Automobilzulieferer Segula meldet Insolvenz an: Die Spitze eines Eisbergs

Am 9. Juli hat die Segula Technologies GmbH mit Sitz in Rüsselsheim einen Antrag beim Amtsgericht Darmstadt auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Damit sind weitere 500 Stellen von Ingenieuren, Technikern und Entwicklern in Gefahr.

Segula ist erst vor acht Jahren, bei der Übernahme von Opel durch den französischen PSA-Konzern, in Rüsselsheim eingestiegen. Der französische Ingenieurdienstleister übernahm sowohl das Opel-Entwicklungszentrum in Rüsselsheim als auch das traditionsreiche Testgelände in Rodgau-Dudenhofen.

Als zwei Jahre später aus dem Zusammenschluss von PSA mit Fiat-Chrysler der drittgrößte Weltkonzern Stellantis entstand, versprach Segula mit Unterstützung der IG Metall, 2000 Arbeitsplätze dauerhaft zu sichern, was jedoch nie verwirklicht wurde: Maximal waren knapp 900 Angestellte bei Segula beschäftigt, und rasch wurde wieder abgebaut.

Gebäude von Segula in Rüsselsheim wird als Immobilie im Internet angeboten [Photo: WSWS]

Mittlerweile hat Segula von zuletzt noch 500 Beschäftigten schon 200 in den Consulting-Bereich versetzt, wie Betroffene der WSWS berichtet haben. Die verbleibenden 300 Ingenieure und Techniker sollen entlassen werden. Das sechsstöckige Gebäude in Rüsselsheim steht offenbar bereits leer und wird von Immobilienhändler Colliers im Internet zur Vermietung angeboten. Die Werkstätten sind auch halb leer.

Eigentlicher Eigentümer der Gebäude und des Testgeländes in Dudenhofen sind noch immer die Opelwerke, die seit der Übernahme durch PSA zu Stellantis gehören. Und Stellantis ist auch der Hauptkunde von Segula. Aber der Stellantis-Konzern ist dabei, seine Testaktivitäten aus Deutschland in den Betrieb im italienischen Balocco zu verlagern, der zu Fiat und damit ebenfalls zu Stellantis gehört.

Am Rüsselsheimer ITEZ, dem Internationalen Technischen Entwicklungszentrum, hat der Opel-Konzern in modernen Prüf-, Test- und Entwicklungsanlagen lange Zeit rund 7000 hochqualifizierte Ingenieure, Techniker, Entwickler und PKW-Piloten beschäftigt.

Besonders das Opel-Testgelände Rodgau-Dudenhofen im Süden Frankfurts, das seit den 1960er Jahren betrieben wird, stellt neben Untertürkheim (Mercedes) und Weissach (Porsche) ein „Herzstück“ der Automobilentwicklung dar. Es umfasst neben modernen Prüfanlagen auch mehr als 60 km Renn- und Teststrecken und eine fast 5 km lange Hochgeschwindigkeits-Rundbahn, die auch mit Beleuchtung für Nachttests ausgerüstet ist.

Die Segula-Insolvenz ist nur die Spitze des Eisbergs. Allein bei Opel sind in den letzten acht Jahren über 9000 Arbeitsstellen abgebaut worden: Von über 19.000 Beschäftigten (2017) sind heute noch knapp 10.000 übrig. (Vor einem halben Jahrhundert waren es allein in Westdeutschland mehr als 40.000).

Am Stammsitz Rüsselsheim sind heute einschließlich Produktion, Entwicklung und Verwaltung keine 8000 mehr beschäftigt. Stillgelegt wurden in den letzten Jahren die Schmiede (rund 200 Beschäftigte, 2021 eingestellt), der Werkzeugbau (über 200 Beschäftigte, 2021 eingestellt), die CAD-Technik (100 Beschäftigte, 2024 eingestellt) und das Getriebewerk (200 Mitarbeitende, 2021 eingestellt).

In der Produktion ist der jahrelange Zweischichtbetrieb im Dezember 2024 auf nur noch eine Schicht heruntergefahren worden, und etwa 40 Prozent der Beschäftigten sind Leiharbeiter, die jederzeit entlassen werden können.

