Die Bundesregierung hat angekündigt, in den kommenden Tagen zwei weitere Luftverteidigungssysteme des Typs Patriot an die Ukraine zu liefern. In einem zweiten Schritt will die Bundeswehr „innerhalb der nächsten zwei bis drei Monate weitere Systemanteile übergeben, um damit die Luftverteidigung der Ukraine mit zusätzlichen Patriot-Batterien zu stärken“.
Mit insgesamt fünf gelieferten Batterien ist Deutschland inzwischen der bei weitem größte Lieferant von Patriot-Systemen an die Ukraine. „Deutschland ist der mit Abstand stärkste Unterstützer der Ukraine im Bereich Luftverteidigung,“ prahlte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch. Nach offiziellen Angaben hat Berlin seit 2022 militärische Unterstützung im Wert von rund 28 Milliarden Euro bereitgestellt – darunter Waffenlieferungen, Munition, schweres Gerät, Ausbildungsprogramme sowie Finanzmittel aus verschiedenen Haushalten und direkten Industrieaufträgen.
Die offizielle Darstellung, die Lieferungen dienten allein der Abwehr russischer Raketen- und Drohnenangriffe, ist reine Kriegspropaganda. Der reaktionäre Einmarsch Russlands in die Ukraine ändert nichts an der Tatsache, dass die imperialistischen Mächte diesen Krieg seit Jahren systematisch provoziert haben. Seit der Auflösung der Sowjetunion 1991 hat die NATO ihre Grenzen entgegen allen Zusicherungen an Moskau immer weiter nach Osten verschoben und Russland militärisch eingekreist. 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs steht Deutschland wieder an der Spitze einer Konfrontation mit der Atommacht Russland.
Wie in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts verfolgt der deutsche Imperialismus auch heute räuberische wirtschaftliche und geopolitische Interessen: die Kontrolle der rohstoffreichen Ukraine, die Unterordnung ganz Osteuropas unter eine von Berlin dominierte EU und die Unterwerfung Russlands selbst. In einer Regierungserklärung bezeichnete Kanzler Friedrich Merz (CDU) die russische Führung als „verbrecherisches Regime“, das Europa bedrohe, und erklärte: „Die Mittel der Diplomatie sind ausgeschöpft.“ Das ist faktisch eine Kriegserklärung – wenn die Diplomatie am Ende ist, schlägt die Stunde der Waffen.
Pistorius forderte bereits im Herbst 2023, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden. Die Koalition hat mit dem 100-Milliarden-Euro-„Sondervermögen“ und weiteren, langfristig geplanten Militärausgaben von rund einer Billion Euro die größte Aufrüstung seit der Nazi-Zeit eingeleitet. Erklärtes Ziel ist es, die Bundeswehr „zur stärksten konventionellen Armee Europas“ zu machen.
Diese Pläne werden nun aggressiv umgesetzt. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters plant die Bundesregierung eine Beschaffungswelle im Wert mehrerer Dutzend Milliarden Euro:
- 20 Eurofighter-Kampfflugzeuge, Kosten 4–5 Milliarden Euro.
- Bis zu 3.000 Boxer-Panzerfahrzeuge von KNDS und Rheinmetall, Kosten ca. 10 Milliarden Euro.
- Bis zu 3.500 Patria-Schützenpanzer, Kosten rund 7 Milliarden Euro.
Bereits im Juli berichtete Bloomberg, dass die Bundeswehr in den nächsten zehn Jahren rund 1.000 zusätzliche Leopard-Kampfpanzer erhalten soll. Das wäre eine Vervielfachung der deutschen Panzertruppen, die derzeit aus etwa 320 „Leopard“-Panzern und 500 „Boxern“ bestehen.
Weitere bereits bestätigte Großaufträge betreffen:
- 1.400 militärische Logistikfahrzeuge von Rheinmetall für 770 Millionen Euro, einschließlich 963 Fahrzeuge mit Wechselaufbausystem und 425 ungeschützte Transportfahrzeuge.
- Einen Rahmenvertrag mit Rheinmetall über bis zu 6.500 Lkw im Wert von 3,5 Milliarden Euro.
