Diesen Vortrag hielt David North, der Nationale Vorsitzende der Socialist Equality Party (USA) und Chefredakteur der World Socialist Web Site, zur Eröffnung der SEP Summer School, die vom 2. bis 9. August 2025 stattfand. Die WSWS wird in den kommenden Wochen alle Vorträge der Schulung veröffentlichen.
1. Ich freue mich sehr, Mitglieder der Socialist Equality Party in den Vereinigten Staaten und Genossinnen und Genossen von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale aus der ganzen Welt zur Summer School der SEP begrüßen zu dürfen. In den nächsten sieben Tagen werden wir uns in dieser Schulung intensiv mit dem Thema Sicherheit und die Vierte Internationale befassen.
2. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale hat vor einem halben Jahrhundert die Untersuchung zur Ermordung Leo Trotzkis eingeleitet. Die Untersuchung, die unter dem Titel Sicherheit und die Vierte Internationale bekannt wurde, begann mit einer Resolution, die der Sechste Kongress des Internationalen Komitees im Mai 1975 annahm.
3. Die politischen Fragen, welche die Untersuchung auslösten, ergaben sich aus dem Beschluss des Nationalen Komitees der Workers League vom 31. August 1974, Tim Wohlforth als Nationalen Sekretär abzusetzen. Zuvor war entdeckt worden, dass Wohlforths Lebensgefährtin Nancy Fields engste familiäre Beziehungen zu einem hochrangigen Beamten der Central Intelligence Agency unterhielt. Wohlforth hatte diese Tatsache bewusst vor der Parteiführung verschwiegen.
4. Darüber hinaus hatte Wohlforth Fields als persönliche Begleitung zum Fünften Kongress des IKVI im April 1974 mitgenommen. Sie verkehrte unter den Delegierten, unter denen sich auch Genossen befanden, die unter Bedingungen der Illegalität in Ländern wie Peru, Spanien, Portugal und Griechenland arbeiteten, die von Polizeistaatsdiktaturen regiert wurden. Wohlforth ordnete seine politische Verantwortung privaten Angelegenheiten unter und gefährdete damit die Sicherheit der Delegierten und die allgemeine Sicherheit des Kongresses.
5. Neben der Absetzung Wohlforths von seinem Posten als Nationaler Sekretär und der Suspendierung von Nancy Fields’ Mitgliedschaft setzten die Workers League und das Internationale Komitee eine Untersuchungskommission zum persönlichen Hintergrund von Nancy Fields (alias Nancy Cornreich, alias Nancy Freuden) ein. Diese sollte auf der Grundlage der verfügbaren Beweise feststellen, ob Fields über ihre familiären Verbindungen hinaus eine Beziehung zur CIA unterhielt. Doch als die Untersuchung in Gang kam, verließen Wohlforth und Fields prompt die Workers League. Wohlforth bezeichnete in seinem Austrittsschreiben die Arbeit der anstehenden Untersuchungskommission als „Inquisition“.
6. Vierzehn Jahre lang hatte Wohlforth gegen den Verrat des Trotzkismus durch die Socialist Workers Party (SWP) gekämpft. Wenige Monate nach seinem Austritt trat er jedoch wieder der SWP bei. Er schrieb ein langes Dokument, das in der Februar-März-Ausgabe 1975 der Zeitschrift Intercontinental Press veröffentlicht wurde. Herausgeber der Zeitschrift war Joseph Hansen, der Hauptverantwortliche für die 1963 erfolgte Wiedervereinigung der Socialist Workers Party mit dem pablistischen Internationalen Sekretariat und damit für die Abkehr von den Gründungsprinzipien der Vierten Internationale.
7. Wohlforth tat die Folgen seiner Missachtung von Fragen der politischen Sicherheit in seiner eigenen Partei ab. Als Gerry Healy in die politische Krise der Workers League eingriff, bezeichnete er dies als „eine Form des Wahnsinns, da er die Welt nach den Bedürfnissen des Einzelnen neu ordnet. Er ist davon überzeugt, dass er von CIA-Agenten umgeben ist, und macht dies zu seinem Ausgangspunkt.“
8. Im Anschluss an Wohlforths Hetzrede veröffentlichte Hansen in der Ausgabe der Intercontinental Press vom 31. März 1975 einen Beitrag, der den führenden Vertreter der Workers Revolutionary Party direkt angriff. Unter dem Titel „Das Geheimnis von Healys Dialektik“ schrieb er:
Wohlforth beschreibt Healys Verhalten als „Wahnsinn“. Wäre es nicht besser und vielleicht auch präziser, einen modernen Begriff wie „Paranoia“ zu verwenden?
Wenn der Begriff passt, dann ist die wahre Erklärung für Healys Besessenheit mit CIA-Agenten und Verschwörungen gegen sein Leben sowie für seine Wutausbrüche, seine „extremen Reaktionen“ und seine seltsame Version der Dialektik nicht in seiner Politik, seiner philosophischen Methodik oder Vorbildern wie Pablo oder Cannon zu suchen, sondern in der Funktionsweise eines Geistes, der am besten von Psychiatern verstanden wird.
9. Um diese giftigen Worte Hansens über Healys Sorge um die Sicherheit in den richtigen Kontext zu stellen, muss an Folgendes erinnert werden: 1973 waren Informationen über eine massive FBI-Infiltration der Socialist Workers Party aufgetaucht. Die Veröffentlichung der berüchtigten COINTELPRO-Dokumente zeigte, dass das FBI bis zu 1.300 Informanten angeheuert hatte, um die Organisation auszuspionieren. Nach offiziellen Angaben wurden mindestens 301 Informanten in die Partei eingeschleust. Aus den Dokumenten geht hervor, dass die Einschleusung von Agenten in die SWP bis in das Jahr 1941 zurückreichte.
10. Dass Hansen inmitten dieser öffentlichen Enthüllung einer massiven Unterwanderung der SWP durch das FBI Healys Sorge um die Sicherheit als „Paranoia“ abtat, war, gelinde gesagt, politisch verwerflich und unverantwortlich. Es untergrub sogar die Klage, die 1973 von der Socialist Workers Party und ihrer Jugendorganisation, der Young Socialist Alliance, gegen das Infiltrationsprogramm der US-Regierung eingereicht worden war. Warum sollte man eine so große Sache aus der Unterwanderung durch das FBI machen, wenn die Sorge um die Sicherheit der Partei ein Ausdruck von „Paranoia“ ist?
11. Es gab noch ein weiteres unheilvolles Element in Hansens Tirade gegen Healy. In den 1960er und frühen 1970er Jahren rechtfertigte das stalinistische Regime in der Sowjetunion die Unterdrückung politischer Dissidenten mit der Behauptung, sie litten an Geisteskrankheiten. Der KGB, die Nachfolgeorganisation von GPU und NKWD, schickte politische Gegner häufig in die Psychiatrie. Nikita Chruschtschow brachte in einer öffentlichen Rede Verbrechen und Widerstand gegen das Sowjetregime ausdrücklich mit Geisteskrankheiten in Verbindung.
