberg, der Bürgermeister Leipzigs, und Karl Plesse, der Politische Leiter der KPD Leipzigs, die beide Überlebende der Widerstandsorganisation NKFD waren.

Auch in den Westzonen war es die stalinistische Politik der Zusammenarbeit mit den Imperialisten, die letztlich zur Auflösung antifaschistischer Komitees führte, die teilweise wie in Frankfurt-Riederwald die Form von Arbeiterräten annahmen.

Der Riederwalder Arbeiterausschuss, der gemeinsam von Kommunisten und Sozialdemokraten geführt wurde, besorgte nicht nur die Lebensmittel- und Wohnraumbeschaffung und andere lebensnotwendige Aufgaben, sondern war eine Zeitlang ein Machtorgan in diesem Stadtteil.

Nachdem der Ausschuss die NSDAP-Akten in den Büros beschlagnahmt hatte und von daher genau wusste, wer alles Nazi war, wurden Arbeitseinsätze von Nazis eingeteilt. Die Nazis wurden früh aus ihren Wohnungen geholt und unter Aufsicht zum Wegräumen von Trümmern gezwungen, Wohnungen von Nazis wurden enteignet und Obdachlosen zur Verfügung gestellt. Manch ein Nazi wurde mit einer lauten Schelle durch die Siedlung getrieben.

Die Perspektive der Riederwalder Arbeiter war der Kampf für den Sozialismus und für eine einheitliche sozialistische Arbeiterpartei. In britischen Geheimdienstberichten über sie stand: „Kommunistisch inspiriert. Hofft auf Wiederaufbau der III. Internationale. Misstraut den deutschen Generälen der Freies-Deutschland-Bewegung.“

Die revolutionären Aktionen gegen die Nazis durch die Riederwalder Arbeiter erregte bald das Ärgernis der Militärbehörden, die den Ausschuss im Spätsommer 1945 verboten. Sie schickten Polizei, um das Büro des Ausschusses zu schließen und dessen Akten zu beschlagnahmen. Die klare Absage der stalinistischen Führung der KPD an den Kampf für den Sozialismus brachte letztlich auch die Riederwalder Arbeiter dazu, sich dem Verbot unterzuordnen, nachdem sie es lange ignoriert hatten.

In Stuttgart, wo die Bewegung der antifaschistischen Ausschüsse am längsten andauerte und die letzten Reste erst 1948 untergingen, tauchte bereits am Vorabend der Kapitulation der deutschen Wehrmacht ein „Mitteilungsblatt des Kampfkomitees gegen den Nationalsozialismus“ auf, in dem es hieß: „Gegen ein historisch überlebtes Wirtschaftssystem, für einen planmäßigen sozialistischen Wiederaufbau.“

In ganz Stuttgart wurden nach der Besetzung durch die französischen Truppen Kampfkomitees gegen den Faschismus aufgebaut. Wie auch in anderen Gebieten sorgten sie nicht nur für das Nötigste zum Leben, sondern spürten auch Nazis auf, die sie sofort vor einem Kampfkomitee unter Zeugen aus KZs verhörten und dann zum Arbeitseinsatz abkommandierten.

Frauen von höhergestellten Nazis wurden zum Kloputzen und ähnlichem herangezogen. „Man müsse die Frauen der ‘besseren Herren’ zur Arbeit heranziehen, wobei darauf zu achten sei, dass sie nicht Arbeit bekommen, bei der sie sich wohlfühlen könnten“, wurde als Grundsatz bei einer Versammlung eines Kampfkomitees im ehemaligen NS-Parteigebäude in Heslach am 17. Mai ausgegeben. Einem Augenzeugen erschien die Versammlung als „Revolutionstribunal“.

Die Kampfkomitees entfalteten ihre Macht parallel zu den Stadtverwaltungen und Behörden, die von den Besatzungstruppen eingesetzt worden waren. Im Gegensatz zu den anderen Zonen ließ die französische Besatzungsbehörde die Komitees relativ lange gewähren. Wer schließlich dafür sorgte, dass die Kampfkomitees keine weitergehenden revolutionären Aufgaben verfolgten, waren die Stalinisten.

