Am 10. Juli führten Einsatzkräfte der US-Einwanderungsbehörde (ICE) zusammen mit Soldaten der Nationalgarde zwei brutale Razzien in Carpinteria und Camarillo (Kalifornien) durch. Mindestens ein Arbeiter verlor dabei sein Leben, und mehrere andere mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Berichten zufolge hat die Anti-Migranten-Gestapo bis zu 200 Menschen festgenommen.
In einem Beitrag in den sozialen Medien bestätigte die Gewerkschaft United Farm Workers (UFW), dass ein „Landarbeiter” an den Folgen seiner Verletzungen „aufgrund der gestrigen Razzia gegen Migranten“ gestorben sei.
Im Rahmen einer GoFundMe-Kampagne schreibt Yeseni Duran, ihr Onkel Jaime Garcia sei „von ICE-Beamten verfolgt worden, und wir erfuhren, dass er 30 Fuß [etwa 10 Meter] tief hinuntergestürzt sei“. In einem Interview mit ABC 7 bestätigte Garcias Familie, dass er sich das Genick und den Schädel gebrochen hat.
Duran schreibt, ihr „Onkel Jaime“ sei „ein hart arbeitender, unschuldiger Landarbeiter gewesen. Seine Frau und seine Tochter sind nun auf sich allein gestellt.“
Duran schreibt, dass ihr Onkel mit seiner Familie in Mexiko lebte, aber in den USA arbeitete, um sie zu erhalten. „Er war der Ernährer seiner Familie. Sie haben uns ein Familienmitglied genommen. Wir brauchen Gerechtigkeit. Wir untersuchen noch, was passiert ist. Weitere Details folgen.“
Die faschistischen Razzien lösen in weiten Teilen der Bevölkerung große Empörung aus. Die GoFundMe Spendensammlung für Jaime hatte innerhalb von weniger als 24 Stunden bereits das Ziel von 50.000 Dollar erreicht.
Die Gewerkschaft UFW bestätigt, dass mehrere Landarbeiter bei der Razzia „schwer verletzt“ wurden und dass „US-Bürger weiterhin vermisst werden“.
Die UFW weist auf eine massive Vertuschung durch die Regierung hin und berichtet: „Viele Arbeiter – darunter auch US-Bürger – wurden acht Stunden oder länger von den Bundesbehörden auf der Farm festgehalten. US-Bürger berichten, dass sie erst freigelassen wurden, nachdem sie erzwungenermaßen Fotos und Videos der Razzia von ihren Handys gelöscht hatten.“
Die faschistischen Razzien haben in der gesamten Region massive Wut ausgelöst. Carpinteria und Camarillo liegen beide nördlich von Los Angeles County in der landwirtschaftlich und industriell geprägten Central Coast. Zwischen Carpinteria und Camarillo liegt Oxnard, die größte Stadt im Ventura County mit über 200.000 Einwohnern. Hispanics und Latinos sind mit 77 Prozent der Bevölkerung die mit Abstand größte ethnische Gruppe in Oxnard.
Zum Zeitpunkt, da dieser Artikel geschrieben wurde, zogen etwa 1.000 Demonstrierende zum Rathaus von Oxnard und forderten die Freilassung der von der Anti-Migranten-Gestapo festgenommenen Personen sowie den Abzug der ICE aus Kalifornien.
Die Razzien fanden auf dem Gelände der Glass House Farms statt, die sich selbst als größter Marihuana-Anbauer der Welt bezeichnen. Marihuana-Farmen sind zwar im Bundesstaat Kalifornien legal, auf Bundesebene jedoch verboten.
Die Razzien bedeuten eine massive Eskalation der Angriffe auf die Arbeiterklasse vonseiten der Trump-Regierung. Diese stark militarisierten Operationen, die sich gegen unbewaffnete Einwanderer und ihre Familien richten, offenbaren den wahren Charakter der US-Regierung: Sie ist ein Instrument der Kapitalistenklasse, das sich auf bewaffneten Terror stützt, um die Bevölkerung zu unterdrücken und zu malträtieren.
Augenzeugenberichte und Videoaufnahmen von den Tatorten zeigen maskierte, schwer bewaffnete Einsatzkräfte, welche die Arbeitsstätten der Glass House Farms stürmen, Tränengas einsetzen und verängstigte Arbeiter über die Felder jagen. Schätzungen zufolge wurden an den beiden Orten bis zu 200 Arbeiter festgenommen. Das „Verbrechen“ dieser Arbeiter besteht lediglich darin, ihre Arbeitskraft in einer auf Ausbeutung basierenden Wirtschaft zu verkaufen.