12. Diese Verleumdung legte den Grundstein für den Einsatz der psychiatrischen Internierung als Mittel der politischen Unterdrückung. Zu denjenigen, die dieser Form der Repression ausgesetzt waren, gehörten der Wissenschaftler Schores Medwedew, der Schriftsteller Juli Daniel und die Dichter Josef Brodsky und Natalja Gorbanewskaja. Bei regimekritischen Dissidenten wurde gemeinhin „paranoider Reformwahn“ und sogar eine „paranoide Persönlichkeitsstörung“ diagnostiziert.
13. Als Hansen Healy als „paranoid“ bezeichnete, griff er auf stalinistische Verleumdungen zurück. Die Wurzeln seiner Ausbildung in solchen Methoden sollten schließlich deutlich hervortreten.
14. Wichtiger als die unmittelbaren Ursachen für die Entscheidung, Sicherheit und die Vierte Internationale ins Leben zu rufen, war der breitere historische Kontext. In einer Antwort auf Hansens „Geheimnis von Healys Dialektik“ erklärte das Politische Komitee der Workers Revolutionary Party im April 1975:
Unser Beharren auf der Sicherheitsschulung steht ganz im Einklang mit den Traditionen und Grundsätzen der revolutionären Bewegung, wie sie von Marx, Engels, Lenin und Trotzki vertreten wurden.
Sicherheit ist keine abstrakte oder zweitrangige Frage. Eine Partei, die sich nicht auf revolutionäre Disziplin in ihren eigenen Reihen gründet, kann nicht über die Unterstützung der Arbeiterklasse verfügen, wenn es darum geht, den kapitalistischen Staatsapparat zu bekämpfen, ihn zu stürzen und die Diktatur des Proletariats zu errichten.
Es geht nicht darum, Sicherheit einseitig darzustellen. Sie ist als eine zentrale politische Frage bei der Ausbildung eines revolutionären Kaders in der Arbeiterklasse zu betrachten. Eine ernstzunehmende revolutionäre Partei verfällt nicht in Panik, wenn es um Sicherheitsfragen in ihren Reihen geht, denn in Panik kann sie ihre Reihen nicht richtig organisieren, um das Eindringen der Polizei abzuwehren.
Das bedeutet, dass in Fragen der Sicherheit jederzeit Wachsamkeit geboten ist, in dem Wissen, dass eine ausgebildete revolutionäre Partei, die tief in der Arbeiterklasse verankert ist, der beste Garant gegen die konterrevolutionären Verschwörungen der CIA, des FBI, des MI5, des MI6 usw. ist.
Hansens Artikel ermöglicht es uns, wichtige Seiten in der Geschichte des Trotzkismus wieder aufzuschlagen. Wir sind verpflichtet, diese Geschichte mit allen Fehlern darzustellen, denn unsere Bewegung hat in der Vergangenheit einen schrecklichen Preis dafür gezahlt, dass sie die Sicherheitsausbildung in ihren Reihen ignoriert und ins Lächerliche gezogen hat. Dies sind die Seiten, die Hansen unterdrücken will.
Trotzki wurde von Stalins GPU ermordet, weil sich die Vierte Internationale aufgrund der objektiven Bedingungen in erheblicher Isolation von den Massen befand und folglich seine persönliche Sicherheit ständig gefährdet war. Obwohl er von den treuesten politischen Anhängern der Geschichte umgeben war, waren einige von ihnen in Sicherheitsfragen nachlässig, sodass der GPU-Attentäter zuschlagen konnte. […]
Das Internationale Komitee der Vierten Internationale wird sich nicht von den Rufen und Schreien der Revisionisten einschüchtern lassen. Sie können uns „Sektierer“ und „Paranoiker“ nennen, bis sie blau anlaufen. Indem sie diese Bezeichnungen verwenden, greifen sie in Wirklichkeit den Kampf des IK für Prinzipien und seine Aufmerksamkeit hinsichtlich Disziplin und Sicherheitsfragen in unseren Reihen an. Wir bauen keinen „Laden“ für Freibeuter und Abenteurer aus der Mittelschicht auf, was das Markenzeichen von Hansens internationalen Gruppierungen ist. Dieser Weg ist eine offene Einladung an die CIA und die Polizei, in die Partei einzudringen, denn gerade unter solchen Elementen operieren die Polizeielemente mühelos.
Hansen will die Sicherheitsfrage ausblenden; wir wollen sie bei der Ausbildung und dem Aufbau unserer Bewegung in den Vordergrund stellen. Deshalb halten wir es für notwendig, die Seiten der Geschichte des Trotzkismus wieder aufzuschlagen, um die Hintergründe zu erklären, warum gegen Wohlforth vorgegangen wurde und warum ähnliche Schritte in Zukunft wieder unternommen werden, wenn es notwendig sein sollte.
15. Das Internationale Komitee hielt im Mai 1975 seinen sechsten Kongress ab und verabschiedet einstimmig die von Gerry Healy eingebrachte Resolution, um die Untersuchung zu Sicherheit und die Vierten Internationale einzuleiten. Zu dem Zeitpunkt waren fast genau 35 Jahre seit dem Attentat auf Trotzki vergangen. Die Ermordung von Leo Trotzki lag relativ gesehen so kurz zurück wie aus heutiger Sicht das Jahr 1990. Viele Menschen, die zum Zeitpunkt von Trotzkis Tod in der Vierten Internationale und der SWP aktiv gewesen waren, lebten noch. Viele dieser Personen waren nicht besonders alt.
- Jean Van Heijenoort, der von 1932 bis 1939 Trotzkis Sekretär gewesen war, war 63 Jahre alt, als ich ihn im September 1975 interviewte.
- Harold Robins, der 1939-1940 in Coyoacan als Hauptmann der Wache Trotzkis gedient hatte, war 67 Jahre alt, als er im Sommer 1975 von der Workers League kontaktiert wurde.
- Felix Morrow, ein führendes Mitglied des Politischen Komitees der SWP in den Jahren 1939-1940, war 71 Jahre alt, als ich mich 1976 mit ihm traf.
16. Viele der Hauptakteure in der Verschwörung gegen Trotzki waren ebenfalls erst sechzig bis siebzig Jahre alt.
- Ramon Mercader, der Attentäter auf Trotzki, war 61 Jahre alt und lebte in der UdSSR, als die Ermittlungen begannen.
- Mark Zborowski, der wichtigste GPU-Agent innerhalb der Vierten Internationale, war 67 Jahre alt, als er und seine Frau im August 1975 vor ihrem Wohnhaus in San Francisco fotografiert wurden.
- Joseph Hansen war 65 Jahre alt.
- Sylvia Callen, die GPU-Agentin, die zur persönlichen Sekretärin des SWP-Führers James P. Cannon wurde, war 63 Jahre alt.
