Streik in Philadelphia: Der Ausverkauf der Gewerkschaft AFSCME und die Antwort des Aktionskomitees

Aktionskomitee-Treffen betont Notwendigkeit einer Rebellion von unten und der Wiederaufnahme der Streiks

Für einen umfassenden Streik unter der Kontrolle der Arbeiter, nicht der Bürokraten! Schließt euch den Aktionskomitees an! Melde dich für nähere Informationen über das untenstehende Formular.

Ein Streikposten am Streik der kommunalen Beschäftigten, Philadelphia, 6. Juli 2025 [Photo by AFSCME]

Die Bürgermeisterin von Philadelphia, Cherelle Parker (Demokraten), hat am Dienstagmorgen eine vorläufige Vereinbarung über den neuen Tarifvertrag für 3.000 kommunale Beschäftigte im AFSCME District Council 47 bekanntgegeben.

Die Vereinbarung zielt darauf ab, eine wachsende Rebellion an der Basis zu blockieren und zu verhindern, dass eine neue mächtige Streikwelle die ganze Stadt ergreift. Das Abkommen kommt just zum Zeitpunkt, da eine Abstimmung über einen andern Tarifvertrag kurz vor dem Abschluss steht. Denn erst vor kurzem hat die Gewerkschaft AFSCME den Streik von 9.000 Beschäftigten im District Council 33 niedergeschlagen.

Nun stimmen die Mitglieder im DC 33 in dieses Woche über einen eigenen Vertragsentwurf ab. Er erfüllt keine einzige ihrer Forderungen und wurde den Beschäftigten gerade dann aufgezwungen, als ihr Streik auf dem Höhepunkt stand.

Die AFSCME-Bürokratie will offensichtlich verhindern, dass ein überwältigendes Streikvotum der Beschäftigten ihre Kollegen ermutigen könnte, die Tarifverträge, die ihnen vorgelegt worden sind, zurückzuweisen und den Streik auszuweiten. Denn dann wäre der Weg frei für einen neuen, vereinigten Streik im gesamten öffentlichen Dienst von Philadelphia.

Unterdessen hat das neugegründete Aktionskomitee, das Philadelphia Workers Rank-and-File Strike Committee, am Montagabend eine Online-Versammlung abgehalten. Daran haben städtische Angestellte und ihre Unterstützer aus ganz Philadelphia und bundesweit teilgenommen. Rund 120 Personen hatten sich für die Veranstaltung angemeldet, deren Schwerpunkt auf dem Aufruf des Komitees lag, den Streik unter der Kontrolle der Arbeiter und als Teil einer breiten Arbeiterbewegung gegen die Sparmaßnahmen und Armutslöhne wiederaufzunehmen.

Der Vertrag, der dem Ortsverband DC 47 jetzt vorgelegt wird, sieht eine lächerliche Lohnerhöhung von 13,5 Prozent über vier Jahre vor, wobei 4,4 Prozent rückwirkend auf das letzte Jahr angerechnet werden, weil die Beschäftigten schon eine einjährige Vertragsverlängerung erdulden mussten. Damit bleiben für die nächsten drei Jahre nur noch 9,1 Prozent übrig. Der Vertragsentwurf sieht also gerade mal ein Zehntel Prozent mehr vor als derjenige für den Ortsverband DC 33.

Noch vor zwei Tagen hatte die Gewerkschaft das ursprüngliche Angebot der Stadt von 8 Prozent über drei Jahre öffentlich als „inakzeptabel“ bezeichnet. Aber solche Erklärungen sind immer nur für die öffentliche Fassade bestimmt. Die Funktionäre des Ortsverbands DC 33 hatten sich ähnlich geäußert – nur um dann eine Kehrtwende zu machen und praktisch dieselbe Vereinbarung, die sie als „inakzeptabel“ bezeichnet hatten, doch zu billigen.

