Immer mehr Kliniken in Deutschland vor dem finanziellen Kollaps

Die finanzielle Lage der Krankenhäuser in Deutschland verschlechtert sich von Jahr zu Jahr. Wie aus dem Krankenhaus Rating Report 2025 des RWI Leibnitz-Instituts für Wirtschaftsforschung hervorgeht, schrieben im letzten Jahr 56 Prozent der Kliniken rote Zahlen – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr mit 43 Prozent.

Sommer 2021: Pflegekräfte von Vivantes und der Charité in Berlin kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen [Photo: WSWS]

Im Jahr 2020 verbuchten lediglich 22 Prozent der Kliniken Verluste. Darüber hinaus haben heute über die Hälfte der Häuser kaum ausreichende finanzielle Rücklagen und können ihre laufenden Kosten oft nur für kurze Zeit decken.

Entsprechend steigt die Anzahl der Insolvenzen und der Klinikschließungen. 2024 gab es 24 Insolvenzen und ein Jahr zuvor sogar 29 Insolvenzverfahren. Bereits in diesem Jahr wurden rund ein Dutzend Kliniken geschlossen.

Ein aktuelles Beispiel ist die Schlosspark-Klinik in Berlin-Charlottenburg mit 10.000 Patienten pro Jahr. Der Betrieb der Klinik, die am 25. Juni Insolvenz anmelden musste, wird vorläufig weitergeführt und die knapp 750 Beschäftigten erhalten für die nächsten drei Monate ihre Gehälter über die Agentur für Arbeit. Danach sollen die Beschäftigten ihr Gehalt wieder von der Klinik bekommen. Die bevorstehende Sanierung wird von der Unternehmensberatung „Horizon-Re“ und der Geschäftsführung der Klinik erarbeitet.

Das dies mit erheblichen Kürzungen und Einsparungen beim Personal einhergeht, liegt auf der Hand. Beispielhaft dafür ist das Krankenhaus Waldfriede im Berliner Ortsteil Zehlendorf. Im letzten Oktober ging die Klinik aufgrund der finanziellen Schieflage in ein Schutzschirmverfahren. Zur Aufhebung des Verfahrens wurde nun eine Erhöhung der Anzahl der Operationen sowie der Verzicht auf Einsatz von Leasing-Kräften vereinbart, was bedeutet, dass die Arbeitsbelastung für die rund 700 Beschäftigten erheblich steigt. Zusätzlich wurden von etwa zehn Assistenzärzten die Verträge nicht verlängert, in anderen Abteilungen hat man Mitarbeitende in die Rente entlassen und deren Stellen nicht neu ausgeschrieben, wie der Tagesspiegel berichtet.

Diese Entwicklung ist politisch gewollt. Der Grund für die finanzielle Schieflage sind steigende Kosten, vor allem aber die fehlende finanzielle Unterstützung. Anstatt ausreichende Mittel in die Gesundheitsversorgung zu investieren und angeschlagene Kliniken wieder mit genügend Mitteln auszustatten, fließen diese Gelder direkt in die Aufrüstung.

2023 wurden lediglich 3,9 Milliarden Euro mehr an Investitionsfördermittel in Kliniken gesteckt, um das Nötigste abzudecken. Der aktuelle Report geht von einem jährlichen Investitionsbedarf der Plankrankenhäuser von mindestens 5,9 Milliarden Euro aus, zuzüglich Universitätskliniken von 6,8 Milliarden Euro.

Lässt man einmal das umfangreiche Sondervermögen außer acht, ist der ohnehin schon aufgeblähte deutsche Verteidigungshaushalt allein in diesem Jahr um mehr als 10 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr angehoben worden.

Kurz nach der Bundestagswahl im Februar wurden Kriegskredite über eine Billion Euro für die Aufrüstung und die Kriegstüchtigkeit der Infrastruktur verabschiedet. Diese Aufrüstung muss nun aus der Bevölkerung durch Sozialkürzungen herausgepresst werden. Der Haushalt für Gesundheit ist von rund 64 Milliarden Euro im Jahr 2022 über etwa 24 Milliarden in 2023 auf aktuell 19,3 Milliarden Euro (2025) gestutzt worden.

