Regierung plant Kürzung der Wohnkostenzuschüsse bei dramatisch steigenden Mieten

Demonstration gegen hohe Mieten in Berlin (September 2021) [Photo: WSWS]

Die Regierungskoalition unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) plant eine Reform des Bürgergelds, bei der auch die Wohnkostenzuschüsse für die ärmsten Haushalte gekürzt werden sollen. Angesichts rasant steigender Mieten stellt dies für eine wachsende Zahl von Familien eine soziale Katastrophe dar.

Nach dem Willen von CDU und SPD sollen die Wohnkostenzuschüsse im Bürgergeld beschnitten werden. Merz hatte sich bereits im letzten Monat im ARD-Sommerinterview für eine Deckelung der Mietkosten als Teil einer umfassenden Reform des Bürgergelds ausgesprochen.

Das Bürgergeld, das Menschen ohne oder mit geringem Einkommen zusteht, steht im Zentrum der Sozialkürzungen der Regierung. Es soll noch in diesem Jahr auf eine Art „Grundsicherung“ zurückgestuft werden. Das bedeutet, dass die rund 40 Milliarden Euro, die noch 2024 dafür veranschlagt worden waren, drastisch gekürzt werden. Ein zweistelliger Milliardenbetrag soll allein durch die Deckelung der Mietzahlungen an Bedürftige eingespart werden.

Begleitet werden die Pläne für diesen rabiaten Angriff auf die ärmsten Schichten von einer üblen und verlogenen Kampagne über angebliche „Luxus-Mieten“ für Bürgergeldempfänger – angeführt von Unionskreisen und rechten Medien. So forderte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kürzlich, der Staat dürfe „nicht länger für Bürgergeldempfänger sehr große und sehr teure Wohnungen bezahlen“.

Im ARD-Sommerinterview behauptete Merz, dass Bürgergeldempfänger in Großstädten für eine 100 Quadratmeter große Wohnung bis zu 20 Euro pro Quadratmeter vom „Sozialamt“ erhielten – was sich eine „normale Arbeitnehmerfamilie“ nicht leisten könne.

Merz schürt damit bewusst den Neid auf die Ärmsten, die angeblich im Luxus schwelgen, um Kürzungen durchzusetzen. Die Realität sieht selbstverständlich anders aus.

Die Angebotsmieten sind in den letzten drei Jahren explodiert, und bezahlbarer Wohnraum ist kaum noch vorhanden. Im Durchschnitt verteuerten sich die Angebotsmieten in Deutschland um 18,3 Prozent. In München liegen sie mittlerweile bei rund 20 Euro pro Quadratmeter – damit ist die bayerische Hauptstadt die teuerste Stadt Deutschlands. Zu den teuersten Städten zählen außerdem Frankfurt am Main und Stuttgart. Berlin rangiert auf Platz 10 der höchsten Angebotsmieten: Seit Anfang 2022 stiegen sie dort um 42,6 Prozent auf durchschnittlich 14,90 Euro pro Quadratmeter.

In Berlin klafft 2024 eine deutliche Lücke zwischen Angebots- und Bestandsmieten. Die Bestandsmiete beträgt im Durchschnitt 7,21 Euro pro Quadratmeter. Viele Mieter verbleiben in ihren günstigeren Wohnungen, weil ein Umzug mit erheblich höheren Mietkosten verbunden wäre.

Auch Städte wie Kaiserslautern und Cottbus verzeichneten erhebliche Anstiege – 41,7 bzw. 41,3 Prozent. Die Durchschnittsmieten liegen dort mittlerweile bei 10,05 Euro (Kaiserslautern) bzw. 8,86 Euro (Cottbus). Damit zeigen sich Mietsteigerungen nicht nur in Metropolen, sondern zunehmend auch in mittelgroßen und kleinen Städten. Zuzüge aus teureren Ballungszentren treiben dort die Preise zusätzlich in die Höhe.

Während immer mehr Haushalte über die Hälfte ihres Einkommens für Mietkosten aufbringen müssen, füllen sich die Kassen der Immobilienkonzerne. Durch steigende Mieteinnahmen erzielten die beiden größten deutschen Immobilienunternehmen in diesem Jahr Rekordgewinne.

Der bereinigte Gewinn vor Steuern von Vonovia stieg um rund 11 Prozent auf 984,3 Millionen Euro. Bis Jahresende soll er 1,85 bis 1,95 Milliarden Euro erreichen – eine Anhebung der ursprünglichen Prognose um etwa 100 Millionen Euro, wie das Handelsblatt berichtete.

