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Am Montag ereignete sich in einer Kokerei von U.S. Steel in Clairton im US-Bundesstaat Pennsylvania eine gewaltige Explosion. Mindestens ein Arbeiter kam dabei ums Leben und 10 weitere wurden verletzt. Ein Arbeiter wird noch immer vermisst. Anwohner wurden angewiesen, in ihren Häusern zu bleiben.
Die Familie des Opfers identifizierte den getöteten Arbeiter als den 39-jährigen Timothy Quinn, einen Vater von drei Kindern, der in Fitz Henry, einer Stadt südöstlich von Clairton, lebte.

Die Kokerei Clairton, die sich im Besitz von U.S. Steel, einer heutigen Tochtergesellschaft von Nippon Steel, befindet, beschäftigt fast 1.400 Mitarbeiter. Sie produziert Koks, eine kohlenstoffreiche Form von Kohle, die bei der Stahlherstellung verwendet wird. Die 392 Hektar große Anlage befindet sich in der Nähe von Pittsburgh am Monongahela River und ist der größte Koksproduzent Nordamerikas.
Die Explosion ereignete sich am Montag kurz vor 11 Uhr. Auf dem Video ist eine Explosion im Inneren der Anlage zu sehen, gefolgt von einer dicken schwarzen Rauchwolke.
Ein Stahlarbeiter beschrieb die Explosion gegenüber lokalen Reportern als so laut, dass er zunächst dachte, zwei Züge seien frontal aufeinandergeprallt. Angestellte eines nahe gelegenen Feinkostladens sagten, die Explosion im Werk habe die Türen ihres Ladens aufgesprengt.
Die Explosion ereignete sich in den Koksbatterien 13 und 14 der Anlage. Koksbatterien sind Öfen, in denen Kohle ohne Sauerstoff erhitzt wird, um Verunreinigungen auszutreiben. Die genaue Ursache für die Explosion der Koksbatterie ist zwar noch nicht bekannt, doch deutet alles darauf hin, dass die Rohre aufgrund eines Gasdruckstaus ausbrachen.
Ein Arbeiter kommentierte auf Reddit: „Die 13-15-Batterie war verdammt alt und hatte eine schlechte Wartungsbilanz - und das schon vor zehn Jahren, als ich dort arbeitete.“
Rettungskräfte haben eine groß angelegte Such- und Bergungsaktion in der Kokerei Clairton eingeleitet, nachdem die Explosion ein Feuer ausgelöst und umfangreiche strukturelle Schäden verursacht hat. Mehr als 20 Rettungsdienste und 14 Feuerwehren sowie die werkseigenen Feuerwehr- und Ärzteteams waren im Einsatz.
Die 10 verletzten Arbeiter wurden schnell in örtliche Krankenhäuser gebracht, wo die Opfer wegen Traumata und Verbrennungen behandelt werden. Die Rettungsbemühungen konzentrierten sich dann darauf, die unter den Trümmern eingeschlossenen Arbeiter in und um die beschädigten Koksöfen zu finden und zu befreien.
Die Operation konzentriert sich inzwischen auf die Suche nach dem letzten noch vermissten Arbeiter. Die Teams arbeiten mit äußerster Vorsicht, da Teile der Koksbatteriestruktur nach wie vor instabil sind und an der Baustelle weiterhin Gefahren durch Versorgungsleitungen bestehen.
Das Gesundheitsamt von Allegheny County überwacht die Luftqualität und bittet die Anwohner im Umkreis von einer Meile dringend, in den Häusern zu bleiben, Fenster und Türen zu schließen und Belüftungsanlagen auf Umluft zu stellen. Obwohl die Behörden bisher keine gefährlichen Toxinwerte melden, ist die Besorgnis der Bevölkerung groß, da es in Zusammenhang mit der Anlage immer wieder zu Verschmutzungen gekommen ist.
Trotz der anhaltenden Gefahr wurde der Betrieb der Anlage außerhalb der betroffenen Batterien fortgesetzt, auch wenn die Ursache der Explosion nach wie vor unbekannt ist und die Ermittlungen voraussichtlich Tage oder Wochen dauern werden.
Die Kokerei in Clairton hat eine lange Liste tödlicher Unfälle aufzuweisen. Am 3. September 2009 ereignete sich eine Explosion, bei der der 32-jährige Nicholas Revetta getötet und ein in der Nähe befindlicher Bauunternehmer verletzt wurden. Weniger als ein Jahr später, am 14. Juli 2010, verletzte eine weitere Explosion 20 Arbeiter, vier davon lebensgefährlich. In beiden Fällen wurde die Ursache auf Gaslecks in den Leitungen der Koksbatterien zurückgeführt.
