Was steckt hinter dem Konflikt zwischen Trump und Jerome Powell, dem Chef der Fed?

Der anhaltende Druck von US-Präsident Donald Trump auf Jerome Powell, den Vorsitzenden der Federal Reserve (US-Notenbank, Fed), wegen dessen Weigerung, die Zinsen zu senken, ist mehr als nur ein weiterer Versuch des Präsidenten, sämtliche Hebel der Staatsmacht in seinen Händen zu konzentrieren.

Zweifellos spielt dieser autoritäre Impuls eine Rolle, doch im Kern geht es um tiefgreifende ökonomische Entwicklungen. Sie sind untrennbar mit der Explosion der US-Staatsverschuldung verbunden, die derzeit bei 36 Billionen Dollar liegt und weiter rasant steigt, sowie mit der wachsenden Zinslast, die einen immer größeren Anteil der Staatsausgaben verschlingt.

Präsident Donald Trump und der Fed-Vorsitzende Jerome Powell [AP Photo/John Raoux, Susan Walsh]

Das Thema Staatsverschuldung und deren Finanzierung steht zugleich im Zentrum des Widerstands einflussreicher Kreise des Finanz-Establishments gegen Trumps Attacke auf Powell. Sie sind dagegen, dass Trump einen gefügigeren Fed-Chef installiert, der seine Anweisungen ausführt, denn sie fürchten, was passieren könnte, wenn die Fed ihre Unabhängigkeit verlieren würde: Es könnte dazu führen, dass die USA ihren internationalen Geldzufluss verlieren.

Trumps Forderung nach niedrigeren Zinsen – möglicherweise abgesenkt auf ein Prozent vom derzeitigen Niveau von 4,5 Prozent – würde den hochverschuldeten Sektoren der Finanzoligarchie, die ihre Spekulationsgeschäften an den Finanzmärkten mit Schulden finanzieren, unmittelbar zugutekommen.

Dieses Kalkül ist ein Faktor, aber keineswegs der einzige. Die Verabschiedung seines berüchtigten Haushalts, seines sogenannten „Big Beautiful Bill“, der umfassende Steuersenkungen für Konzerne und Ultrareiche festschreibt, wird durch ein Anwachsen der Staatsverschuldung finanziert. Dieses könnte laut unabhängiger Analysen bis zu 3,3 Billionen Dollar betragen.

Die jährlichen Zinszahlungen auf die Staatsverschuldung belaufen sich bereits jetzt auf rund eine Billion Dollar – mit steigender Tendenz, solange die Zinsen auf diesem relativ hohen Niveau verharren. Trump beklagt, dass Powells Weigerung, die Zinsen zu senken, den Staat dazu zwinge, zu viel für seine Schulden auszugeben.

Der Anstieg der US-Staatsschulden hält bereits seit anderthalb Jahrzehnten an, insbesondere seit der globalen Finanzkrise von 2008. Doch lange Zeit war die Zinslast kein Problem, da die Federal Reserve die Zinsen auf einem historisch niedrigen Niveau hielt. Dies änderte sich mit den Zinserhöhungen ab 2022 als Reaktion auf den inflationären Effekt der Corona-Pandemie.

Zwar hat die Fed zwischen September und Dezember des vergangenen Jahres den Leitzins um einen ganzen Prozentpunkt gesenkt, doch Trump und seine Unterstützer halten dies für völlig unzureichend. Kurzfristig würde eine signifikante Zinssenkung den Wert ihrer Aktienportfolios zweifellos steigern und die Position von Spekulanten im Finanz- und Immobiliensektor stärken.

Doch auch strukturelle, längerfristige Faktoren spielen eine Rolle, allen voran das schleppende Wirtschaftswachstum der USA. Dieses liegt mit rund 2 Prozent (oder laut einiger Prognosen sogar darunter) zwar immer noch höher als in vielen anderen Ländern, deutet bei einem Zinssatz von etwa 4,5 Prozent jedoch darauf hin, dass es Probleme bei der Schuldenfinanzierung geben wird.

Trump hat Powell zwar selbst im Jahr 2017 ernannt, attackiert ihn jedoch seit Jahren: Während seiner ersten Amtszeit, in seiner Zeit außerhalb des Weißen Hauses und mit besonderer Vehemenz im ersten Halbjahr seiner zweiten Amtszeit.

Er hat ihn unter anderem als „Numbskull“ („taube Nuss“), „Moron“ („Schwachkopf“) und „Stupid“ („Dummkopf“) bezeichnet und gedroht, ihn vor Ablauf seiner Amtszeit im Mai 2026 zu entlassen. Jedes Mal wich er kurz vor Umsetzung des Vorhabens zurück, nur um die Entlassungsdrohung wieder aufzunehmen – wie ein Hund, der immer wieder zu seinem Knochen zurückkehrt.

Sein jüngster Ausbruch in dieser Woche zeigt, dass er ernsthaft an der Idee festhält, Powell zu entlassen. Er äußerte sogar Überlegungen, einen entsprechenden rechtlichen Mechanismus in Gang zu setzen, um dies durchzuführen.

Bei einem Treffen im Weißen Haus mit republikanischen Abgeordneten, von denen er sich Unterstützung für ein Krypto-Gesetz erhoffte, warf Trump die Frage auf, ob er Powell entlassen sollte. Sie sagten, sie seien mit der Idee einverstanden.

Eine von ihnen, die Kongressabgeordnete Anna Paulina Luna aus Florida, verließ das Treffen, um am Dienstagabend auf X (ehemals Twitter) zu posten, sie habe „gehört“, dass Powell entlassen würde und dies „unmittelbar bevorstehe“. Diese Information beruhe auf einer „sehr glaubwürdigen Quelle“.