Bereits 2019 forderte der spätere Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf Twitter (jetzt X), „dass wir in Deutschland mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite, Klinik schließen sollten“. Kurz darauf, am 15. Juli 2019, veröffentlichte die Bertelsmann-Stiftung eine Studie, in der die Schließung von etwa 800 von 1.400 Kliniken in Deutschland empfohlen wurde. Absurderweise solle mit der Reduzierung der Kliniken, laut der Studie, die Qualität der Versorgung verbessert werden.

Mitte Oktober letzten Jahres hat die damalige Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP mit Gesundheitsminister Lauterbach die sogenannte Krankenhausreform beschlossen, mit der flächendeckend Klinikschließungen durchgesetzt und die verbleibenden Kliniken profitabel getrimmt werden sollen.

Auch die CDU-SPD-Regierung mit Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat bekräftigt, dass diese Reform unbedingt umgesetzt wird. Warken geriet zuletzt in die Kritik, da sie bei der Umsetzung der Reform den Ländern mehr Zeit und Sonderregelungen in Aussicht stellte. Vor allem Vertreter der Grünen warnten vor einer „Verwässerung“ der Reform. Sie befürchten eine Verzögerung der geplanten Einsparungen zu Gunsten der Mittel für die Aufrüstung.

Länder und Kommunen stehen unter Druck, da die Schließungen von Kliniken extrem unpopulär sind. In Bayern plant Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Reform der Regelungen zu Bürgerentscheiden, damit diese geplante Krankenhausschließungen nicht mehr verhindern oder verzögern können.

Die Probleme der Kliniken sind symptomatisch für das gesamte Gesundheitswesen. Bereits seit längerem steht die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung und des Gesundheitsfonds auf der Kippe. Das Defizit lag im letzten Jahr bei knapp 10 Milliarden Euro. Daraufhin haben fast alle gesetzlichen Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge spürbar erhöht und weitere Erhöhungen sind angekündigt.

Der Krankenhaus Rating Report 2025 geht von einer Steigerung der Sozialabgaben von aktuell 42 auf über 50 Prozent im Jahr 2035 aus. In ihrem Koalitionsvertrag hatten Union und SPD den Einsatz einer Kommission vereinbart, die bis zum Frühjahr 2027 Ergebnisse vorlegen soll.

Warken erklärte kürzlich, dass dieser Zeitrahmen viel zu spät sei und das notwendige Reformen deutlich früher auf den Weg gebracht werden müssten. Dabei ist davon auszugehen, dass diese vollständig zu Lasten von Patienten und Beschäftigten gehen werden.

Um einen Eindruck davon zu bekommen, muss man sich die Forderungen der Autoren des Reports ansehen. Diesen gehen die bisherigen Reformen nicht weit genug. Sie fordern, dass die Bundesregierung „mutiger sein“ müsse.

Das RWI war durch Boris Augurzky direkt an der letzten Krankenhausreform beteiligt. Die marktradikale Denkfabrik ist auf mehreren Ebenen an den Entscheidungen in der Gesundheitspolitik beteiligt.

Wichtigstes Ziel für Augurzky ist die Senkung der Ausgaben für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Derzeit beansprucht das deutsche Gesundheitssystem 12,4 Prozent des BIP. Gut möglich, dass der BIP-Anteil des Gesundheitswesens mittelfristig auf zehn Prozent sinken müsse, so Augurzky.

Wichtigstes Mittel dazu ist die Reduzierung von ärztlichen Behandlungen. Dies soll vorrangig durch ein Primärärztesystem erreicht werden, bei dem gesetzlich Versicherte immer erst bei ihrem Hausarzt vorstellig werden müssen, bevor sie zu einem Facharzt überwiesen werden. Bei der vorherrschenden Struktur in Deutschland würde dies unweigerlich zu nicht erfolgten oder verspäteten Behandlungen führen, mit möglicherweise verheerenden Konsequenzen für Patienten.

Weiter werden Reformen bei der Notfallversorgung sowie des Rettungsdienstes und eine „Eigenbeteiligung der Patienten an den Gesundheitskosten“ gefordert. Im Klartext: Eine adäquate Behandlung sollen nur jene erhalten, die es sich leisten können. Darüber hinaus wird eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit gefordert, um das Erwerbsvolumen zu steigern. Die Reichen sollen also die beste medizinische Versorgung erhalten, während Arbeiter sich bis ins hohe Alter zu Tode schuften sollen.

Loading