Britisch-deutscher „Freundschaftsvertrag“ legt Fokus auf Militarismus und Krieg

Am Donnerstag trafen sich der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz und der britische Premierminister Keir Starmer in London, um einen „Vertrag über Freundschaft und bilaterale Kooperation“ zu unterzeichnen. Hinter den gefälligen Worten – Starmer äußerte sich überrascht, dass dies der erste bilaterale Vertrag zwischen beiden Ländern seit dem Zweiten Weltkrieg ist – steht im Fokus des 23-seitigen Vertrags („Kensington Treaty“) die militaristische Agenda des britischen und des deutschen Imperialismus.

Der britische Premierminister Keir Starmer (rechts) und der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz unterzeichnen am 17. Juli 2025 den britisch-deutschen Vertrag. [Photo by Simon Dawson/No 10 Downing Street / CC BY-NC-ND 4.0]

Sämtliche Maßnahmen, die in dem Vertrag genannt werden, drehen sich entweder um den Aufrüstungs- und Kriegswahn oder die Verschärfung des Kurses gegen Zuwanderung.

In dem Vertrag heißt es, Europas Großmächte treffen sich „angesichts grundlegender Veränderungen des geopolitischen Umfelds.“ Es gibt „bedeutsame neue Herausforderungen für die euro-atlantische Sicherheit in einer Ära, die von zunehmender strategischer Konkurrenz und Herausforderungen für die regelbasierte internationale Ordnung gekennzeichnet ist.“

Russland wird zum Hauptfeind erklärt, wobei die Länder „den brutalen Angriffskrieg der Russischen Föderation auf dem europäischen Kontinent als bedeutendste und direkteste Bedrohung ihrer Sicherheit ansehen.“

Großbritannien und Deutschland, die die Ukraine gegen Moskau seit mehr als drei Jahren bis an die Zähne bewaffnet haben, „unterstützen einander im Falle eines bewaffneten Angriffs auf eines der beiden Länder, auch mit militärischen Mitteln.“

In Artikel 1 von Kapitel 1 heißt es unter der Überschrift „Diplomatie, Sicherheit und Entwicklung“: „Die [britischen und deutschen] Außenminister werden jährlich einen strategischen Dialog abhalten. Eine Gruppe hochrangiger Vertreter wird sich einmal im Jahr treffen, um die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu koordinieren.“

Der Vertrag ist eindeutig als Antwort auf Zweifel an US-Präsident Donald Trumps Eintreten für die Verteidigung Europas ausgelegt. Er bekräftigt das Nato-Prinzip der kollektiven Verteidigung, „wie es im Nordatlantik-Vertrag vom 4. April 1949, vor allem in Artikel 5, vereinbart ist.“

Kapitel 2 über verteidigungspolitische Zusammenarbeit beinhaltet Klauseln, die offenbar eine Reaktion auf die Forderung der Trump-Regierung darstellen, die europäischen Nato-Mächte sollten ihre Verteidigungsausgaben erhöhen und militärisch ihren Beitrag leisten: Das Vereinigte Königreich und Deutschland sind „auf eine kollektive Verteidigung mit hoher Intensität und in mehreren Bereichen vorbereitet. Sie werden die notwendigen Streitkräfte, Fähigkeiten, Ressourcen und Infrastruktur bereitstellen, die für die Durchführung der Verteidigungspläne der Nato erforderlich sind.“

Weiter heißt es: „Die Parteien streben an, die industrielle Kooperation und die Zusammenarbeit bei ihren Kapazitäten durch eine langfristige gemeinsame Herangehensweise auszubauen, um wirkungsvolle militärische Kapazitäten effizient bereitzustellen, nationale Beschränkungen zu minimieren und die industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.“

Engere Beziehungen zwischen Deutschland und Großbritannien sind Bestandteil des Aufbaus eines Dreierbündnisses mit Frankreich, um den es bei Präsident Emmanuel Macrons Staatsbesuch in Großbritannien letzte Woche ging. Der ehemalige britische Botschafter in Frankreich, Peter Ricketts, der unter Tony Blair von der Labour Party den Vorsitz über das Joint Intelligence Committee inne hatte und von 2010 bis 2012 erster nationaler Sicherheitsberater Großbritanniens unter David Camerons konservativ-liberaldemokratischer Koalition war, fasste in einer Kolumne in der Financial Times zusammen, worum es ging.

