Nach undemokratischer Entscheidung des britischen High Court:

Massenverhaftung von Unterstützern der Gruppe Palestine Action

In Großbritannien wurden 29 Personen wegen des Verdachts auf terroristische Aktivitäten verhaftet. Sie hatten bei einer Protestaktion Schilder mit der Aufschrift „Ich bin gegen Völkermord. Ich unterstütze Palestine Action“ hochgehalten.

Die Protestveranstaltung war von der Organisation Defend Our Juries am Samstag auf dem Parliament Square einberufen worden, nur wenige Stunden, nachdem die Labour Regierung die Gruppe Palestine Action offiziell hatte verbieten lassen. Durch dieses Verbot, das ab Mitternacht von Freitag zu Samstag in Kraft trat, können die Mitgliedschaft und jede Form der Unterstützung für die Gruppe, die friedliche Proteste organisiert hatte, mit bis zu vierzehn Jahren Haft bestraft werden.

Die Verhaftungen setzten zwanzig Minuten nach Beginn der Kundgebung ein. Mehrere Personen, darunter viele Ältere, wurden in Handschellen in Transporter abgeführt. Unter den Verhafteten befand sich auch die 83-jährige Pfarrerin Sue Parfitt.

Der Chef der Metropolitan Police, Sir Mark Rowley, erklärte am nächsten Morgen in einem Interview: „Es geht hier nicht um Proteste. Hier geht es um eine Organisation, die schwere Straftaten begeht“, und er drohte: „Wer verbotene Organisationen unterstützt, gegen den wird das Gesetz angewandt (...) Sie verstoßen gegen ein schwerwiegendes Gesetz.“

Protestkundgebung gegen das Verbot von Palestine Action vor den Royal Courts of Justice, 4. Juni 2025 [Photo: WSWS]

Diese Menschen sind nur die ersten Opfer einer Entscheidung die in weniger als zwei Wochen durch das Parlament gepeitscht wurde. Sie kriminalisiert die freie Meinungsäußerung von Millionen Menschen und zielt darauf ab, jeden Widerstand gegen Israels Völkermord an den Palästinensern vollständig zu verbieten.

Der High Court hatte am 4. Juli den Antrag von Palestine Action abgelehnt, das Verbot vorläufig, bis zu einer juristischen Überprüfung, auszusetzen. Dieses Urteil macht deutlich, in was für autoritäre Verhältnisse Großbritannien gestürzt wird.

Mit diesem Urteil widersprach Richter Chamberlain den Gutachten des UN-Sonderberichterstatters für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten im Rahmen der Terrorismusbekämpfung, des National Council for Civil Liberties (Liberty) und von Amnesty International UK.

Rechtlich gesehen musste das Gericht entscheiden, ob es ernsthafte Gründe dafür gab, die Anweisung der Regierung als rechtswidrig einzustufen. In diesem Falle, und angesichts des offensichtlichen Ausmaßes des Falles, musste das Gericht den Schaden abwägen, der sich aus einer Ablehnung oder der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz ergeben würde.

Chamberlain wies das wichtigste Argument der Anwälte von Palestine Action zurück, dass sich nämlich die Verbotsanweisung in unzulässiger Weise gegen „ein Netzwerk des zivilen Ungehorsams durch direkte Aktion“ richten würde. Der Richter erklärte, die „Wortwahl des Parlaments“ bei der Abfassung des Terrorism Act von 2000 sei unzweideutig und beziehe sich auf „schwere Sachschäden“.

Der UN-Sonderberichterstatter wies in seinem Gutachten darauf hin, dass „Protestbewegungen, die erklärtermaßen die Menschenrechte verteidigen, auch wenn sie Eigentumsrechte missachten oder gewisse Interessen der nationalen Sicherheit beeinträchtigen, sich jedoch nicht an anhaltenden Mordkampagnen beteiligen“, im Allgemeinen nicht als „terroristische Vereinigung“ eingestuft werden, „selbst wenn sie technisch gesehen unter die Definition des nationalen Terrorismus fallen könnten“.

Chamerlain räumte ein, dass es „manchmal legitim ist, ein Gesetz enger auszulegen, als es sein ausdrücklicher Wortlaut nahelegt, beispielsweise im Einklang mit dem Legalitätsprinzip oder im Einklang mit nicht eingetragenem Völkerrecht“.

Dennoch kam er zu dem Schluss, dass es „nicht möglich“ sei, in den Terrorism Act „eine Einschränkung für den Einsatz der Macht gegen ‚zivilgesellschaftliche oder Dissidentengruppen‘“ hineinzuinterpretieren. „Hätte das Parlament eine solche Einschränkung beabsichtigt, dann hätte es diese ausdrücklich eingearbeitet.“

Dies eröffnet die Möglichkeit, zahlreiche politische und Protestorganisationen zu verbieten. Die Regierung begründet ihre Anordnung teilweise mit „Einnahmeverlusten“ von Privatunternehmen. Was würde das für Gruppen von Arbeitern bedeuten, die Streiks oder Blockaden organisieren?