Im Juni 1945 kehrten eine Reihe höherer KP-Funktionäre aus der KZ-Haft bzw. aus der Emigration zurück: Einer von ihnen, Albert Buchmann, ein stalinistischer Bürokrat, ging sofort gegen das „Sektierertum“ und den „Linksradikalismus“ der Kampfkomitees vor. In seiner Rede „Die Ausschüsse und ihre öffentliche Tätigkeit“ um die Monatswende Juni/Juli 1945 herum erklärte er, dass die Aktionsausschüsse nicht in einen Gegensatz zu den Besatzungsmächten geraten dürften.

Die Ausschüsse, so Buchmann, müssten für die freiwillige Anerkennung der Kollektivschuld des deutschen Volkes und für entsprechende Reparationen werben und müssten ihren klassenkämpferischen Charakter aufgeben, um „das Vertrauen der Bevölkerung und der Behörden“ zu gewinnen. Außerdem müsse das Potential der Ausschüsse für die Beteiligung an den Verwaltungen gewonnen werden.

Mit anderen Worten: Buchmann setzte im Namen Stalins den Kurs der Unterordnung unter den kapitalistischen Staat und sogar der Beteiligung an dessen Aufbau durch.

Im Ruhrgebiet entstanden sofort nach Kriegsende Betriebsausschüsse, die teilweise von ehemaligen Mitgliedern der Roten Ruhrarmee von 1920 geleitet wurden, oder von führenden Mitgliedern der Arbeiterräte von 1918/1919. Ein großer Teil der 1945 aktiven Arbeiter hatte die Zeit von 1918 bis 1920 miterlebt.

Am Ende des Protokolls der Betriebsrätekonferenz vom 23. April 1945 auf der Zeche Prinz Regent in Bochum, hieß es mit Anspielung auf die Rote Ruhrarmee: „Hoch lebe die Rote Armee!“ Der Vertreter der Zeche Prinz Regent in Bochum war Heinrich Weeke, der ehemalige Vorsitzende des Arbeiterrats in Essen-Steele von 1919.

Die Betriebsausschüsse entstanden meist aus illegalen Betriebszellen, die gegen die Nazis Widerstand organisiert hatten. Viele Schachtanlagen im Ruhrgebiet wurden durch diese vor der Sprengung durch die zurückflutende Wehrmacht und SS gerettet und sofort wieder in Betrieb genommen.

Vom April 1945 an standen die Betriebsausschüsse in der schärfsten Konfrontation mit den Militärbehörden der amerikanischen und britischen Imperialisten, die sich bis zu der massiven Streikbewegung Ende 1946 und Anfang 1947 noch zuspitzte.

Bereits am 15. April 1945 erklärte ein Major der britischen Militärregierung im Ruhrgebiet gegenüber Vertretern von Gelsenkirchener Zechen: „Revolution wird nicht geduldet.“

In Zusammenarbeit mit antifaschistischen Komitees oder Komitees zur Gewerkschaftsgründung hatten die Betriebsausschüsse von Anfang an nicht nur die Wiederingangsetzung der Produktion organisiert, sondern ebenso eine Kampagne zur Enteignung der Betriebe und zur Verhaftung und Bestrafung der Nazis. Nazi-Direktoren und leitende Angestellte wurden verjagt, und der Werkschutz durch die Arbeiter selbst organisiert.

Die Betriebsausschüsse gingen vor allem gegen diejenigen Nazis vor, die sich durch Schikanen, Antreibereien, brutale Misshandlungen von ausländischen Arbeitern und Denunziationen hervorgetan hatten. „Wir haben denjenigen, die sich an Gefangenen vergangen haben, verboten, weiterhin die Schachtanlage zu betreten. Weniger Belastete (Steiger) haben wir in Arbeit getan“, berichtete ein Vertreter der Zeche Dannenbaum in Bochum auf der Betriebsrätekonferenz am 23.4.1945.

