Perspektive

Bernie Sanders' Mission Impossible: Die Rettung der Demokratischen Partei

Senator Bernie Sanders auf seiner Veranstaltung „Fighting Oligarchy” (Kampf gegen die Oligarchie) im Ford Idaho Center in Nampa (Idaho), 14. April 2025 [AP Photo/Kyle Green]

In den letzten Tagen hat der Senator aus Vermont, Bernie Sanders, seine Wahlkampftour „Fighting Oligarchy“ durch mehrere Bundesstaaten des Mittleren Westens fortgesetzt und unter anderem in Wisconsin, Michigan und Illinois Halt gemacht. Die Veranstaltungen zogen ein paar Tausend Menschen an – deutlich weniger als zum Jahresbeginn, aber doch ein Ausdruck der weit verbreiteten Opposition in der Bevölkerung.

Im Gegensatz zu den Gewerkschaftsbürokraten und Demokratischen Politikern auf der Rednerbühne suchen diese Teilnehmer auf Sanders Veranstaltungen nach einer Strategie und einem Programm, um gegen Trump und die Finanzoligarchie, gegen Diktatur und Krieg zu kämpfen.

Sie finden nicht, wonach sie suchen. Im Jahr 2016 erzeugten Sanders' Selbstbezeichnung als „Sozialist“ und seine Versprechen einer „Revolution“ eine Aura des Radikalismus, die das Publikum begeisterte. Aber seither ist fast ein Jahrzehnt vergangen, und die Rosenblüte ist verwelkt. Heute sind die Oligarchen reicher und mächtiger denn je. Die Anklagen an die Oligarchie ohne irgendwelche praktischen Vorschläge haben einen rituellen Charakter angenommen. Sanders ist gezwungen, sich selbst zu imitieren und alte, abgedroschene und Applaus heischende Parolen zu wiederholen.

Der Zweck der „Fighting Oligarchy“-Tour besteht nicht darin, der „Milliardärsklasse“ Einhalt zu gebieten, wie Sanders behauptet. Vielmehr soll sie in Anbetracht des fortgeschrittenen Krisenstadiums die Bevölkerung chloroformieren und die Massenopposition gegen die Trump-Regierung, Ungleichheit und Kapitalismus wieder zurücktreiben in den Schoß der Demokratischen Partei.

Sanders hat sich zu einer „Mission Impossible“ entschlossen, nämlich zur Rettung der Demokratischen Partei unter Bedingungen, in denen die Unterstützung für die Demokraten kollabiert. Letzte Woche berichtete die New York Times, dass die Registrierungen für die Demokraten zwischen 2020 und 2024 in allen 30 Bundesstaaten, die diese Zahlen erfassen, zurückgegangen seien. Diese „Flucht“ aus der Demokratischen Partei gibt es laut der Times „sowohl in den umkämpfen Bundesstaaten und den blauesten [d.h. mehrheitlich Demokratischen] Staaten als auch in den rötesten Bundesstaaten“, in denen traditionell die Republikaner gewinnen.

Der Grund dafür liegt nicht etwa an der wachsenden Unterstützung für die Republikaner. Vielmehr hassen große Teile der Arbeitenden und Jugendlichen die Demokratische Partei, diese Partei der Wall Street, weil sie den Völkermord unterstützt und rechte Politik betreibt und wegen ihrer Rückgratlosigkeit und Kollaboration mit der Trump-Regierung.

Sanders, dessen „politische Revolution“ in den Jahren 2016 und 2020 darin gipfelte, dass er Clinton und Biden unterstützte, hat sich zu einer absolut verlässlichen, ja unverzichtbaren Stütze der Demokratischen Partei entwickelt. Alles, was er sagt und – noch wichtiger – was er nicht sagt, ist auf die Bedürfnisse und Interessen der Demokraten ausgerichtet.

Bezeichnenderweise fehlte in seinen Reden der vergangenen Woche jeglicher Bezug auf die unmittelbarste politische Gefahr für die amerikanische Arbeiterklasse: Trumps systematisches Streben nach Diktatur. Während Trump Tausende bewaffnete Soldaten auf den Straßen von Washington D.C. patrouillieren ließ und mit dem Einmarsch in praktisch jede andere Großstadt der Vereinigten Staaten drohte, sagte Sanders absolut nichts über diese Militärbesatzung.

Im Vorfeld seiner Rede in Chicago drohte Trump ausdrücklich, als nächstes die Nationalgarde in diese Stadt zu schicken. Dennoch erwähnte Sanders diese beispiellose Entwicklung mit keinem Wort und warnte Arbeitende und Jugendliche in der Stadt auch nicht vor den Folgen. Dies steht im Einklang mit dem allgemeinen Schweigen der gesamten Demokratischen Partei, die alles tut, um ja keinen Widerstand der Bevölkerung zu ermutigen.

Sanders wiederholte seine abgedroschenen Phrasen über die Ungleichheit in den Vereinigten Staaten und seine platten Forderungen nach „Medicare für alle“ und „Mindestlohn“. Das Bild, das er von der Gesellschaft zeichnet, ist das einer beispiellosen Ungleichheit und oligarchischen Macht, beherrscht von Figuren wie Musk, Bezos und ihresgleichen.