Dass die Razzien gegen Landarbeiter gerichtet sind – eine der am stärksten ausgebeuteten Schichten der amerikanischen Arbeiterklasse – entlarvt die Lüge, dass es bei diesen Operationen um „öffentliche Sicherheit“ oder „kriminelle Ausländer“ gehe. In Wirklichkeit hat die Trump-Regierung die gesamte Arbeiterklasse im Visier. Die gleichen militarisierten Taktiken, die heute gegen migrantische Arbeiter eingesetzt werden, werden unweigerlich auch gegen jeden anderen Teil der Arbeiterklasse eingesetzt werden, der Widerstand leistet.
Die Trump-Regierung und ihre kriminellen Propagandisten im Heimatschutzministerium lügen, wenn sie sagen, dass alle Festgenommenen „illegale Einwanderer“ seien. Inzwischen wurde bestätigt, dass mehrere US-Bürger entführt worden sind. Darunter ist auch der 25-jährige George Retes, ein Veteran der US-Armee, der behindert ist. In Interviews mit ABC 7 bestätigten Retes' Schwester und seine Frau, dass er, ein US-Bürger, als Wachmann auf der Farm arbeitete.
Unter Tränen erklärte Destinee Majana, Retes Schwester: „Ich dachte erst, er wäre Teil der Proteste. Das war er nicht. Er hat nur versucht, sein Auto zu wenden. Sie haben seine Scheibe eingeschlagen, ihn mit Pfefferspray besprüht, ihn gepackt und auf den Boden geworfen. Sie haben ihn festgenommen. Seine Frau hat versucht, anzurufen und zu fragen, wo er ist. Sie wissen offenbar nicht, wo er sich aufhält.“
Die California Faculty Association (CFA), eine Gewerkschaft von Beschäftigten der Universitäten, bestätigte am Freitag, dass auch Dr. Jonathan A. Caravello bei einer Razzia festgenommen worden sei. In einer Erklärung, die CFA-Vorsitzende Margarita Berta-Avila unter anderem an die Senatoren Alex Padilla und Adam Schiff von der Demokratischen Partei richtet, heißt es, Dr. Caravello sei „von den Einwanderungsbehörden entführt worden (...) etwa fünf Minuten vom Campus der CSU Channel Islands entfernt. Dr. Caravello ist Dozent am Fachbereich Mathematik der CSUCI, aktives Mitglied unserer Gewerkschaft und Bürger der Vereinigten Staaten.“
Berta-Avila schreibt, dass Zeugen zufolge ein Beamter der Einwanderungsbehörde eine Tränengasgranate „in Richtung eines Rollstuhlfahrers abfeuerte, der rechtmäßig die Einwanderungskontrollmaßnahmen beobachtete. Diese Tränengasgranate setzte sich unter dem Rollstuhl fest. Als Dr. Caravello versuchte, dem Passanten zu helfen, der nicht sehen konnte und unter Atemnot litt, wurde er von Beamten abrupt zu Boden geworfen, in ein ungekennzeichnetes Fahrzeug gezerrt und an einen unbekannten Ort gebracht.“
Weiter schreibt die Gewerkschafterin: „In den Stunden nach seiner Entführung suchten Fakultätsmitglieder, Mitarbeitende und Studierende der CSUCI intensiv nach seinem Aufenthaltsort. Trotz Besuchen in allen Krankenhäusern und örtlichen Polizeistationen konnten die CFA-Mitglieder und Dr. Caravellos Studierende ihn weder finden noch kontaktieren. Am frühen Morgen des 11. Juli 2025 versuchen wir noch immer, herauszubekommen, ob Dr. Caravello in der Ventura County Federal Detention Facility festgehalten wird. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe sind weiterhin unbekannt.“
Die Erklärung fordert die Freilassung von Dr. Caravello und allen anderen Personen, die die Einsatzkräften festgenommen haben. Die Gewerkschaft ruft jedoch nicht die Arbeiterklasse dazu auf, unabhängig von weiteren Reaktionen der Staatsgewalt für die Freilassung aller Entführten zu kämpfen. Stattdessen fordert die CFA-Vorsitzende die Mitglieder lediglich dazu auf, „unsere Kongressabgeordneten und Gesetzgeber anzurufen“.