Parker, die Bürgermeisterin, hat selbst in einem Interview mit dem Philadelphia Inquirer am vergangenen Wochenende die wahren Beziehungen zwischen der Gewerkschaftsbürokratie und der Demokratischen Partei aufgedeckt. „Ich bin [die Gewerkschaft]”, erklärte sie, „ja, das bin ich.“

In einem Werbevideo in den sozialen Medien prahlten mehrere AFSCME-Bürokraten, wie „begeistert“, die Beschäftigten über den Abschluss seien. In Wirklichkeit haben Arbeiterinnen und Arbeiter sehr wütend reagiert. „13,5 Prozent über vier Jahre – das ist schrecklich“, schrieb ein Arbeiter auf Facebook. „Verräter“, rief ein anderer aus. „Ich bin überrascht, dass die Kommentare noch online sind!“, bemerkte ein weiterer. „Wie ärgerlich ist es, dass wir davon zuerst von der Chefin [Parker] erfahren und nicht von unseren gewählten Gewerkschaftsführern?“, fragte ein vierter.

Ein anderer Arbeiter wies darauf hin, dass es sich bei der Vereinbarung tatsächlich um eine Lohnkürzung handelt: „Die gerade veröffentlichten [Inflations-]Daten sagen 2,8 Prozent voraus (...) ganz zu schweigen davon, dass uns die früheren Lohnkürzungen [aus der Zeit von 2008 und 2016] noch immer nicht ausgeglichen worden sind. Drei Prozent sind für keinen von uns ausreichend – ganz unabhängig davon, welche Kragenfarbe wir haben.“

Die Antwort des Aktionskomitees

Am Dienstagabend veröffentlichte das Aktionskomitee Philadelphia folgende Erklärung:

Das Philadelphia Workers Rank-and-File Strike Committee ruft alle Mitglieder des AFSCME District Council 47 dazu auf, die Pseudo-Vereinbarung, die die Gewerkschaftsvertreter mit der Stadt Philadelphia hinter verschlossenen Türen ausgehandelt haben, mit überwältigender Mehrheit abzulehnen. Dieser Verrat bestätigt, wovor wir schon immer gewarnt haben: Die AFSCME-Führung arbeitet auf lokaler wie auf nationaler Ebene aktiv daran, die Streikbewegung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu sabotieren.

Die Arbeiter in Philadelphia müssen den Streik wiederaufnehmen und ausweiten, und er muss vollständig unter unserer Kontrolle stehen, und nicht unter der Kontrolle der AFSCME-Funktionäre, die sich gegen uns verschworen haben.

Der Zeitpunkt dieser Vereinbarung ist kein Zufall. Sie kommt nur wenige Stunden nach der Streikabstimmung der Mitglieder und kurz vor der Abstimmung der DC 33-Mitglieder über ihren eigenen miesen Vertragsentwurf. Die AFSCME hat dies aus Angst getan, nicht etwa vor der Stadtverwaltung, sondern vor ihren eigenen Mitgliedern. Ein „Ja” zum Streik des Ortsverbandes DC 47 konnte sie nicht riskieren, weil das die DC 33-Beschäftigten ermutigt hätte, ihre eigene Vereinbarung abzulehnen und sich dem Kampf anzuschließen. Es ist eine bewusste Aktion, um die Beschäftigten zu isolieren, den Widerstand zu zersplittern und eine breitere Bewegung zu verhindern.

Weder der Vertrag für den Ortsverband DC 47 noch derjenige für DC 33 erfüllen die grundlegenden Forderungen der Beschäftigten in Bezug auf Löhne, Lebenshaltungskosten, Personalausstattung und Arbeitsbedingungen. Die Bürokraten im Ortsverband DC 47 haben ihren Mitgliedern nicht einmal über die konkreten Bedingungen des Vertragsentwurfs in Kenntnis gesetzt. Es war die Bürgermeisterin, die die Katze aus dem Sack ließ, indem sie in den sozialen Medien mit den „Lohnerhöhungen“ prahlte, während die Gewerkschaftsfunktionäre dazu schwiegen. Das zeigt, wem sie wirklich dienen: nicht den Beschäftigten, sondern den Politikern und deren Sparpolitik.

Die Tarifvertragsentwürfe sind, genau wie die gerichtlichen Verfügungen gegen den Streik der DC 33, Instrumente der Unterdrückung. Es sind als Kompromis getarnte Befehle zum Streikabbruch.

