Als im Frühjahr 2022 die riesige Tesla-Gigafabrik in Grünheide feierlich von Elon Musk eröffnet wurde, überschütteten ihn der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit Lobreden und ehrfürchtiger Anerkennung. Die IG Metall verkündete, sie habe „jedes Interesse daran, dass dieses Werk floriert und dauerhaft Erfolg hat“.
Birgit Dietze, die damals als IGM-Bezirksleiterin für Tesla zuständig war, schickte folgende Botschaft an Tesla: „Zur Werkseröffnung gratuliere ich dem Unternehmen Tesla und seinem Gründer Elon Musk.“ Sie fügte hinzu: „In Grünheide arbeiten die Beschäftigten als Pioniere der Elektromobilität.“
Der Produktionskomplex von Grünheide entstand in zweijähriger Rekordzeit. Genehmigungsverfahren wurden verkürzt oder faktisch ausgehebelt. SPD-geführte Ministerien und Behörden machten sich zum Erfüllungsgehilfen. Jörg Steinbach, damaliger brandenburgischer Wirtschaftsminister (SPD), organisierte einen „Jour fixe“ mit den Tesla-Projektmanagern. Dort, so Steinbach selbst, „gaben die mir montags neue Aufgaben, die ich bis Freitag abzuarbeiten hatte“.
Steinbachs Ergebenheit gegenüber Tesla hält bis heute unvermindert an. Ende Juni offenbarte er auf einer Betriebsversammlung in Grünheide vor der Belegschaft, er stehe dazu, zu den „Freunden der Tesla-Familie“ zu zählen. Den Arbeitern warf er „Undankbarkeit“ vor. Als sei er Musks persönlicher Adjutant, forderte er die Arbeiter auf: „Bedankt euch auch mal bei euren Vorgesetzten, auch mal beim Betriebsleiter“ oder bei „der Geschäftsleitung“.
Was viele wohl ahnten, wurde dann Anfang der Woche öffentlich. Der dankbare SPD-Ex-Minister hat sich vor ein paar Wochen der Kanzlei CMS Hasche Sigle angeschlossen. CMS hat das Land Brandenburg – damals vertreten durch Steinbach – unter anderem beim Verkauf des 300 Hektar großen Grundstücks in Grünheide an Tesla beraten. Gleichzeitig vertritt die CMS Tesla selbst.
Daher verwundert es nicht, dass das Werk in einem ausgewiesenen Wasserschutzgebiet errichtet werden konnte – trotz massiver Proteste von Anwohnern und Umweltverbänden. Unterbezahlte Wanderarbeiter aus Osteuropa, Asien oder Lateinamerika schufteten am Bau 10 bis 12 Stunden täglich, häufig ohne ausreichende Sicherheitsvorkehrungen. Diese Bedingungen betrafen nicht nur „die Bauphase“ – sie setzten den Ton für die spätere Produktion.
Zur Eröffnung verkündete Musk großmäulig die Produktion von 500.000 Fahrzeugen jährlich, bis zu 40.000 Arbeitsplätze, eine Expansion um Batteriefabrik und Zulieferwerke.
Dreieinhalb Jahre später ist davon wenig übrig. Im Sommer 2025 verlassen selten mehr als 5.000 Autos pro Woche das Werk – doch selbst die werden auf Halde gestellt, weil Absatzmärkte wegbrechen, in den ersten sechs Monaten 2025 um 58 Prozent.
Aktuell arbeiten nur rund 11.000 Beschäftigte in Grünheide, zeitweilig waren es knapp 12.500. Mehrere hundert Leiharbeiter wurden entlassen, ganze Schichten verkleinert.
Die internationale Belegschaft – im Werk arbeiten Beschäftigte aus 150 Nationen – wird in der Knochenmühle Teslas regelrecht verheizt. Für die gefährlichsten und anstrengendsten Aufgaben – Montagestraßen im „Höllentempo“, Arbeit an Schmelzöfen, gefährlichen Lackieranlagen – verschleißt Tesla in kürzester Zeit körperlich belastbare, aber oft geringqualifizierte Arbeitskräfte, um sie dann durch neue, ärmere Rekruten zu ersetzen. Versprochen werden Schulungen oder Deutschkurse – geliefert wird sofortiger Einsatz unter maximaler Belastung.
