Deutschland beteiligt sich am neuen NATO-Militärhilfepaket für die Ukraine und wird dazu 500 Millionen Dollar beisteuern. Dies gaben das Verteidigungsministerium und das Auswärtige Amt am Donnerstag in Berlin bekannt. NATO-Generalsekretär Mark Rutte lobte die Entscheidung und erklärte, die Lieferungen würden der Ukraine helfen, sich weiter gegen den „russischen Aggressor“ zu „verteidigen“.
Im vergangenen Monat hatte US-Präsident Donald Trump deutlich gemacht, dass Washington zwar bereit sei, weiterhin Waffen zu liefern, die Kosten jedoch von den europäischen Verbündeten getragen werden müssten. Anfang August waren die Niederlande das erste NATO-Mitglied, das Mittel für den neu geschaffenen Kriegstopf zusagte.
Das Militärpaket unterstreicht, dass die europäischen Mächte – allen voran Deutschland – fest entschlossen sind, den NATO-Krieg gegen Russland fortzusetzen, auch wenn die US-Unterstützung zunehmend an Bedingungen geknüpft wird. Europäische Politiker haben zudem das für heute geplante Treffen in Alaska zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin scharf kritisiert und bestehen darauf, dass der harte Kurs gegenüber Moskau beibehalten wird.
Die Behauptung, Waffenlieferungen an Kiew seien „defensiv“, ist Kriegspropaganda. Russlands reaktionäre Invasion der Ukraine ändert nichts an der Tatsache, dass die imperialistischen Mächte diesen Konflikt über Jahrzehnte systematisch provoziert haben. Seit der Auflösung der Sowjetunion ist die NATO in Verletzung ihrer Zusagen an Moskau unablässig nach Osten expandiert, hat Russland militärisch eingekreist und die Konfrontation angeheizt.
Nun, da das ukrainische Militär schwere Niederlagen erleidet und die transatlantischen Spannungen wachsen, steuern die EU-Mächte auf eine vollständige Militarisierung der Gesellschaft und die Errichtung einer Kriegswirtschaft zu – auf Kosten der demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse. Das bestätigt eine aktuelle Untersuchung der Financial Times („Europe builds for war as arms factories expand at triple speed“), die aufzeigt, wie aggressiv die europäische Rüstungsindustrie – angeführt vom deutschen Imperialismus – expandiert.
Aufrüstung in historischem Ausmaß
Die FT hat Radarsatellitendaten von 150 Anlagen von 37 europäischen Unternehmen analysiert. Die Ergebnisse sind eindeutig: Rüstungsproduktionsstätten expandieren dreimal so schnell wie in Friedenszeiten und umfassen über 7 Millionen Quadratmeter neuer Industrieflächen. Dieser Bauboom ist die materielle Verwirklichung der lange von europäischen Regierungen angekündigten „Verteidigungsrenaissance“ – ermöglicht durch massive staatliche Subventionen und Angriffe auf die Arbeiterklasse. Ihr Ziel: von just-in-time-Friedensproduktion auf nachhaltige Kriegsproduktion umzustellen.
Ein Drittel der untersuchten Standorte wies sichtbare Erweiterungen oder Neubauten auf. Das Wachstum konzentriert sich auf die Produktion von Munition und Raketen – zwei Engpässe der NATO-Unterstützung für die Ukraine. Flächen mit baulichen Veränderungen stiegen von 790.000 Quadratmetern in den Jahren 2020–21 auf 2,8 Millionen im Zeitraum 2024–25. Die Erweiterungen umfassen neue Fabriken, Sprengstoffwerke, Straßen und unterstützende Infrastruktur.
Zu den größten Projekten gehört ein gemeinsamer Rheinmetall–N7-Holding-Komplex im ungarischen Várpalota, der Munition für den Schützenpanzer Lynx, den Leopard-2-Panzer und möglicherweise den Panther produziert. Die Anlage wird auch ein Sprengstoffwerk beherbergen. Bis 2027 plant Rheinmetall, seine jährliche Produktion von 155-mm-Artilleriegranaten von 70.000 im Jahr 2022 auf 1,1 Millionen zu steigern. Der deutsche Rüstungskonzern würde damit den größten Teil der europäischen Gesamtkapazitätssteigerung von 300.000 Schuss vor dem Krieg auf 2 Millionen in diesem Jahr tragen.
