Die Zahl der Todesopfer nach den Sturzfluten in Texas steigt weiter auf über 100, viele werden noch vermisst und sind vermutlich ertrunken. Unter den Toten sind mindestens 27 Mädchen und Betreuungspersonen eines Sommercamps in Kerr County, 10 Kinder und ein Mitarbeiter werden noch vermisst. Unterdessen haben weitere heftige Regenfälle Zentraltexas erreicht und bedrohen erneut die Sicherheit der Bevölkerung.
Während die grausame Arbeit der Suche und Bergung weitergeht, zeigt sich immer deutlicher, dass es sich hierbei nicht um eine „Naturkatastrophe“ handelt. Es ist vielmehr ein Verbrechen des Kapitalismus – einer Gesellschaftsordnung, in der jeder Aspekt des Lebens, einschließlich der grundlegendsten Sicherheitsvorkehrungen, dem Profit und den Interessen einer Unternehmens- und Finanzoligarchie untergeordnet ist.
Auf allen Ebenen der Regierung – auf Regional-, Landes- und Bundesebene – haben die Interessen der Großunternehmen und die strategischen Interessen des amerikanischen Imperialismus alle Bemühungen zum Schutz der Bevölkerung vor tödlichen Stürmen und Überschwemmungen blockiert.
Auf lokaler Ebene lehnten Beamte im Kerr County, 60 Meilen nordwestlich von San Antonio, wiederholt Vorschläge zur Einrichtung eines Frühwarnsystems für Sturzfluten ab. Und das, obwohl der Bezirk in einer Region liegt, die wegen der häufigen und plötzlichen Wasseranstiege in den Flüssen, die vom Texas Hill Country in Richtung Golf von Mexiko fließen, als „Flash Flood Alley“ (Sturzflut-Allee) bezeichnet wird.
Erst im Januar 2017 beantragte Kerr County bei der Federal Emergency Management Agency (FEMA) einen Zuschuss für ein Frühwarnsystem, dessen Kosten auf 980.000 Dollar geschätzt wurden. Lokale Beamte lehnten es unter Verweis auf die Kosten ab, Mittel aus dem County-Steuerhaushalt zu beantragen, und scherzten in einer Diskussion, dass der Hochwasserschutzplan „tot im Wasser“ sei, wenn die FEMA ihn nicht genehmige. Die neue Trump-Regierung gewährte den Zuschuss letztlich nicht.
Unter dem Republikanischen Gouverneur Greg Abbott, der in dritter Amtsperiode regiert, hat der US-Bundesstaat Texas in den letzten fünf Jahren 11 Milliarden Dollar für die „Operation Lone Star“ ausgegeben – eine offensichtlich verfassungswidrige Maßnahme, um während der Biden-Regierung die Bundesbehörden bei der Durchsetzung der Einwanderungsgesetze zu übergehen. Dazu gehörten der Bau einer permanenten Basis für das texanische Militärministerium am Rio Grande, die Busbeförderung von Zehntausenden Asylsuchenden in Städte wie New York, Washington, Chicago und Los Angeles sowie der Bau einer fast 140 km langen Grenzmauer.
Abbott und die republikanische Legislative haben unter dem Vorwand, Texas vor einer angeblichen „Invasion” aus dem Ausland zu schützen, viel Geld für die Verfolgung von Zugewanderten ausgegeben, während sie bei echten Bedrohungen für die Bevölkerung jeden Cent zweimal umdrehen.
Anfang dieses Jahres verabschiedete das texanische Repräsentantenhaus den Gesetzentwurf HB-13 zur Einrichtung eines landesweiten Notfallplans. Doch der Entwurf wurde im April im Senat des Bundesstaates auf Eis gelegt, nachdem rechtsgerichtete Abgeordnete die Kosten in Höhe von 500 Millionen Dollar kritisiert hatten.
„Es sollte hier um nichts anderes gehen als um die Tatsache, dass es sich um eine halbe Milliarde Dollar handelt“, sagte ein republikanischer Abgeordneter laut der Zeitung Texas Tribune während einer Debatte am 1. April. „Dies ist wahrscheinlich eine der einfachsten Abstimmungen, die wir heute durchführen können.“
Die in HB-13 vorgeschlagenen Maßnahmen hätten nicht rechtzeitig umgesetzt werden können, um die Flutkatastrophe vom 4. Juli zu verhindern. Aber das Versagen der Landesregierung war nur ein Glied in einer jahrzehntelangen Kette der Vernachlässigung von sozialer Infrastruktur.
Auf Bundesebene versucht die Trump-Regierung, ihre eigene Schuld an der Katastrophe zu verschleiern. Sie behauptet, dass die von Elon Musks Ministerium für Regierungseffizienz verhängten Kürzungen beim Nationalen Wetterdienst die Behörde nicht daran gehindert hätten, rechtzeitig vor den Sturzfluten zu warnen.
Es besteht kein Zweifel, dass die Mitarbeiter des National Weather Service die Gefahr erkannt und alles in ihrer Macht Stehende getan haben, um Alarm zu schlagen. Trump versteckt sich nun hinter dem Engagement und der Selbstaufopferung genau derjenigen Behördenmitarbeiter, die er und Musk noch vor wenigen Monaten als Parasiten und Bürokraten beschimpft haben.
Die Bemühungen der Angestellten wurden jedoch durch Budgetkürzungen erheblich behindert. Dadurch wurde etwa der vorzeitige Ruhestand des Meteorologen für Warnungskoordination im Büro in San Antonio erzwungen, dessen Hauptaufgabe darin bestand, mit den lokalen Katastrophenschutzbehörden in Kontakt zu stehen. Zum Zeitpunkt der Überschwemmungen waren im Büro in San Antonio sechs von 26 Stellen unbesetzt, im Büro in San Angelo waren es vier von 23.