Im Motorenwerk Kaiserslautern sind noch rund 1000 Arbeiterinnen und Arbeiter tätig, und im Werk Eisenach in Thüringen bauen noch etwa 1100 Arbeitende den SUV Grandland; vor zehn Jahren waren in Eisenach noch 1850 Arbeitende beschäftigt.

Seit Jahr und Tag greift der Stellantis-Konzern in seinen Werken die Arbeitsplätze und Sozialleistungen an. Bei der Gründung des Konzerns im Jahr 2021 versprach der damalige CEO Carlos Tavares, einer der höchstbezahlten Manager der Welt, der Umbau werde „ohne Werksschließungen und ohne betriebsbedingte Kündigungen“ ablaufen. Unterstützt wurde er dabei von den jeweiligen Gewerkschaftschefs, in Deutschland von Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug.

Doch seither sind von 281.000 Arbeitsplätzen schon fast 100.000 abgebaut worden. Der Weltkonzern gibt aktuell für das Jahr 2025 seine Beschäftigtenzahl mit 189.512 an, während die sogenannte „Wertschöpfung“, der Umsatz pro Mitarbeiter, sich trotz eines aktuellen Nettoverlusts insgesamt erhöht hat: Von 0,53 Millionen Euro im Jahr 2021 hat sich der Umsatz pro Mitarbeiter auf voraussichtlich 0,74 Millionen Euro (2025) gesteigert.

Auch bezogen auf die ganze deutsche Auto- und Zulieferindustrie ist die Segula-Insolvenz die Spitze eines Eisbergs. Autodienstleister wie Bosch und ZF haben massenhaften Stellenbau angekündigt, und Konzerne wie VW und Mercedes bauen Stellen ab. Daimler Truck– nur eins der krasseren Beispiele – will in Wörth und Gaggenau 5000 Arbeitsplätze abbauen, wovon auch hunderte von Jobs auf der französischen Seite betroffen sind. Allein seit Beginn des Jahres 2025 verzeichnet der Arbeitgeberverband Gesamtmetall einen Rückgang in der Metall- und Elektroindustrie um 60.000 Stellen.

Und wie in der gesamten Auto- und Metallbranche üblich, sind die sogenannten „Arbeitnehmervertreter“ von der IG Metall beim Stellenabbau unverzichtbar. Sie haben praktisch überall die Entlassungspläne mit ausgearbeitet und unterzeichnet, noch ehe die Belegschaft darüber informiert wurde, und sehen ihre wichtigste Aufgabe darin, bei der Umsetzung jede Gegenwehr zu unterbinden. Darauf wirft auch die Segula-Insolvenz ein Licht.

Bei Segula ist die Gewerkschaft hochgradig für die heutige Misere mitverantwortlich. Bei der Übernahme durch den PSA-Konzern vor acht Jahren haben Betriebsrat und IG Metall einem dreistufigen Verfahren zugestimmt, um im Entwicklerzentrum 2000 Stellen abzubauen und Segula zu installieren. Die Beschäftigten wurden unter Druck gesetzt, entweder die Abfindungen zu nehmen oder zu Seguala zu wechseln.

Heute dient die „Insolvenz in Eigenverantwortung“ Segula nicht, wie offiziell behauptet wird, für einen „geordneten und sicheren Restrukturierungsprozess“. Die Firma hat gar nicht die Absicht, die beiden Standorte Rüsselsheim und Rodgau-Dudenhofen weiter zu betreiben. Die Insolvenz dient ihr dazu, die gesetzlichen und tariflichen Verpflichtungen zu umgehen und die sechsmonatige Kündigungsfrist sowie Abfindungen für langjährige Mitarbeiter zu vermeiden.

Auch wird damit die Politik beendet, Perioden geringer Auftragslage mit Kurzarbeit zu überbrücken. Damit platzen alle Beschwichtigungen und Versprechen der Betriebsräte und IGM-Funktionäre, jeder Stellenabbau werde „sozialverträglich“ erfolgen, wie Seifenblasen.

