Perspektive

Dollarverfall zeigt Krise des US-amerikanischen und globalen Kapitalismus

Arbeiter mit frisch gedruckten US-Dollar-Scheinen, Western Currency Facility des Bureau of Engraving and Printing in Fort Worth, Texas, 8. Dezember 2022 [AP Photo/LM Otero]

Der US-Dollar hat den schlechtesten Jahresstart seit 1973 hingelegt. Damals, im August 1971, hatte US-Präsident Nixon beschlossen, die Goldbindung des US-Dollars aufzuheben und das Bretton-Woods-Abkommen von 1944 außer Kraft zu setzen. Das Bretton-Woods-Abkommen war ein zentraler Pfeiler der Nachkriegswährungsordnung und sollte ein Chaos wie in den 1930er Jahren für die Zukunft verhindern.

Heute ist der US-Dollar in den ersten sechs Monaten des Jahres gegenüber einem Korb von sechs wichtigen Währungen um mehr als 10 Prozent gefallen. Dies ist ein Zeichen für den Vertrauensverlust in seine Rolle als globale Leitwährung und sicherer Hafen in Zeiten finanzieller Turbulenzen und Belastungen.

Der Dollar stand seit Jahresbeginn unter Abwärtsdruck. Der Wendepunkt in seinem Abwärtstrend erfolgte allerdings nach dem 2. April, als Trump die Verhängung massiver „gegenseitiger Zölle” für eine Reihe von Ländern ankündigte.

Die mit dieser Entscheidung einhergehende Umwälzung des internationalen Handelssystems der Nachkriegszeit löste Finanzturbulenzen aus. Diese wiederum führten zu einem deutlichen Einbruch des US-Anleihemarktes und damit zu einem Anstieg der Renditen bzw. Zinsen.

Doch statt einer Flucht in den Dollar, die als „normale” Reaktion angesehen worden wäre, kam es zu einem Ausverkauf des Dollars. Dies ließ seinen Wert an den Devisenmärkten sinken und das vorherrschende Motto lautete „Sell America”.

Trump reagierte auf den Ausverkauf an den Anleihemärkten, der seiner Meinung nach „übertrieben” war. Doch trotz Trumps Entscheidung vom 9. April, die Einführung der Zollerhöhungen für 90 Tage auszusetzen, um Verhandlungen zu ermöglichen, hat sich der Abwärtstrend fortgesetzt.

In den fast drei Monaten seitdem wurde lediglich eine Vereinbarung mit Großbritannien getroffen. Mit dem baldigen Fristende für die Einigung im Zollstreit zum 9. Juli kehrt die Nervosität zurück. Die Besorgnis bezieht sich nicht nur auf die pauschalen Gegenzölle, sondern auch auf andere von Trump angekündigte Maßnahmen. Besonders hervorzuheben sind hier die angekündigten hohen Zölle auf importierte Automobile, die sich gegen Japan und Deutschland richten.

Japan hat mit der Trump-Regierung eine Reihe von Gesprächen über die Zollerhöhungen geführt, da der japanischen Autoindustrie Kosten in Höhe von mehreren zehn Milliarden Dollar drohen. Eine Einigung wurde jedoch bislang nicht erzielt.

Zu Beginn dieser Woche fiel der Dollar erneut um 0,5 Prozent. In einem Kommentar der Financial Times zum Wertverlust des Dollars nennt Francesco Pesole, Devisenstratege bei der Finanzfirma ING, einige Gründe dafür.

„Der Dollar ist zum Prügelknaben der unberechenbaren Politik von Trump 2.0 geworden“, schreibt Pesole und verweist auf den Zollkrieg, das Wachstum der US-Schulden und die anhaltenden Angriffe auf die Unabhängigkeit der US-Notenbank Fed.

Trump hatte die Fed aufgefordert, eine Leitzinssenkung von derzeit 4,5 Prozent auf 1 oder 2 Prozent vorzunehmen. Als sich Notenbankchef Jerome Powell weigerte, die Zinsen zu senken, beschimpfte Trump ihn öffentlich als „Dummkopf“ und „Idioten.

