Perspektive

Finanzminister Bessent enthüllt:

Trump will Sozialversicherung privatisieren

Finanzminister Scott Bessent im East Room des Weißen Hauses, Mittwoch, 30. Juli 2025, in Washington [AP Photo/Mark Schiefelbein]

US-Finanzminister Scott Bessent erregte am 30. Juli Aufsehen mit der Bemerkung, dass eine Bestimmung in einem vom Kongress verabschiedeten und von Präsident Trump letzten Monat unterzeichneten Gesetz „die Privatisierung der Sozialversicherung durch die Hintertür“ ermögliche. Das würde die monatlichen Leistungen gefährden, auf die fast 70 Millionen Amerikaner, vor allem ältere Menschen, angewiesen sind.

Bessent sprach über das am 4. Juli von Trump unterzeichnete umfassende Steuer- und Haushaltsgesetz, das Trumps Steuersenkungen für Reiche und Großunternehmen aus dem Jahr 2017 dauerhaft macht. Das Gesetz beschenkt die Superreichen mit schätzungsweise 3 Billionen Dollar, während gleichzeitig die Ausgaben für Medicaid, Lebensmittelmarken und andere für Millionen von Arbeitnehmern lebenswichtige Programme um mehr als eine Billion gekürzt werden.

Ein Abschnitt des 1.000-seitigen Gesetzesentwurfs sieht die Einrichtung von schlicht als „Trump-Konten“ bezeichneten Konten mit einem Guthaben von jeweils 1.000 Dollar für jedes Kind vor, das zwischen 2025 und 2028, also während der gesamten zweiten Amtszeit Trumps, in den Vereinigten Staaten geboren wird. (Der ursprüngliche Titel lautete angeblich „Geldkonto für Wachstum und Fortschritt“ oder MAGA-Konten, wurde jedoch durch eine Formulierung ersetzt, die dem Möchtegern-Diktator mehr schmeichelt.

Familien könnten bis zum 18. Lebensjahr jährlich bis zu 5.000 Dollar steuerfrei auf diese Konten einzahlen, oder Arbeitgeber könnten die Beiträge als Leistung für ausgewählte Mitarbeiter leisten. Da es für Arbeiter schier unmöglich ist, ihre laufenden Ausgaben zu bezahlen – ganz zu schweigen davon, sich noch weiter zu verschulden –, würden die Konten von Kindern aus der Arbeiterklasse wahrscheinlich bei 1.000 Dollar bleiben, die über Makler oder andere private Finanzinstitute in indexgebundene Fonds investiert würden.

Kinder aus wohlhabenden Familien, die in der Lage sind, zusätzlich 5.000 Dollar pro Jahr einzuzahlen, könnten so ein beträchtliches steuerfreies Vermögen ansammeln. Nach Berechnungen des Urban Institute und des Washington Monthly würden Kinder von Wohlhabenden - unter der optimistischen Annahme einer jährlichen Rendite von 8 Prozent und ausbleibender Finanzkrisen - im Alter von 18 Jahren über Konten mit durchschnittlich 191.000 Dollar verfügen, verglichen mit 4.000 Dollar auf den Konten der Kinder, deren Familien sich diese Investitionen nicht leisten konnten. Noch größer wäre die Diskrepanz im Alter von 65 Jahren: 6,86 Millionen Dollar für die einen, 93.000 Dollar für die anderen.

Diese Zahlen, die Bessent, Russell Vought und andere Haushaltssanierer der Trump-Regierung sehr gut verstehen, widerlegen Bessents Behauptung, dass die Trump-Konten die Sozialversicherungsleistungen übertrumpfen und somit eine „Privatisierung durch die Hintertür“ politisch rechtfertigen würden.

Bessent erklärte: „Die Sozialversicherung ist ein Plan mit festgelegten Leistungen“ und die Einführung marktorientierter Konten „ist auch etwas wirklich Neues.“ Mit anderen Worten: Die Trump-Regierung will mit der Sozialversicherung tun, was unzählige Arbeitgeber mit den Renten ihrer Arbeitnehmer getan haben: Sie in 401k-Konten umwandeln, die keine festen Leistungen bieten, sondern die Rentner den Risiken hochvolatiler Finanzspekulationen aussetzen.

