Wagenknecht fordert Zusammenarbeit mit AfD

Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht bei ihrer Rede am 12. Januar 2025 auf dem BSW-Parteitag in Bonn [AP Photo/Martin Meissner]

Die Vorsitzende des BSW, Sahra Wagenknecht, fordert, die rechtsextreme und faschistische AfD stärker in die politische Zusammenarbeit einzubinden und an Landesregierungen zu beteiligen. Die bisherige politische Ausgrenzung und „das Gerede über eine Brandmauer“ seien „falsch, undemokratisch und kontraproduktiv“, sagte sie in mehreren Interviews und Video-Statements.

Für die kommende Landtagswahl in Sachsen-Anhalt schlägt Wagenknecht eine Koalition aus CDU und AfD vor. Es sei ein Unding, sagt sie, dass gegenwärtig in Magdeburg die CDU eine Dreierkoalition mit der SPD und FDP bilde, von denen beide weniger als zehn Prozent der Wählerstimmen hätten (SPD 8,4 und FDP 6,4), nur um die AfD mit 20,8 Prozent aus der Regierung zu halten.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Landesregierung in Sachsen-Anhalt den Auftakt zu einem Regierungsumbruch einleitet. Das dünn besiedelte Bundesland an der Elbe mit seinen ehemaligen Industriezentren Halle und Bitterfeld-Wolfen und seinen gut zwei Millionen Einwohnern leitete schon Anfang der 1990er Jahre eine politische Wende ein: Mit dem so genannten „Magdeburger Modell“ wurde damals die PDS, aus der später die Linke hervorging, erstmals in die Regierungsverantwortung eingebunden.

Jetzt soll ein neues Magdeburger Modell die Regierungsbeteiligung der AfD einleiten. Und Wagenknecht macht sich zum Steigbügelhalter für die Rechtsradikalen. Sie betont bei jeder Gelegenheit ihre Gesprächsbereitschaft mit der AfD auch auf Bundesebene. Der Deutschen Presse-Agentur sagte sie: „Wenn Sie mich fragen, ob ich auch mit Herrn Chrupalla reden würde, wenn es einen konkreten Anlass dafür gäbe, wie es in Thüringen bei dem Gespräch der Fraktionsvorsitzenden der Fall war: ja, selbstverständlich.“

Ende Juni hatte der Vorsitzende der BSW-Landtagsfraktion in Thüringen, Frank Augsten, mit dem dortigen AfD-Fraktionschef Björn Höcke ein zweistündiges Gespräch geführt. Höcke steht an der Spitze des rechtsextremen Flügels der AfD und darf laut Gerichtsurteil als „Faschist“ bezeichnet werden. Frank Augsten war über 30 Jahre Führungsmitglied der Grünen und trat erst im vergangenen Jahr dem BSW bei.

Beide, Höcke und Augsten bezeichneten das Gespräch als konstruktiv und lösungsorientiert. Unter anderem habe man über die Auflösung von Blockaden der AfD bei der Ernennung von Richtern auf Lebenszeit gesprochen. Nach der Sommerpause soll der Dialog fortgesetzt werden. Weitere Einzelheiten wurden nicht bekannt gegeben.

Die AfD ist in Thüringen mit 32,8 Prozent mit Abstand stärkste Partei. Mit 32 Abgeordneten verfügt sie im Landtag über eine Sperrminorität. Das BSW ist Teil der so genannten „Brombeer-Koalition“ mit CDU und SPD. Wagenknecht hatte sich nach der Wahl im September vergangenen Jahres gegen eine Regierungsbeteiligung ausgesprochen, weil sie gemeinsam mit der AfD über mehr Sitze im Landtag verfügte als CDU, SPD und Linke zusammen. AfD und BSW könnten damit aus der Opposition heraus die Regierungspolitik dominieren.

Wagenknecht bezeichnet Berichte über eine Zusammenarbeit mit der AfD als „Phantomdiskussion“, betont aber gleichzeitig, die politische Ausgrenzung der AfD dürfe nicht fortgesetzt werden.

In Medienberichten wird der Dialog zwischen AfD und BSW bei gleichzeitigen Dementis über engere Kontakte und Zusammenarbeit als „Sommertheater“ bezeichnet. Wagenknecht versuche die medienarme Ferienzeit zu nutzen, um sich ins Gespräch zubringen, nachdem sie durch das knappe Scheitern bei der Bundestagswahl – das BSW war mit 4,98 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert – die große Bühne verloren habe.

Doch diese Einschätzung bleibt völlig an der Oberfläche. Wagenknechts Annäherung an die AfD ist real und Bestandteil einer rapiden politischen Rechtsentwicklung, die gegenwärtig in allen Parteien und im ganzen politischen Establishment stattfindet.

Seitdem die Bundesregierung das größte Aufrüstungsprogramm seit dem Nazi-Regime beschlossen hat und jeden Aspekt ihrer Politik auf Kriegsvorbereitung und Kriegsunterstützung für die Ukraine im Nato-Krieg gegen Russland ausrichtet, vergeht kein Tag ohne die Ankündigung von massiven Sozialkürzungen und Sparmaßnahmen in allen sozialen Bereichen. Diese Politik der Aufrüstung, finanziert durch Sozialabbau, ist nicht vereinbar mit demokratischen Strukturen und verwandelt die traditionellen politischen Verhältnisse.