Die Militärbehörden der Alliierten versuchten, dieses Vorgehen der Arbeiter zu unterdrücken. Auch Gewerkschaftsgründungen wurden bis zum Potsdamer Abkommen im Sommer 1945 nicht zugelassen. Nach dem Potsdamer Abkommen wurden Gewerkschaften zwar zugelassen, aber nach dem Konzept der Besatzungsbehörden als Industriegewerkschaften aufgebaut und gegen die Betriebsräte ausgespielt. Die Alliierten konnten sich dabei auf die Zusammenarbeit von sozialdemokratischen Gewerkschaftsführern wie Fritz Tarnow und Hans Böckler stützen.

Betriebsausschüsse, die versuchten, die Entlassung von Nazis durchzusetzen, wurden verwarnt. Die Militärbehörden wiesen sie an, sich nur um betriebsinterne Angelegenheiten zu kümmern. Im Jahre 1946, als die Ernährungslage im Ruhrgebiet immer schlechter wurde, kam es zu Kampfmaßnahmen und Streiks, die sich bis Anfang 1947 immer mehr ausdehnten.

Die zentrale Forderung der Arbeiter war die Enteignung der Kohlebarone und die Auflösung des für die Verteilung von Lebensmitteln verantwortlichen Amts von Dr. Hans Schlange-Schöningen, das hauptsächlich durch ehemalige Nazis geführt wurde.

Im Februar 1947 waren nahezu sämtliche Betriebe im Raum Essen im Streik, obwohl sich Hans Böckler gegen Streiks ausgesprochen hatte. Bei Abstimmungen über die entschädigungslose Enteignung der Grubenbesitzer in den Schachtanlagen stimmte die übergroße Mehrheit der Arbeiter dafür. Eine der Hauptforderungen war die Forderung nach Kontrollausschüssen für die Lebensmittelversorgung und die Betriebe.

Die Militärbehörden reagierten mit Gewalt. Arbeiter und Betriebsräte wurden fristlos entlassen und die Rationen für die streikenden Arbeiter gekürzt, um sie auszuhungern.

In Hessen, wo sich ebenso die Streiks gegen den Hunger und für die Enteignung ausbreiteten, drohte der US-Gouverneur Newman auf Anweisung von General Clay sogar die Todesstrafe für Streikführer an. In einer Rundfunkansprache am 16.5.1947 erklärte er:

Seien Sie fleißig! ... Ich will Ihrer Regierung in jeder möglichen Weise bei der Durchführung der Maßnahme unter dem Motto „keine Arbeit - kein Brot“ gegen Parasiten und Müßiggänger helfen ... Mit Agitatoren wird ungeachtet ihrer Position sofort abgerechnet werden.“ Er drohte sogar den Belagerungszustand an, „falls sich die Haltung des Volkes nicht bessert ...

Im April 1947 wurden in Braunschweig gepanzerte Fahrzeuge der britischen Militärs gegen streikende Arbeiter eingesetzt, die gegen die bedrohliche Ernährungslage demonstrierten.

Obwohl auf brutale Weise klar wurde, dass die sogenannten demokratischen und antifaschistischen „Verbündeten“ Stalins keine Verbündeten der Arbeiterklasse waren, hielt die KPD an der stalinistischen Politik der Anti-Hitler-Koalition fest. Ihre klaren Anweisungen von der Moskauer Bürokratie waren: Kein Kampf um die Macht, sondern Errichtung eines bürgerlich-demokratischen Regimes.

Die KPD hatte größeren Einfluss als die SPD unter den Arbeitern und in Wirklichkeit die Führung in den Streiks, beschränkte jedoch alles darauf, Druck auf die Länderparlamente auszuüben, damit diese Volksentscheide über die Enteignung der Schlüsselindustrien beschließen.

Als am 4. und 6. März 1947 im Landtag von Nordrhein-Westfalen mehrere Dringlichkeitsanträge der KPD für die Enteignung mit den Stimmen der SPD abgelehnt wurden, blieben die KPD-Abgeordneten im Landtag und riefen auch nicht zum Generalstreik auf, obwohl die Arbeiter spontan ihre Streikmaßnahmen verstärkten.

Nachdem die Alliierten schließlich mit dem Einmarsch von Truppen in die Industriezentren drohten, wiegelte die KPD-Führung die Streikbewegung ab.

