Bundeshaushalt 2026: Auf die Aufrüstung folgt der Sozialabbau

Die Bundesregierung hat am Mittwoch den Haushaltsentwurf für das Jahr 2026 und die Finanzplanung bis 2029 verabschiedet. Die Zahlen – und die damit verbundene Kampagne in Politik und Medien – machen deutlich, dass die größten sozialen Angriffe seit zwanzig Jahren, seit der berüchtigten „Agenda 2010“ der Regierung Schröder, bevorstehen. Die kommende Periode wird von heftigen Klassenkämpfen geprägt sein.

Lars Klingbeil, der heutige Finanzminister, 1923 im Bundestag [Photo by DBT / Tobias Koch]

Finanzminister Klingbeil plant gigantische Summen ein, um die Bundeswehr „kriegstüchtig“ zu machen, Deutschland zur größten Militärmacht Europas aufzubauen und den Krieg gegen Russland fortzusetzen. Diese Gelder sollen auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung, von Rentnern und Bedürftigen, von Bildung und Gesundheit wieder reingeholt werden. Die Bereicherung der Reichen auf Kosten der Mehrheit, die bereits groteske Ausmaße erreicht hat, soll dabei ungebremst weiter gehen.

Klingbeil, der auch Vorsitzender der SPD ist, hat bereits begonnen, das Kabinett auf einen massiven Sparkurs einzuschwören. „Mit Blick auf die kommenden Jahre werden wir einen strikten Konsolidierungskurs einschlagen“, sagte er. Alle Ministerien seien in der Pflicht. „Jede und jeder in der Regierung wird sparen müssen. Das ist eine immense Herausforderung.“

Der Finanzplan sieht bis 2029 die Aufnahme neuer Schulden in Höhe von 851 Mrd. Euro vor. Das sind in fünf Jahren fast so viele Schulden, wie die Bundesrepublik in den ersten 60 Jahren ihrer Existenz gemacht hat. Von 1949 bis 2009 war der Schuldenberg auf eine Billion Euro gewachsen. Trotzdem klafft in Klingbeils Finanzplan eine ungedeckte Finanzierungslücke von 172 Mrd. Euro. Vor sechs Wochen, bei der Vorstellung des Bundeshaushalts für das laufende Jahr, hatte Klingbeil noch mit 28 Mrd. weniger gerechnet.

Grund für das rasch wachsende Finanzierungsloch sind der bereits beschlossene „Wachstumsbooster“, der Unternehmen steuerlich entlastet und Länder und Kommunen für die entstehenden Steuerausfälle kompensiert, sowie steigende Zinsausgaben. Diese werden aufgrund der hohen Neuverschuldung von derzeit 35 Mrd. auf 60 bis 70 Mrd. in vier Jahren steigen – falls die Zinssätze nicht erhöht werden. Bei einem Zinsanstieg könnten es auch 100 Mrd. sein. Die Folgen des Zollkriegs mit den USA, der tiefen Krise der Auto-, Stahl- und Chemieindustrie sowie der anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation sind dabei noch gar nicht eingerechnet.

Auch die Finanzkrise der Kommunen, die für einen erheblichen Teil der Sozialausgaben, der öffentlichen Dienstleistungen und der Investitionen zuständig sind, wird im Bundeshaushalt nicht berücksichtigt. Das Defizit der Kommunen belief sich im vergangenen Jahr laut einem aktuellen Report der Bertelsmann Stiftung auf 24,8 Mrd. Euro. Bis 2022 hatten sie zehn Jahre lang Überschüsse erzielt. 2023 wechselte die Bilanz dann ins Minus. 2024 verdreifachte sich das Defizit.

