Perspektive

Die tödlichen Folgen des amerikanischen Kapitalismus für Kinder

Sterberate von Kindern in den USA innerhalb von 10 Jahren um 25 Prozent gestiegen

Mutter mit Kind zu Beginn der Covid-19-Pandemie, 5. April 2020 [Photo by https://www.vperemen.com / / CC BY 4.0]

Die Sterberate bei Kindern in den USA ist in den letzten zehn Jahren um 25 Prozent gestiegen. Das ist das Ergebnis einer Studie unter Leitung des Kinderarztes Dr. Christopher Forrest, die letzten Monat in der Fachzeitschrift Journal of the American Medical Association erschien. Während die Sterberate bei Kindern in anderen entwickelten Ländern langsam zurückging, ist sie in den USA deutlich nach oben geschnellt. Dasselbe gilt für chronische Erkrankungen.

Die Studie verdeutlicht, dass den herrschenden Eliten in den USA das Wohl und die Sicherheit von Kindern, insbesondere von Kindern aus der Arbeiterklasse, vollkommen gleichgültig ist. Im Jahr 2014 hatten Kinder in den USA eine etwa 1,6-mal höhere Wahrscheinlichkeit zu sterben als ihre Altersgenossen in vergleichbaren Ländern. Bis 2022 hat sich dieser Abstand dramatisch vergrößert: Amerikanische Kinder sind nun mit 2,3-facher Wahrscheinlichkeit vom Tod bedroht.

Die Autorinnen und Autoren schätzen, dass diese erhöhte Wahrscheinlichkeit in den Jahren 2007 bis 2022 den überzähligen Tod von 316.000 Kindern bedeutet hat. Das entspricht 54 überzähligen toten Kindern pro Tag.

Daten aus der Human Mortality Database (HMD) zeigen den Anstieg der Sterberate bei Kindern in den USA [Photo by JAMA]

Von 2011 bis 2023 stieg der Anteil der 3- bis 17-Jährigen mit chronischen Erkrankungen innerhalb der in die Studie einbezogenen Gesundheitssysteme von 39,9 auf 45,7 Prozent. US-amerikanische Kinder im Alter von 1 bis 19 Jahren hatten ein 15,3-mal höheres Risiko, durch Schusswaffen zu sterben, als Gleichaltrige in anderen Industrienationen. Diese Zahlen stiegen im Verlauf der Studie stetig an. Im Jahr 2020 überholte die Schusswaffensterblichkeit die Verkehrsunfälle als häufigste Todesursache bei Jugendlichen in den USA.

Außerdem dokumentiert die Studie alarmierende Trends bei psychischen Erkrankungen und chronischen Gesundheitsproblemen. Die Häufigkeit schwerer Depressionen bei Kindern stieg von 2010 bis 2023 um 230 Prozent, Schlafapnoe verdreifachte sich, Essstörungen nahmen um 220 Prozent zu, und die Kinderfettleibigkeit stieg von 17 Prozent (2007-2008) auf 20,9 Prozent (2021-2023).

Bei Säuglingen im ersten Lebensjahr waren Atemwegsinfektionen, Frühgeburtlichkeit, angeborene Fehlbildungen und plötzlicher Kindstod häufige Todesursachen. Dies ist ein Hinweis auf erhebliche Mängel in der Schwangerenvorsorge und bei der Geburtsbetreuung. Die höhere Säuglingssterblichkeit in den USA ist in erster Linie auf plötzlichen Kindstod und Frühgeburtlichkeit zurückzuführen– Faktoren, die direkt mit unzureichender vorgeburtlicher Betreuung, einem schlechteren Gesundheitszustand der Mütter und Armut zusammenhängen. Die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt mit tödlichem Ausgang war für Neugeborene in den USA 2,2-mal so hoch wie in vergleichbaren Ländern, die Wahrscheinlichkeit des plötzlichen Kindstods 2,4-mal so hoch.

Diese Statistiken spiegeln die systematische Zerstörung der sozialen Infrastruktur wider, die zur Förderung der kindlichen Entwicklung und Gesundheit notwendig wäre.

In einem Begleitkommentar zur Studie mit dem Titel „Wie wir die Kinder in den USA im Stich lassen“ („How we are failing US children“) erklären Dr. Elizabeth Wolf von der Virginia Commonwealth University und ihre Kolleginnen und Kollegen, dass diese systemischen Probleme allesamt vermeidbar wären und einzig und allen darauf zurückzuführen sind, dass das Wohlergehen und die Gesundheit der US-Bevölkerung vernachlässigt werden.

