US-Präsident Donald Trump ist dabei, in der Hauptstadt eine Militärherrschaft auf Dauer zu errichten. Ermutigt durch die stillschweigende Akzeptanz der Demokraten gab Trump am Mittwoch bekannt, er werde beim Kongress jetzt die „langfristige Kontrolle“ über die Polizeikräfte in Washington D.C. beantragen.
Er fügte hinzu, er rechne damit, dass die von den Demokraten kontrollierte Stadtverwaltung ihr Strafrecht ändern werde. Mögliche Änderungen wären die Aufhebung von Einschränkungen für die Höhe von Kautionen, die Behandlung von Jugendlichen nach dem Erwachsenenstrafrecht und die Erlaubnis für die Polizei, aggressiver gegenüber mutmaßlichen Straftätern aufzutreten. Bereits jetzt tötet die Polizei in den USA jährlich mehr als 1.000 Zivilisten, mehr als in jedem anderen kapitalistischen Großstaat.
Trump gab diese Pläne zum Schluss eines Besuchs des Kennedy Center for the Performing Arts bekannt, wo er auch ankündigte, er werde die vollständige Kontrolle über die im Herbst anstehenden Preisverleihungen übernehmen: Er will die Preisträger selbst auswählen und als „Gastgeber“ der im Fernsehen übertragenen Zeremonie auftreten.
Trump erklärte: „Wir werden ein Strafrecht einführen müssen, das zunächst auf D.C. beschränkt bleiben wird. (...) Wir werden es als sehr positives Beispiel nutzen und um Verlängerung anfragen, langfristige Verlängerungen, denn in 30 Tagen ist es nicht getan.“
Damit meinte er, dass die präsidiale Kontrolle über die Polizei von Washington D.C. nicht auf die 30 Tage begrenzt bleiben werde, die im D.C. Home Rule Act von 1973 festgelegt sind. Eine langfristige Verlängerung würde zwar eine Gesetzesänderung erfordern, die die Demokraten im Senat blockieren könnten. Allerdings war sich Trump offenbar sicher, dass die Demokraten vollständig kapitulieren werden, und er erklärte, er werde die Gesetzesänderung „sehr schnell“ vorschlagen.
Drohend deutete er auch andere Optionen an: „Wenn es sich um einen nationalen Ausnahmezustand handelt, können wir es auch ohne den Kongress machen. (...) Ich will keinen nationalen Ausnahmezustand ausrufen (...) aber wenn ich muss, mach‘ ich das.“
Er ging nicht näher darauf ein, ob er damit den Insurrection Act von 1807 meinte, aber mit diesem Aufstands-Bekämpfungs-Gesetz hatte er früher schon einmal gedroht, als es im Jahr 2020 anlässlich des Polizeimords an George Floyd zu Massenprotesten gekommen war. Auch in den ersten Wochen seiner zweiten Amtszeit hatte er die Anwendung des Insurrection Act erwogen, um die Protesten gegen die Razzien der Einwanderungsbehörden niederzuschlagen.
Der tatsächliche Einsatz von Polizeikräften und Soldaten im District of Columbia wird seit Trumps Ankündigung am Montagmorgen stetig ausgeweitet. Laut offiziellen Stellen haben sich am Dienstag schon mehr als 1.450 bundesstaatliche- und Bundespolizisten an den Streifen beteiligt. Von den 800 Nationalgardisten, die ebenfalls mobilisiert worden sind, sind bisher 30 aktiv. Die Zahl von 850 Polizisten, die am Montag in der Hauptstadt unterwegs waren, als Trumps seine Machtübernahme ankündigte, wird sich somit rasch verdoppeln.
Laut dem Weißen Haus sind es neunzehn Teams aus mehreren Bundesbehörden, darunter dem Heimatschutzministerium und dem FBI, die in Washington eingesetzt werden, um „die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten und Gewalttäter zu verhaften“. Die Bundesagenten sind bewaffnet, die Nationalgardisten jedoch vorerst nicht, da ihre Aufgabe darin bestehen soll, „Bundeseigentum zu schützen, ein sicheres Umfeld für Verhaftungen durch Strafverfolgungsbeamte zu schaffen und durch sichtbare Polizeipräsenz von Gewaltverbrechen abzuschrecken“.
