Die wirtschaftlichen Konflikte zwischen Washington und der Europäischen Union (EU) eskalieren, seitdem US-Präsident Trump letzte Woche angedroht hat, ab dem 1. August für Exporte aus der EU in die USA Zölle von 30 Prozent zu erheben. Im Gegenzug bereiten EU-Unterhändler Zölle auf US-Exporte in Höhe von 72 bis 92 Milliarden Euro vor. Damit droht ein katastrophaler Handelskrieg zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Gleichzeitig gehen die Verhandlungen zwischen den USA und der EU weiter, um diese hohen Zölle vor dem 1. August noch abzuwenden.
Vertreter der EU haben erklärt, dass infolge der 30-prozentigen Zölle die EU-Waren auf den US-Märkten nicht mehr konkurrenzfähig wären. Die Folge wäre ein Ende des Handels zwischen den USA und der EU, der bisher mit einem Volumen von 1,7 Billionen Dollar für Waren und Dienstleistungen pro Jahr die größte Handelsbeziehung der Welt darstellt. Dazu erklärte der EU-Handelsbeauftragte Maros Sefcovic: „Es wird fast unmöglich sein, den Handel in der Weise fortzusetzen, wie wir es in der transatlantischen Beziehung gewohnt sind.“ Mit Blick auf Trumps Drohung mit Zöllen in Höhe von 30 Prozent fügte er hinzu: „Das ist praktisch ein Handelsverbot.“
Bundeskanzler Friedrich Merz schloss sich Sefcovics Warnungen an und warnte, dass solche Zölle „die deutsche Exportwirtschaft ins Mark treffen“ würden. Im Sommerinterview der ARD sagte Merz, wenn die Zölle in Höhe von 30 Prozent kämen, „dann könnten wir große Teile unserer Anstrengungen um die Wirtschaftspolitik hintanstellen, denn das würde alles überlagern“. Laut Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnte Deutschland bis 2028 Exporte in die USA im Wert von 200 Milliarden Euro verlieren.
Die kapitalistische Weltwirtschaft steht am Rande des Zusammenbruchs, und Produkte im Wert von Billionen Dollar sowie Millionen von Arbeitsplätzen stehen auf dem Spiel. Der europäischen Auto-, Pharma-, Nahrungsmittel-, Luxusgüter- und Maschinenbau-Branche sowie der US-amerikanischen Auto-, Luft- und Raumfahrt-, Maschinenbau-, Medizin- und Lebensmittel-Branche drohen enorme Verluste. Die angedrohten Zollerhöhungen der US-Regierung sind die größten seit den verheerenden Zöllen im Zuge des Smoot-Hawley-Zollgesetzes, das 1930 den Absturz des Kapitalismus in die Große Depression beschleunigte.
Selbst wenn in letzter Minute eine Einigung erzielt wird, sind die Beziehungen zwischen den USA und der EU allein schon durch die Zollandrohungen langfristig beschädigt. Vertreter der Regierungen und der Konzerne sind auf beiden Seiten des Atlantiks dabei, Pläne für den Fall zu erstellen, dass es nicht zu einer Einigung kommt. Dann würde der Handel zwischen den USA und der EU zum Erliegen kommen. Die wirtschaftlichen Grundlagen, die seit dem Zweiten Weltkrieg die friedlichen Beziehungen zwischen den USA und den europäischen Großmächten garantierten, sind gründlich erschüttert.
Arbeiter dürfen in dem Konflikt, der sich anbahnt, keine der rivalisierenden imperialistischen Fraktionen unterstützen, denn keine von ihnen verfolgt eine progressive Politik. Die arbeitende Bevölkerung ist mit einer Krise konfrontiert, deren Wurzeln in den unlösbaren Widersprüchen des Kapitalismus liegt, insbesondere zwischen der internationalen Produktion und dem Nationalstaatensystem. Zwischen den imperialistischen Mächten ist ein erbitterter Kampf um die Vorherrschaft in den Schlüsselindustrien und -märkten ausgebrochen. Eine progressive Lösung ist nur möglich, wenn die amerikanischen und die europäischen Arbeiter sich zusammenschließen und den internationalen Klassenkampf gemeinsam verstärken.