„Auf das produktivste britisch-französische Gipfeltreffen seit 2010 folgt diese Woche der erste Besuch des deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz in London. Es wird keinen Prunk und Glanz wie bei Macrons Staatsbesuch geben, aber es wird ebenfalls ein wichtiger Moment sein.“

Er beschrieb den britisch-deutschen Vertrag als „Stärkung des bisher schwächsten Schenkels im Dreieck London-Paris-Berlin, da die drei Länder mehr Verantwortung für die Sicherheit Europas übernehmen. Diese Abkommen schlagen ein neues Kapitel in einem Jahrzehnt auf, in dem der Brexit die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und seinen Nachbarn überschattet hat.“

Nur wenige Tage vor dem Gipfel hatte Trump erklärt, die USA würden der Ukraine Patriot-Luftabwehrsysteme und Langstreckenraketen liefern – allerdings unter der Bedingung, dass diese erst von den europäischen Mächten bei den USA gekauft werden müssen.

Von zentraler Bedeutung bei den Gesprächen zwischen Starmer und Merz war die Frage, wie sich die Entwicklung einer tragfähigen europäischen Rüstungsindustrie intensivieren lässt, die in der Lage ist, unabhängig von Washington Krieg gegen Russland und andere Rivalen zu führen.

Ricketts erklärte: „Die Aufgabe, Europa aus seiner jahrzehntelangen übermäßigen Abhängigkeit von der militärischen Macht der USA zu befreien, ist so groß, dass eine enge trilaterale Kooperation in der Verteidigungs-, Sicherheits- und Außenpolitik zwischen London, Paris und Berlin von entscheidender Bedeutung ist... Großbritannien ist bei dieser Transformation ein natürlicher Partner für Deutschland. Die beiden Länder haben traditionell weitaus mehr US-Militärgerät gekauft als Frankreich und haben ein gemeinsames Interesse daran, europäische Alternativen zu entwickeln.“

Starmer und Merz wollen einen Bruch der Beziehungen zu Trump vermeiden, der erneut mit 30-prozentigen Zöllen für die Europäische Union gedroht hat. Und keiner von beiden ist bereit, die USA offen wegen ihres Ukraine-Waffenprogramms zu Lasten der Verbündeten zu kritisieren.

Dennoch treten diese Spannungen an die Oberfläche. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas erklärte vor Beginn des Gipfels: „Wenn wir für diese Waffen bezahlen, ist es unsere Unterstützung... Wenn Sie versprechen, diese Waffen bereitzustellen, aber gleichzeitig erklären, dass jemand anderes dafür zahlen wird, dann sind sie nicht wirklich von Ihnen, oder?“

Frankreich und Italien haben es beide abgelehnt, sich an Trumps vorgeschlagenem 10-Milliarden-Dollar-Waffenfonds für die Ukraine zu beteiligen, sodass bisher Deutschland zwei Patriot-Systeme von Washington kauft und Finnland ein weiteres.

Über die gemeinsame Entwicklung eines neuen Raketensystems, mit dem sich Ziele in mehr als 2.000 Kilometern Entfernung (d.h. in Russland) angreifen lassen, hieß es in einer Mitteilung der Downing Street: „Die Regierungschefs haben über die wichtigen Verpflichtungen nachgedacht, die sie heute eingegangen sind, um die neue Kapazität für tiefe Präzisionsschläge innerhalb der nächsten zehn Jahre bereitzustellen und sind übereingekommen, dass eine engere Kooperation bei Rüstungsexporten und zwischen ihren Rüstungsindustrien wertvolle Chancen für Wirtschaftswachstum sowohl im Vereinigten Königreich als auch in Deutschland bieten wird.“