Betriebsräte in der Sowjetischen Besatzungszone aufgelöst

Wir müssen uns Rechenschaft ablegen darüber, dass die Mehrheit unserer Genossen sektiererisch eingestellt ist und dass möglichst bald die Zusammensetzung der Partei geändert werden muss durch Hereinnahme aktiver Antifaschisten, die sich jetzt in der Arbeit bewähren. Manche Genossen führen unsere Politik mit Augenzwinkern durch, manche haben den guten Willen, aber dann ist bei ihnen doch die Losung „Rot Front“. Und manche, vor allem in den komplizierten Bezirken Charlottenburg und Wilmersdorf, reden über Sowjetmacht und ähnliches.

Dieser Vorwurf Walter Ulbrichts 1945, enthalten in einem unveröffentlichten Brief an Wilhelm Pieck, den Ulbricht in einer Rede am 12. Mai 1960 zitierte, galt denjenigen KPD-Mitgliedern, die nach 1945 versuchten, endgültig mit dem Kapitalismus Schluss zu machen und tatsächlich die Macht der Räte zu errichten.

Besonders in den sowjetisch besetzten Gebieten sahen sich die Arbeiter ermuntert, die alten Eigentümer der Fabriken, die größtenteils gleichzeitig Nazi-Verbrecher waren, davonzujagen, wenn sie nicht von alleine flohen.

Während die „private Unternehmerinitiative“, die die stalinistische KPD-Führung anpries, darin bestand abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln, gingen die Belegschaften der Betriebe an die Arbeit und reorganisierten die Produktion. Überall wurden Betriebsräte und Betriebsausschüsse gewählt.

An der Spitze der Betriebsräte standen meist Arbeiter, die als Kommunisten oder Sozialdemokraten gegen die Nazis gekämpft hatten und bereits vor 1933 aktiv waren.

Einige nannten sich „Arbeiterrat“ oder proklamierten „Die Macht den Räten“ und knüpften damit bewusst an die Tradition der Arbeiter- und Soldatenräte an. Eines stand im Mittelpunkt bei den meisten Betriebsräten: sich nicht auf Mitbestimmung zu beschränken, wie es im Betriebsrätegesetz von 1920 nach dem Verrat der Revolution von 1918/19 festgelegt worden war, sondern die Leitung der Betriebe selbst in die Hand zu nehmen.

Auf diese Weise versuchten sie, die Lehren aus 1918/19 zu ziehen. Ein Teilnehmer einer Betriebsrätekonferenz in Bitterfeld 1945 namens Schweißinger erklärte zum Beispiel laut eines Berichts vom 25.10.1945: „Nach dem ersten Weltkrieg gelang es uns nicht, unsere Macht auszunützen. Statt die Unternehmer dazu zu zwingen, sich zu bekennen, haben sie uns anerkannt. Das war damals ein Fortschritt. Heute geben wir uns nicht damit zufrieden.“

Walter Ulbricht (rechts) - 1945 aus dem Moskauer Exil zurückgekehrt, mit Stalins Auftrag, revolutionäre Bestrebungen in Deutschland zu unterdrücken. Hier mit Mao und Stalin 1949 bei dessen 71. Geburtstagsfeier in Moskau

Doch die stalinistischen KPD-Führer wie Ulbricht und Pieck lehnten gemeinsam mit den sozialdemokratischen Führern eine Beseitigung des kapitalistischen Profitsystems ausdrücklich ab.

Im ersten Aufruf der KPD vom 11. Juni 1945 wurde das Wort „Sozialismus“ nicht einmal erwähnt. Es gelte, „die Sache der bürgerlich-demokratischen Umbildung, die 1848 begonnen wurde, zu Ende zu führen“, heißt es darin.[12]

In Wirklichkeit stand bereits 1918 eine sozialistische Revolution in Deutschland bevor. Nach der Niederschlagung der Novemberrevolution und der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht mit Hilfe der SPD zog die neugegründete KPD schnell Massen von Arbeitern an. Doch im Zuge der Stalinisierung der Sowjetunion verriet sie ebenfalls ihre revolutionären Perspektiven. Statt in einer Einheitsfront mit Millionen SPD-Arbeitern die faschistische Machtübernahme zu verhindern, wie von Trotzki vorgeschlagen, bezeichnete sie die SPD als „Sozialfaschisten“, spaltete die Arbeiter und ließ die Machtübernahme geschehen.