Giftige Dämpfe und feiner Aluminiumstaub in der Luft, fehlerhafte Maschinen – die Liste der Gefährdungen ist lang. In den ersten zwölf Monaten nach Produktionsstart mussten Rettungsdienste 247-mal ausrücken. Häufigste Verletzungen: Stürze, Schnittwunden, Nasenbluten, chemische Vergiftungen, Verbrennungen.
Ein ehemaliger Schichtleiter sagte dem Stern: „Die Leute werden verheizt bei Tesla. Zeitweise war in meinem Team jeder zweite krank.“ Im August 2024 erreichte der Krankenstand zeitweise 17 Prozent. Personalchef Erik Demmler und Werksleiter André Thierig bedrohten die kranken Arbeiter in unangekündigten Hausbesuchen, drohten mit der Streichung der Lohnfortzahlung und forderten Arbeiter auf, Diagnosen offen zu legen und Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden.
Arbeiter berichteten von Schreiben mit dem Betreff „Zweifel an den eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen“, in denen die sofortige Einstellung der Zahlung angekündigt wurde. In einigen Fällen forderte Tesla Geld zurück – angebliche „Überzahlungen“, die als „Schulden“ deklariert wurden. Wer nicht zahlen konnte, wurde unter Druck gesetzt, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, um der vermeintlichen Schuld zu entgehen.
Elon Musk, der reichste Mann der Welt, ordnet die Gesundheit und das Leben seiner Belegschaften kaltblütig seinen Profitinteressen unter und geht über Leichen. Dementsprechend ist die Fluktuation extrem: In Musks Betrieben weltweit werden pro Jahr oft 40 bis zu 70 Prozent der Arbeiter ausgetauscht.
Schweigepflicht-Klauseln in den Arbeitsverträgen und Einschüchterungsmethoden konnten nicht verhindern, dass die üblen Arbeitsbedingungen nach draußen drangen. Der Stern und das Handelsblatt haben mehrfach Erfahrungsberichte aus dem Werk in Grünheide veröffentlicht. Für globales Aufsehen sorgte 2022 der Whistleblower Lukasz Krupski. Der gebürtige Pole, der 2018 als Servicetechniker in Norwegen anfing, entdeckte zufällig, dass er ungehinderten Zugang zu hochsensiblen Tesla-Daten hatte: Finanz-, Personal-, Gesundheitsdaten von 100.000 Mitarbeitern weltweit.
Nachdem Behörden in Norwegen und den USA kein Interesse zeigten, wandte sich Krupski ans Handelsblatt, das 100 GB Daten auswertete und seit Mai 2023 unter dem Titel „Die Tesla-Files“ veröffentlichte – über Datenschutzdesaster, Sicherheitsprobleme und die Unternehmenskultur. Tesla reagierte mit Anzeigen und Hausdurchsuchung, Krupskis Geräte wurden beschlagnahmt. Der mehrjährige Rechtsstreit endete dieses Jahr mit Krupskis Freispruch.
Am 1. August hat das Handelsblatt erneut einen recht umfangreichen „Insider-Report“ „über die Umstände im Werk Grünheide“ veröffentlicht. Bezeichnenderweise unterstützt das Finanzblatt dabei die Bestrebungen der IG Metall, bei Tesla Fuß zu fassen. Das Handelsblatt, naturgemäß den Interessen der deutschen Autokonzerne verpflichtet, favorisiert das als deutsches Mitbestimmungsmodell und Sozialpartnerschaft gepriesene System, in dem die Gewerkschaften als bezahlte Lakaien der Konzerne für Ruhe und Ordnung in den Betrieben sorgen.
Wenn es nach ihm geht, sollte die IG Metall auch bei Tesla ihre unsägliche Rolle als Betriebspolizei spielen. In allen anderen deutschen Autowerken haben die Metallgewerkschaft und ihre Betriebsräte die Aufgabe übernommen, die Profitinteressen der Konzerne gegen die Belegschaften durchzusetzen. Sie sorgen dafür, dass Lohnsenkungen und massiver Arbeitsplatzabbau möglichst reibungslos stattfinden. Sind sie gelegentlich zu Protestaktionen oder Streiks gezwungen, benutzen sie diese nur, um die Wut der Arbeiter aufzufangen und jeden ernsthaften Arbeitskampf zu sabotieren.