Diese Vereinbarung baut auf der britisch-deutschen verteidigungspolitischen Trinity-House-Vereinbarung auf, die letzten Dezember unterzeichnet wurde. Auch sie sieht eine Erhöhung der Kapazitäten der Rüstungsindustrie bei gepanzerten Fahrzeugen und Artillerie vor. Die Denkfabrik Royal United Services Institute schrieb: „Das [Trinity House-]Abkommen, das nur 111 Tage nach dem Wahlsieg von Labour unterzeichnet wurde, umfasst eine Stärkung der Rüstungsindustrien, der euro-atlantischen Sicherheit, der Verbesserung der Interoperabilität, die Bewältigung entstehender Bedrohungen und die Unterstützung der Ukraine sowie die Zusammenarbeit an künftigen Kapazitäten für ,tiefe Präzisionsschläge‘.“

Die Intensivierung der Kriegsvorbereitungen läuft darauf hinaus, dass die Rüstungskonzerne beider Länder in den kommenden Jahren riesige Profite einfahren. Die Financial Times wies diese Woche darauf hin, dass Deutschland und Großbritannien aufgrund des jüngsten Abkommens „enger zusammenarbeiten werden, um gemeinsam hergestellte Waffen wie Typhoon-Kampfflugzeuge zu verkaufen. Die Downing Street behauptet, dass dieser Deal ,zusätzliche Rüstungsexporte von Milliarden Pfund freisetzen kann.‘“

Die FT schrieb, dass Deutschland alle früheren Vorbehalte gegen Verkäufe an diktatorische Regime aufgeben wird: „Britische Regierungsvertreter erklärten, Deutschland werde in Zukunft offener sein, Ausrüstung wie Eurofighter Typhoons, Airbus A400M-Militärtransportmaschinen und Boxer-Panzerfahrzeuge an bestimmte Regime zu verkaufen. Die vorherige deutsche Regierung, eine Dreierkoalition mit den Grünen, blockierte den Verkauf von Typhoons an Ankara, nachdem die Türkei 2022 ihr Kaufinteresse bekundet hatte. Als Grund nannte sie politische und rechtliche Bedenken.“

Starmer erklärte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merz im Airbus-Werk in Stevenage, der Vertrag stelle nicht nur eine „Verpflichtung zu unserer gegenseitigen Verteidigung dar, sondern auch zur Maximierung des Nutzens unserer Verteidigungsausgaben in Form von mehr Arbeitsplätzen, mehr Wachstum und mehr Sicherheit. Im Rahmen dieses Vertrags werden wir unsere Industrien zusammenbringen, um die Rüstungsexporte um Milliarden Pfund zu erhöhen, und wir werden unsere Zusammenarbeit bei Hightech-Waffen und -Gerät beschleunigen, und damit die Nato stärken und die Sicherheit für unsere Völker erhöhen.“

Der Europa-Redakteur des generell EU-feindlichen Telegraph, James Crisp, kommentierte: „Die Blaupause für die Zukunft der europäischen Verteidigung ist in Großbritanniens neuem ,Freundschaftsvertrag‘ mit Deutschland versteckt. Vergraben unter herzlichen Gesprächen über Schüleraustausch, gemeinsame Werte und direkte Bahnverbindungen; aber wenn man genauer hinsieht, werden stählerne Fundamente gelegt...

Es ist eine Zukunft, die vom ,Dreieck London, Berlin und Paris‘ dominiert wird – einer Partnerschaft der beiden europäischen Atommächte mit der reichsten Nation, die ihre stärkste Armee aufbauen will.“

Der andere wichtige Bereich, in dem die Kooperation beschleunigt werden soll, ist ein verstärktes Vorgehen gegen die Zuwanderung von Flüchtlingen und Asylsuchenden nach Europa. Bei der Pressekonferenz gratulierte Starmer „Friedrich für seine Führungsrolle in diesem Bereich“ und lobte ihre „Zusammenarbeit gegen illegale Migration.“ Der Bericht der Downing Street über das Treffen bestätigte, dass Merz „Gesetze einbringen wird, die die Unterstützung illegaler Migration nach Großbritannien illegal machen werden. Sie sollen bis Ende des Jahres verabschiedet werden.“

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