Trump hat bereits 20 Prozent der Beamten der FEMA entlassen und Pläne angekündigt, die Behörde nach der Hurrikan-Saison 2025 aufzulösen und ihre Aufgaben an die Bundesstaaten zu übertragen. Er hat den Klimawandel als von China inspirierten „Schwindel“ angeprangert und praktisch jeder Bundesbehörde, die sich mit Wissenschaft, Umweltzerstörung und öffentlicher Gesundheit befasst, den Krieg erklärt.
Nächsten Monat jährt sich zum 20. Mal die Katastrophe von Hurrikan Katrina. Dieser Sturm war über den Golf von Mexiko hinwegfegt und hatte die Küsten von Alabama, Mississippi und Louisiana verwüstet. Der Sturm durchbrach die Deiche von New Orleans, überschwemmte die berühmte Stadt und forderte mehr als 2.000 Menschenleben.
Damals verurteilte die WSWS die kriminelle Gleichgültigkeit der Republikanischen Regierung unter US-Präsident George W. Bush und die Unentschlossenheit der Demokraten, die nominell die Opposition bildeten und sowohl die Stadtverwaltung in New Orleans als auch die Landesregierung in Louisiana kontrollierten. Wir schrieben damals:
Die derzeitigen Tragödie hat hauptsächlich gesellschaftliche und politische, nicht natürliche Gründe. Die herrschende Elite der Vereinigten Staaten hat in den letzten 30 Jahren jede Form von staatlicher Regulierung und sozialer Fürsorge, wie sie in früheren Zeiten entstanden sind, abgebaut. Die gegenwärtige Katastrophe ist das fürchterliche Produkt dieses politischen und sozialen Rückschritts.
Die letzten zwei Jahrzehnte waren Jahre unerbittlicher Konterrevolution. Unter den US-Präsidenten Bush, Obama, Trump, Biden und nun wieder Trump hat die herrschende Klasse der USA der Finanzoligarchie unglaubliche Summen an Reichtum transferiert. Das Nettovermögen der US-Milliardäre ist von knapp über 1 Billion Dollar im Jahr 2005 auf heute mehr als 6 Billionen Dollar angestiegen. Im gleichen Zeitraum hat die USA mehr als 14 Billionen Dollar für ihr Militär ausgegeben und einen riesigen Apparat der Gewalt und Unterdrückung aufgebaut, um weltweit Krieg zu führen.
Demokratische und Republikanische Präsidenten haben eine Katastrophe nach der anderen zu verantworten, die jeweils den Verfall der sozialen Infrastruktur offenbaren. Bush war verantwortlich für die massiven Waldbrände in Kalifornien, Obama für die Ölkatastrophe der Deepwater Horizon, den Hurrikan Sandy und den Tornado in Joplin/Missouri, Trump für den Hurrikan Maria, der Tausende Menschen in Puerto Rico tötete, und Biden für den Hurrikan Ida, die katastrophalen Überschwemmungen in Kalifornien und den Hurrikan Helene, den tödlichsten Sturm auf dem US-amerikanischen Festland seit Katrina. In jedem Fall wurde die Bevölkerung sich selbst überlassen, und es wurde nichts unternommen, um die nächste Katastrophe zu verhindern.
Darüber hinaus wurde trotz der zunehmenden Warnungen von Wissenschaftlern vor den katastrophalen Folgen des Klimawandels – darunter häufigere, intensivere und tödlichere Stürme – nichts unternommen, um die Krise zu bewältigen. Genau wie bei der anhaltenden Corona-Pandemie, die Millionen Menschen getötet und dauerhaft beeinträchtigt hat, ist eine rationale und koordinierte Reaktion im Rahmen des kapitalistischen Nationalstaatssystems unmöglich.
Jetzt hat dieser Prozess seinen Höhepunkt erreicht. Die Trump-Regierung verschrottet die Überreste der sozialen Infrastruktur und leitet alle verfügbaren Ressourcen in die Taschen der Superreichen. Das letzte Woche verabschiedete Steuer- und Ausgabenpaket, das mehr als eine Billion Dollar aus dem Gesundheitswesen, der Lebensmittelhilfe und dem Bildungswesen streicht, um massive Steuersenkungen für die Reichen zu finanzieren, ist nur das jüngste Beispiel für einen Staat, der Krieg gegen seine eigene Bevölkerung führt.
Kein Teil des politischen Establishments hat eine Antwort auf die Krise, mit der die arbeitende Bevölkerung konfrontiert ist. Die Reaktion auf Katastrophen wie die Überschwemmungen in Texas muss massive Investitionen in die Infrastruktur, Hochwasser- und Sturmwarnsysteme, Notfallvorsorge und eine koordinierte globale Kampagne zur Eindämmung und Umkehrung des Klimawandels umfassen. Dies erfordert eine Planung auf weltweiter Ebene - was unmöglich ist, solange die Gesellschaft den privaten Profitinteressen der Milliardäre und den nationalen Spaltungen des kapitalistischen Systems unterworfen bleibt.
Die Socialist Equality Party kämpft für die Enteignung der Finanzoligarchie und die Umwandlung der Banken und Großkonzerne in öffentliches Eigentum, das demokratisch von der Arbeiterklasse kontrolliert wird. Der drastische Rechtsruck der herrschenden Elite ist eine Reaktion auf ihre wachsende Angst vor der massiven Radikalisierung der Arbeiterklasse. Die Aufgabe der arbeitenden Bevölkerung besteht darin, ihr Verständnis für die sozialen und historischen Wurzeln dieser Krise zu vertiefen und die revolutionäre Führung aufzubauen, die für die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft erforderlich ist.