Auch LEG meldete für das erste Halbjahr ein Plus von 15,4 Prozent. Insgesamt stieg der Gewinn des zweitgrößten deutschen Wohnungskonzerns auf über 448 Millionen Euro.

Diese Entwicklung ist politisch gewollt. Regierungen in Bund und Ländern arbeiten eng mit der Immobilienlobby zusammen, und selbst minimale Eingriffe in die Profitinteressen der Immobilienkonzerne werden vermieden.

Gleichzeitig entsteht trotz steigender Nachfrage kaum neuer Wohnraum. Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hatte sich das Ziel gesetzt, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, darunter mindestens 100.000 Sozialwohnungen. Dieses Ziel wurde von 2021 bis 2024 deutlich verfehlt. In den Jahren 2021 bis 2023 wurden jeweils weniger als 300.000 neue Wohnungen errichtet. 2024 lag die Zahl bei lediglich 251.900.

Hinzu kommt, dass Bürgergeldempfänger schon heute oft nur einen Teil der eigentlichen Mietkosten ersetzt bekommen. Die Differenz müssen sie aus dem viel zu niedrigen Regelsatz selbst begleichen.

Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, haben die Jobcenter im vergangenen Jahr 334.000 Haushalten, die Anspruch auf Bürgergeld haben, nicht die vollen Kosten der Warmmiete erstattet. Das betrifft 12,6 Prozent aller Haushalte, die Grundsicherung beziehen.

Im Schnitt fehlten monatlich 116 Euro. Bei einem alleinstehenden Erwachsenen mit einem aktuellen Regelsatz von 563 Euro bedeutet das eine Reduktion auf weniger als 450 Euro.

Die Jobcenter berufen sich darauf, dass sie nur die „angemessenen“ Kosten der Unterkunft übernehmen dürfen. Diese Angemessenheit wird jedoch nicht einheitlich geregelt, sondern von jeder Kommune individuell festgelegt. Die Betroffenen müssen die Differenz dann aus eigener Tasche bezahlen.

Diese sogenannte Wohnkostenlücke beträgt in Berlin durchschnittlich 180 Euro – Bürgergeldempfänger müssen dort über 23 Prozent der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung selbst aufbringen.

Die Folgen dieser Politik sind schon jetzt verheerend.

Allein in Berlin kam es 2023 zu 2.371 Zwangsräumungen, 2024 waren es bereits 2.495 – ein Anstieg um 5,2 Prozent. Bundesweit stieg die Zahl von 32.669 (2023) auf 35.006 im Jahr 2024, ein Plus von 7,1 Prozent.

Diese Entwicklung spiegelt sich in wachsender Obdachlosigkeit wider. Anfang des Jahres meldete Berlin 15.710 wohnungslose Minderjährige – 16,5 Prozent mehr als im Vorjahr (13.480). Insgesamt leben in Berlin derzeit über 50.000 Menschen ohne festen Wohnsitz, davon mindestens 30 Prozent Kinder und Jugendliche. Der Berliner Senat geht davon aus, dass die Zahl bis Ende 2029 auf über 87.000 steigen wird – doch Gegenmaßnahmen bleiben aus.

Das sogenannte „Housing-First“-Projekt, das 2018 ins Leben gerufen wurde, ist kaum mehr als eine Alibi-Aktion. Bislang konnten damit lediglich 227 obdachlose Menschen in Wohnungen untergebracht werden. In der derzeitigen Geschwindigkeit würde es über 1.500 Jahre dauern, alle Wohnungslosen in Berlin auf diese Weise zu versorgen.

Die geplanten Angriffe der Merz-Regierung auf die letzten Reste des Sozialstaats werden diese Krise weiter verschärfen. Die eingesparten Mittel bei Wohnen, Bildung oder Gesundheit fließen direkt in die militärische Aufrüstung.

Die Bundesregierung plant, die Rüstungsausgaben innerhalb von fünf Jahren zu verdreifachen. Schon 2029 – und nicht wie ursprünglich geplant erst 2035 – soll das NATO-Ziel von 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für militärische und kriegsrelevante Ausgaben erreicht werden. Dafür soll der Militärhaushalt von derzeit 86,5 Milliarden Euro auf über 150 Milliarden Euro steigen.

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