Perspektive

Die Rückkehr des Epstein-Skandals und die Kriminalität der herrschenden Klasse in den USA

Ein Protestplakat an einer Bushaltestelle in der Nähe der US-Botschaft in London zeigt US-Präsident Donald Trump mit Jeffrey Epstein, 17. Juli 2025 [AP Photo/Thomas Krych]

Der Skandal um den milliardenschweren Sexualstraftäter Jeffrey Epstein und seine Verbindungen zu zahlreichen Persönlichkeiten der amerikanischen herrschenden Klasse, darunter auch Donald Trump, hat sich zu einer großen politischen Krise ausgeweitet.

Fast sechs Jahre nach Epsteins dubiosem „Selbstmord“ in einer Gefängniszelle in Manhattan wird das Weiße Haus mit Forderungen nach Freigabe von Ermittlungsakten konfrontiert, die Hunderte von hochrangigen Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, Republikanern und Demokraten, Bankern und Firmenchefs belasten könnten. Obwohl mehr als tausend Opfer identifiziert wurden, hat sich die US-Regierung geweigert, auch nur einen einzigen der wohlhabenden und gut vernetzten Männer zu benennen, die Epsteins Dienste als Vermittler von minderjährigen Mädchen für deren sexuelle Ausbeutung in Anspruch genommen haben.

Justizministerin Pam Bondi löste letzte Woche eine politische Explosion aus, als sie einen zweiseitigen Bericht veröffentlichte, in dem sie erklärte, dass in Epsteins Akten keine „Klientenliste“ gefunden worden sei, dass es keinen Verdacht auf ein Verbrechen bei seinem Tod gebe und dass keine weiteren Informationen über Epsteins Verbrechen veröffentlicht würden. Diese Erklärung gab sie nur drei Monate nach ihrem Auftritt auf Fox News ab, kurz nach ihrer Bestätigung durch den Senat, wo sie damit prahlte, dass die Liste von Epsteins Kunden „auf meinem Schreibtisch“ liege und bald veröffentlicht werde.

Faschistische Unterstützer von Trump – darunter der ehemalige Berater im Weißen Haus Steve Bannon, die Abgeordnete Lauren Boebert und die Social-Media-Kommentatoren Tucker Carlson, Alex Jones und Laura Loomer – griffen Bondi an. Sie zitierten Trumps Behauptungen während des letztjährigen Wahlkampfs, die Demokraten würden den Fall Epstein vertuschen, weil so viele prominente demokratische Politiker darin verwickelt seien – insbesondere der ehemalige Präsident Bill Clinton, der Berichten zufolge 27 Mal in Epsteins Privatflugzeug, dem so genannten „Lolita Express“, mitgeflogen sei. Epstein war ein finanzieller Unterstützer von Clintons Wahlkampagnen und besuchte das Weiße Haus mindestens vier Mal während dessen Präsidentschaft.

Trump verteidigte Bondi jedoch und erklärte, die Epstein-Akten seien von den Demokraten, einschließlich der Präsidenten Obama und Biden, erstellt worden, um ihn anzugreifen. Bekanntlich stand Trump fünfzehn Jahre lang mit Epstein in enger Verbindung, seinem Nachbarn in Palm Beach, der ebenfalls Milliardär war und ein häufiger Gast in Mar-a-Lago. Auf Truth Social schrieb Trump am Mittwochmorgen, seine ehemaligen Unterstützer seien auf ein Komplott der Demokratischen Partei hereingefallen: „Ihr neuer Betrug ist das, was wir für immer den Jeffrey-Epstein-Schwindel nennen werden, und meine FRÜHEREN Unterstützer haben ihnen diesen Bullshit mit Haut und Haaren abgekauft...“

Trumps bizarre Kehrtwende hat einige seiner treuesten Anhänger überrascht. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, forderte nur Stunden vor Trumps Beitrag auf Truth Social die vollständige Offenlegung der Epstein-Akten und versuchte dann, den Konflikt herunterzuspielen. Am nächsten Tag beantragte er, die Prüfung eines von den Demokraten eingebrachten Gesetzes zu blockieren, mit dem das Justizministerium zur Freigabe der Akten verpflichtet werden sollte.