Die Behauptung, in Washington D.C. wüte eine „Welle des Verbrechens“, ist eine dreiste Lüge. Sie dient dem Weißen Haus als Vorwand, um die US-Hauptstadt faktisch unter Polizei- und Militärherrschaft zu stellen. Oberbefehlshaberin der Polizei ist die Justizministerin Pam Bondi, und ihr Untergebener Terry Cole, Direktor der Drug Enforcement Agency, ist für das Tagesgeschäft verantwortlich. Die Operationen der Nationalgarde wird der US-Armeesekretär Daniel Driscoll leiten.
Die Nationalgarde tritt seit Mittwochabend in immer größerer Präsenz auf, und sie ist rund um die Uhr und die ganze Woche über auf der Straße, statt sich, wie in den ersten beiden Tagen, auf nächtliche Präsenz zu konzentrieren.
Trumps Entscheidung, eine Bestimmung des Home Rule Act anzuwenden, die ihm die kurzzeitige Kontrolle über die Polizei von Washington D.C. ermöglicht, stellt das gesamte politische System der USA – den Kongress, die Gerichte und die Medien – auf die Probe. Aber von einiger rhetorischer Kritik am autoritären Charakter des Vorgehens abgesehen, gibt es keinerlei Widerstand gegen Trumps putschartigen Anspruch auf die Macht.
Die Bürgermeisterin von Washington D.C., die Demokratin Muriel Bowser, nannte Trumps Vorgehen „beunruhigend und beispiellos“, später auch „autoritär“, bestätigte jedoch nach einem Treffen mit Justizministerin Bondi am Dienstag, dass die Bundesregierung jetzt die Polizei von Washington D.C. kontrolliert. Bowser bezeichnete das Treffen als „produktiv“ und versprach Zusammenarbeit zwischen der Stadt und der Trump-Regierung, damit „Washington D.C. wieder sicher wird“.
Mehrere demokratische Kongressabgeordnete aus dem Raum Washington kritisierten die Übernahme als unnötig, da es gar keine „Welle des Verbrechens“ gibt. Doch keiner von ihnen deutete an, dass es sich dabei um Trumps nächsten Schritt in einem ausgearbeiteten Plan zur Errichtung einer Präsidialdiktatur handelt.
Die Reaktion der Medien fiel ähnlich verhalten aus. Die großen Zeitungen und Fernsehsender spielten die Krise in der Hauptstadt am Mittwoch herunter. Die New York Times, das wichtigste Medium aus dem Umfeld der Demokratischen Partei, veröffentlichte nicht einmal einen Leitartikel über Trumps Übernahme der US-Hauptstadt; die Washington Post kritisierte die Maßnahme nur mit der Begründung, sie sei unzureichend, um das Verbrechen zu stoppen.
Unabhängig davon, ob Trump sein Vorgehen in der Hauptstadt nach 30 Tagen beendet oder fortsetzt, schafft er damit einen gefährlichen Präzedenzfall. Er hat bereits mit ähnlichen Maßnahmen in anderen Städten gedroht, u.a. in Chicago und New York. Zudem testet er damit die Unterdrückungsmaschinerie aus, die für die direkte Übernahme der diktatorischen Macht nötig sein wird, oder die es braucht, um Widerstand zu unterdrücken, wenn die Razzien der Einwanderungsbehörden in den Großstädten die Massen auf die Straße treiben.
In dieser Hinsicht ist eine Aussage vor einem Bundesgericht in Kalifornien aufschlussreich. In dem verhandelten Fall ging es um den Einspruch des Bundesstaates Kalifornien gegen Trumps Anweisung, die kalifornische Nationalgarde unter Bundeskontrolle zu stellen und 4.000 Nationalgardisten zur Unterstützung der brutalen Razzien und Verhaftungen der Einwanderungsbehörden in Los Angeles zu stationieren.
Der Befehlshaber der Nationalgardisten, Generalmajor Scott Sherman, sagte am Dienstag aus, er sei von einem hohen Beamten der CBP gerügt worden, als er die geplante Aktion von Bundesstaats- und Bundesbehörden im MacArthur Park, einem Stadtviertel von Los Angeles mit hohem Immigrantenanteil, in Frage stellte. Der CBP-Beamte Gregory Covino hatte Zweifel an Shermans „Loyalität gegenüber den Vereinigten Staaten“ geäußert, weil er die Entsendung von schwer bewaffneten Militärfahrzeugen in den Park kritisiert hatte.