Pennsylvania, das historische Zentrum der US-Stahlindustrie, ist nach Angaben der Occupational Safety and Health Administration (OSHA) landesweit führend bei Arbeitsunfällen in Stahlwerken. Seit 2015 gab es 266 Vorkommnisse mit schweren Verletzungen, von denen 98 zu Amputationen führten. Im Durchschnitt wird in diesem Bundesstaat alle zwei Wochen ein Stahlarbeiter schwer verletzt.
Geschichte des Klassenkampfes in Clairton
Die Kokerei Clairton ist seit mehr als einem Jahrhundert von zentraler Bedeutung für die US-Stahlindustrie und die Kämpfe der Arbeiterklasse. Die 1916 von U.S. Steel errichtete, damals größte und modernste Nebenproduktkoksanlage des Landes veränderte die Stahlerzeugung durch die Zentralisierung der Kokserzeugung, einer wichtigen Komponente im Prozess der Stahlherstellung.
Die Weltwirtschaftskrise bildete den Hintergrund für die großen Klassenkämpfe in Clairton in den 1930er Jahren. Trotz der Bemühungen der Roosevelt-Regierung, den Ausbruch des Klassenkonflikts durch Reformen einzudämmen, brach in den Industriezentren des Mittleren Westens eine Bewegung unorganisierter Arbeiter im Rahmen der Congress of Industrial Organizations (CIO)-Bewegung aus.
Die Kokerei in Clairton wurde zu einem Brennpunkt dieser Kämpfe. Am 26. September 1933 schloss sich etwa die Hälfte der Stahlarbeiter des Werks streikenden Bergarbeitern an und legte die Produktion still.
Mehr als 3.000 Stahlarbeiter schlossen sich 4.000 Bergarbeitern an, um eine gewerkschaftliche Vertretung, bessere Löhne und sicherere Arbeitsbedingungen zu fordern. Die Arbeitsniederlegung wurde von den pro-kapitalistischen nationalen Gewerkschaftsfunktionären abgelehnt, da sie die politischen Auswirkungen des Streiks fürchteten. Dennoch blieben die Arbeiter in Clairton standhaft, selbst als sie mit dem Wachpersonal des Unternehmens und der Staatspolizei zusammenstießen.
Später, seit den 1960er Jahren, forderten Arbeiter und Anwohner in Clairton, Schutz vor dem Cocktail giftiger Gase - Benzol, Arsen, Blei, Quecksilber, Schwefeldioxid und mehr - die von der Anlage ausgestoßen wurden. Außerdem hatten die weitläufigen Batterien und die veraltete Ausrüstung der Anlage bis Mitte des Jahrhunderts eine Umgebung geschaffen, in der Unfälle, Brände und Lecks eine ständige Bedrohung darstellten.
Eine epidemiologische Studie der Universität Pittsburgh, die vom National Cancer Institute finanziert wurde, ergab, dass die Lungenkrebsrate bei Kokereiarbeitern in Allegheny County etwa 2,5-mal höher war als bei anderen Stahlarbeitern.
Das erhöhte Risiko war sogar noch dramatischer für Arbeiter, die auf den Öfen arbeiteten, wo die Exposition gegenüber Rohkoksdämpfen am größten war. Bei denjenigen, die 15 Jahre oder länger in dieser Funktion tätig waren, starb fast jeder Dritte an Lungenkrebs. Zu den weiteren Folgen gehörten schwere Ekzeme und Atemwegserkrankungen.
Diese Bemühungen trugen dazu bei, dass die US-Regierung 1970 die Occupational Safety and Health Administration (OSHA) gründete, die strenge Emissionsstandards für Koksöfen und andere Vorschriften einführte.
Ab den 1970er Jahren wurden all diese Errungenschaften - und viele weitere, die in jahrzehntelangem Klassenkampf errungen wurden - von der Gewerkschaft United Steelworkers (USW) systematisch verraten. Der Gewerkschaftsapparat hatte sich in ein Instrument der Unternehmen verwandelt, das gegen die Interessen und den Lebensstandard der Arbeiter arbeitet.
Die Trump-Regierung unternimmt derzeit einen massiven Angriff auf die letzten Reste von Auflagen für Unternehmen zum Schutz der Beschäftigten. Die föderale Regierung hat auch eine direkte Rolle im Management von U.S. Steel, nachdem das Unternehmen Anfang des Jahres an Nippon Steel verkauft wurde.
Ein Massaker an Arbeitern in amerikanischen Betrieben
Die Explosion in Clairton Coke Works ist Teil einer nicht enden wollenden Reihe von Vorkommnissen in Betrieben mit Todesfolgen und Schwerverletzten im ganzen Land.