Die politische Krise erreichte am Donnerstagabend einen neuen Höhepunkt, als das Wall Street Journal einen langen Artikel auf seiner Titelseite veröffentlichte, in dem Trumps Beziehung zu Epstein detailliert beschrieben wurde. Dazu gehörte auch ein Brief, den Trump an Epstein zu dessen 50. Geburtstag am 20. Januar 2003 geschickt hatte:

Der Brief, der Trumps Namen trägt und vom Journal eingesehen wurde, ist unzüchtig wie andere in dem Album. Er enthält mehrere Zeilen maschinengeschriebenen Text, der von dem Umriss einer nackten Frau eingerahmt wird, die mit einem dicken Marker gezeichnet zu sein scheint. Ein Paar kleiner Bögen zeigt die Brüste der Frau, und die Signatur des zukünftigen Präsidenten ist ein verschnörkeltes „Donald“ unterhalb ihrer Taille, das die Schambehaarung imitiert.

Das Schreiben schließt mit den Worten: „Alles Gute zum Geburtstag – und möge jeder Tag ein weiteres wunderbares Geheimnis sein.“

Trump behauptete am Dienstag in einem Interview mit dem Journal, der Brief sei eine Fälschung, und erklärte, er würde die Zeitung verklagen, wenn der Artikel veröffentlicht würde. Dennoch erschien dieser am frühen Donnerstagabend auf der Website des Journal mit einem großen Foto, auf dem Epstein und Trump zusammenstehen und wie beste Freunde aussehen.

In dem Artikel wurden auch Teile eines im Jahr 2002 von der Zeitschrift New York veröffentlichten Profils über die Beziehung zwischen Trump und Epstein wiedergegeben, in dem Trump angibt, mit Epsteins sexuellen Praktiken vertraut zu sein. „Ich kenne Jeff schon seit 15 Jahren. Ein toller Typ.“ Trump sagte dem Magazin: „Es macht viel Spaß, mit ihm zusammen zu sein. Es heißt sogar, dass er schöne Frauen genauso mag wie ich, und viele von ihnen sind jünger. Kein Zweifel, Jeffrey genießt sein Privatleben.“

Die Intervention des Journal zeigt, dass die sehr reale Kriminalität im Epstein-Skandal, in die erhebliche Teile des politischen und wirtschaftlichen Establishments verwickelt sind, sich mit Spaltungen innerhalb der herrschenden Klasse selbst überschneidet. Die Zeitung ist im Besitz des Medienmoguls Rupert Murdoch, der Trump seit langem als Speerspitze für die Durchsetzung einer reaktionären, unternehmerfreundlichen Politik unterstützt und dessen Angriffe auf demokratische Rechte und Sozialprogramme voll und ganz mitgetragen hat.

Das Journal hat sich jedoch sehr kritisch über Trumps Wirtschaftspolitik geäußert, insbesondere über den von ihm im April begonnenen Zollkrieg und seine Drohungen, den Vorsitzenden des Federal Reserve Board, Jerome Powell, abzusetzen. Letzte Woche setzte Trump eine Frist bis zum 1. August, um massive Zölle gegenüber Dutzenden von US-Handelspartnern zu erheben, die die Preise drastisch erhöhen und den Welthandel einschränken würden.

Die Grundzüge des Epstein-Skandals sind hinlänglich bekannt. Nach bescheidenen Anfängen in Brooklyn fand Epstein wohlhabende Gönner, zunächst den CEO von Bear Stearns, Andrew Greenberg, und dann den Gründer und Eigentümer von The Limited, Leslie Wexner. Beide schätzten in den frühen Jahren der Finanzialisierung der US-Wirtschaft Epsteins Kombination aus Geschicklichkeit, moralischer Verderbtheit und Rücksichtslosigkeit. Epstein wurde als ein Mann bekannt, der mit raffinierten Betrügereien Geld machen konnte, zunächst als Wertpapierhändler, dann als persönlicher Finanzmanager für Wexners Milliardenvermögen.