- Sylvia Ageloff, die Jacson mit Trotzki bekannt gemacht hatte, war 65 Jahre alt.
17. Ich verweise auf diese Personen und ihr Alter im Jahr 1975, um zu betonen, dass das Attentat zum Zeitpunkt, als die Ermittlungen begannen, noch keine „alte Geschichte“ war. Historisch gesehen war die Ermordung Trotzkis zwar kein jüngstes Ereignis, doch sie war im politischen Gedächtnis vieler lebender Menschen verankert. Und doch äußerten damals Mitglieder der SWP und Verteidiger von Joseph Hansen ihre Verwunderung darüber, dass sich das IKVI so sehr mit der Ermordung von Leo Trotzki beschäftigte, die „so lange her“ sei. Warum sprachen wir denn „immer noch“ über das Attentat?
18. Noch ein Vergleich, um ein Gefühl für die Zeitspanne zu vermitteln: Die Spaltung von 1985-1986 und der Tod von Gerry Healy 1989 sind heute weiter entfernt als die Ermordung Trotzkis 1940 vom Beginn der Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale im Jahr 1975. Und wenn ich an die Ermordung von Präsident John F. Kennedy im November 1963, also vor fast 62 Jahren, erinnern darf, so sind die Umstände seines Todes immer noch Gegenstand heftiger Kontroversen. Erst in den letzten Monaten wurden neue Dokumente über die Ermittlungen des FBI im Zusammenhang mit dem Kennedy-Attentat veröffentlicht. Diese Dokumente, die bei weitem nicht alle Fragen über die Ermordung des US-Präsidenten klären, haben neue Fragen aufgeworfen über die Verschwörung, die das Leben von John F. Kennedy beendete.
19. Vor Sicherheit und die Vierte Internationale gab es keine systematische Untersuchung des Mordes an Leo Trotzki, die von der durch ihn gegründeten Bewegung ausging. Dies war umso unerklärlicher, als Trotzki eine Figur von „welthistorischer“ Bedeutung war, der Mitanführer der sozialistischen Oktoberrevolution von 1917, die den gesamten Verlauf des 20. Jahrhunderts massiv beeinflusste. Außerdem waren die Auswirkungen seiner Ermordung auf die Vierte Internationale – und damit auf die Entwicklung des internationalen Klassenkampfes und das Schicksal der Menschheit – unabsehbar. Man könnte über Trotzkis Tod sagen, was Engels bei der Beerdigung von Marx sagte: Sein Tod hat die Menschheit um einen Kopf kürzer gemacht, und zwar um ihren größten Kopf.
20. Innerhalb der Vierten Internationale hatte sich die historische Darstellung der Ermordung Trotzkis seit dem 21. August 1940 kaum verändert. Und die lautete: Trotzki war von einem einzelnen GPU-Agenten, Ramón Mercader, alias Frank Jacson, ermordet worden, der sich in Trotzkis Villa in Coyoacán eingeschlichen hatte, indem er die Naivität der wohlmeinenden Sylvia Ageloff ausnutzte. Von einer umfassenderen Verschwörung, an der GPU-Agenten innerhalb der Vierten Internationale und der SWP beteiligt waren, war überhaupt nicht die Rede. Beweise dafür, dass Robert Sheldon Harte, der Wachmann, der am 24. Mai 1940, dem Tag des ersten Mordanschlags auf Trotzki, dem Attentatskommando von David Siqueiros die Tore der Villa in Coyoacán geöffnet hatte, ein GPU-Agent war, wurden beiseite geschoben.
21. Soweit es eine Untersuchung der Ermordung Trotzkis gab, wurde sie nicht von der Vierten Internationale durchgeführt, sondern von der Regierung der Vereinigten Staaten im Rahmen ihrer Ermittlungen und der strafrechtlichen Verfolgung sowjetischer Spionageagenten nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese staatlichen Ermittlungen deckten das Netz von GPU-Agenten auf, die 1937-1938 die Ermordung Trotzkis und die Morde an führenden Trotzkisten in Europa organisierten, darunter Erwin Wolf, Ignaz Reiss, Leo Sedow und Rudolf Klement.
22. Die Enttarnung der Brüder Sobolevicius, Jack Soble und Robert Soblen, sowie von Mark Zborowski, Floyd Cleveland Miller, Thomas Black und Sylvia Callen war das Werk der US-Regierung. Die Anklagen, Verhaftungen, Prozesse und Zeugenaussagen von Mitgliedern des GPU-Netzes antitrotzkistischer Agenten machten in den gesamten Vereinigten Staaten Schlagzeilen. Doch die Entlarvung dieser Agenten und die wichtigen Informationen, die sie über die Unterwanderung der Vierten Internationale aufgedeckt hatten, wurden von der Socialist Workers Party ignoriert. Und dies, obwohl viele der Angeklagten in New York City vor Gericht gestellt wurden, nur wenige Meilen von der SWP-Parteizentrale entfernt.
23. Ich will den Vorträgen, die die Genossen in dieser Woche halten werden, nicht vorgreifen. Es ist jedoch eine Tatsache, dass Sicherheit und die Vierte Internationale die historische Sicht auf die Ermordung Trotzkis verändert hat. Alle seriösen Darstellungen der stalinistischen Verschwörung gegen die Vierte Internationale und der Ermordung von Leo Trotzki gehen von den Untersuchungen und Erkenntnissen von Sicherheit und die Vierte Internationale aus und stützen sich auf deren unwiderlegbare Bestätigung während des Prozesses gegen die SWP und die US-Regierung, der 1979 von Alan Gelfand initiiert und von der Workers League und dem Internationalen Komitee unterstützt wurde.
24. Zum jetzigen Zeitpunkt ignorieren, missbilligen und leugnen nur der Abschaum des Stalinismus, die Pablisten und verwandte bürgerliche radikale Organisationen sowie das intellektuell korrupte akademische Milieu der Pseudolinken weiterhin die überwältigenden Beweise dafür, dass die Durchdringung der SWP durch GPU-Agenten eine entscheidende Rolle bei der Ermordung Trotzkis spielte. Die Rolle von Sylvia Callen (auch bekannt als Sylvia Franklin, Sylvia Caldwell, Sylvia Doxsee), der persönlichen Sekretärin von James P. Cannon, als GPU-Spionin wurde eindeutig nachgewiesen. Das Gleiche gilt für Robert Sheldon Harte.
25. Vor allem die Rolle von Joseph Hansens als Spitzel der GPU und nach der Ermordung Trotzkis als FBI-Spitzel ist zweifelsfrei erwiesen. Dies wird nur von denjenigen bestritten, die glauben, dass es für ein Mitglied einer revolutionären sozialistischen Organisation zulässig ist, geheime Treffen mit der GPU und der politischen Polizei eines kapitalistischen Staates abzuhalten. Hansens Ersuchen vom September 1940, ihm den Namen eines FBI-Agenten in New York mitzuteilen, dem „unter Straffreiheit vertrauliche Informationen“ übermittelt werden können, müsste demnach nicht genau das bedeuten, was die Worte eindeutig implizieren. Und schließlich müsste man noch akzeptieren, dass Hansens Ausflüchte und eklatante Lügen über seine Beziehungen sowohl zur GPU als auch zum FBI kein Beweis für seine Schuld sind.