Die AfD wurde gezielt aufgebaut, in den Medien hofiert und durch rechtsextreme Seilschaften im staatlichen Sicherheitsapparat und Geheimdiensten unterstützt, um die wachsende Opposition in der Bevölkerung gegen Aufrüstung und Sozialabbau in eine rechte, nationalistische Richtung zu lenken und zu unterdrücken. Unterstützt wurde diese Entwicklung durch die rechte Politik der nominell „linken“ Parteien – SPD und Grüne –, die früher als Kriegsgegner und für soziale Verbesserungen eintraten. Heute sind diese Parteien die Haupt-Kriegstreiber, und die Linkspartei unterscheidet sich von ihnen nur dadurch, dass sie ihre Unterstützung der Regierungspolitik hinter ein paar Phrasen über Diplomatie statt Krieg und mehr soziale Gerechtigkeit verbirgt.

Dass jetzt die AfD durch eine Abspaltung der Linkspartei stärker in die Regierungsarbeit integriert wird, ist nicht so überraschend, wie es auf den ersten Blick aussieht. Die Zusammenarbeit von Parteien, die sich als links oder sogar sozialistisch bezeichnen, mit rechtsextremen Parteien hat es bereits früher gegeben. Die griechische Schwesterpartei der Linken Syriza ist das beste Beispiel.

Vor zehn Jahren, im Januar 2015, kam die „Koalition der radikalen Linken“ Syriza mit Massenunterstützung an die Macht, weil sie versprochen hatte, die brutale Sparpolitik der EU und vor allem der Bundesregierung zu beenden, die von den vorherigen PASOK- und ND-Regierungen durchgesetzt wurde.

Unmittelbar nach dem Wahlsieg ließ Syriza ihren Anspruch, links zu sein, fallen, bildete eine Koalition mit den rechtsextremen „Unabhängigen Griechen“ (Anel) und setzte anschließend alle Sparpakete durch, die von der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds, der sogenannten „Troika“, gefordert wurden. Darunter waren 15 Renteneinschnitte, Lohnkürzungen, Steuererhöhungen, Entlassungen und Haushaltskürzungen im Sozialbereich sowie im Bildungs- und Gesundheitswesen. Die katastrophalen Auswirkungen für die griechische Arbeiterklasse dauern bis heute an.

Wir schrieben damals: „Selbst in der ganzen kläglichen Geschichte ‚linker‘ kleinbürgerlicher Politik findet man kaum ein solches Beispiel von Täuschung, Zynismus und abstoßender Feigheit, wie es Ministerpräsident Tsipras an den Tag gelegt hat. Wenn man die Zeitspanne zwischen der Wahl und dem Verrat bemisst, hat die Syriza-Regierung wohl einen neuen Weltrekord aufgestellt.“

Heute spielen die Linkspartei und ihre Abspaltung BSW eine ähnliche Rolle und verfolgen dabei eine gewisse Arbeitsteilung. Während Sahra Wagenknecht und ihr BSW sich dafür einsetzen, die AfD stärker als bisher in die Regierungsverantwortung einzubinden, tritt die Linkspartei als AfD-Gegner auf und versucht die wachsende Opposition gegen die Wiederkehr von Faschismus und Flüchtlingshetze in die politische Sackgasse einer angeblichen Reformierbarkeit des Kapitalismus zu lenken.

Linken-Funktionäre wie Heidi Reichinnek, deren Politikverständnis sich auf linkes Phrasendreschen beschränkt, versuchen den Eindruck zu erwecken, als könnten alle Probleme -- wie die militärische Aufrüstung, der massive Sozialabbau, Massenentlassungen, Umweltzerstörung etc. -- im Rahmen der bestehenden kapitalistischen Verhältnisse gelöst werden.

Als wollte sie die Schrift „Sozialreform oder Revolution?“ der großen Marxistin Rosa Luxemburg widerlegen, predigt die Linkspartei die Humanisierung der kapitalistischen Ausbeutung und ergänzt die Kriegspolitik mit der Forderung nach mehr Diplomatie, während sie gleichzeitig eine revolutionäre sozialistische Perspektive entschieden ablehnt.

Wagenknecht verbindet ihre Verteidigung des Kapitalismus mit extremem Nationalismus und hysterischer Fremdenfeindlichkeit. Das verbindet sie sehr direkt mit der AfD. Auf ihrem jüngsten Parteitag im Januar griff sie die Bundestagsparteien von rechts an und warf ihnen vor, deutsche Interessen auszuverkaufen und sich Washington zu unterwerfen. Sie polemisierte damals gegen die AfD, griff aber bezeichnenderweise nicht ihr faschistisches Programm an, sondern ihre enge Zusammenarbeit mit Trump und seinem damaligen Berater, dem milliardenschweren Elon Musk.

Wagenknecht rief damals unter dem Beifall der Delegierten: „Vielleicht sollte sich die AfD statt Alternative für Deutschland lieber Aufrüsten für Donald nennen.“ Denn „das wäre doch in etwa das, was dann ihr jetziges Programm ist: Aufrüsten für Donald“.

Noch ist nicht klar, wie weit die Zusammenarbeit zwischen BSW und AfD gehen wird, aber Wagenknecht hat bereits deutlich gemacht, dass sie zu allem bereit ist, um ihr nationalistisches Programm in die Tat umzusetzen. Die Linkspartei, aus der sie kommt, ist keine Alternative, sondern Teil des Rechtsrucks.

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