Epstein baute dabei sein eigenes Vermögen auf und kaufte schließlich die größte Villa in Manhattan – die ihm Wexner verkaufte – sowie ein Anwesen in Palm Beach, eine riesige Ranch in New Mexico und eine Privatinsel auf den Amerikanischen Jungferninseln. Er veranstaltete Partys, zu denen Milliardäre, Banker, CEOs, ehemalige Präsidenten, Senatoren und Gouverneure kamen. Seine Verbindungen erstreckten sich auf beide kapitalistischen Parteien, sowohl auf die Republikaner als auch auf die Demokraten.

Indem er sich Zugang zu diesen Schichten verschaffte, erfuhr er auch von ihren schmutzigen Neigungen, insbesondere von denen, die sich mit seinen eigenen deckten: dem sexuellen Missbrauch von minderjährigen Mädchen. Seine (buchstäbliche) Komplizin Ghislaine Maxwell, Tochter des britischen Medienmilliardärs Robert Maxwell, diente ihm als Anwerberin und lockte junge Mädchen, vor allem aus den ärmsten Schichten der Arbeiterklasse, mit Versprechungen von Geld, Kleidung, Schuhen und Parfüm.

Ein Opfer berichtete dem Miami Herald: „Jeffrey hatte es auf Mädchen abgesehen, denen es schlecht ging, Mädchen, die im Grunde obdachlos waren. Er hatte es auf Mädchen abgesehen, von denen er dachte, dass ihnen niemand zuhören würde, und er hatte recht.“ Die Zeitung, die die erste große Enthüllung über Epstein veröffentlicht hatte, fügte hinzu: „Die meisten der Mädchen kamen aus benachteiligten Familien, aus Alleinerziehenden-Haushalten oder aus Pflegefamilien. Einige hatten Probleme, die über ihr Alter hinweg täuschten: Sie hatten Eltern und Freunde, die Selbstmord begangen hatten; Mütter, die von ihren Ehemännern und Freunden missbraucht wurden; Väter, die sie belästigten und schlugen.“

Epsteins Sexhandel diente den sexuellen Bedürfnissen reicher und mächtiger Männer, die ihrerseits seine Geschäfte schützten und jede ernsthafte strafrechtliche Untersuchung verhinderten. Selbst im Jahr 2007, als Epstein sich der Anstiftung zur Prostitution einer Minderjährigen schuldig bekannte – ein schweres Verbrechen, für das jeder andere jahrelang eingesperrt worden wäre –, schloss der US-Staatsanwalt für Südflorida, Alexander Acosta, einen Hinterzimmer-Deal ab. Dieser erlaubte es ihm, seine Geschäfte von einem luxuriösen Gefängnistrakt aus zu verwalten, den Epstein selbst bezahlt hatte. In der Vereinbarung wurde zugesichert, dass keiner von Epsteins Kunden, die nicht namentlich genannt wurden, wegen der Inanspruchnahme seiner Dienste für den Sexhandel strafrechtlich verfolgt würde.

Zehn Jahre später ernannte Donald Trump Acosta in seiner ersten Amtszeit zum Arbeitsminister – ein Amt, von dem er zurücktreten musste, als Epstein im Juli 2019 erneut unter dem Vorwurf des Sexhandels verhaftet wurde. In FBI-Berichten wurden mehr als 1.000 junge Frauen und Mädchen als Opfer von Epstein identifiziert. Doch kein einziger amerikanischer Klient Epsteins wurde bisher namentlich genannt, geschweige denn strafrechtlich verfolgt. Nur ein einziger ausländischer Klient, der britische Prinz Andrew, wurde gezwungen, eine zivilrechtliche Vereinbarung mit Virginia Giuffre zu unterzeichnen, die Epstein im Alter von 17 Jahren an ihn vermittelte (während sie in Mar-a-Lago arbeitete). Giuffre, die weitere Männer als Missbrauchstäter benannte, die nie belangt wurden, hat im April dieses Jahres Selbstmord begangen.