26. Die Bedeutung von Sicherheit und die Vierte Internationale geht weit über die Darstellung einzelner Personen hinaus. Sicherheit und die Vierte Internationale war nie eine bloße politische Detektivarbeit. Von Anfang an stellte das Internationale Komitee Sicherheit und die Vierte Internationale in einen breiteren historischen und internationalen Kontext.
27. In ihrer Perspektivresolution von 1978 (geändert im Juni 1979) erklärte die Workers League, die Vorgängerin der Socialist Equality Party:
Der Kampf um die Ausbildung revolutionärer Kader auf der Grundlage der historischen Kontinuität des Trotzkismus hat durch die vom Internationalen Komitee - beginnend im Frühjahr 1975 auf dem Sechsten Weltkongress - durchgeführte Untersuchung zu den Umständen der Ermordung Trotzkis im Jahr 1940 eine noch nie dagewesene Kraft und Reichweite erlangt.
Sicherheit und die Vierte Internationale bedeutet nichts weniger als die Rückgewinnung der gesamten historischen Kontinuität des Bolschewismus durch die Vierte Internationale und das Internationale Komitee aus dem üblen Griff der stalinistischen Konterrevolution und Verfälschung. All die Lügen, Verzerrungen und Verbrechen, die der Stalinismus gegen den Trotzkismus, die politische Verkörperung des Kampfs für den Weltoktober, begangen hat; all die ungeheuerlichen Taten, die begangen wurden, um Generationen von Arbeitern über die wahre Geschichte der Oktoberrevolution und die Rolle Trotzkis zu verwirren und zu desorientieren - sie haben einen Schlag erlitten, von dem sich der Stalinismus und alle Agenturen der imperialistischen Konterrevolution niemals erholen werden.
Durch die Untersuchung, die schonungslos die Morde, Provokationen und Störungen durch einen riesigen Apparat von stalinistischen und imperialistischen Agenten innerhalb der trotzkistischen Bewegung aufdeckt, hat das Internationale Komitee Licht in die gesamte Geschichte der Vierten Internationale gebracht.
28. Jahrzehntelang wurde die Macht der stalinistischen Bürokratie innerhalb der Sowjetunion und international rücksichtslos eingesetzt, um die Aufdeckung ihrer Verbrechen zu unterdrücken. Der Tod Stalins im Jahr 1953 fiel jedoch mit der Krise der bürokratischen Herrschaft zusammen und beschleunigte diese gleichzeitig. Auf die Enthüllung der Verbrechen Stalins in der „Geheimrede“ von Nikita Chruschtschow im Februar 1956 folgte nur etwas mehr als ein halbes Jahr später der Aufstand der ungarischen Arbeiter gegen das stalinistische Regime in Budapest. Ein Jahrzehnt später wurden die stalinistischen Regime durch Massenbewegungen in der Tschechoslowakei und in Polen erschüttert.
29. Diese objektiven Entwicklungen in Verbindung mit dem Bankrott des bürokratischen Programms nationaler Wirtschaftsautarkie veränderten das Verhältnis zwischen Stalinismus und Trotzkismus grundlegend. Mit der Einleitung der Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale ging die trotzkistische Bewegung in die Offensive gegen die konterrevolutionären Bürokratien.
30. Es muss jedoch anerkannt werden, dass dieser Kampf in einer Zeit stattfand, in der die stalinistischen Bürokratien zwar in der Krise waren, aber immer noch über beträchtliche Macht und politisches Prestige verfügten. Darüber hinaus fungierten die pablistischen Tendenzen seit 1953 als politische Verbündete der stalinistischen Parteien und taten alles, um Illusionen zu fördern in die Möglichkeit der bürokratischen Selbstreform oder ihr angeblich revolutionäres Potenzial.
31. Die Einleitung der Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale – welche die Aufmerksamkeit auf die mörderische konterrevolutionäre Rolle des Stalinismus lenkte – durchbrach die pablistische Orientierung auf die Bürokratien. Indem das Internationale Komitee die Frage einer Unterwanderung der Vierten Internationale durch Polizeiagenten – sowohl der stalinistischen als auch der imperialistischen Staaten – thematisierte, bedrohte es zudem grundlegende staatliche Interessen.
32. Als Hansens auf bösartige Weise die Verteidigung der eigenen politischen Sicherheit durch das Internationale Komitee angriff, reagierte die Workers Revolutionary Party, indem sie auf die nachweislich starke Unterwanderung der pablistischen Organisationen durch den kapitalistischen Staat hinwies. Die Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale erbrachte auch Beweise, wonach Hansen und die Socialist Workers Party in eine laufende Verschwörung gegen die trotzkistische Bewegung verwickelt waren.
33. Die Entwicklung von Sicherheit und die Vierte Internationale wurde vom Imperialismus und seinen politischen Agenturen als ernsthafte Bedrohung erkannt. Sie reagierten mit der Veröffentlichung des berüchtigten „Urteils“ in der Intercontinental Press im September 1976, in dem die Ergebnisse von Hansens systematischer Vertuschung der GPU als „schamloser Betrug“ bezeichnet wurden. Die führenden Vertreter praktisch aller pablistischen Organisationen der Welt haben dieses Dokument unterzeichnet. Wie sich später im Verfahren des Gelfand-Prozesses herausstellte, hatte keiner der Unterzeichner die Dokumente, die sie anprangerten, überhaupt gelesen.
34. Auf die Veröffentlichung des „Urteils“ folgte am 14. Januar 1977 eine Versammlung in London, zu der die Führer der internationalen pablistischen Gruppen aufgerufen hatten, um Healy sowie Sicherheit und die Vierte Internationale zu denunzieren. Auf der „Plattform der Schande“, wie sie das Internationale Komitee treffend bezeichnete, versammelten sich unter anderem Ernest Mandel, Tim Wohlforth, George Novack (der vom IKVI als Hansens Mitwisser der GPU angeklagt worden war) und Pierre Lambert. Den Vorsitz führte Tariq Ali, ein durch und durch prinzipienloser Radikaler aus der Mittelschicht (der schließlich jede Verbindung zum Trotzkismus kappte).