Nachdem diese Äußerung einige Turbulenzen an den Finanzmärkten verursacht hatte, sah Trump sich gezwungen, aus dem Oval Office zu erklären: „Wir haben nicht vor, etwas zu unternehmen.“ Er räumte jedoch ein, dass er das „Konzept seiner Entlassung“ diskutiert habe.

„Ich schließe nichts aus, aber ich halte es für höchst unwahrscheinlich. Es sei denn, er muss wegen Betrugs gehen“, sagte Trump zu Reportern.

Er deutete an, Powell aus wichtigem Grund entlassen zu können (die einzige juristisch gangbare Option), da es massive Kostenüberschreitungen bei der Renovierung des Fed-Gebäudes gegeben habe. Sie wird mittlerweile auf mindestens 2,5 Milliarden Dollar geschätzt.

Auf die Frage, ob die Überschreitung der Renovierungskosten ein entlassungsrelevantes Vergehen darstelle, antwortete Trump: „Ich denke, irgendwie schon.“

Während Powells Entlassung unter Trumps Gefolgsleuten in der Republikanischen Partei Unterstützung findet, und einige von ihnen dabei explizit auf die Kostenüberschreitungen beim Fed–Umbau verweisen, stößt Trumps Kampagne auf den entschiedenen Widerstand führender Vertreter des Finanzkapitals.

Diese befürchten, dass Powells Absetzung das Vertrauen in den US-Dollar und die Stabilität der Finanzmärkte erschüttern und somit die Finanzdominanz der USA untergraben könnte. Ihre Besorgnis geht jedoch über die Person Powell hinaus, denn Trump hat unmissverständlich klargemacht, dass sein Nachfolger Zinssenkungen mittragen müsse. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Was bleibt von der Unabhängigkeit der Fed?

Die Reaktion der Finanzelite wurde von JP-Morgan-Chef Jamie Dimon in einer Telefonkonferenz mit Analysten am Dienstag formuliert. Dimon erklärte: „Die Unabhängigkeit der Fed ist absolut entscheidend – nicht nur für den derzeitigen Vorsitzenden (…) sondern auch für den nächsten.“

Er sagte: „Mit der Fed herumzuspielen, kann oft nachteilige Konsequenzen haben, nämlich das absolute Gegenteil von dem, was man sich erhofft.“

Dimon selbst äußerte sich nicht im Detail, doch andere Finanzchefs, die sich im Anschluss zu Wort meldeten, wurden deutlicher. Ihre Bedenken konzentrierten sich auf den globalen Status der USA und ihres Finanzsystems.

Ein Grund, warum sich die USA scheinbar grenzenlos verschulden können, liegt darin, dass Kapital aus aller Welt in den amerikanischen Finanzmarkt fließt.

Wenn jedoch das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Fed erschüttert wird, und die Geldpolitik ähnlich erratischen Entscheidungen unterworfen wird wie etwa die US-Handelspolitik unter Trump, könnte dieser Zufluss erheblich abnehmen – und es könnte zu den von Dimon erwähnten „nachteiligen Konsequenzen“ kommen.

In einem Interview mit dem Wirtschaftssender CNBC sagte David Solomon, der Chef von Goldman Sachs: „Ich denke, die Unabhängigkeit der Zentralbanken, nicht nur hier in den Vereinigten Staaten, sondern auf der ganzen Welt, hat uns unglaublich gut gedient.“

Dies sei etwas, „um dessen Erhalt wir kämpfen sollten“.

Jane Fraser, die Vorstandsvorsitzende von Citigroup, erklärte in einem Statement: „Die Unabhängigkeit der Federal Reserve begründet ihre Glaubwürdigkeit. Sie ist entscheidend für die Effektivität unserer Kapitalmärkte und die Wettbewerbsfähigkeit der USA.“

In einem Interview mit CNBC betonte Brian Moynihan, der Chef der Bank of America, dass die Größe der US-Wirtschaft, ihre immense Verschuldung und ihre Rolle im globalen Handel die Stabilität der Fed für die ganze Welt – nicht nur für die USA – zum entscheidenden Faktor machten.

Allein die vier hier im Artikel erwähnten Banken verfügen über Vermögenswerte von insgesamt 12 Billionen Dollar.

Die Reaktionen von Analysten bei Hedgefonds und anderen Finanzunternehmen fielen ähnlich aus.

Die Einschätzung von Thomas Thornton, dem Gründer des Hedgefonds Telemetry, gegenüber Bloomberg war typisch für viele. Würde die Unabhängigkeit der Fed „gebrochen“, dann injiziere dies ein Risiko in den Anleihemarkt. Thornton wies außerdem auf umfassendere Bedenken hin: „Mit dem Potenzial, dass ein Fed-Vorsitzender abgesetzt wird, kombiniert mit dem Risiko hoher Defizite und außer Kontrolle geratener US-Schuldenstände, steigt das Risiko, dass die langfristigen Zinsen [am Anleihemarkt] in die Höhe schießen.“

Das Wall Street Journal fasste die Lage wie folgt zusammen: „An der Wall Street wird fast universell angenommen, dass eine Einmischung in die Unabhängigkeit der Fed weitreichende Folgen für die globalen Kapitalströme haben könnte, weil sie US-Staatsanleihen und den Dollar schwächen könnte, die die Finanzmärkte weltweit stützen.“

Sowohl Trumps Animosität gegenüber Powell als auch die Reaktionen darauf deuten darauf hin, dass sich trotz der anhaltend hohen Rekordstände an den Aktienmärkten enorme Spannungen im Finanzsystem aufbauen.

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