Als Epstein im August 2019 tot in seiner Gefängniszelle in Manhattan aufgefunden wurde – angeblich hatte er sich erhängt, als die Gefängniswärter stundenlang nicht nach ihm gesehen hatten –, konnte nicht nur Donald Trump erleichtert aufatmen. Es gab Hunderte von einflussreichen Persönlichkeiten in der herrschenden Klasse der USA, die genauso dachten. Es bestand der allgemeine Wunsch, sowohl Epsteins schmutzige Geschäfte als auch die Umstände seines Todes zu vertuschen.

Dieses Gefühl fand seinen Niederschlag auf den Seiten der New York Times. Die führende US-Zeitung hatte zuvor im Rahmen der #MeToo-Kampagne eifrig unbestätigte und im Allgemeinen unbegründete Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs veröffentlicht, die zu einem Mittel der Hexenjagd auf Schauspieler, Musiker und andere Kulturschaffende wurden. Doch im Fall Epstein prangerte die Times nun „Verschwörungstheorien“ über seine Ermordung an und zeigte kein Interesse daran, seine Klientel in der herrschenden Klasse aufzuspüren.

Die World Socialist Web Site erklärt seit langem, dass der Fall Epstein die eklatante Korruption der US-Finanzoligarchie und ihrer politischen Diener aufdeckt. Wir schrieben nach Epsteins Tod:

Das Bilden einer Wagenburg im Fall Epstein folgt einer sozialen Logik. Die US-Finanzoligarchie fühlt sich unterbelichtet. Sie spürt die enorme Feindseligkeit, die in der Bevölkerung herrscht. Wenn Millionen den Verdacht haben, dass Epstein ermordet wurde, dann deshalb, weil sie instinktiv wissen, dass die herrschende US-Elite zu einem solchen Verbrechen durchaus fähig ist. Es sind nicht die besonderen Eigenschaften des Internets und der sozialen Medien, die für diesen Verdacht verantwortlich sind, sondern die völlig gerechtfertigten Gefühle von Millionen normaler arbeitender Menschen, die den kriminellen Charakter einer Klasse sehen, die alle Reichtümer und Hebel der Macht in Amerika kontrolliert....

Jeder großen Revolution in der Geschichte gingen ähnliche Skandale voraus, in denen sich der kriminelle und reaktionäre Charakter der alten herrschenden Klasse offenbart. Die herrschende Klasse entlarvt sich damit als das, was sie ist: ein Krebsgeschwür.

Sechs Jahre später hat dieses „Krebsgeschwür“ die zweite Trump-Regierung hervorgebracht, die versucht, eine Präsidialdiktatur zu errichten, während sie gegen alle sozialen Rechte der Arbeiterklasse Krieg führt. In der Zwischenzeit ist noch nicht einmal ein Prozent der Fakten über das üble kriminelle Unternehmen, das der Epstein-Skandal ist, herausgekommen. Die Arbeiter haben jedes Recht zu fordern, dass alle Akten im Fall Epstein veröffentlicht werden, wobei nur die Namen der Opfer, nicht aber die Namen der Täter und Komplizen, geschützt werden sollten.

Besondere Aufmerksamkeit sollte den Berichten gewidmet werden, wonach Epstein Verbindungen zu den Geheimdiensten der Vereinigten Staaten oder Israels (oder zu beiden) hatte und dass Informationen, die er aus seinem Sexhandel gewonnen hatte, zu Erpressungszwecken im Interesse dieser Geheimdienste verwendet wurden.

Am wichtigsten ist es, den Zusammenhang zwischen dem Wiederaufflammen des Epstein-Skandals und der tieferen Krise des amerikanischen und weltweiten Kapitalismus zu erkennen. Die Arbeiterklasse muss unabhängig gegen das Gangstertum der Trump-Regierung intervenieren und in die politische Offensive gegen das kapitalistische System, die Finanzoligarchie und all ihre politischen Vertreter gehen.

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