Was die USA betrifft, so hat ihre Wettbewerbsfähigkeit seit Jahrzehnten immer mehr abgenommen. Gleichzeitig haben die EU-Staaten unter Führung von Deutschland massive Handelsbilanzüberschüsse gegenüber den USA aufgebaut. Letztes Jahr hat die EU Waren im Wert von 192,8 Milliarden Euro mehr in die USA exportiert als die USA in die EU. Auch wenn die US-Banken und -Technologiekonzerne durch Handel mit Dienstleistungen einen Überschuss von 75 Milliarden Dollar gegenüber der EU erzielt haben, ist die EU den USA immer noch wirtschaftlich und finanziell deutlich überlegen.
Als Trump letzte Woche Briefe verschickte, in denen er mit neuen Zollerhöhungen drohte, publizierte er auf Truth Social eine Schimpftirade gegen seine europäischen „Verbündeten“, die die explosive Wut in der US-Finanzoligarchie über diesen Zustand erkennen ließ: „Die Vereinigten Staaten von Amerika wurden im HANDEL (und MILITÄRISCH!) JAHRZEHNTELANG von Freund und Feind gleichermaßen abgezockt“, schrieb Trump. „Das hat BILLIONEN VON DOLLAR gekostet, und es ist einfach nicht mehr tragbar – und war es auch nie!“
Damit ließ Trump die Gespräche über ein Handelsabkommen platzen, von denen die EU–Unterhändler gehofft hatten, dass sie die US-Zölle gegenüber der EU bei zehn Prozent deckeln würden.
Seither haben die EU-Unterhändler jedoch mit einer Erhöhung der Zölle auf US-Produkte gedroht, die schon bisher 21 Milliarden Euro betragen, und die Anwendung des so genannten Instruments zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen (ACI) in Betracht gezogen. Mit Hilfe dieses Programms könnte die EU einseitig die Zahlungen für Dienstleistungen an amerikanische Technologie- und Finanzunternehmen kürzen, die sich derzeit auf über 420 Milliarden Euro pro Jahr belaufen, und US-Banken von der Tätigkeit auf den Billionen schweren EU-Märkten für öffentliche Aufträge ausschließen.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat auf X die „entschlossene Verteidigung der europäischen Interessen“ gefordert. „Dies bedeutet vor allem, die Vorbereitung glaubwürdiger Gegenmaßnahmen zu beschleunigen, indem alle zur Verfügung stehenden Instrumente mobilisiert werden, einschließlich derjenigen zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen, falls bis zum 1. August keine Einigung erzielt wird.“
Ähnlich äußerte sich der dänische Außenminister Lars Lokke Rasmussen: „Wir sollten uns darauf vorbereiten, alle Werkzeuge einsetzen zu können. (...) Wer Frieden will, muss sich auf Krieg vorbereiten. Und ich glaube, an diesem Punkt sind wir jetzt.“
Deutschland und Italien, die mehr Waren in die USA exportieren und daher direkter von den US-Zöllen betroffen sind, halten sich bisher mit Drohungen eher zurück. Vertreter der EU erklärten gegenüber der Financial Times, sie hofften darauf, dass eine Panik an der Wall Street wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen von Trumps Zöllen gegen die EU ihn zu einem Rückzieher zwingen würde. Doch seitdem Macron zur Anwendung des ACI aufgerufen hatte, signalisierte auch Merz die Bereitschaft Deutschlands zum Handelskrieg: „[D]ie amerikanische Regierung soll nicht unsere Bereitschaft unterschätzen, auf übermäßig hohe Zollbelastungen mit ähnlichen Maßnahmen auch zu reagieren“, sagte der Kanzler.