Schon die bisherige Politik mit dem „sozialverträglichen“ Stellenabbau bedeutet, dass immer zuerst die Leiharbeiter gefeuert werden, die keinen Kündigungsschutz haben, und darauf die älteren Beschäftigten über Abfindungen und Vorruhestandsregelungen aus dem Betrieb gedrängt werden. Das führt bei ihnen zwangsläufig zu Altersarmut infolge niedrigerer Renten. Gleichzeitig werden so immer mehr sozialversicherungspflichtige, halbwegs vernünftig bezahlte Arbeitsplätze für die jungen Generationen vernichtet.

Wie das Beispiel Segula zeigt, haben sich auch diese Modelle heute erschöpft. Und immer mehr Beschäftigte verstehen, dass es um Alles oder Nichts geht, und dass sie nur eine Chance haben, wenn sie sich als Teil der Arbeiterklasse verstehen und den Kampf unabhängig von der IG Metall aufnehmen. Sie sind nicht nur mit Aktionären und Managern, sondern auch mit einer Gewerkschaftsbürokratie konfrontiert, die für ihre Dienste bei der Unterdrückung des Klassenkampfs fürstlich bezahlt wird.

In der Politik sind sie mit einer Regierung Merz konfrontiert, die den Kurs auf Aufrüstung und Krieg eingeschlagen hat und die in Israel den grauenhaften Völkermord unterstützt. Die SPD ist ein prominenter Teil dieser Regierung, und die IG Metall, eng mit der SPD verbandelt, unterstützt diesen Kriegskurs uneingeschränkt.

Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees ruft Autoarbeiter deshalb auf, den Kampf um Löhne und Arbeitsplätze weltweit gemeinsam zu führen und mit dem Kampf gegen Krieg zu verbinden. In der globalisierten Produktion sind ihre Verbündeten nicht die Gewerkschaftsführer und das nationale Management, sondern die Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt!

Die betroffenen Segula-Beschäftigten sind in Wahrheit schon heute Teil eines globalen Pools von Kolleginnen und Kollegen. Segula selbst ist die deutsche Tochter des französischen Technologie-Konzerns mit Sitz in Nanterre, der weltweit in mehr als 30 Ländern insgesamt 140 Niederlassungen mit 15.000 Mitarbeitenden (in Deutschland rund 1000 an acht Standorten) betreibt. Zum Stellantis-Konzern gehören weltweit fast 200.000 Beschäftigte, mit den Leiharbeitern und Zulieferern mehr als 400.000. Zu Stellantis gehören die Werke von Chrysler, Fiat, Peugeot, Citroën, DS, Opel, Vauxhall, Alfa Romeo, Dodge, Jeep, Lancia, Maserati und Abarth.

Während die Aktionäre, Topmanager und Gewerkschaftsbürokraten dafür sorgen, dass die Kosten der Zölle und von Umstrukturierung wie E-Mobilität und KI auf die Beschäftigten abgewälzt werden, werden diese selbst ständig weiter unter Druck gesetzt. In den Werken werden rabiate Methoden durchgesetzt, was zu gefährlichen Situationen am Arbeitsplatz führt.

Das zeigt beispielshaft der Tod des Stellantis-Arbeiters Ronald Adams Sr. Der 63-jährige Maschinenmechaniker kam am 7. April im Dundee-Motorenwerk ums Leben, als sich plötzlich ein Überkopfkran selbständig machte und ihn gegen ein Förderband drückte. Das war bei Stellantis (USA) innerhalb von sieben Monaten schon der zweite tödliche Arbeitsunfall Das Aktionskomitee der US-amerikanischen Stellantis-Arbeitenden hat deshalb eine unabhängige Untersuchung über Adams Tod eingeleitet.

Die Aktionskomitees gehen von dem klaren Prinzip aus, dass das Recht der Beschäftigten auf Arbeit und Gesundheit und einen angemessenen Lebensstandard höher stehen muss als die Profite der Manager und Aktionäre. Wir rufen alle Beschäftigten von Segula, Stellantis und der ganzen Auto- und Zulieferindustrie auf: Unterstützt den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees!

Füllt das unten stehende Formular aus und beteiligt euch am Aufbau von Aktionskomitees, damit die Arbeiter und Angestellten selbst die Kontrolle über Sicherheit und Produktion übernehmen können! Eure Daten werden vertraulich behandelt und sind geschützt.

Loading