Trumps Agenda und der dadurch verursachte den Anstieg der Staatsschulden befeuern zudem die Turbulenzen, so das Ergebnis einer Umfrage der Financial Times unter Ökonomen. Die im US-Haushalt vorgesehenen Steuersenkungen für Reiche und Konzerne lassen den US-Schuldenberge von 36 Billionen Dollar um weitere 3,2 Billionen Dollar anwachsen.

In dem Bericht zur Umfrage heißt es, dass Trumps „atemberaubende fiskalpolitische Exzesse“ zusammen mit „Angriffen auf die Unabhängigkeit der Federal Reserve den Status der USA als ultimativen sicheren Hafen für ausländische Investoren gefährden“.

Ein Kommentar von Saroj Bhattarai von der University of Texas in Austin fasst die vorherrschende Stimmung zusammen.

„Die sicheren Häfen scheinen der Schweizer Franken und Gold zu sein. Tatsächlich wirken die USA wie ein Schwellenland, in dem politische Unsicherheit zu steigenden Risikoprämien führt, was die langfristigen Renditen in die Höhe treibt und den Wert der Währung sinken lässt.”

Unter Berufung auf die Ereignisse nach dem 2. April, den Trump als „Tag der Befreiung” bezeichnet hatte, sagt Evi Papa, Ökonomin an einer großen Madrider Universität: „US-Staatsanleihen sind möglicherweise keine sicheren Anlagen mehr.”

Das mangelnde Vertrauen in den US-Dollar treibt den Goldpreis auf neue Höchststände. Er ist in diesem Jahr um rund 25 Prozent gestiegen und erreichte zeitweise 3.500 Dollar pro Unze, das 100-Fache seines Preises von 35 Dollar, als Nixon die Goldbindung des US-Dollars aufhob. Ein treibender Faktor des Anstiegs ist der verstärkte Ankauf durch Zentralbanken.

Die Taxpayers Association of Europe (TAE) hat sogar Briefe an die Finanzministerien und Zentralbanken Italiens und Deutschlands geschickt, in denen sie fordert, dass ihr Gold, das in den Goldtresoren der Fed in Manhattan lagert, abgezogen wird.

TAE-Präsident Michael Jäger gegenüber der Financial Times: „Wir sind sehr besorgt darüber, dass Trump die Unabhängigkeit der Federal Reserve Bank antastet.“

Diese Befürchtungen sind nicht unbegründet, wenn man sich daran erinnert, dass die Aufhebung der Goldbindung des US-Dollars 1971 einfach am Sonntagabend im Fernsehen angekündigt wurde, ohne dass zuvor Gespräche mit anderen Mächten stattgefunden hatten.

Angesichts des anhaltenden Dollarverfalls und der steigenden Verschuldung besteht die reale Möglichkeit, dass die Trump-Regierung jederzeit einseitig handeln könnte.

In regierungsnahen amerikanischen Wirtschaftskreisen kursiert die Idee, US-Staatsanleihen in ewige Schuldverschreibungen umzuwandeln. Das bedeutet, Staatsanleihen würden zwar weiterhin verzinst, aber der Kapitalbetrag würde nie zurückgezahlt werden – eine Maßnahme, die man als Zahlungsausfall der USA ansehen kann.

Dies wurde bereits im April von US-Finanzminister Scott Bessent abgelehnt. Aber allein dass er dies zumindest vorläufig unterbinden musste, ist ein Hinweis darauf, welche Maßnahmen angesichts der sich verschärfenden Schuldenkrise diskutiert werden.

Die Maßnahmen der Trump-Regierung sind zwar die unmittelbare Ursache für den Dollarverfall, aber sie sind selbst das Ergebnis einer historischen Krise des US-Imperialismus, die in seinem langfristigen wirtschaftlichen Niedergang begründet liegt.

Als der globale Kapitalismus nach dem Krieg nicht zuletzt durch das Bretton-Woods-Abkommen wieder stabilisiert wurde, war er die industrielle Macht der Welt. Er nutzte diese Macht, um nach dem Chaos der 1930er Jahre eine wirtschaftliche Ordnung zu etablieren.

Dies war kein Ergebnis US-amerikanischer Großzügigkeit. Es beruhte auf der Erkenntnis, dass die Welt und die USA ohne diese Maßnahme in die Bedingungen der Weltwirtschaftskrise zurückfallen würden. Dies wiederum hätte die Aussicht auf eine soziale Revolution mit sich gebracht.