35. Inmitten eines Publikums von etwa 1.500 Pablisten hörte Gerry Healy – begleitet von nicht mehr als fünf Mitgliedern der Workers Revolutionary Party – geduldig zu, als Mandel, Wohlforth, Novack und Lambert Beleidigungen in seine Richtung schleuderten. Als allen Rednern die Puste ausgegangen war, erhob sich Healy von seinem Platz und zeigte durch Heben der Hand an, dass er das Wort ergreifen wollte. Tariq Ali weigerte sich, Healy das Wort zu erteilen, trotz erheblicher Proteste derjenigen im Publikum, die an demokratischen Gepflogenheiten oder zumindest am traditionellen britischen Sinn für „Fairplay“ festhielten. Für die Anprangerung von Healy war mehr als zwei Stunden Zeit gewesen. Doch Healy erhielt nicht eine Minute, um öffentlich die Forderung des Internationalen Komitees nach einer internationalen Untersuchungskommission zu bekräftigen, welche die von Sicherheit und die Vierte Internationale aufgedeckten Beweise prüfen sollte. Die Sitzung endete im Chaos und wurde schließlich aufgelöst.
36. Es lohnt sich, aus Wohlforths Autobiographie zu zitieren, in der er seine eigene Reaktion auf die Anwesenheit von Healy beschreibt:
Ich bin mir sicher, dass ich nach außen hin ruhig wirkte, aber tief in meinem Inneren wurde ich von einer fast unkontrollierbaren Angst ergriffen. Es war erstaunlich, wie dieser Mann, der nur von einem Dutzend Unterstützern begleitet wurde und von tausend Menschen umgeben war, die mit dem, was ich sagen wollte, sympathisierten, dennoch eine solche Reaktion in mir auslösen konnte. Egal, was sonst noch über Healy gesagt wird, niemand sollte nach diesem Abend seinen Mut oder sein Gespür für Dramatik in Frage stellen.
37. In diesem Stadium der Ermittlungen hatte das Internationale Komitee Sylvia Caldwell-Callen noch nicht ausfindig gemacht, die erstmals 1947 von Louis Budenz als GPU-Agentin bezeichnet und 1960, im Prozess gegen den GPU-Agenten Robert Soblen, einen der beiden Sobolevicius-Brüder, als nicht angeklagte Mitverschwörerin aufgeführt worden war. Erst im Mai 1977 wurde Caldwell – geborene Callen, verheiratete Franklin – in Wheaton, Illinois, ausfindig gemacht und befragt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich von Zalmond Franklin scheiden lassen, wieder geheiratet und hieß nun Sylvia Doxsee.
38. Erst im Juli 1977 gelangte das Internationale Komitee durch eine Anfrage auf Grundlage des Freedom of Information Act (Informationsfreiheitsgesetz) in den Besitz zahlreicher erstmals für die Öffentlichkeit freigegebener Dokumente, aus denen hervorging, dass Hansen nach dem Mord an Trotzki sehr viel ausgiebigere Kontakte mit dem FBI unterhalten hatte. Darunter waren auch Briefe, die sich auf Hansens oben erwähnte Bitte um eine vertrauenswürdige Kontaktperson bezogen, über die „unter Straffreiheit vertrauliche Informationen“ übermittelt werden könnten.
39. Auf der Grundlage der Dokumente und Fakten, die ihm im Frühjahr und Sommer 1977 vorlagen, gelangte das Internationale Komitee zu dem Schluss, dass genügend Beweise vorlagen, um Hansen öffentlich zu beschuldigen, innerhalb der SWP als GPU-Agent und FBI-Spitzel tätig gewesen zu sein. In einer Erklärung 29. Juli 1977 schrieb das IKVI:
Das Internationale Komitee hat längst bewiesen, dass Joseph Hansen ein Komplize der GPU ist, da er stalinistische Agenten wie Sylvia Franklin, Floyd Cleveland Miller und Mark Zborowski deckt.
Nun hat das Internationale Komitee nachgewiesen, dass er heimlich Kontakt mit dem FBI aufgenommen und interne SWP-Dokumente an dessen Agenten übergeben hat.
Das Internationale Komitee hat vor den Augen der weltweiten trotzkistischen Bewegung und einem internationalen Publikum von Arbeitern, Intellektuellen und Jugendlichen aufgezeigt, dass Joseph Hansen kein Trotzkist ist und es nie war.
40. Auf die Befragung von Sylvia Doxsee, die im Hinblick auf ihre Jahre in der SWP entweder Gedächtnisverlust geltend machte oder James P. Cannon beschimpfte, reagierte Hansen mit der Fortsetzung seiner Strategie der Lügen, Erfindungen und Ausflüchte. Er warnte auch, dass das Internationale Komitee „sich weigert, die tödlichen Konsequenzen zur Kenntnis zu nehmen, die der WRP jetzt drohen', und fügte böswillig hinzu, dass „die Healyisten durchaus in der Lage sind, gegen andere Teile der Arbeiterbewegung zu Gewalt zu greifen“.
41. Doch die einzige Gewalt, zu der es kam, richtete sich gegen die Workers League. Am 16. Oktober 1977 wurde Tom Henehan, ein Mitglied des Politischen Komitees der Workers League, ermordet, als er eine Disco der Young Socialists beaufsichtigte. Keine einzige pablistische Organisation der Welt hat diesen politischen Mord verurteilt.
42. Hansen starb unerwartet am 18. Januar 1979, genau eine Woche nach der Sitzung des Politischen Komitees der SWP, auf der mit seiner Beteiligung Alan Gelfand ausgeschlossen wurde. Der Grund für den Ausschluss war, dass Gelfand bei Gericht einen Amicus-Curiae-Schriftsatz zur Unterstützung der Klage eingereicht hatte, die die Socialist Workers Party wegen ihrer Unterwanderung durch Agenten im Zuge des COINTELPRO-Programms eingereicht hatte. In seinem Schriftsatz forderte Gelfand, dass das Gericht den Justizminister der USA dazu zwingen sollte, staatliche Informanten innerhalb der SWP zu identifizieren. In Gelfands Schriftsatz heißt es:
Diese Informanten sind sicherlich nicht in der SWP, um zum Aufbau der Partei beizutragen. Ihr oberstes Ziel ist es, sie zu zerstören. Die zahlreichen „schmutzigen Tricks“, Einbrüche und Diebstähle, die von diesen Informanten verübt wurden, sind sowohl in diesem Verfahren als auch in anderen aktuellen Fällen gut dokumentiert. Diese Aktivitäten bestätigen die unheilvolle Rolle der Informanten in hohem Maße.
43. Gelfands Schriftsatz wurde von der SWP-Führung als ernsthafte Bedrohung aufgefasst. Während ihre eigenen Anwälte vor Gericht eine passive Strategie verfolgten und nicht die geringste Absicht erkennen ließen, die Enttarnung von Agenten zu erzwingen, war es Gelfand absolut ernst damit, den Staat zu zwingen, seine Agenten zu identifizieren und aus der SWP zu entfernen – was auch zur Enttarnung von Führungsmitgliedern der SWP führen konnte. Das Politische Komitee der SWP gelangte zu dem Schluss, dass die Entfernung Gelfands aus der Partei nicht länger aufgeschoben werden konnte. Der Antrag auf seinen Ausschluss wurde vom Nationalen Sekretär der SWP, Jack Barnes, im Politischen Komitee eingebracht.