Im Gegensatz zur Ohnmacht des Gewerkschaftsapparats und unabhängig von der Gewerkschaft stieß die Razzia am Donnerstag auf den Widerstand der Community. Hunderte Arbeiter, Familienangehörige und Unterstützer versammelten sich am Standort in Camarillo und protestierten mehr als zwölf Stunden lang gegen die Razzia. Es kam zu einer Pattsituation, und ein Blackhawk-Hubschrauber des Militärs musste auf einem Feld landen, um mehr Soldaten vor Ort zum Einsatz zu bringen.
Berichten und Videoaufnahmen zufolge soll ein Demonstrant mit einer Pistole auf die Einsatzkräfte geschossen haben. Das FBI hat eine Belohnung von 50.000 Dollar für Hinweise ausgesetzt, die zu einer Festnahme führen.
Obwohl offenbar kein einziger Beamter verletzt wurde, hat die Regierung selbst die Razzia in Camarillo als „Ereignis mit mehreren Opfern“ bezeichnet. Allerdings ist das die direkte Folge der Tatsache, dass die Regierung Waffen und chemische Mittel gegen Zivilisten einsetzte.
Am Freitagmorgen, dem Tag nach den Razzien, wehrte sich Trumps „Grenzzar“ Tom Homan in Fox News gegen den Versuch mehrerer Richter, Befugnisse der Anti-Migranten-Gestapo einzuschränken und das Verschwindenlassen aufgrund von „wahrscheinlicher Verdachtsmomente“ zu verbieten.
„Sehen Sie, die Leute müssen verstehen, dass ICE-Beamte und Grenzschutzbeamte keinen hinreichenden Verdacht brauchen, um auf jemanden zuzugehen, ihn kurz festzuhalten und zu befragen. Sie brauchen nur die Gesamtheit der Umstände, verstanden?“
Weiter versuchte Homan, das Vorgehen der Beamten zu rechtfertigen: „Sie beobachten einfach, sammeln aussagekräftige Fakten anhand des Aufenthaltsorts, Berufs, Aussehens und Verhaltens.“
Homan argumentierte, dass das Weglaufen oder einfach Weggehen beim Anblick von maskierten Beamten der Einwanderungsbehörde, die eine Razzia in der Öffentlichkeit durchführen, für die Beamten Grund genug sei, jemanden aufgrund „begründeten Verdachts“ festzunehmen.
Um die Razzien zu rechtfertigen, die zum Tod von Jaime Garcia und zur Massenentführung von US-Bürgern und Einwanderern geführt haben, spuckte Stephen Miller, Trumps stellvertretender Stabschef, während seines Auftritts bei Fox News am Freitag eine Variante der rassistischen „Great Replacement Theory“ aus. Miller behauptete, die Trump-Regierung befreie Kinder aus „industrieller Sklaverei“ und „Sexhandel“, für die die Demokratische Partei verantwortlich sei.
„Kalifornien und Los Angeles führen einen Aufstand gegen die Bundesregierung, sie schützen diejenigen, die mit dem Leid von Kindern Geschäfte machen“, zischte Trumps neonazistischer Berater. „Die Demokratische Partei leitet (...) Gewinne aus Vergewaltigungen, Gewinne aus Ausbeutung und ja, Gewinne aus Mord in die Hände der Kartelle.“
Die Reaktion der Demokratischen Partei zeigt indes, dass sie eine Mitschuld am Vorgehen der Trump-Regierung trägt. Am Freitagmorgen kündigte die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, eine „Exekutivverordnung zur Unterstützung von Migranten-Communities“ an. Damit unternimmt sie rein gar nichts, um die Razzien zu stoppen oder die Arbeiter zu schützen. Stattdessen wird eine zahnlose „Arbeitsgruppe“ unter der Leitung der Polizei von Los Angeles eingerichtet – derselben Behörde, die immer wieder die ICE und die Grenzpolizei verteidigt, wenn diese Arbeiter verschwinden lässt. Diese „Feedback-Gruppe“ ist ein zynischer Schachzug, um den Anschein von Aktivität zu erwecken, während die Razzien ungehindert weitergehen.
Die Arbeiterklasse kann sich nicht auf die Demokraten, die Gewerkschaften oder irgendeine Institution des kapitalistischen Staates verlassen, um sich selbst zu verteidigen. Die Polizei, die ICE und das Militär existieren, um die Interessen der herrschenden Klasse zu schützen – das heißt, der Milliardäre und Finanzoligarchen, die jeden Aspekt des sozialen und politischen Lebens dominieren.