Nach 1945 hieß es nun plötzlich, dass gemeinsam mit der Sozialdemokratie eine „antifaschistische Demokratie“ verwirklicht und die „private Unternehmerinitiative“ unterstützt werden müsse.

Die Initiativen der Arbeiter waren jetzt mit dem vereinten Widerstand der ehemaligen Eigentümer und der stalinistischen Verwaltungen konfrontiert. Zum Beispiel erhielt ein Arbeiter der Zuckerfabrik Thöringswerder 1945 eine Absage, als er beim Leiter der Industrieabteilung der Provinzialverwaltung um öffentliche Kredite nachsuchte. Dieser erklärte abweisend: „Ich gebe für den Aufbau dieser Fabrik keine 50 Mark; es ist Wahnsinn, hier anzufangen!“ Die Belegschaft setzte dennoch den Wiederaufbau durch und 1947/48 stand der Betrieb an der Spitze aller Zuckerfabriken der Provinz Brandenburg.

Die sowjetischen Besatzungsbehörden versuchten, bereits existierende Betriebsräte wieder aufzulösen und stattdessen Gewerkschaftsausschüsse einzusetzen. In einem Artikel in der Dresdner Tageszeitung für die deutsche Bevölkerung vom 31.07.1945 hieß es:

Von dem Zeitpunkt an, an dem eine betriebliche Gewerkschaftsleitung gebildet ist, hat jede Tätigkeit der vorher geschaffenen Betriebsräte oder antifaschistischen Betriebskomitees aufzuhören.

Die Gewerkschaftsleitungen (BGL) sollten die einzigen Organe der Belegschaft im Betrieb sein und nicht im Betrieb gewählt, sondern vom zuständigen Bezirksausschuss der stalinistischen Gewerkschaft FDGB eingesetzt werden.

In den Richtlinien vom Juli 1945, die teilweise wörtlich vom Weimarer Betriebsrätegesetz 1920 übernommen waren, hieß es, ihre Aufgabe sei unter anderem, „für möglichste Wirtschaftlichkeit der Betriebsleistungen zu sorgen und an der Einführung neuer Arbeitsmethoden fördernd mitzuarbeiten“.

Doch die Stalinisten erlitten zunächst gründlich Schiffbruch mit ihrer Politik: Die Räte-Bewegung wurde immer mächtiger. In zahlreichen Betrieben setzten die Belegschaften mit ihren anerkannten Betriebsräten den Rausschmiss aller Nazis durch und verweigerten zurückkehrenden Unternehmern den Zutritt zu den Betrieben.

Schließlich konnten die stalinistischen Funktionäre nicht umhin, die Existenz der Betriebsräte anzuerkennen, versuchten allerdings, vor allem in den Großbetrieben, die in sowjetische Aktiengesellschaften umgewandelt wurden (SAG), die Zusammenarbeit mit ehemaligen Nazi-Betriebsleitern aufrechtzuerhalten.

Es kam daher zu ersten Streikdrohungen. Besonders lange Auseinandersetzungen gab es in der Filmfabrik Agfa-Wolfen. Die Fabrik hatte vorher zum IG Farben-Konzern gehört. Die alte Betriebsleitung war entsprechend. Doch die neue sowjetische Leitung des Betriebs bestand darauf, mit diesen Nazi-Verbrechern zusammenzuarbeiten.

