Im Januar 1939 schickte der schwedische Parlamentarier Erik Brandt einen satirischen Brief an das norwegische Nobelkomitee, in dem er den deutschen Reichskanzler Adolf Hitler für den Friedensnobelpreis vorschlug.
Brandts Brief wurde nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 und der Aufteilung der Tschechoslowakei sechs Monate später verfasst, und zwar in dem Wissen, dass Hitler unerbittlich einen Krieg vorbereitete.
Hitlers „glühende Friedensliebe“ sei „in seinem berühmten Buch Mein Kampf dokumentiert – neben der Bibel vielleicht das beste und populärste literarische Werk der Welt“, schrieb Brandt in tiefstem Sarkasmus. „Wahrscheinlich wird Hitler, wenn er von den Kriegstreibern unbehelligt und in Ruhe gelassen wird, Europa und möglicherweise die ganze Welt befrieden“, schloss er.
Obwohl es sich offensichtlich um Satire handelte, wurde die Pointe des Briefes von der Weltöffentlichkeit völlig verkannt. Der Brief wurde für bare Münze genommen und als Lobrede auf den Mörder und Wahnsinnigen verstanden, was für Empörung in den Zeitungsredaktionen Schwedens und auf der ganzen Welt sorgte.
Zwei Dinge sind anders, wenn der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu US-Präsident Donald Trump für den Friedensnobelpreis nominiert: Erstens meint es Netanjahu völlig ernst. Zweitens gibt es keinen Aufschrei in den Medien.
Netanjahu verkündete bei einem Abendessen im Weißen Haus, dass er seinen Brief an das Nobelkomitee geschickt habe. In seiner Begründung für die Nominierung lobte Netanjahu den „historischen Sieg“ des amerikanisch-israelischen Bombenangriffs auf den Iran. USA und Israel nutzten die Diplomatie als Vorwand, um Dutzende von zivilen Führungskräften, Militärs und Wissenschaftler zu ermorden sowie mindestens 600 Zivilisten zu töten. Trump „schmiedet in diesem Moment den Frieden, in einem Land, in einer Region nach der anderen“, behauptete Netanjahu.
Trump strahlte vor Stolz und pries seinen Beitrag zum Weltfrieden. Er habe beim Angriff auf den Iran „die größten Bomben aller Zeiten eingesetzt, die größten Bomben, die wir je auf jemanden abgeworfen haben“. Anschließend lobte Trump den Einsatz von Atomwaffen durch US-Präsident Harry Truman gegen die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki mit den Worten: „Das hat viele Kämpfe beendet.“ Er schien es zu bedauern, dass die Bomben, die er auf den Iran abwarf, nicht nuklear bestückt waren.
Trumps Treffen mit Netanjahu wird in den amerikanischen und internationalen Medien als Versuch gesehen, „Frieden“ zu schaffen, weil Trump auf einen „Waffenstillstand“ im Gazastreifen „drängt“. Dass beide Männer offen erklärt haben, ihre Vision von „Frieden“ bestehe in der ethnischen Säuberung der palästinensischen Bevölkerung und der Tötung aller, die sich dagegen wehren, wird dabei ignoriert. Trumps „Umsiedlungsplan“ wurde in den Medienberichten über die Reise nicht erwähnt. Und natürlich sind die Worte „ethnische Säuberung“ und „Völkermord“ in der Berichterstattung über die US-israelische Politik in Gaza verboten.
Gegen Netanjahu liegt derzeit ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wegen Kriegsverbrechen während des Völkermords in Gaza vor, darunter der Einsatz von Hunger als Kriegswaffe. Frankreich, Deutschland und Italien haben jedoch erklärt, dass sie den Haftbefehl des IStGH ignorieren werden. Bundeskanzler Friedrich Merz ging sogar so weit, Netanjahu nach Deutschland einzuladen.
Statt diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die für den Völkermord verantwortlich sind, gehen die Regierungen der imperialistischen Mächte gegen alle vor, die gegen den Genozid protestieren. Die britische Regierung hat die propalästinensische Aktivistengruppe Palestine Action als terroristische Organisation eingestuft und versucht, die Musikbands Kneecap und Bob Vylan, die gegen den Völkermord in Gaza protestiert haben, wegen Terrorismus anzuklagen.
Hauptzweck des Treffens von Trump und Netanjahu ist die Planung der nächsten Phase des „Friedens“, d. h. ihrer „Endlösung“ in Palästina: Sie pferchen die palästinensische Bevölkerung in Konzentrationslagern zusammen, um ihre Zwangsumsiedlung in andere Länder vorzubereiten.
Als Trump zum ersten Mal seinen Plan vorstellte, Gaza zu „besetzen“, niederzuwalzen und die palästinensische Bevölkerung in andere Länder zu vertreiben, wurde dieser von den amerikanischen und internationalen Medien als eine Art bizarrer „Traum“ dargestellt. Der Plan sei „undurchführbar“, hatte die New York Times geschrieben und spekuliert, dass der Vorschlag lediglich eine Verhandlungstaktik sein könnte.
In den sechs Monaten seit der Ankündigung ist klar geworden, dass der vorgelegte Plan von Trump und Netanjahu todernst gemeint ist.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Am Montag kündigte der israelische Verteidigungsminister Israel Katz Pläne an, auf den Ruinen der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen eine „humanitäre Stadt“ zu errichten, in der die gesamte palästinensische Bevölkerung untergebracht werden soll. Der Bau dieses Lagers solle mit dem „Auswanderungsplan“ koordiniert werden.
Während diese Pläne in Israel umgesetzt werden, sind transnationale Großunternehmen und Denkfabriken aus dem gesamten politischen Spektrum daran beteiligt.
Letzte Woche berichtete die Financial Times über ein geheimes Strategiedokument für die „Umsiedlung“ von Palästinensern aus dem Gazastreifen, das von der Boston Consulting Group ausgearbeitet wurde, einer großen amerikanischen Unternehmensberatungsfirma. Im Folgeartikel enthüllte die FT, dass der Plan unter Mitwirkung von Mitarbeitern des ehemaligen britischen Premierministers Tony Blair erstellt wurde.
Trump und Netanjahu haben sich den Orwell’schen Spruch „Krieg ist Frieden“ auf die Fahnen geschrieben. Sie glauben, dass sie die größten Friedensstifter sind, weil sie die meisten Menschen getötet haben. Nach dieser verrückten Logik ist der Völkermord, den sie verüben, ihr größter Beitrag zum Weltfrieden.
Natürlich sind Trump und Netanjahu in den Augen der Weltöffentlichkeit Tyrannen und Verbrecher. Aber sie handeln nicht als Einzelpersonen, sondern verkörpern die Grundüberzeugungen des kapitalistischen Systems.
Wladimir Lenin schrieb 1916, dass der Imperialismus Diktatur im Innern erfordert und zu ungeheurer Kriminalität und Raubzügen im Ausland führt. Das alles ist das Ergebnis des enormen Wachstums des Reichtums und der Macht der Kapitalistenklasse. Der Völkermord in Gaza stellt heute den brutalsten Ausdruck dieses globalen imperialistischen Kriegs dar und zeigt die mörderische Gewalt, die der Kapitalismus entfesselt.
Trump und Netanjahu gehen so provokant und schamlos vor, weil sie genau wissen, dass sie das Diktat der Kapitalistenklasse vertreten und auf keinen Widerstand in der Demokratischen Partei oder anderen Kreisen des politischen Establishments stoßen werden. Widerstand kann nur von einer Massenbewegung gegen den Imperialismus kommen, die in der Arbeiterklasse aufgebaut werden muss.