44. Genau sechs Monate später, am 18. Juli 1979, reichte Alan Gelfand bei einem Bundesbezirksgericht in Los Angeles Klage ein. Darin machte er geltend, dass sein Ausschluss von Agenten der US-Regierung, die in der Führung der Socialist Workers Party aktiv waren, betrieben worden war. Der Verlauf des Gelfand-Prozesses wird in späteren Vorträgen ausführlich behandelt werden.
45. Zwei Punkte müssen jedoch betont werden. Erstens wiederholten die SWP-Führer in ihren Bemühungen, Gelfand zu diskreditieren, hartnäckig, die Klage ziele darauf ab, der Regierung die Entscheidungsgewalt darüber zu verschaffen, wer Mitglied der SWP sein konnte. In Wirklichkeit bestand das explizite Ziel der Klage darin, die Regierung daran zu hindern, die SWP-Führung zu unterwandern und anschließend ihre Kontrolle über den Parteiapparat zu nutzen, um jeden auszuschließen, der versucht, sie zu entlarven.
46. Die demokratischen Grundsätze, auf die Gelfands Klage abstellte, wurden von der zuständigen Richterin Mariana Pfaelzer ausdrücklich anerkannt. Sie lehnte den Antrag der SWP auf Abweisung der Klage ab und schrieb in der Begründung, dass „es klar ist, dass die Manipulation und Übernahme der politischen Partei des Klägers durch den Staat eine drastische Verletzung der Vereinigungsrechte ihrer Anhänger darstellt und nicht mit der Verfassung vereinbar ist“.
47. Zweitens hätten die SWP-Führer keinen Grund gehabt, sich Gelfands Klage zu widersetzen, wenn sie das gewesen wären, was sie vorgaben zu sein, nämlich echte Sozialisten. Sie hätten die Gelegenheit begrüßt, Gelfands Vorwürfe, der Staat habe die Kontrolle über die SWP gewonnen, öffentlich vor Gericht zu widerlegen. Doch Barnes und Konsorten wussten genau, dass die Klage auf unwiderlegbaren Tatsachen beruhte und dass die Fortsetzung des Verfahrens nicht nur Gelfands Vorwürfe, sondern auch die gesamte Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale bestätigen würde.
48. Als das Verfahren in Gang kam, entdeckte das Internationale Komitee, dass praktisch die gesamte zentrale Führung der Socialist Workers Party aus Absolventen des Carleton College bestand, einer kleinen konservativen Hochschule in Northfield, Minnesota. Alle diese Rekruten, angefangen beim Nationalen Sekretär der SWP, Jack Barnes, wurden – wie sich der College-Präsident Richard Gilman in einem 1979 geführten Interview ausdrückte – über das von der CIA durchseuchte Fair Play for Cuba Committee in die SWP „eingeschleust“.
49. Ich werde hier nicht versuchen, den Verlauf des Gelfand-Prozesses, der sich über fast vier Jahre erstreckte, zusammenzufassen. Dazu wird es im Laufe dieser Woche mehrere Vorträge geben. Es muss jedoch betont werden, dass das Ergebnis des Prozesses die vom Internationalen Komitee gesammelten Beweise und die Anschuldigungen, die es erhoben hatte, in Form von beeidigten Aussagen und juristisch geprüften Dokumenten auf der ganzen Linie bestätigte. Die entscheidenden zusätzlichen Informationen, die Alan Gelfand und sein wichtigster Anwalt John Burton beschafften, machten den Lügen den Garaus, die Hansen, Novack und die SWP-Führung über Hansens Kontakte zum FBI und zur GPU verbreitet hatten. Die politische Bedeutung und der heroische Charakter des Kampfs, den Alan geführt hat, werden für immer Teil der Geschichte der trotzkistischen Bewegung sein.
50. Selbst diejenigen, die persönlich an der Untersuchung beteiligt waren, staunten bei der Vorbereitung unserer Schulung über das monumentale Ausmaß der Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale, die auch den Gelfand-Prozess umfasst. Sie wurde gegen unaufhörlichen Widerstand, Drohungen und sogar Gewalt durchgesetzt.
51. Es steht außer Frage, dass der politische Anstoß zur Einleitung der Untersuchung in erster Linie von Gerry Healy ausging. Healy hatte in den 1930er Jahren, während der Moskauer Prozesse und der Terrorkampagne der GPU gegen die trotzkistische Bewegung, mit der stalinistischen Bewegung gebrochen. Vor diesem Hintergrund erkannte er, dass Hansens verächtliche Haltung gegenüber der Sicherheit der Vierten Internationale nichts Gutes zu bedeuten hatte.
52. Als Hansen ihm „Paranoia“ vorwarf, betrachtete Healy dies nicht einfach als persönliche Beleidigung. Als Hansen zynisch leugnete, dass die Unterwanderung der Vierten Internationale durch Agenten eine Gefahr darstelle, sah sich Healy veranlasst, an die Beispiele von Mark Zborowski und Ramon Mercader zu erinnern. Und er fragte sich, wie Hansen, der die Ermordung Trotzkis in Coyoacán miterlebt hatte, Wachsamkeit in der revolutionären Bewegung als bedeutungslos abtun konnte.
53. Mit Sicherheit war Gerry Healy ein „harter Mann“. Aber er gehörte einer Generation an, deren politische Ausbildung inmitten der brutalen Ereignisse und Tragödien der 1930er Jahre stattgefunden hatte. Das Werk, das zu seinem Bruch mit dem Stalinismus führte, war Max Shachtmans Streitschrift Behind the Moscow Trial. Niemals hatte Healy die Warnung vergessen, die Trotzki in seinem „Offenen Brief an die Arbeiterorganisationen' vom 2. November 1937 ausgesprochen hatte:
Noch nie besaß die Arbeiterbewegung in ihren eigenen Reihen einen derart tückischen, gefährlichen, mächtigen und verräterischen Feind wie die Stalinclique und ihre internationale Agentur. Nachlässigkeit im Kampf gegen diesen Feind kommt Verrat gleich. Mit pathetischer Entrüstung können sich Schwätzer und Dilettanten begnügen, aber nicht ernste Revolutionäre. Nötig ist, besondere Kommissionen zur Verfolgung der Manöver, Intrigen und Verbrechen der Stalinisten zur Warnung der Arbeiterorganisationen vor der Gefahr, zur Erarbeitung der besten Abwehrmethoden gegen die Moskauer Gangster zu bilden.
54. Healys Verbundenheit mit den historischen Erfahrungen der trotzkistischen Bewegung fand Ausdruck in der Antwort der WRP auf Hansens „Geheimnis von Healys Dialektik“, in der Resolution zur Einleitung von Sicherheit und die Vierte Internationale, und in der Broschüre Wie die GPU Trotzki ermordete.