Inzwischen schwillt der Chor der Stimmen an, die nach massiven Einschnitten bei den Sozialausgaben rufen. Der Bundeszuschuss zu den Renten ist mit 127,8 Mrd. Euro der größte Posten im Bundeshaushalt für das kommende Jahr, der sich auf insgesamt 520,5 Mrd. Euro beläuft. Er soll nach derzeitiger Planung bis 2029 auf 154,1 Mrd. steigen. Die Ausgaben für das Bürgergeld belaufen sich im Haushalt 2026 auf 41 Mrd. Euro, sie wurden gegenüber dem Vorjahr bereits um 1,5 Mrd. gekürzt.

Das ist eine direkte Folge der Kriegspolitik. Im Haushalt 2026 belaufen sich die Militärausgaben auf 82,7 Mrd. Euro, 20 Mrd. mehr als im laufenden Jahr. Hinzu kommen weitere Gelder aus dem vor drei Jahren beschlossenen Sondervermögen Bundeswehr, so dass sich die Militärausgaben insgesamt auf 128 Mrd. summieren. Bis 2029 sollen sie auf 153 Mrd. Euro steigen, was dem Nato-Ziel von 3,5 Prozent des BIP entspricht, und vollständig aus dem regulären Haushalt bestritten werden.

Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), eine langjährige Lobbyistin der Energiewirtschaft, hat als erstes Regierungsmitglied eine Kampagne für eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters eröffnet, das 2031 bei 67 Jahre liegen wird. „Wir müssen mehr und länger arbeiten“, forderte sie in der F.A.Z.. Das sei „unumgänglich“. Es könne auf Dauer nicht gut gehen, „dass wir nur zwei Drittel unseres Erwachsenenlebens arbeiten und ein Drittel in Rente verbringen“.

Während Reiche in der Öffentlichkeit auf breite Ablehnung stieß, griffen die Medien ihre Forderung begierig auf. Ein Leitartikel des Spiegels warf allen „Realitätsverweigerung“ vor, die sich darüber aufregen. Die CDU-Politikerin habe „lediglich ausgesprochen, was Fachleute seit Jahren predigen – und was jedem klar sein sollte, der die Grundrechenarten beherrscht: Mit Deutschlands Rentensystem kann es kein Weiter-so geben, sofern man nicht sehenden Auges dessen Kollaps riskieren will.“

Die Kampagne erinnert an die frühen 2000er Jahre, als Arbeitslosigkeit, steigende Sozialabgaben und wachsende Staatsverschuldung die Schlagzeilen prägten und Deutschland als „kranker Mann Europas“ galt. Die Regierung von Gerhard Schröder (SPD) und Joschka Fischer (Grüne) reagierte damals mit der „Agenda 2010“ auf den Druck der Wirtschaftslobby, die die größte soziale Kehrtwende in der Geschichte der Bundesrepublik einleitete.

Als Folge hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich extrem vertieft. Über ein Fünftel der Bevölkerung ist von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen, während an der Spitze der Gesellschaft eine wachsende Zahl von Milliardären und Multimillionären in unbeschreiblichem Luxus schwelgt.

Nun bereiten Merz und Klingbeil eine weitere „Agenda“ vor, die jene von Schröder und Fischer in den Schatten stellen wird. Sie haben sich im Koalitionsvertrag nicht auf Einzelheiten festgelegt, weil sie Zeit benötigten, um ihr gigantisches Aufrüstungsprogramm in Gang zu setzen. Doch nun können sie einer Konfrontation nicht mehr ausweichen. Klingbeil wird sich die fehlenden 172 und mehr Milliarden dort holen, wo es am meisten schmerzt.

Profitstreben, Aufrüstung und Krieg vertragen sich nicht mit sozialem Ausgleich und Demokratie. Arbeitende und Jugendliche müssen sich auf die unvermeidliche Konfrontation vorbereiten, indem sie den Kampf für ein internationales, sozialistisches Programm aufnehmen, das Widerstand gegen Krieg, Unterdrückung und Sozialabbau mit dem Sturz ihrer Ursache, des Kapitalismus, verbindet.

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