Die Wiederbelebung der Weltwirtschaft untergrub jedoch zunehmend die dominante Stellung der USA im Welthandel und führte zu Zahlungsbilanz- und Handelsdefiziten, sodass die Vereinigten Staaten den Dollar nicht mehr gegen Gold einlösen konnten.

Nach der Entscheidung von US-Präsident Nixon behielt der Dollar seine Stellung als Weltwährung. Allerdings auf einer neuen Grundlage. Er war nun eine Fiat-Währung, die nicht mehr durch Gold gedeckt war, sondern durch die Macht des US-Staates und seiner Finanzmärkte.

Der damit einhergehende Aufstieg der Finanzwirtschaft setzte jedoch Prozesse in Gang, die zur aktuellen Krise geführt haben. In den letzten 50 Jahren sind die USA zum Zentrum des Finanzparasitismus und der Spekulation geworden. Dies hat zu einer Reihe von Finanzstürmen geführt: dem Börsencrash vom Oktober 1987, dem Zusammenbruch der Dotcom-Blase im Jahr 2001, der Finanzkrise von 2008 und dem Einfrieren des Treasury-Marktes im März 2020, um nur einige der prominentesten Turbulenzen zu nennen.

Während dieser Zeit kam es zu einer Eskalation der Staatsverschuldung, nicht zuletzt aufgrund der Erhöhung von Militärausgaben und massiver Rettungsmaßnahmen für Unternehmen und Banken. Dies spiegelt sich im Wachstum des Treasury-Marktes, auf dem Staatsanleihen gekauft und verkauft werden, von rund 5 Billionen Dollar im Jahr 2008 auf heute 29 Billionen Dollar.

Der Aufstieg von Parasitismus und Spekulation als Haupttreiber der Profitakkumulation führte zum Aufstieg einer auf Finanzkapital basierenden Oligarchie. Dies zeigt sich daran, dass nur 15 Prozent der Finanzmarkttransaktionen mit der Entwicklung neuer Investitionen zu tun haben, während 85 Prozent auf dem Handel mit Finanzanlagen basieren.

Das Finanzkapital kann jedoch nicht endlos weiter akkumulieren und scheinbar aus dem Nichts Gewinne schaffen, indem es Schulden aufnimmt. Alle Finanzanlagen, Aktien, Schulden und die verschiedenen anderen undurchsichtigen Mechanismen sind letztendlich ein Anspruch auf den Mehrwert, welcher der Arbeiterklasse entzogen wird.

Folglich gibt es keine friedliche Lösung für die sich verschärfende Krise innerhalb des kapitalistischen Ordnungsrahmens. Für die USA bedeutet dies eine Verschärfung der Kriege an der wirtschaftlichen und militärischen Front, um ihre Rivalen und Feinde wie China, aber auch ehemalige Verbündete in Europa zu zerschlagen, verbunden mit einem Krieg gegen die Arbeiterklasse im eigenen Land, der von einem diktatorischen Regime durchgesetzt wird.

Es gibt auch keine Aussicht auf eine sogenannte multipolare Welt, in der Währungen nebeneinander existieren und friedlich konkurrieren, wie sie von China und zunehmend auch von Europa propagiert wird. Dieser Weg wäre eine Rückkehr zu den wirtschaftlichen Konflikten der 1930er Jahre, die zum Zweiten Weltkrieg führten. Deshalb rüsten die Regierungen weltweit inmitten der sich verschärfenden wirtschaftlichen Turbulenzen auf und bereiten sich auf Krieg vor.

Die Dollar-Schuldenkrise hat ihre Wurzeln nicht einfach in der Persönlichkeit und den Handlungen Trumps – letztlich ist die Person Trump nur der bösartigste Ausdruck von dem, was im Ganzen der historische Bankrott des kapitalistischen Systems ist.

Die Arbeiterklasse steht vor die Notwendigkeit, dieses System der Kriege, Wirtschaftskrisen, Entbehrungen, faschistischen und autoritären Regimes zu beenden. Sie muss dafür den politischen Kampf für den internationalen Sozialismus aufnehmen. Und sie muss die Weltpartei der sozialistischen Revolution aufbauen, die diesen Kampf anführt: Das ist das Internationale Komitee der Vierten Internationale.

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