Das EU-Programm „Act in Support of Ammunition Production“ (ASAP) im Wert von 500 Millionen Euro hat 88 Standorte gefördert, um diese Engpässe zu überwinden. 20 davon wurden umfassend ausgebaut, 14 erhielten kleinere Erweiterungen wie Parkplätze oder Laderampen.
ASAP-geförderte Projekte umfassen die MBDA-Raketenfabrik im deutschen Schrobenhausen, die die Produktion von Enforcer-Schulterraketen ausbaut und sich darauf vorbereitet, bis zu 1.000 US-Patriot-GEM-T-Flugabwehrraketen im Rahmen eines NATO-Vertrags im Wert von 5,6 Milliarden Dollar zu produzieren. Der norwegische Hersteller Kongsberg eröffnete im Juni 2024 eine neue Raketenfabrik, während BAE Systems in Großbritannien eine Anlage in Glascoed für das Befüllen von Sprengköpfen baut, um die Produktion von 155-mm-Granaten um das Sechzehnfache zu steigern.
Die EU verhandelt bereits über ein Folgeprogramm im Wert von 1,5 Milliarden Euro, um auch den Bau von Raketen, Luftabwehrsystemen, Drohnen und Artillerie zu fördern. Branchenvertreter bezeichnen diese Pläne als „entscheidend“ für ihr Wachstum. Nammo, das 55 Millionen Euro erhielt, erweitert die Produktion von Granaten und Treibladungen in Finnland und warnt, dass Luftabwehrraketen und hochexplosive Stoffe weiterhin „nur in sehr kleinen Mengen“ hergestellt würden.
Bei dieser industriellen Mobilisierung handelt es sich nicht um einen vorübergehenden Schub, sondern um einen tiefgreifenden strukturellen Wandel. Wie der ehemalige NATO-Rüstungskontrolldirektor William Alberque bemerkte: „Sobald man Granaten in Massenproduktion herstellt, beginnen Metalle und Sprengstoffe zu fließen, was die Kosten und die Komplexität der Raketenproduktion senkt.“ Der Wandel geht geht in Richtung einer permanenten Kriegswirtschaft.
Zivile Industrie wird auf Kriegsproduktion umgestellt
Wie in den 1930er Jahren geht der Militarisierungsschub weit über den Rüstungssektor hinaus. Zivile Industrien werden in die Waffenproduktion integriert:
- Automobilindustrie: Volkswagen, mit Überkapazitäten und rückläufigen Exporten konfrontiert, prüft Partnerschaften mit Rheinmetall zur Produktion militärischer Technologie. Continental und Bosch haben Personal und Anlagen an Rheinmetall und Hensoldt übergeben.
- Fabrik-Umrüstungen: Rheinmetall hat zivile Werke in Berlin und Neuss für Militärkomponenten umgerüstet. KNDS Germany hat ein ehemaliges Alstom-Bahnwerk in Görlitz übernommen, um Leopard-2-Panzer und Puma-Schützenpanzer zu produzieren.
- Maschinenbau & Stahl: Die Renk Group will ihr ziviles Industriegeschäft vollständig aufgeben und sich ganz auf Verteidigung konzentrieren. Thyssenkrupp Marine Systems erhöht die U-Boot-Produktion. Deutsche Stahlproduzenten verlagern sich auf Panzerstahl und ähnliche Produkte.
Dies ist eine unmissverständliche Wiederholung des wirtschaftlichen Wandels, der den Aufstieg des deutschen Imperialismus in den 1930er Jahren begleitete, als dieselben Konzerne sich durch die Aufrüstung der Hitlerschen Wehrmacht bereicherten.
Deutsche Aufrüstungspläne
In seiner Regierungserklärung vor dem letzten NATO-Gipfel, auf dem eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben von 2 auf 5 Prozent des BIP beschlossen wurde, betonte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), dass die Militarisierung Deutschlands nicht auf Drängen Trumps, sondern aus „eigener Überzeugung“ erfolge. Deutschland werde, so Merz, „die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee Europas machen“, wie es seiner „Größe, Wirtschaftskraft und geografischen Lage“ entspreche.