Aber der Kampf ist noch nicht vorbei. Die Ablehnung dieser Tarifverträge ist nur der erste Schritt. Er hat die Notwendigkeit des Aktionskomitees Philadelphia unter Beweis gestellt. Unsere Warnungen haben sich bestätigt, und jetzt müssen wir expandieren. Wir rufen alle städtischen Beschäftigten – in den Ortsverbänden DC 47 und DC 33 und außerhalb – dazu auf, sich unserem Komitee anzuschließen und es aufzubauen, um einen Streik zu organisieren, der vollständig von der Basis organisiert, geführt und kontrolliert wird.

Keine Hinterzimmer-Deals mehr! Kein weiterer Verrat! Ein Streik muss von unten aufgebaut werden, und die Arbeiter selbst müssen die Macht in die Hände nehmen.

Arbeiter diskutieren, wie es weiter gehen kann

Im Mittelpunkt des Online-Treffens vom Montagabend stand die Notwendigkeit, den Streik unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiter und auf der Grundlage einer Strategie, die auf der Einheit der Arbeiterklasse beruht, wiederaufzunehmen.

In seinem Eröffnungsbericht sagte WSWS-Reporter Nick Barrickman: „Der Kampf in Philadelphia ist Teil eines landesweiten Angriffs auf die städtischen Angestellten und den ganzen öffentlichen Dienst.“ Er verwies auf die drohende Haushaltskrise in Chicago, wo die Behörden mit „apokalyptischen“ Kürzungen im öffentlichen Nahverkehr und im Bildungswesen drohen, oder in Los Angeles, wo die Stadt den „finanziellen Notstand“ ausgerufen hat.

„Diese Krise“, fuhr er fort, „ist das direkte Ergebnis einer Politik, die den Interessen der herrschenden Kapitalistenklasse dient. (…) Auf Bundesebene hat Trumps ‚Big Beautiful Bill‘ die Mittel für wichtige Sozialprogramme wie Medicaid und Medicare drastisch gekürzt, und gleichzeitig bekommen die Reichen Steuersenkungen, und die Ausgaben für Militär und Polizei werden erhöht.“

Barrickman schloss: „Der Streik in Philadelphia ist daher nicht nur ein lokaler Konflikt, sondern Teil eines nationalen und internationalen Kampfes gegen Haushaltskürzungen, Privatisierung und die Herrschaft einer winzigen Elite über die Gesellschaft.“

Ein städtischer Angestellter aus Philadelphia und Mitglied des Streikkomitees sagte zu der historischen Bedeutung des Augenblicks: „Ich höre Geschichten vom Streik von 1986 mit Bürgermeister Wilson Goode, und 39 Jahre später wiederholt sich die Geschichte. Im Gegensatz zum Streik von 1986 glaube ich nicht, dass hier mit diesem Streik viel erreicht worden ist. Es wirkt fast wie ein Insider-Job, eine Sabotage der DC-33-Führung.“

„Rückblickend haben wir uns vorgenommen, nicht nur in Philadelphia, sondern international etwas zu erreichen“, fuhr er fort, „während viele Menschen uns zugeschaut haben. Ich glaube, man muss für seine Überzeugungen einstehen. Die Stadtverwaltung von Philadelphia oder jede andere Regierung, egal ob demokratisch oder republikanisch, scheint nicht das Wohl der US-Bürger im Sinn zu haben, besonders nicht ihr finanzielles Wohlergehen.“

Ein weiteres Aktionskomitee-Mitglied fügte hinzu: „Niemand, der sich jetzt äußert, ist mit dem Tarifvertrag zufrieden.“ Sie wies darauf hin, dass die geplanten Löhne „nicht einmal für diejenigen ausreichen, die als wirklich unverzichtbare Arbeitskräfte gelten, wie Wasser- und Abwassertechniker, Müllmänner und Mitarbeiter des Sozialamtes.“