Der Anlass seiner Äußerungen macht ihre wahre politische Bedeutung deutlich: eine Konferenz in Washington, gesponsert von Breitbart News, früher unter der Leitung von Steve Bannon und eine der wichtigsten Online-Publikationen der faschistischen Rechten. Bessent warnte sein faschistisches Publikum vor der Gefahr, die von der Linkswendung junger Menschen ausgeht, wie sie sich in der Wahl des demokratischen New Yorker Bürgermeisterkandidaten Zohran Mamdani, ein Mitglied der Democratic Socialists of America, gezeigt habe.

Bessent, der sich eindeutig mehr um die Bedrohung durch Mamdanis Wähler, insbesondere die Jugend, sorgt als um die milden Reformen, die der Demokrat selbst vorgeschlagen hatte, warnte, die Wahl in New York zeige, dass „die Menschen das marktwirtschaftliche System nicht mehr wollen“. Dagegen seien die Trump-Konten gerichtet: „Damit macht man alle zu Anteilseignern“, behauptete er. „Man macht alle zu Stakeholdern. Menschen, die Teil des Systems sind, wollen das System nicht zerstören.“

Am Donnerstag bekräftigte Bessent gegenüber CNBC dieses Argument: „Ich habe von den 1.000-Dollar-Baby-Bonds gesprochen, die jeder neugeborene amerikanische Bürger erhalten soll. Die Demokraten hassen dieses Programm, weil es den Kapitalismus und die Märkte zu jedem Amerikaner bringt.“

Trotz des Verweises auf die andere Partei der Wall Street, die Demokraten, deuten Bessents Äußerungen auf die wahre Angst der herrschenden Klasse hin: die wachsende Opposition gegen den Kapitalismus und die Bedrohung durch den Sozialismus.

Es gab die obligatorischen „Klarstellungen“ des Finanzministeriums, von Bessent selbst und von Trumps prominentester bezahlter Lügnerin Karoline Leavitt, der Pressesprecherin des Weißen Hauses. Alle versprachen, unerschütterlich an der Sozialversicherung festzuhalten. Doch Bessents Äußerungen folgen auf eine Reihe immer expliziterer Angriffe auf das Programm, das den größten Sozialausgabenposten der Bundesregierung darstellt.

Trumps erster designierter Haushaltssanierer Elon Musk, Milliardär und reichster Mann der Welt, bezeichnete die Sozialversicherung während seiner Zeit als Chef des Ministeriums für Regierungseffizienz als Ponzi-Scheme (eine Art Schneeballsystem). Der milliardenschwere Handelsminister Howard Lutnick erklärte, dass nur Betrüger sich beschweren würden, wenn sie einen Sozialversicherungsscheck nicht erhielten.

Die Sozialversicherungsbehörde selbst wurde verkleinert, und dabei so viele Stellen gestrichen, dass Leistungsbezieher die Behörde telefonisch praktisch nicht mehr erreichen können. Zuletzt schlug das Weiße Haus vor, die Bezieher zu verpflichten, die Behörde aufzusuchen, um Adressänderungen bekanntzugeben oder Steuerformulare abzuholen. Nach Protesten gegen diese unzumutbare Belastung für ältere und behinderte Menschen nahm die Regierung davon wieder Abstand.

Die Absicht dahinter ist klar: Leistungen, die in den letzten 90 Jahren ein unverzichtbarer Bestandteil des nur noch dürftigen sozialen Sicherheitsnetzes in Amerika geworden sind, sollen eingeschränkt und diskreditiert werden.

Die Sozialversicherung wurde einst als „dritte Schiene“ der amerikanischen Politik bezeichnet: Wer sie antastet, riskiert sein politisches Überleben. Aber im Laufe der letzten drei Jahrzehnte wurde sie sowohl von demokratischen als auch von republikanischen Regierungen stetig ausgehöhlt.

Es war der demokratische Sprecher des Repräsentantenhauses, Tip O'Neill, der 1983 in Zusammenarbeit mit dem republikanischen Präsidenten Ronald Reagan die ersten Kürzungen der Sozialversicherung beschloss und das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre anhob. Jetzt verurteilten die Demokraten im Kongress demagogisch Bessents Äußerungen, doch der erste US-Präsident, der Trumps „Baby-Konten” vorschlug, war der Demokrat Bill Clinton, der sie als „universelle Sparkonten” oder USA-Konten bezeichnete.

