Am Mittwoch stimmte das britische Unterhaus mit einer überwältigenden Mehrheit von 385 zu 26 Stimmen für den Antrag der Innenministerin Yvette Cooper, die Gruppe Palestine Action (PA) als Terrororganisation zu verbieten. Das Votum könnte dem Staat ermöglichen, friedliche Proteste gegen Völkermord als Terrorismus zu brandmarken.
Wenn das Oberhaus den Antrag am Donnerstag ebenfalls annimmt, wird Palestine Action ab Freitag um Mitternacht als Terrororganisation eingestuft. Mitgliedschaft oder Aufrufe zur Unterstützung von Palestine Action werden dann als Verbrechen gewertet und können gemäß des Anti-Terrorismus-Gesetzes mit bis zu vierzehn Jahren Haft bestraft werden.
Am Freitag werden Anwälte von Palestine Action vor dem High Court eine einstweilige Verfügung beantragen, um das Verbot als terroristische Organisation zu verhindern, bis die Justiz die Anordnung der Regierung geprüft hat.
Bei der Abstimmung stellte sich die Labour-Regierung unter der Führung des ehemaligen Menschenrechtsanwalts Sir Keir Starmer gegen Millionen Menschen, die sich gegen den Völkermord im Gazastreifen wehren, sowie gegen eine breite Öffentlichkeit, die den historischen Angriff des Parlaments auf das Recht auf Protest, Rede- und Versammlungsfreiheit ablehnt.
Innenministerin Cooper hatte ihre Absicht erklärt, Palestine Action zu verbieten, nachdem die Gruppe am 20. Juni eine friedliche Protestveranstaltung auf dem Luftwaffenstützpunkt Brize Norton organisiert hatte. Seither haben Zehntausende ihre Empörung über die Versuche der Regierung geäußert, Widerstand gegen den Völkermord im Gazastreifen zu kriminalisieren.
Letztes Wochenende jubelten am Glastonbury Festival Tausende junger Menschen den Gruppen Kneecap und Bob Vylan zu, die Palestine Action unterstützten. Mo Chara von Kneecap wird wegen seiner engagierten Verteidigung der Palästinenser ebenfalls Unterstützung von Terrorismus vorgeworfen.
Das britische Parlament hat bei seiner Abstimmung offen die Aufrufe von mehreren Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen vom Dienstag ignoriert, die gegen das geplante Verbot von Palestine Action protestierten. In einem Aufruf hieß es: „Laut internationalen Standards dürfen Proteste mit Sachschäden, bei denen die Verletzung oder Tötung von Personen jedoch nicht beabsichtigt ist, nicht als Terrorismus eingestuft werden. (...) Dies hätte einschüchternde Wirkung auf politische Proteste und allgemein das Eintreten für die Verteidigung der Menschenrechte in Palästina.“
Doch genau das ist die Absicht der Regierung.
Die UN-Experten wurden von mehr als 3.000 Anwälten, Akademikern und Prominenten aus ganz Großbritannien unterstützt, welche die Innenministerin in einem offenen Brief aufriefen, ihren Verbotsantrag zurückzunehmen. Sie warnten die Regierung davor,
direkte Aktionen zu kriminalisieren und dabei selbst einen Verstoß gegen das Völkerrecht zu riskieren, da der Internationale Gerichtshof festgestellt hat, dass im Gazastreifen vermutlich ein Völkermord stattfindet.
Doch Starmers Regierung hat ihre feindselige Einstellung gegenüber den grundlegendsten demokratischen Prinzipien deutlich gemacht.
Im britischen Parlament gab es so gut wie keinen Widerstand. Unter den 26 Abgeordneten, die gegen das Verbot gestimmt hatten, waren nur neun amtierende Labour-Abgeordnete. Dazu kamen sechs Parteilose, darunter Jeremy Corbyn, John McDonnell und Zarah Sultana. Von den Liberal Democrats stimmten sechs dagegen, 66 enthielten sich. Von der Scottish National Party (SNP) lehnte kein einziger Abgeordneter den Antrag ab, alle neun enthielten sich.
Palestine Action wird in dem Verbotsantrag gemeinsam mit dem Maniacs Murder Cult und dem Russia Imperial Movement als terroristische Vereinigungen in den USA aufgelistet, die beide in Großbritannien so gut wie unbekannt sind. Damit wurde stillschweigend zugegeben, dass es keine juristische Grundlage für ein Verbot der PA gibt.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Doch der Sicherheitsminister von Labour Dan Jarvis erklärte dreist, dass Palestine Action mit diesen faschistischen Organisationen auf eine Stufe gestellt werde, und dies bekräftige „Großbritanniens Nulltoleranzpolitik gegenüber Terrorismus, unabhängig von seiner Form oder der zugrundeliegenden Ideologie“ .
Jeremy Corbyn sprach als Oppositioneller von den „Jahrzehnten unserer Geschichte“, in denen diejenigen, die oft die Methoden der direkten Aktion genutzt haben, „für freie Meinungsäußerung und Demokratie gekämpft haben, beginnend bei den Chartisten, über die Suffragetten bis hin zu denjenigen, die für ein Ende der Apartheid in Südafrika kämpften“.
Zarah Sultana, die als Corbyns Nachfolgerin aufgebaut wird, beschrieb das Verbot als „beispiellosen und gefährlichen staatlichen Übergriff“, bei dem „ein gewaltloses Netzwerk von Studierenden, Pflegekräften, Lehrern, Feuerwehrleuten und Friedensaktivisten – einfache Leute aus meiner und Ihrer Wählerschaft – mit Neonazi-Milizen und Massenmordkulten in einen Topf geworfen wird“. Weiter erklärte sie:
Ab diesem Wochenende könnten Millionen Menschen, darunter viele unserer Wähler, Opfer dieser umfassenden Einschränkungen werden.
Das wahre Verbrechen von Palestine Action ist, dass sie mutig genug ist, die blutbesudelten Bande zwischen dieser Regierung und dem völkermörderischen israelischen Apartheidsstaat und seinem Kriegsapparat zu entlarven. Ich sage es laut und stolz: am 2. Juli 2025 sind wir alle Palestine Action.“
Doch damit stieß sie auf taube Ohren. Die Abstimmung am Donnerstag bestätigt, dass es in der herrschenden Klasse, ihren Parteien und dem Parlament keinen Rückhalt für die Verteidigung demokratischer Rechte gibt.
In der Downing Street protestierten Tausende gegen das Verbot der Organisation. Eigentlich sollte die Demonstration vor dem Parlament stattfinden, doch die Londoner Metropolitan Police hatte Einschränkungen verhängt. Vier Menschen wurden verhaftet, darunter Emma Kamio, die Mutter von Leone Kamio, einer der als Filton 18 bekannten politischen Gefangenen,die wegen eines Protests beim israelischen Waffenhersteller Elbit Systems in Filton bei Bristol im vergangenen August in Untersuchungshaft sitzen.