Sie kritisierte die Art und Weise, wie der Streik durchgeführt wurde: „Der Streik war nicht auf Erfolg ausgerichtet.“ Gefährdete Beschäftigte wurden ohne Vorsichtsmaßnahmen der extremen Hitze ausgesetzt. „Die Tage, an denen die Gebäude geschlossen waren, hätte man nutzen sollen, um Beschäftigte zu den spärlicher besetzten Streikposten oder an Orte zu mobilisieren, an denen die Moral gestärkt werden musste.“ Sie verurteilte auch die mangelnde Transparenz: „Es ist Aufgabe der Führung, nach jeder Verhandlungsrunde über die Verluste und Gewinne zu informieren, aber davon haben wir Beschäftigten nichts gesehen.“

Auch ein Pädagoge aus Philadelphia erklärte sich solidarisch mit den städtischen Angestellten und verurteilte das Schweigen seiner eigenen Gewerkschaft, der Philadelphia Federation of Teachers. Im letzten Monat hatten 14.000 Lehrer für einen Streik gestimmt, aber keiner habe ihnen über den Kampf der städtischen Angestellten berichtet: „Das hat kein einziger Gewerkschaftsführer und niemand sonst außer uns erwähnt. Das finde ich abscheulich. Es klingt nach absichtlichem Schweigen, um das enorme Potenzial der Arbeiter hier in Philadelphia zu verschleiern.“

Ein pensionierter Lehrer aus New York City wies darauf hin, dass die bürgerlichen Medien eine Nachrichtensperre verhängt hatten. „Die New York Times“, sagte er, „hat kein einziges Wort über diesen Streik geschrieben. Obwohl sie Reporter auf der ganzen Welt haben, weigern sie sich, über einen großen Streik zu berichten, der weniger als zwei Stunden von New York entfernt stattfindet.“ Er bezeichnete die Times als „das führende Sprachrohr der Demokratischen Partei“, und ihr Schweigen sei ein deutlicher Beleg für die Rolle dieser Partei bei der Unterdrückung des Widerstands.

Ein Postler aus Pennsylvania stellte eine Verbindung zwischen dem Kampf der städtischen Arbeiter in Philadelphia und dem Kampf der Postangestellten gegen Privatisierung und unsichere Arbeitsbedingungen her. Er erinnerte an den Tod zweier Briefträger, die offenbar an den Folgen der großen Hitze gestorben waren, und sagte: „Man kann der Gewerkschaft nicht trauen.“ Er schloss mit den Worten: „Ich sage, dass alle Menschen in Philadelphia mit Nein stimmen sollten (…) Ich sage: Streikt weiter!“

In einem abschließenden Beitrag sagte WSWS-Reporter Tom Hall: „Was in Philadelphia passiert ist, ist kein Einzelfall. Das sind brennende Fragen, mit denen die gesamte Arbeiterklasse konfrontiert ist.“

Wie er erklärte, sehen die Gewerkschaftsbürokraten ihre Aufgabe nicht darin, für die Arbeiter zu kämpfen, sondern sie in Schach zu halten. Er zitierte, was ein Anwalt der AFSCME im Jahr 2018 vor dem Obersten Gericht der USA (im Fall Janus) zu einem neuen Tarifvertrag betont hatte: „Das Wichtigste, was [in jenem Tarifvertrag] ausgehandelt wurde, ist eine Einschränkung des Streikrechts. Und das gilt für viele Tarifverträge.“

Derselbe Anhalt hatte den Richtern erklärt: „Der Preis für Streikverzicht ist der Schutz der Gewerkschaften.“ Ohne die Gewerkschaften, warnte er, „könnte sich im ganzen Land das Gespenst beispielloser Arbeitsunruhen erheben“.

Hall fügte jedoch hinzu: „Die Situation in den Vereinigten Staaten und weltweit hat einen Punkt erreicht, an dem massive soziale Kämpfe nicht nur am Horizont aufziehen, sondern bereits ausbrechen. Der Streik in Philadelphia ist ein erstes Anzeichen dafür.“

Er schloss mit dem Aufruf an die Arbeitenden, sich an die WSWS zu wenden, um Hilfe beim Aufbau von Aktionskomitees zu erhalten: „Kommt aus der Reserve und schließt euch dem Kampf an. Ich denke, das letzte Wort ist in Philadelphia noch lange nicht gesprochen. Wir müssen wohl damit rechnen, dass dies nur der Anfang von etwas viel, viel Mächtigerem ist.“

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