Dazu gehört der Tod von Ronald Adams Sr., eines 63-jährigen Stellantis-Automobilarbeiters im Südosten Michigans, der am 7. April von einem Portalkran erdrückt wurde.
Im Juni kam der 39-jährige Stahlarbeiter Michael Dewaine Townsend in seinem Werk in Fairfield, Alabama, ums Leben, nachdem ein Triebwagen, in dem er saß, mit einem anderen Triebwagen zusammengestoßen war. Townsends Frau verstarb letztes Jahr an einer Krankheit, so dass seine vier Kinder nun ohne Eltern dastehen.
Mitte Juli wurde der 19-jährige Einwanderer aus Guatemala Brayan Neftali Otoniel Canu Joj in der Fabrik von Tina's Burritos in Vernon, Kalifornien, getötet, nachdem er beim Reinigen in einen Fleischwolf gesaugt worden war.
Am 28. Juli kame in 30-jähriger Arbeiter in Willoughby, Ohio ums Leben, als ein Lastwagen in die Maschine fuhr, an der er arbeitete. Am Tag zuvor war Kim Jung Won, ein 34-jähriger Vertragsarbeiter aus Südkorea in der Lithiumbatterien-Fabrik von LG Energy Solutions in Holland, Michigan getötet worden. Er wurde zwischen dem Rahmen und dem Hebemechanismus einer Maschine, an der er arbeitete, eingeklemmt und zu Tode gequetscht. Zu der Zeit, als Won an der Maschine arbeitete, sollte sie eigentlich abgeschaltet sein, damit er gefahrlos an ihr arbeiten konnte.
Am 30. Juli kamen Dylan D. Danielson und seine beiden Kinder ums Leben, nachdem es in einer Anlage von Horizon Biofuels in Fremont, Nebraska, zu einer gewaltigen Explosion gekommen war, die auf eine Staubansammlung und die Lagerung von Holzabfällen und Materialien auf Alkoholbasis vor Ort zurückzuführen war.
Alle diese Todesfälle wären vollständig vermeidbar gewesen, wenn grundlegende Sicherheitsmaßnahmen für Maschinen und Baustellenmanagement befolgt worden wären.
Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) hat eine Untersuchung zum Tod von Ronald Adams Sr. eingeleitet. Sie hat ergeben, dass die Unternehmensleitung die Sicherheitsverfahren zur Abschaltung der Maschinen umgangen hat, was unmittelbar zum Tod von Adams führte.
Am 27. Juli nahmen etwa 100 Arbeitnehmer und Jugendliche an einer öffentlichen Anhörung über den Tod von Adams durch den IWA-RFC in Detroit teil.
Auf der Versammlung wurde einstimmig eine Resolution verabschiedet, die ein „Ende der Vertuschung des anhaltenden industriellen Massakers“ fordert. In der Entschließung heißt es: „Wir sind uns bewusst, dass der Tod von Ronald Adams kein Einzelfall ist. Er ist Teil eines größeren Musters systematischer Nachlässigkeit und Vertuschung auf Seiten der Konzerne, was jedes Jahr in den Vereinigten Staaten und weltweit Hunderttausende von Arbeiterleben fordert.“
Mit der Resolution wurde außerdem beschlossen, die Ermittlungen von Adams auf die Todesfälle von Antonio Gaston im Toledo Jeep-Komplex, Casen Garcia bei Tyson Foods und Brayan Joj bei Tina's Burritos auszudehnen. Weiterhin fordert die Resolution ein Ende der Vertuschung von anhaltenden industriellen Massakern in Fabriken, Lagerhäusern, Baustellen und Verarbeitungsbetrieben. Sie verurteilt den parteiübergreifenden Angriff auf die Sicherheit am Arbeitsplatz und auf Sozialprogramme, allen voran durch die Trump-Regierung und unterstützt von den Demokraten. Und sie ruft zur Gründung von Aktionskomitees auf.
Die Resolution endet mit den Worten: „Daher rufen wir alle Arbeiterinnen und Arbeiter – in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt – dazu auf, sich der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees anzuschließen und den Kampf aufzunehmen und durchzusetzen, dass künftig das Opfern von Leben und Gesundheit der Arbeitenden auf dem Altar des Profits verboten sein wird. Es ist an der Zeit, dass wir uns organisieren, Widerstand leisten und das Recht auf Leben und Arbeit in Sicherheit und Würde zurückgewinnen.“
Die WSWS bittet alle Arbeiter, die Informationen über tödliche bzw. schwere Unfälle in Betrieben haben, uns über das Formular unten zu kontaktieren.