55. Healys Initiative stieß bei dem jungen Kader der Workers League auf große Resonanz. Wie ist das zu erklären? Erstens waren die Kader der Workers League durch den Kampf, den das Internationale Komitee gegen den Pablismus geführt hatte, für die Perspektive und das Programm des Trotzkismus gewonnen worden. Der Offene Brief von Cannon aus dem Jahr 1953 und die wichtigen Dokumente der Socialist Labour League aus den Jahren 1961-1963, die sich gegen den Verrat der SWP am Trotzkismus richteten, hatten die politische Einstellung des Parteikaders geprägt.
56. Die Bedeutung, die das Internationale Komitee der Kontinuität der trotzkistischen Bewegung beimaß, vermittelte dem Kader der Workers League eine ernsthafte Einstellung zu Fragen der Geschichte. Sein politisches Bewusstsein war geprägt von einem Gefühl der tiefen Verbindung zwischen unseren gegenwärtigen Aufgaben und den vorangegangenen Erfahrungen der Vierten Internationale und darüber hinaus bis zurück zur Oktoberrevolution, den ersten vier Kongressen der Kommunistischen Internationale und den Fragen, die zur Gründung der Linken Opposition und ihren nachfolgenden Kämpfen führten.
57. Dies erklärt meiner Meinung nach die geradezu wilde Entschlossenheit, mit der die Workers League die Untersuchung Sicherheit und die Vierte Internationale auch dann noch vorantrieb, als sich die Workers Revolutionary Party zunehmend aus diesem Kampf zurückzog.
58. Die Beschäftigung mit den historischen Erfahrungen, den politischen Prinzipien und den programmatischen Grundlagen der Vierten Internationale, die die Grundlage für die Ausbildung der Kader des Internationalen Komitees bildete, war das genaue Gegenteil des kruden Pragmatismus, des Opportunismus und der zynischen Atmosphäre, die in der Socialist Workers Party und dem Vereinigten Sekretariat der Pablisten herrschten (insbesondere in den Sektionen, die am stärksten unter Hansens direktem Einfluss standen, wie die International Marxist Group in Großbritannien und die Socialist Workers League in Australien).
59. Die Führer dieser Organisationen ließen sich durch die vom Internationalen Komitee aufgedeckten Beweise nicht belehren, und mochten sie noch so belastend sein. In der Erklärung des IKVI vom 29. Juli 1977 heißt es: „Sie sind von einem solchen politischen Hass auf das Internationale Komitee erfüllt, dass sie mit Hansen zur Hölle und wieder zurück fahren werden.“ Nichts anderes war von unverbesserlichen Opportunisten und Selbstdarstellern wie Tariq Ali zu erwarten, ganz zu schweigen von den zahlreichen Polizeiagenten, die unbehelligt im Verborgenen innerhalb der pablistischen Gruppen tätig waren.
60. Aber nicht nur politische Korruption sicherte Hansen seinen Platz in der Führung der SWP. Die Angehörigen der Mittelklasse, die den Großteil der Mitglieder ausmachten, unterstützten Hansen nicht aus Überzeugung, sondern weil sie an den historischen Erfahrungen und politischen Fragen, die von Sicherheit und die Vierte Internationale aufgeworfen wurden, nicht interessiert waren.
61. Da sie sich nur um die kurzfristigen Belange der Protestpolitik kümmerten und es daher darauf abgesehen hatten, Druck auszuüben, um den kapitalistischen Staat zu reformieren und nicht zu stürzen, sahen die Mitglieder der Pablisten keinen Grund, sich über die staatliche Unterwanderung ihrer Organisation besondere Sorgen zu machen. Die üblichen Antworten der SWP-Basis gegenüber Mitgliedern der Workers League, die die Erklärungen, die Hansens Verbindungen zur GPU und zum FBI aufdeckten, in Umlauf brachten, lauteten: „Na und?“ und „Wen interessiert das?“ Ein weiterer Satz, der unter den SWP-Mitgliedern zum politischen Motto erhoben wurde, war: „Agenten leisten gute Arbeit.“
62. Diese politische Weisheit entstammte der von Hansen verbreiteten Verdrehung der Lehren, die die Bolschewiki aus der Entlarvung von Roman Malinowski gezogen hatten. Malinowski war ein führendes Parteimitglied, das für die zaristische Geheimpolizei, die Ochrana, gearbeitet hatte.
63. Die Tätigkeit dieses Agenten hatte verheerende Auswirkungen auf die Arbeit der Partei. Aufgrund der Informationen, die er der Ochrana lieferte, kam es zu zahlreichen Verhaftungen und Todesfällen. Im Rückblick auf den Fall Malinowski vermerkten die Bolschewiki später, dass dieser Agent, der vor der Revolution ein führender Parteisprecher im russischen Parlament gewesen war, dort gezwungenermaßen Reden hielt, mit denen er Positionen der Bolschewiki bekannt machte. Um seine hinterhältige Rolle als Spitzel zu erfüllen, übte Malinowski wider Willen bestimmte politische Funktionen aus, die den Interessen der Partei dienten.
64. Diese Beobachtung war jedoch nie in dem Sinne gemeint, dass die Anwesenheit von Agenten innerhalb der revolutionären Bewegung mit der fadenscheinigen Begründung, dass sie auch „gute Arbeit“ leisten könnten, gutgeheißen würde! Immerhin hatten die Bolschewiki nach ihrer Machtübernahme die Tscheka gegründet, um die Aktivitäten konterrevolutionärer Spione zu bekämpfen. Sie dachten nicht daran, Spione für ihre ungewollten Beiträge zur revolutionären Sache zu belohnen. Entsprechend kommentierte Harold Robins das Schicksal Malinowskis mit der trockenen Bemerkung: „Als die Bolschewiki ihn erwischten, erschossen sie ihn.“
65. Mit seiner Verdrehung der Malinowski-Affäre säte Hansen politische Selbstgefälligkeit unter den SWP-Mitgliedern, um die Vorstellung zu verbreiten, dass Agenten sowohl gute als auch schlechte Arbeit leisten könnten und dass sich erstere als wichtiger erweisen könnte als letztere. Echte Revolutionäre haben keine so ausgewogene Fifty-fifty-Haltung zu Agenten und ihren Machenschaften. Victor Serge beschreibt in seinen Memoiren einen Polizeiagenten als „Provokateur“, der „nicht nur ein Spitzel ist, sondern auch ein Verführer, ein Stratege des Verderbens“.
66. Die SWP-Führung brachte noch ein weiteres Argument vor, das von der unwissenden und selbstzufriedenen Mitgliedschaft akzeptiert wurde. In einem Brief vom 7. April 1978 an Alan Gelfand schrieb der SWP-Führer Larry Seigle: „Die Partei kann und wird keine Agentenhatz in ihren Reihen dulden.“ Die Verwendung dieses aufgeladenen Ausdrucks – „Agentenhatz“, als ob es sich um eine Art „Kommunistenhatz“ oder „Judenhatz“ handeln würde – sollte dafür sorgen, dass die Vertrauenswürdigkeit eines Parteimitglieds auch dann nicht hinterfragt wird, wenn Beweise für Verbindungen zu Polizei und Geheimdiensten vorliegen. Die praktische Anwendung dieser Vorgabe garantierte den Polizeiagenten zuverlässigen Schutz vor Enttarnung.