- 35 atomwaffenfähige F-35-Kampfjets (ca. 10 Milliarden Euro), die US-Atombomben im Kriegsfall ins Ziel bringen sollen.
- 60 Chinook-Transporthubschrauber (7 Milliarden Euro).
- Das israelische Raketenabwehrsystem Arrow 3 (4 Milliarden Euro).
Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums erklärte, weitere Investitionen seien in den Bereichen weitreichende Präzisionswaffen, Munition, unbemannte Systeme, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz geplant. Rheinmetall hat allein im Bereich Digitalisierung seit Ende 2024 Bundeswehr-Aufträge im Wert von 12 Milliarden Euro erhalten. Thyssenkrupp Marine Systems verzeichnet wachsende Bestellungen für konventionelle U-Boote, Fregatten und unbemannte Minenabwehrsysteme.
Die mörderischen Parallelen zur Geschichte sind frappierend: dieselben Konzerne, die schon in den 1930er Jahren Hitlers Wehrmacht aufgerüstet haben, reiben sich erneut ihre blutigen Hände und scheffeln Milliarden. Der Umsatz von Thyssenkrupp Marine Systems stieg 2023/24 um 16,7 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro. Rheinmetall meldete mit 9,8 Milliarden Euro den höchsten Umsatz seiner Geschichte – ein Plus von 36 Prozent gegenüber dem Vorjahr – und erwartet allein in Europa bis 2030 ein Auftragspotenzial von mehr als 300 Milliarden Euro.
Besonders gefährlich ist die nukleare Komponente der Aufrüstung. Die F-35-Jets werden zum Taktischen Luftwaffengeschwader 33 in Büchel verlegt, das die Rolle der „nuklearen Teilhabe“ übernimmt. Das bedeutet: Im Falle eines Krieges mit Russland könnten die dort stationierten etwa 20 US-Atombomben – jede mit der mehrfachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe – von deutschen Piloten ins Ziel gebracht werden.
Die Bundesregierung mobilisiert im Moment zusätzliche Gelder, um den Fliegerhorst Büchel möglichst schnell für die F-35 einsatzbereit zu machen. Aktuell rechnet das Verteidigungsministerium mit Mehrkosten von über 640 Millionen Euro, wie aus einer vertraulichen Unterlage für den Haushaltsausschuss des Bundestages hervorgeht, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. Damit steigen die Gesamtkosten auf gut zwei Milliarden Euro.
Unter Bedingungen wachsender Spannungen mit den USA wird parallel dazu der Ruf nach eigenen deutschen Atomwaffen lauter. Anfang der Woche veröffentlichte das Handelsblatt unter dem Titel „Seltsam … müssen wir lernen, die Bombe zu lieben?“ Überlegungen zu einer eigenständigen oder europäisierten Nuklearstreitmacht. Der Nuklearexperte Fabian Hoffmann von der Universität Oslo wird darin mit den Worten zitiert: „Theoretisch könnte Deutschland den kompletten nuklearen Kreislauf schließen, industriell und technologisch.“
Das „Fazit“ des Handelsblatts: „An der Technik scheitert es nicht. Die Entscheidung für oder gegen eine europäische und in letzter Konsequenz auch deutsche Atomstreitmacht: sie ist eine politische.“
Derartige atomare Planspiele und die gesamte Aufrüstungsorgie müssen Arbeitern und Jugendlichen eine ernste Warnung sein. Die Herrschenden sind nicht nur gewillt, der Bevölkerung die Kosten für die Aufrüstung in Form von sozialen Angriffen aufzuzwingen. „Im Angesicht einer tödlichen Krise des gesamten kapitalistischen Systems sind sie zu jedem Verbrechen bereit, einschließlich des Einsatzes von Atomwaffen“, heißt es in einer aktuellen WSWS-Perspektive zum Genozid an den Palästinensern in Gaza. Und weiter:
Achtzig Jahre nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki droht der menschlichen Zivilisation die Vernichtung durch einen imperialistischen Krieg. Es ist notwendig, eine internationale Antikriegsbewegung in der Arbeiterklasse aufzubauen, die mit der Perspektive bewaffnet ist, der kapitalistischen Oligarchie die Macht zu entreißen und das kapitalistische System, das die Ursache imperialistischer Kriege ist, zu stürzen.