Fünf Prozent der US-Kinder sind nicht krankenversichert. 40 Prozent der Kinder in der staatlichen Krankenversicherung haben nur eingeschränkt Zugang zu einer medizinischen Grund- und Facharztversorgung – einfach, weil das Versicherungssystem dafür sehr geringe Honorare vorsieht und die Grundversorgung vernachlässigt wird. Es herrscht ein eklatanter Mangel an Fachkräften für psychische Gesundheit bei Kindern, der die ohnehin schon stark belasteten Praxen für die Primärversorgung und die Notaufnahmen zusätzlich unter Druck setzt.

Daten der Human Mortality Database (HMD) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigen den Anstieg verschiedener Todesursachen bei jungen Menschen [Photo by JAMA]

Dr. Wolf führt fünf Bereiche an, die maßgeblich dafür sind, dass die USA beim Gesundheitszustand ihrer Kinder so schlecht abschneiden: das Gesundheitssystem, Verhaltensprobleme, die sozioökonomischen Bedingungen, die Umwelt und die staatliche Politik.

In jedem dieser Bereiche unterscheiden sich die USA stark von anderen Industrieländern. Das zersplitterte Krankenversicherungssystem bietet Familien aus der Arbeiterklasse und der unteren Mittelschicht kaum Unterstützung und erschwert die durchgehende Versicherung. Zugleich haben die USA eine der höchsten Kinderarmutsraten und Einkommensungleichheiten unter den Mitgliedsstaaten der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung).

Umweltfaktoren verschärfen diese Probleme. Die anhaltende Unterfinanzierung von Gesundheitsprogrammen für Kinder erhöht deren Belastung durch Gesundheitsgefahren. Kinder aus einkommensschwachen Familien sind stärker Schadstoffen in der Luft ausgesetzt, die Asthma auslösen können, und leben häufiger in der Nähe von Schadstoffenquellen und stark befahrenen Straßen ohne sichere Fußgängerbereiche.

Ein Großteil des Anstiegs der Problemindikatoren fällt in die Zeit seit dem Ausbruch der Coronapandemie. Darin zeigen sich nicht nur die tödlichen Folgen der Pandemie selbst, sondern auch der Umgang damit, der den öffentlichen Gesundheitsschutz systematisch zerstört hat.

Die Pandemie dauert weiterhin an. Laut Daten vom Mai 2025 sterben wöchentlich nach wie vor über 350 Menschen in den USA an Covid-19. Die USA befinden sich aktuell in der elften Welle von Masseninfektionen. Seit Beginn der Pandemie gab es über 1,38 Millionen überzählige Todesfälle in den USA, wobei Menschen aus der Arbeiterklasse besonders betroffen sind. Unter Kindern haben etwa vier Prozent Long Covid entwickelt, wie neueste Forschungen der RECOVER-Initiative zeigen – das sind allein rund sechs Millionen Kinder in den USA. Diese Erkrankung kann dauerhafte Schäden an mehreren Organen verursachen und die Lebenserwartung erheblich verkürzen. Sie stellt eine generationenübergreifende Gesundheitskatastrophe dar, die diese Kinder ein Leben lang belasten wird.

Die „Make America Healthy Again“ (MAHA)-Initiative der Trump-Administration unter Leitung des fanatischen Impfgegners Robert F. Kennedy Jr. ist keine Lösung, sondern verschärft diese Krise. Hinter dem Schleier von MAHA werden eugenische Maßnahmen organisiert, die die Kindersterblichkeit dramatisch erhöhen werden. Seit seinem Amtsantritt hat Kennedy 500 Millionen Dollar bei der mRNA-Impfstoffforschung gestrichen, Programme zur Verletzungsprävention und Mutterschaftsbetreuung eingestellt und „Forschungs“-Programme ins Leben gerufen, die die Impfbereitschaft der Eltern untergraben sollen. Diese Politik wird die Lebenserwartung weiter senken und den Weg für eine neue verheerende Pandemie ebnen.

Wie Karl Marx und Friedrich Engels bereits vor fast zweihundert Jahren feststellten, prägen Klassenunterschiede jeden Aspekt der Kindheit, und die Kinder der Armen erleiden in der kapitalistischen Gesellschaft das härteste Schicksal. Die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus sahen echtes Kindeswohl unter kapitalistischen Verhältnissen als unmöglich an und traten für eine proletarische Revolution ein, um die Ausbeutung der Arbeiterklasse und soziale Ungleichheit zu beenden. Dabei ging es nicht zuletzt darum, das Wohlergehen zukünftiger Generationen zu sichern.