In einer später veröffentlichten Betriebsgeschichte in der DDR von Eberhard Stein heißt es dazu rechtfertigend:

Die Situation war vor allem dadurch so kompliziert, dass die im Werk tätigen Akademiker, Betriebsleiter, Oberingenieure und anderen Leitungskräfte dem IG Farben-Konzern gedient hatten, sich zum überwiegenden Teil noch mit der IG verbunden fühlten und nicht selten auch der Nazipartei beigetreten waren. Dem Neuen standen sie misstrauisch gegenüber. Die Unduldsamkeit, die der Gewerkschaftsausschuss (Betriebsrat) äußerte, als er unterschiedslos ihre Bestrafung forderte, war offensichtlich nicht richtig. Die Genossen der sowjetischen Werkleitung halfen, eine Fehlentscheidung zu verhindern.[13]

Es sei „notwendig“, erklärte die Werkleitung, „mit den Kräften der wissenschaftlichen und technischen Intelligenz ... eng zusammenzuarbeiten.“[14]

Die Belegschaft bei Agfa-Wolfen drohte daraufhin mehrmals mit Streik. In einer Resolution der SED-Betriebsparteileitung vom 9. Oktober 1946 hieß es dazu:

Mit steigender Verbitterung stellt die Belegschaft fest, dass einige Herren, die längst aus dem Werk hätten verschwinden müssen, sich heute an Umtrieben gegen Antifaschisten führend beteiligen. Die Belegschaft fordert umgehende Erfüllung dieser Forderungen und ist bereit, ihre Forderungen mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln durchzusetzen.[15]

Vor allem in den SAGs wurden den Betriebsräten kaum irgendwelche Mitspracherechte zugestanden. Ulbricht begründete dies auf zynische Weise in einem Grundsatzreferat auf einer Tagung des erweiterten FDGB-Bundesvorstandes am 2. und 3. April in Berlin:

Über die Frage der Mitwirkung der Betriebsräte und Gewerkschaften gibt es noch eine ganze Reihe Unklarheiten. Es gibt Fälle, wo im Betrieb nicht der Direktor bestimmt, sondern wo ein Kollektiv geschaffen wurde unter den verschiedensten Bezeichnungen. Ich glaube, dass man diese Methode nicht anwenden kann.

Und mit einer Verhöhnung aller, die gehofft hatten, unter Führung der KPD für die Abschaffung des Kapitalismus und die Arbeiterkontrolle über die Produktion kämpfen zu können, sagte Ulbricht weiter: „Sie (Betriebsräte und Gewerkschaften) können nicht eingreifen und mitkommandieren. Das geht nicht. Bestimmen kann nur einer.“[16]

Gemäß dieser Einstellung wurde zum Beispiel im Sommer 1945 im Trafo-Röntgen-Werk Dresden dem Altnazi Fischer die Alleinverantwortung für die Leitung des Werks überlassen.

Als am 17. April 1946 vom Alliierten Kontrollrat ein unternehmerfreundliches Betriebsrätegesetz (Gesetz Nr. 22) erlassen wurde, wurde dies von den Stalinisten fortan als gesetzliche Grundlage für Betriebsräte anerkannt. In einem erst zwölf Monate später geschriebenen Kommentar dazu in der Täglichen Rundschau schrieb Hans W. Aust:

Das Betriebsrätegesetz beabsichtigt nicht eine Entrechtung des Unternehmers. Das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte befreit die Betriebsleitungen nicht von ihrer ausschließlichen Verantwortung für die Führung der ihnen anvertrauten Unternehmungen. Die Betriebsleitung behält vielmehr die volle Verantwortung für die Betriebsführung, vor allem auch auf finanziellem Gebiet. Hier liegt die unübersteigbare Grenze für die Mitbestimmung der Betriebsräte.[17]

Eine unmissverständliche Absage an die Enteignung und die Arbeiterkontrolle über die Produktion. Den Sitzungsprotokollen des Alliierten Kontrollrats ist zu entnehmen, dass die sowjetische Seite mit dem Gesetz voll einverstanden war, dessen Wortlaut auf einen britischen Entwurf zurückging.

Am 22. und 23. April wurde der Vereinigungsparteitag von SPD und KPD abgehalten und die Sozialistische Einheitspartei (SED) gegründet. Die Grundlage dieser Partei war die stalinistische Konzeption vom „deutschen Weg zum Sozialismus“, die zunächst bedeutete, die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse aufrechtzuerhalten.

Die SED lehnten viele KPD- und SPD-Mitglieder ab. Als im Juli 1946 die ersten allgemeinen Betriebsratswahlen abgehalten wurden, die allgemein als politische Testwahlen für die SED galten, waren 40 Prozent der gewählten Betriebsräte parteilos und nur 56 Prozent von der SED. In Berlin waren nur knapp 50 Prozent der gewählten Betriebsräte SED-Mitglieder.