George W. Bush unternahm 2005 den ersten Versuch einer vollständigen Privatisierung, was jedoch eine Welle der Ablehnung in der Bevölkerung auslöste und zusammen mit der massiven Opposition gegen den Irakkrieg zur Niederlage der Republikaner bei den Wahlen 2006 beitrug. Die globale Finanzkrise von 2008 machte es mehr als ein Jahrzehnt lang politisch unmöglich, die Geschicke der Sozialversicherung der Wall Street anzuvertrauen. Doch nun, angesichts des finanziellen Zusammenbruchs des amerikanischen Kapitalismus, einer Staatsverschuldung von über 37 Billionen Dollar in diesem Jahr und enormen Ausgaben für die andauernden Kriege mit Russland und dem Nahen Osten sowie einem drohenden Krieg mit China, kann die herrschende Klasse der USA nicht länger warten.

Niemand sollte glauben, dass der Flügel der Finanzoligarchie in der Demokratischen Partei grundlegende Differenzen mit Trump hinsichtlich des Abbaus der Sozialversicherung hat. Der Streit geht nur darum, wie man das durchsetzt und wem am Ende die Schuld dafür gegeben wird. Derzeit prognostiziert das Congressional Budget Office eine Finanzkrise um 2033: Die Überschüsse der Sozialversicherung wären dann aufgebraucht und die Zahlungen würden pauschal um 23 Prozent gekürzt.

Der demokratische Senatsführer Chuck Schumer erklärte: „Natürlich hat sich Minister Bessent später auf Twitter beeilt, die Wogen zu glätten, aber die Wahrheit kam ans Licht, die eigentliche Wahrheit. Taten sagen mehr als Worte, und die Maßnahmen, die Donald Trump und seine Bande gegen die Sozialversicherung ergreifen, sprechen Bände.“ Auch Schumers Taten sagen mehr als seine Worte: Er führte die Gruppe demokratischer Senatoren an, die sich im April den Republikanern anschlossen, um die weitere Finanzierung der Trump-Regierung für das laufende Haushaltsjahr durchzusetzen.

Die Biden-Regierung verfolgte im Kern die Politik, die die Demokratische Partei weiterhin verfolgt: Den Krieg mit Russland in der Ukraine fortzusetzen und zu eskalieren. Wenn Trump ihnen entgegenkommt, was die Ukraine angeht, werden sie seinen Angriff auf die Sozialversicherung mittragen.

Alle Teile der herrschenden Klasse akzeptieren, dass der Kapitalismus sich nicht einmal die minimalen Leistungen des gegenwärtigen Sozialversicherungssystems leisten kann, geschweige denn eine würdige und komfortable Rente für Arbeiter, die keinen Mehrwert mehr produzieren und keinen Profit mehr erwirtschaften. Vielmehr versuchen sie, die Leistungen zu kürzen und sogar die Lebenserwartung zu senken, indem sie öffentliche Gesundheitsprogramme und Forschung abbauen. Das allein zeigt, dass das kapitalistische System in eine Sackgasse geraten ist.

Die Weltarbeiterklasse produziert heute mehr Reichtum als die Menschheit jemals zuvor, aber dieser Reichtum wird von einer winzigen Klasse von Milliardären und Multimillionären monopolisiert, die unvorstellbare Vermögen angehäuft hat, während sie sich bis an die Zähne gegen ihre kapitalistischen Rivalen und gegen die Arbeiterklasse im eigenen Land bewaffnet.

Die sozialistische Perspektive besteht darin, diese Ressourcen und das Eigentum an den gigantischen Konzernen, auf denen dieser Reichtum basiert, der Kapitalistenklasse zu entreißen und in den Dienst der arbeitenden Bevölkerung zu stellen. Dies ist die einzig mögliche Grundlage, um einen komfortablen Ruhestand zu garantieren, der weit über die unzureichenden Zahlungen der Sozialversicherung hinausgeht, sowie alle Rechte der Arbeiterklasse.

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