Das ist alles zynische und verlogene Demagogie, denn er schlägt keinerlei nennenswerte Maßnahmen und Aktionen vor, um der Macht dieser Oligarchie an der Spitze beider politischen Parteien entgegenzutreten. Seine lautstarken Parolen laufen letztlich darauf hinaus, die Demokraten zu wählen und eine „Reform der Wahlkampffinanzierung“ zu fordern.

Auch in der Außenpolitik hält sich Sanders an die Linie der Demokratischen Partei. Im Gegensatz zu früheren Veranstaltungen untersagte Sanders' Team jegliche Fahnen, Transparente oder selbstgemalte Schilder. Damit sollte eine Wiederholung der prekären Situation verhindert werden, als Sanders bei einer früheren Kundgebung, Anfang des Jahres in Idaho, auf Protestierende mit Palästinafahnen reagiert hatte, indem er sie aus der Veranstaltung hinauswerfen ließ.

Wenn er überhaupt auf den Genozid in Gaza eingeht, beschuldigt Sanders allein den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu der anhaltenden Massenmorde und spricht die US-Regierung, sowohl Biden wie Trump, von jeder Schuld frei. Dabei spielen diese die Hauptrolle bei der Finanzierung und Bewaffnung des Völkermords und geben Israel die notwendige Rückendeckung. Niemals bezeichnet Sanders die Massenmorde und ethnischen Säuberungen in Palästina als „Völkermord“. Er hat den „harten Kerl“ [Trump] aufgefordert, „es mit Netanjahu aufzunehmen“.

Noch wichtiger sind Sanders' Äußerungen, in denen er den Krieg der USA und der Nato gegen Russland in der Ukraine unterstützt und Trump aus der Sicht der Demokraten – nämlich in Fragen der Außenpolitik – kritisiert.

Sanders ist sich seiner politischen Rolle sehr wohl bewusst. Dasselbe gilt auch für diejenigen Organisationen, die seine Kampagne unterstützen und ihn weiterhin als eine Art Volkstribun hinstellen: die Democratic Socialists of America (DSA) und andere Gruppen, die die privilegierten Schichten der oberen Mittelklasse vertreten. Und da Sanders' Anziehungskraft nachlässt, werden inzwischen auch andere Figuren aufgebaut, um dieselbe Funktion zu erfüllen.

Am selben Tag, an dem Sanders seine Kundgebung in Chicago abhielt, veranstaltete der New Yorker Bürgermeisterkandidat und DSA-Mitglied Zohran Mamdani seine eigene Veranstaltung: eine Art „Schnitzeljagd“ durch New York City. Mandani, der die Vorwahlen der Demokratischen Partei gestützt auf die breite Opposition gegen das Establishment der Demokraten, gegen Ungleichheit und den Völkermord in Gaza gewinnen konnte, hat sich schnell den Interessen der Großkonzerne, die die Stadt regieren, angepasst.

Kein Wunder, dass Trump sich berechtigt fühlt, wie ein König zu regieren. Warum auch nicht – bei einer solchen „Opposition“?

Tatsache ist, dass Trump ohne die Demokratische Partei keine einzige seiner Maßnahmen durchführen könnte; ja, er wäre ohne sie nicht einmal ins Weiße Haus zurückgekehrt. Nach seinem gescheitertem Putsch hatten ausgerechnet Biden (laut Sanders „der progressivste Präsident seit Roosevelt“) und die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, wiederholt eine „starke Republikanische Partei“ gefordert. Sie hatten sich geweigert, den faschistischen Verbrecher strafrechtlich zu verfolgen.

Die Demokratische Partei hat Angst vor dem Widerstand von unten; sie versucht, die Bevölkerung über den wahren Zustand der amerikanischen Demokratie einzulullen. Die Demokraten fürchten, dass die Aufdeckung des wahren Charakters von Trumps Putsch und der ihm zugrunde liegenden sozialen Bedingungen eine Massenopposition entfachen wird, die sie nicht mehr kontrollieren können.

Die Rolle Sanders‘, Mamdanis und der DSA besteht nicht darin, eine „politische Revolution“ anzuführen. Vielmehr sind sie die Feuerwehrleute, die die Flammen des Klassenkampfs und der massenhaften Unzufriedenheit zusammen mit den Gewerkschaftsbürokraten ersticken wollen, ehe es zu spät ist. Denn eine unabhängige Massenbewegung der Arbeiterklasse wird keine Reform des Kapitalismus, sondern seinen Sturz verlangen.

Die Socialist Equality Party sagt, was Sanders nicht sagen kann und will: Der Kampf gegen Trump ist untrennbar mit dem Kampf gegen die Oligarchie verbunden, und der Kampf gegen die Oligarchie ist ein Kampf gegen das kapitalistische System. Es gibt keine Lösung für die beispiellose Krise, vor der die Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt heute steht, außer dem massenhaften sozialen Kampf mit dem Ziel der Eroberung der politischen Macht und der sozialistischen Umgestaltung der Wirtschaft. Dieser Kampf muss gegen Republikaner, Demokraten und alle politischen Vertreter der herrschenden Klasse geführt werden – einschließlich Bernie Sanders selbst.

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