Chamberlain stellte Innenministerin Yvette Cooper einen Blankoscheck aus, als er erklärte: „In diesem Fall hat die Innenministerin nicht aus irgendeinem sachfremden Grund gehandelt, etwa um abweichende politische Ansichten zu unterdrücken.“

Das Gericht gab zu, dass es eine „schwerwiegende Frage“ sei, ob das Verbot gegen Artikel 10 und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (das Recht auf freie Meinungsäußerung und das auf Vereinigungsfreiheit) verstoße. Es sei jedoch zu prüfen, ob der Eingriff im Hinblick auf die „nationale Sicherheit“ verhältnismäßig sei.

Die Phrase „nationale Sicherheit“ kommt auf den 26 Seiten des Urteils dreizehnmal vor. Chamberlain betonte nachdrücklich den „großen Ermessensspielraum“, der der Innenministerin eingeräumt wird, wenn es „um Entscheidungen über den Schutz der Öffentlichkeit vor Risiken im Zusammenhang mit Terrorismus“ geht.

Das Urteil räumt ein: „Die dem Gericht vorliegenden Materialien [die diese „Risiken“ beweisen] sind wegen der Dringlichkeit, mit der diese Anhörung einberufen wurde, zwangsläufig begrenzt.“ Tatsächlich hatte das Gericht lediglich Zugang zu Coopers ministerieller Erklärung, mit der die Innenministerin ihr Verbot erließ. Dieses Schreiben enthielt jedoch so wenige Beweise, dass sich die Anwälte von Palestine Action zu der Frage veranlasst sahen, ob Cooper überhaupt „eine Rechtfertigung für das Verbot aus Gründen der nationalen Sicherheit“ vorgelegt habe.

Chamberlain reichte jedoch die Feststellung, dass „unter den Zielen der PA [Palestine Action] sowohl ‚wichtige nationale Infrastruktur‘ als auch Firmen sind, die Rüstungsgüter für Großbritannien und seine Verbündeten herstellen“. Daher würde „die Aussetzung der Wirkung dieser Anordnung selbst für kurze Zeit“ bedeuten, dass der Öffentlichkeit ein wichtiger Schutz vorenthalten werde. Damit setzte der Richter die „Öffentlichkeit“ praktisch mit der Rüstungsindustrie gleich.

Demnach wiegt die angebliche Bedrohung der nationalen Sicherheit schwerer als die massiven staatlichen Angriffe auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und politische Organisation.

Die Anwälte von Palestine Action wiesen auf die Folgen hin, die selbst ein kurzzeitiges Verbot haben wird. Damit kann „ein über fünf Jahre aufgebautes Grassroots-Netzwerk über Nacht zerstört werden. Sämtliche Verteilerlisten, Social Media-Accounts und Literatur werden gelöscht oder vernichtet. Alle Gelder und Vermögenswerte gelten sofort als terroristisches Eigentum.“

In manchen Fällen könnten die Folgen tödlich sein. Die Gründerin von Palestine Action Huda Ammori erklärte, angesichts der Politik der außergerichtlichen Ermordung von „Terroristen“ durch die USA müsse sie „Reisen in den Nahen Osten aus Angst vor Mordanschlägen vermeiden“.

Die Anwälte von Palestine Action erklärten, die Anweisung habe eine „zutiefst abschreckende Wirkung auf die Meinungsfreiheit in einer Zeit akuter öffentlicher Besorgnis über die schweren Verstöße gegen das Völkerrecht, die an den Palästinensern im Gazastreifen begangen werden“.

Die irische Autorin Sally Rooney schilderte in einer Erklärung, welche kulturellen Auswirkungen das Verbot haben wird: „Mir wird faktisch verboten, künftig bei öffentlichen Veranstaltungen in Großbritannien zu sprechen, weil ich meine Prinzipien nicht guten Gewissens in der Öffentlichkeit verheimlichen oder darüber lügen kann.“

Sie fragte: „Werden Buchhandlungen weiterhin Werke einer Autorin führen, wenn die Innenministerin diese als ‚Terroristin‘ brandmarkt, nur weil sie eine Protestorganisation unterstützt? (...) Wird BBC meine Werke weiterhin zeigen und Werbung dafür machen?“

Die Konsequenzen für Künstler in Großbritannien werden sich an dem Musiker Roger Waters zeigen, der sie durch seine prinzipielle Haltung auf die Probe stellt. Er hat nach Inkrafttreten des Verbots ein Video veröffentlicht, in dem er erklärte: „Ich unterstütze Palestine Action. Sie sind eine großartige Organisation. Sie sind gewaltfrei und in keiner Weise terroristisch.“

Das Video wurde bereits deutlich über eine halbe Million Mal angesehen. Die zionistische Campaign Against Antisemitism (CAA) erklärte, sie werde privat Klage einreichen, wenn kein Verfahren gegen Waters eröffnet wird.

Chamberlain räumt in seinem Urteil ein, dass das Verbot „zweifellos schwerwiegende Auswirkungen“ für die Klägerin und viele andere haben werde. Es werfe „einen langen Schatten auf die legitime Meinungsäußerung“. Doch genau das sei der Zweck einer Anordnung, die „darauf abzielt, Organisationen zu beeinträchtigen und zu lähmen, die die Voraussetzungen für ein Verbot erfüllen, und deren Verbot die Innenministerin und das Parlament beschlossen haben“.

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