Objektiv sind alle Mittel vorhanden, um sicherzustellen, dass Gewalt, Kriminalität und Umweltverschmutzung ausgemerzt werden. Es wäre durchaus möglich, flächendeckend eine gesunde Ernährung, eine hochwertige Gesundheitsversorgung und öffentliche Bildung bereitzustellen. Die fortwährenden Kürzungen der Gesundheits- und Forschungshaushalte durch die Trump-Regierung zeigen jedoch, dass die herrschenden Eliten alle Fortschritte rückgängig machen, die Arbeitern dem kapitalistischen System in früheren Kämpfen abgerungen haben.

Wie der Oxfam-Bericht 2024 festhält, stiegen die Nettogewinne der 200 größten US-Konzerne 2022 auf 1,25 Billionen US-Dollar – ein Zuwachs von 63 Prozent im Vergleich zu 2018. 90 Prozent davon wurden an wohlhabende Aktionäre ausgeschüttet. Während die Vergütungen der Konzernchefs steigen wie nie zuvor, hinken die Löhne der Arbeiter der Inflation hinterher. Parallel dazu häuft sich der Abbau von Arbeitsschutzbestimmungen, was die Arbeitersicherheit gefährdet, ohne dass Gewerkschaften effektiv gegen diese Angriffe vorgehen.

Der Zusammenhang dieser Krise mit dem weitergehenden Angriff auf das Leben der Arbeiterklasse wird durch die jüngste Untersuchung der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees verdeutlicht. Darin geht es um den Tod des Stellantis-Arbeiters Ronald Adams. Der 63-jährige Facharbeiter, wegen seines Engagements für Arbeitssicherheit „Schutzengel der Fabrik“ genannt, wurde am 7. April 2025 von einem Laufkran zerquetscht, weil das Unternehmen bei Sicherheitsmaßnahmen gespart hatte. Kinder, die unter solchen Bedingungen aufwachsen, geraten oft selbst in gefährliche Arbeitsumgebungen, in denen Gesundheit und Leben dem privaten Profit untergeordnet sind.

Das kapitalistische System betrachtet menschliches Leben als entbehrlich, von der Geburt bis zum Tod. Dieselben gesellschaftlichen Verhältnisse, die Tag für Tag 54 überzählige Tote im Kindesalter verursachen, prägen das gesamte Leben der Arbeiter. Nach Angaben des Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO sterben in den USA jährlich mehr als 140.000 Arbeiter aufgrund gefährlicher Arbeitsbedingungen. Häufige Todesursachen sind Unfälle und berufsbedingte Krankheiten wie Krebs, Atemwegserkrankungen und Herzversagen. Global schätzt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), dass jährlich fast 3 Millionen Arbeiter weltweit an arbeitsbedingten Unfällen und Krankheiten sterben.

Die Veränderungen, um diese Spirale zu durchbrechen, werden nicht vom politischen Establishment ausgehen. Dessen Parteien vertreten nicht die Bevölkerung, sondern die Konzerninteressen. Die Gesundheitskrise für die amerikanischen Kinder ist eine direkte Folge des kapitalistischen Systems, das Profit über menschliche Bedürfnisse stellt.

Diese Krise kann nur durch eine grundlegende Umgestaltung der Gesellschaft gelöst werden, die sich an sozialen Bedürfnissen orientiert. Dazu gehören eine universelle Gesundheitsversorgung, massive öffentliche Investitionen in Bildung und soziale Dienste, die Beseitigung von Kinderarmut durch Einkommensumverteilung, demokratische Kontrolle über die Ressourcen, die für eine gesunde kindliche Entwicklung notwendig sind, sowie die Kontrolle der Produktion durch die Arbeiter, um sichere Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.

Die Kinder, die jeden Tag unnötig in Amerika sterben, sind eine Anklage gegen ein Gesellschaftssystem, das seine elementare Pflicht – den Schutz seiner verletzlichsten Mitglieder – nicht erfüllt. Ihr Tod und der Tod von Arbeitern wie Ronald Adams erfordern nicht weniger als die vollständige Umwälzung der amerikanischen Gesellschaft. Nur durch die Errichtung einer Arbeiterregierung, die sich sozialistischen Prinzipien verpflichtet, kann das soziale Morden an Kindern und Arbeitern im Kapitalismus endlich beendet werden.

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