In diesem Rahmen muss man die Bestrebungen der IG Metall bei Tesla betrachten. Sie versucht seit geraumer Zeit, im Betrieb Mitglieder zu ködern, indem sie ihnen den damit verbundenen Arbeitsrechtsschutz verspricht. Die IG Metall weiß natürlich, dass gerade Tesla-Arbeiter diesen dringend benötigen. Laut ihren Angaben haben Tesla-Beschäftigte rund 21-mal häufiger den Rechtsschutz genutzt, als üblich.
Offiziell verurteilt die IG Metall einige Praktiken Teslas. Der Berliner IGM-Bezirksleiter Dirk Schulze sprach von „Einschüchterung“. Doch ihre Zielsetzung ist eindeutig: einen Fuß in die Tür bekommen, Betriebsratsposten sichern und Musk ein „stabileres soziales Klima“ verkaufen. Die Methoden des Tesla-Managements seien „nicht nur hochgradig unseriös und inhuman“, erklärt IGM-Funktionär Schulze, sondern sie seien vor allem „auch kontraproduktiv“. Was will er Elon Musk und Tesla damit sagen?
Musk, der in den USA und international als Oligarch agiert, ist ein politischer Akteur: Er unterstützte in Deutschland öffentlich die rechtsextreme AfD, in den USA rechte Hardliner und bis vor kurzem auch US-Präsident Donald Trump. Als Leiter dessen „Abteilung für Regierungseffizienz“ (DOGE) setzte er Massenentlassungen im öffentlichen Dienst durch.
Musk ist weltweit verhasst, auch deshalb sinkt der Absatz der Tesla-Modelle. Doch die IG Metall bietet ihm die Zusammenarbeit an. Ihre Dienstleistung: Wenn Tesla die IG Metall endlich ins Boot holt, sorgen sie und ihre Betriebsräte dafür, dass die Produktion reibungslos läuft und das Aufmucken der Belegschaft ein Ende hat. Der Krankenstand würde auch ohne illegale Druckmittel niedrig gehalten – so wie die IG Metall das bei VW, Daimler, BMW usw. vorexerziert.
Doch so krass die Situation bei Tesla ist, wäre es naiv zu glauben, dass sich solche Methoden und Arbeitsbedingungen nicht bereits auch in deutschen Konzernen ausbreiten. Seit über einem Jahr klagen verschiedene Vertreter der deutschen Wirtschaft und diverse Politiker über den zu hohen Krankenstand und fordern Einschränkungen bei der Lohnfortzahlung.
Die Forderungen nach längeren Arbeitszeiten, Rente erst ab 70 Jahren, Abschaffung des Bürgergelds werden immer lauter und stehen bereits auf der Tagesordnung der Bundesregierung. Um den gigantischen Kriegshaushalt zu finanzieren und die deutsche Wirtschaft im Handelskrieg profitabel zu halten, soll die Arbeiterklasse noch stärker ausgepresst werden.
Die Gewerkschaften unterstützen das ausdrücklich.
Gegen diese nationale Phalanx aus Regierung, Konzernen und Gewerkschaften ist eine internationale Antwort der Arbeiterklasse notwendig. Kämpfe dürfen nicht auf nationaler Ebene steckenbleiben. In der globalen Autoindustrie sind Lieferketten und Produktion länderübergreifend verflochten – ein „deutsches“ oder „amerikanisches“ Auto gibt es nicht. Nur durch die unabhängige Selbstorganisation in Aktionskomitees, verbunden mit einer sozialistischen Perspektive, kann Musks Ausbeutung wirksam bekämpft werden.
Wir rufen die Tesla-Arbeiter in Grünheide auf: Beteiligt euch am Aufbau eines unabhängigen Aktionskomitees, um sich weltweit mit den Kolleginnen und Kollegen zu vereinen. Nehmt Kontakt mit uns auf. Schreibt eine Whatsapp an die +49 163 3378340 und registriert euch über das unten stehende Formular.