Washington und die EU könnten den wirtschaftlichen Schaden noch über die bereits angekündigten Handelskriegsmaßnahmen hinaus eskalieren. Vertreter der EU befürchten, die US-Regierung könnte als Reaktion auf die Anwendung der ACI durch die EU ihrerseits den Zugang zu Cloud Computing und anderen wichtigen digitalen Dienstleistungen in Europa sperren.
Während China die Verwendung des US-Dollars reduziert und seine Bestände an US-Staatsanleihen abbaut, hat sich Europa seinerseits zu einer wichtigen Finanzierungsquelle für die massiven Handels- und Haushaltsdefizite der USA entwickelt. Im Mai hat Großbritannien China als zweitgrößten Halter von US-Staatsanleihen gleich nach Japan abgelöst; in britischer Hand sind jetzt US-Staatsanleihen in Höhe von 809,4 Milliarden Dollar. Alle EU-Staaten zusammen halten sogar noch mehr Staatsanleihen, darunter Belgien mit 415,5 Milliarden Dollar, Luxemburg mit 412,6 Milliarden Dollar, Frankreich mit 375,1 Milliarden Dollar und Irland mit 327,3 Milliarden Dollar an US-Staatsanleihen.
Damit könnten EU-Staaten potenziell die verschuldete US-Wirtschaft unter Druck setzen, indem sie ihre Kreditvergabe an die USA verlangsamen. Das würde die US-Zinssätze in die Höhe treiben und die Gefahr beinhalten, die US-Staatsanleihenmärkte zu blockieren. Schon jetzt hat das US-Finanzministerium Probleme, Käufer für seine Anleihen zu finden.
Die Arbeiter dürfen keine Fraktion der herrschenden Klasse unterstützen: weder diejenigen, die eine versöhnliche Haltung zu Amerikas Möchtegern-Führer einnehmen, noch diejenigen, die einen offenen Handelskrieg gegen ihn anstreben. Beide unterstützen die enorme Erhöhung der EU-Militärausgaben, ob nun im Namen des Erhalts des Nato-Bündnisses mit Amerika oder in der Vorbereitung auf ein unabhängiges EU-Militärbündnis, das potenziell gegen die Interessen der USA vorgehen kann. Europäische Regierungen finanzieren ihre massive Wiederaufrüstung, die den Weg zu neuen Kriegen bahnt und mit sozialen Angriffen auf die Arbeiterklasse in dreistelliger Milliardenhöhe einhergeht.
Ein internationaler Handelskrieg schließt die jeweiligen Klassen eines Landes nicht in nationaler Einheit zusammen, sondern führt zu scharfer Polarisierung entlang internationaler Klassengrenzen. Zwar verfolgen die herrschenden Klassen ihre rivalisierenden imperialistischen Interessen, aber Arbeiterinnen und Arbeiter sind in allen Ländern mit den im Wesentlichen gleichen Problemen konfrontiert, nämlich sozialen Sparmaßnahmen, dem Verlust von Arbeitsplätzen in den Exportindustrien und Lieferketten infolge ausländischer Zölle und den steigenden Lebenshaltungskosten, weil auch im Inland die importierten Waren von Zöllen betroffen sind.
Diese immer schärferen wirtschaftlichen Spannungen werden bald um Anwachsen des Klassenkampfs führen. Die entscheidende Aufgabe besteht in der internationalen Vereinigung der Arbeiterkämpfe in den USA und Europa. Besonders wichtig ist es, jeden Versuch der imperialistischen Regierungen und Gewerkschaftsbürokratien zu bekämpfen, Arbeiterinnen und Arbeiter nach nationalen Grenzen zu spalten. Nur ein gemeinsamer Kampf der Arbeiterklasse kann die Abwärtsspirale des kapitalistischen Systems aufhalten. Ein solcher Kampf muss den Imperialisten die Kontrolle über die Ressourcen der Weltwirtschaft entreißen und diese den sozialen Bedürfnissen der Bevölkerung statt privatem Profitstreben unterordnen.