Bei den zweiten allgemeinen Betriebsratswahlen vom 26.5 bis 15.6.1947 nahm die Zahl der parteilosen Betriebsräte noch zu. Diese Wahlen standen bereits unter dem Eindruck der Hungersnot, die auch im Westen zu Unruhe und Streiks geführt hatte.

Inzwischen waren trotz des Bekenntnisses der Stalinisten zum freien Unternehmertum zahlreiche Betriebe auf Druck der Arbeiter enteignet worden. In einem Volksentscheid in Sachsen 1946 hatte die Arbeiterklasse in überwältigender Mehrheit für die Überführung von 2970 Betrieben in Landeseigentum gestimmt. Dies betraf vor allem mittelständische Betriebe, die Großbetriebe blieben SAGs.

Als im Januar 1947 die Behörden versuchten, einige enteignete Betriebe wieder an ihre früheren Eigentümer zurückzugeben, kam es zum ersten Massenstreik in Ostsachsen. 125 Betriebe legten am 23. Januar die Arbeit nieder, um die Rückkehr der früheren Unternehmer zu verhindern. Auf einer am 24. Januar 1947 stattfindenden Betriebsrätekonferenz in Bautzen, an der sich 950 Belegschaftsvertreter beteiligten, wurde eine Resolution mit ultimativen Forderungen an die Landesregierung verabschiedet:

Die Arbeiterschaft ist nicht gewillt, sich die schwer erkämpften Errungenschaften wieder entreißen zu lassen und ist bereit, diese mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. Die Arbeiterschaft verlangt, dass der Wille des Volkes, bekundet durch den Volksentscheid, respektiert wird.

Wir fordern von der Regierung bis Montag, den 28. Januar, die eindeutige Erklärung, dass die unter den Volksentscheid gefallenen Betriebe Eigentum der Landesregierung bleiben, anderenfalls wir am Montag in den Generalstreik treten.[18]

Die Landesregierung gab nach. Aber die sowjetische Militärverwaltung versuchte danach, die landeseigenen Betriebe stärker unter Kontrolle zu bekommen und bildete zwölf Kontrollkommissionen in Sachsen, die den Einfluss der Betriebsräte beschränken sollten.

Anfang Oktober 1947 wurde der Befehl 234 erlassen, der eine neue Arbeitsordnung einführte mit dem Ziel, die Arbeitsdisziplin zu verschärfen und die Produktivität zu steigern. Wie bereits in den SAGs üblich, sollte überall das Akkord- und Prämiensystem wieder eingeführt und gleichzeitig Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte außer Kraft gesetzt werden.

Gleichzeitig wurde die Aktivistenbewegung ins Leben gerufen, die die Arbeiter zu höheren Leistungen antreiben sollten. Berüchtigt wurde vor allem die Hennecke-Bewegung, benannt nach Adolf Hennecke, der am 13. Oktober 1948, dem Jahrestag der Veröffentlichung des Befehls 234, eine Sonderschicht als Bergmann leistete, die nur aufgrund der gründlichen Vorbereitungen durch Werksleitung und Betriebstechniker eine Normerfüllung von 387% erbrachte. Hennecke war eigentlich Kaufmann und verband die Sonderschicht mit der Hoffnung, wieder in seinem alten Beruf einsteigen zu können.

Den Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 unterdrückten die Stalinisten mithilfe sowjetischer Panzer. Hier in Leipzig. [Photo by Bundesarchiv, B 285 Bild-14676 / undefined]

Die Aktivistenbewegung und die Einführung des alten verhassten Akkordsystems riefen großen Widerstand unter den Arbeitern hervor. So berichtete Herbert Warnke:

Der FDGB Thüringen berichtet ausdrücklich, dass es ideologischen Widerstand gegen die Einführung des Akkordsystems besonders in den Betrieben gibt, wo die Akkordgrundlagen noch aus der Nazizeit stammen oder wo man sie willkürlich und einseitig von der Betriebsleitung ohne Mitbestimmungsrecht der Arbeiter festzusetzen versucht.[19]