67. Im Laufe der letzten 50 Jahre hat sich die Haltung politischer Tendenzen, ihrer Führung und Mitgliedschaft, gegenüber Sicherheit und die Vierte Internationale als außerordentlich präziser, geradezu unfehlbarer Hinweis auf ihre politische Orientierung erwiesen. Die Denunziation von Sicherheit und die Vierte Internationale war stets eng mit der Ablehnung des Trotzkismus verbunden.
68. Volle zehn Jahre lang waren Cliff Slaughter und Michael Banda, die Führer der WRP, glühende Anhänger von Sicherheit und die Vierte Internationale gewesen. Sie verfassten zahlreiche Artikel, in denen sie diejenigen verurteilten, die die Untersuchung angriffen und verleumdeten. Doch inmitten der Krise, die im Sommer und Herbst 1985 in der WRP ausbrach, und als diese ihre Abspaltung vom Internationalen Komitee vorbereitete, vergaßen Slaughter und Banda alles, was sie zuvor geschrieben hatten, und ergingen sich in erbitterten Beschimpfungen von Sicherheit und die Vierte Internationale. Banda bezeichnete die Untersuchung in Anlehnung an Hansen als „manische Hexenjagd, genauer gesagt ein verzweifeltes forensisches Ablenkungsmanöver, um Healys paranoide Schizophrenie und seinen theoriefeindlichen Empirismus zu befriedigen“. Wenige Wochen nach dieser hysterischen Tirade verurteilte Banda Trotzki und erklärte seine uneingeschränkte Bewunderung für Josef Stalin.
69. Slaughter schloss sich Bandas Verleumdung von Sicherheit und die Vierte Internationale an und ergänzte sie durch die Behauptung, diese Arbeit sei ein Ersatz für den theoretischen Kampf gegen den Stalinismus und Pablismus gewesen. Das Absurde und auch Ironische an dieser Behauptung ist, dass sie just in dem Moment in die Welt gesetzt wurde, als sowohl Banda als auch Slaughter den Trotzkismus bewusst zurückwiesen. Während Banda zu einem Verteidiger des Stalinismus und Apologeten des Zionismus degenerierte, begab sich Slaughter auf einen langen Marsch nach rechts, der dazu führte, dass er das leninistische Parteikonzept ablehnte und sich eine Form des kleinbürgerlich-anarchistischen Humanismus zu eigen machte.
70. Was die Behauptung betrifft, dass Sicherheit und die Vierte Internationale eine Abkehr vom Kampf gegen den Pablismus und von der Entwicklung des Marxismus bedeuteten, so beweist die Geschichte des Internationalen Komitees zwischen 1975 und 1985 genau das Gegenteil. Das intensive Engagement der Workers League für Sicherheit und die Vierte Internationale war untrennbar damit verbunden, dass sie in Opposition zur WRP das trotzkistische Programm und die philosophischen Grundlagen des Marxismus verteidigte.
71. Tatsächlich wurden die wichtigsten Dokumente der Workers League, die sich gegen das Abgleiten der WRP in den Opportunismus und gegen Healys Verdrehung der dialektischen Methode wandten, in der intensivsten Phase des Gelfand-Prozesses verfasst, d. h. während der Vorbereitungen auf das Gerichtsverfahren.
72. Sicherheit und die Vierte Internationale ist ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der trotzkistischen Bewegung. Die Ergebnisse dieser Untersuchung haben den Test der Zeit – ein halbes Jahrhundert – bestanden, und ihre Arbeit geht weiter. Genosse Eric London hat Hansens Interaktionen mit dem FBI im Zusammenhang mit der Strafverfolgung von 18 SWP-Führern im Jahr 1941 und der Rolle Sylvia Ageloffs bei der Ermordung Leo Trotzkis analysiert. Sein Buch zu diesem Thema ist ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der gemeinsamen Verschwörungen von Imperialismus und Stalinismus gegen die Vierte Internationale.
73. Zum Abschluss dieser Einführung in unsere internationale Schulung möchte ich betonen, dass die Sicherheit der Partei vor allem eine politische Frage ist. Die Anerkennung der Notwendigkeit von Sicherheit ergibt sich aus einem marxistischen Verständnis des Wesens des kapitalistischen Staates, der Gesetze des Klassenkampfs, des Charakters der imperialistischen Epoche, der objektiven Krise des Weltkapitalismus und einer tief verwurzelten Treue zum Programm der Partei. Das hohe Niveau des theoretischen und politischen Bewusstseins, das notwendig ist, um das komplexe Problem der organisatorischen Sicherheit zu verstehen, erfordert einen sehr gut ausgebildeten und politisch entschlossenen marxistischen Kader.
74. Die Entwicklung eines revolutionären Kaders setzt interne Beziehungen voraus, die auf klaren politischen Prinzipien beruhen und ein demokratisches und diszipliniertes Regime ermöglichen, das in der Lage ist, staatlichen Angriffen zu widerstehen. Dabei müssen sowohl opportunistische Selbstgefälligkeit als auch ängstliche Hysterie vermieden werden. Politische Wachsamkeit ist unvereinbar mit Panik. Die stärkste Verteidigung gegen Unterwanderung ist ein politisch ausgebildeter und gut informierter Kader. Ein solcher Kader ist unerlässlich, um die interne Demokratie zu wahren und ein sorgfältig ausgestaltetes Sicherheitsprogramm zu organisieren. Dies ist eine der wichtigsten Lehren aus Sicherheit und die Vierten Internationale.
75. Wir haben eine sehr anstrengende Woche vor uns. Die Vorträge werden eine enorme Menge an Stoff aus den Bereichen Geschichte, Politik und auch Recht vermitteln. Aber wir leben in herausfordernden und gefährlichen Zeiten, und die objektiven Ereignisse werden unserem Kader enorme Anstrengungen abverlangen. Es versteht sich von selbst, dass die Frage der politischen Sicherheit in einer Zeit, in der gezielte Morde und Völkermord zur Normalität erhoben werden und die grundlegenden verfassungsrechtlichen Grundlagen der bürgerlichen Demokratie in Auflösung begriffen sind, eine immense Bedeutung erlangt. Dies ist Ausdruck einer gewaltigen Eskalation des Klassenkampfs im Weltmaßstab und des Übergangs zu Bürgerkrieg und sozialer Revolution. Das Ziel dieser internationalen Schulung ist es, das politische Niveau des Kaders der Socialist Equality Party und des IKVI anzuheben, um den Herausforderungen der sich beschleunigenden Krise des Weltkapitalismus zu begegnen und die amerikanische und internationale Arbeiterklasse auf die Eroberung der Macht und den Aufbau einer sozialistischen Weltgesellschaft vorzubereiten. Ich danke euch, Genossinnen und Genossen, für eure Aufmerksamkeit.
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