Das 5-Prozent-Ziel wird den Militärhaushalt bis 2029 von derzeit 85 Milliarden Euro auf 225 Milliarden Euro erhöhen. Eine von den Regierungsparteien verabschiedete Grundgesetzänderung befreit alle Verteidigungsausgaben oberhalb von 1 Prozent des BIP von der „Schuldenbremse“, sodass die Militärausgaben unbegrenzt steigen können. Im März verabschiedeten Bundestag und Bundesrat eine Grundgesetzänderung, die es der Bundesregierung ermöglicht, für die Rüstungsoffensive über 1 Billion Euro neue Schulden aufzunehmen. Zusammen mit dem „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro aus dem Jahr 2022 handelt es sich um ein Aufrüstungsprogramm, das nur mit der NS-Zeit vergleichbar ist.
Laufende Beschaffungspläne umfassen u. a.:
- 20 Eurofighter-Jets (4–5 Mrd. €)
- Bis zu 3.000 Boxer-Radpanzer (10 Mrd. €)
- Bis zu 3.500 Patria-Schützenpanzer (7 Mrd. €)
- 1.000 zusätzliche Leopard-Panzer in zehn Jahren (derzeit 320 im Dienst)
- 1.400 Logistikfahrzeuge von Rheinmetall (770 Mio. €)
- 6.500 Lkw (3,5 Mrd. €)
- 35 nuklearfähige F-35-Kampfjets (10 Mrd. €)
- 60 Chinook-Transporthubschrauber (7 Mrd. €)
- Das israelische Arrow-3-Raketenabwehrsystem (4 Mrd. €)
Rheinmetall allein hat seit 2024 Bundeswehr-Aufträge im Wert von 12 Milliarden Euro für Digitalisierung erhalten und rechnet bis 2030 mit Aufträgen von 300 Milliarden Euro in ganz Europa. Thyssenkrupp Marine Systems erhält zunehmend Aufträge für U-Boote, Fregatten und Minenabwehr.
Ein parteiübergreifender Kriegskonsens
Der wahnsinnige Marsch der Bundesregierung in den Krieg wird faktisch von allen kapitalistischen Parteien unterstützt. Die Forderung, 5 Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben, stammt ursprünglich von der rechtsextremen AfD, wird aber inzwischen vom gesamten politischen Spektrum geteilt. Die Grünen – einst nominell pazifistisch – gehören zu den eifrigsten Militaristen. Die Linkspartei gibt sich als Kritikerin, stimmt jedoch für zentrale Kriegskredite, darunter das 1-Billion-Euro-Paket im Bundesrat, und hat Merz den Weg ins Kanzleramt geebnet.
Dieser Konsens spiegelt die bürgerliche Einigkeit vor dem Ersten Weltkrieg und in den 1930er Jahren wider, als sich die herrschende Elite und ihre Parteien zuerst hinter die militaristische und diktatorische Politik von Kaiser Wilhelm II. und später hinter Hitler und die Nazis stellten, um einen Kurs der imperialistischen Eroberung zu verfolgen und den Widerstand der Arbeiterklasse im Inland brutal zu zerschlagen.
Krieg nach außen, Diktatur im Inneren
Wie damals werden die Folgen der militaristischen Offensive katastrophal sein. Der Aufbau der europäischen Kriegsmaschine ist untrennbar mit Angriffen auf Löhne, Arbeitsbedingungen und demokratische Rechte verbunden. Wie im Vorfeld der beiden Weltkriege reagieren die herrschenden Klassen auf tiefe innere Krisen – soziale Ungleichheit, politische Instabilität, zwischenimperialistische Rivalitäten – mit der Vorbereitung auf Krieg im Ausland, Repression im Inland und der Wiedereinführung der Wehrpflicht, um das notwendige Kanonenfutter für ihre verbrecherischen imperialistischen Raubkriege zu sichern. Der Völkermord an den Palästinensern in Gaza zeigt, dass sie erneut bereit sind, Hunderttausende abzuschlachten und jedes Verbrechen zu begehen.
Die Arbeiterklasse muss dieser Realität ins Auge sehen und ihre eigene politische Gegenoffensive vorbereiten. Die Verhinderung eines Weltkriegs erfordert die Auflösung der NATO, die Zerschlagung der imperialistischen Kriegsmaschine und die Überführung der gewaltigen Ressourcen der Wirtschaft unter die demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse. Das ist das Programm der Sozialistischen Gleichheitspartei und ihrer Schwesterorganisationen im Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI), die als neue revolutionäre Führung der internationalen Arbeiterklasse aufgebaut werden müssen.