Während der Unmut in den Betrieben wuchs, betrieb die stalinistische SED-Führung die endgültige Zerstörung der Betriebsräte. Die Betriebsratswahlen wurden aufgeschoben. Stattdessen setzte die SED- und FDGB-Führung die Wahl von Betriebsgewerkschaftsleitungen (BGL) noch vor den für Ende 1948 vorgesehenen Betriebsratswahlen durch. Im Gegensatz zu den zwei vorangegangenen Betriebsratswahlen, bei denen es eine Wahlbeteiligung von weit über 80 Prozent gab, blieb die Wahlbeteiligung bei den BGL-Wahlen unter 50 Prozent. Im November 1948 wurden dann die Betriebsräte formell aufgelöst.

Nach dem Beschluss der Westalliierten im Frühjahr 1948, einen separaten westdeutschen Staat schaffen zu wollen und der dann im Mai 1949 erfolgten Gründung der Bundesrepublik gaben Stalin und die SED-Führung ihr Konzept für ein neutrales, kapitalistisches Gesamtdeutschland auf. Sie gründeten am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und begannen mit der Verstaatlichung von Industrie und Landwirtschaft.

Die stalinistische Bürokratie reagierte damit nicht nur auf den Druck, den die Alliierten mit wirtschaftlicher und ökonomischer Förderung Westdeutschlands und Westberlins auf die sowjetische Besatzungszone ausübten, sondern versuchte auch, mit den Enteignungen den revolutionären Widerstand im Osten unter Kontrolle zu bringen. Die soziale Stellung der Arbeiter wurde gestärkt – durch sichere Arbeitsplätze, kostenlose Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung, gute Bildung für alle und Gleichberechtigung von Frauen –; zugleich konzentrierte die SED-Bürokratie ihre politische Macht in allen gesellschaftlichen Bereichen und unterdrückte jedes Streben nach Arbeiterkontrolle und politischer Einflussnahme, bis hin zur gewaltsamen Niederschlagung des Aufstands am 17. Juni 1953.


[1]

Winston Churchill, Der Zweite Weltkrieg, Bern 1949–1954, Bd. VI/1, S. 269-70

[2]

Rede Stalins vor dem Obersten Sowjet. Verlag der „Volksstimme“, Luxemburg 1944, in den Digitalen Sammlungen, Universitätsbibliothek Frankfurt a.M. Auch: http://ciml.250x.com/archive/stalin/german/stalinwerke_14.pdf#page=203

[3]

Aus der Zeitschrift der Kommunistischen Partei Frankreichs Recherches internationales, Nr. 44/45, 1964

[4]

Thorez, Oeuvres, Bd. 21, S. 57, S. 100, 118, 127-129 und Bd. 20, S. 183

[5]

Thorez, Oeuvres choisies, Bd. 2, S. 399

[6]

Thorez, Oeuvres, Bd. 22, S. 141

[7]

Battaglia, Roberto, Storia della Resistenza italiana, Einaudi, Turin 1955, S. 83

[8]

Togliatti in Critica Marxista von Juli/Oktober 1964, S. 66

[9]

Aufruf des ZK der KPD vom 11. Juni 1945

[10]

Zitiert nach Wolfgang Leonhard, Die Revolution entlässt ihre Kinder, S. 389f

[11]

Aufruf des ZK der KPD vom 11. Juni 1945

[12]

Revolutionäre deutsche Parteiprogramme, Dietz-Verlag Berlin 1967, S. 196

[13]

Eberhard Stein: Jahr der Entscheidung. Die Filmfabrik Wolfen 1945/46. Wolfen 1966, S. 26

[14]

ebd., S. 27

[15]

ebd., S.28

[16]

Zeitung Die Freie Gewerkschaft, Jg. 2, Nr. 82 vom 7.4.46, S.3

[17]

Tägliche Rundschau, Jg. 2, Nr. 100 vom 30.4.1947, S. 3

[18]

Stefan Doernberg, Die Geburt eines neuen Deutschland, S. 372

[19]

Aufbauplan 234 wird verwirklicht, Berlin 1948, auf S. 25

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