Verdis Ausverkauf der CFM-Beschäftigten an der Charité

Charité Berlin [AP Photo/Michael Sohn]

Vergangene Woche verkündete die Verdi-Tarifkommission die Annahme der ausgehandelten Tarifvereinbarung bei der Charité Facility Managment (CFM). 78,1 Prozent der Verdi-Mitglieder haben demnach der Vereinbarung zugestimmt.

Bei der CFM arbeiten rund 3500 Beschäftigte in den Bereichen Medizintechnik, Krankentransport, Haustechnik, Reinigung und Sicherheit. In aktuellen Tarifauseinandersetzung hatten die Beschäftigten an 48 Tagen für mehr Lohn gestreikt.

Die Vereinbarung ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten. Sie wurde im Wesentlichen in Hinterzimmern zwischen dem CFM-Management, Verdi und dem Berliner Senat getroffen.

Die Einigung sieht eine stufenweise Angleichung der Grundgehälter an die Entgelttabelle des TVöD bis 2030 vor. Rückwirkend ab dem 1. Juni diesen Jahres erfolgt die erste Anpassung, die komplette Angleichung soll schrittweise bis zum 1. Januar 2030 erfolgen. Je nach Tätigkeit und Eingruppierung können die Gehälter der CFM-Beschäftigten bis 2030 damit zwischen 200 und 1000 Euro Brutto im Monat steigen.

Zusätzlich wurde ausschließlich für Verdi-Mitglieder bis 2029 jeweils ein Sonderurlaubstag pro Halbjahr vereinbart. So versucht die Gewerkschaft, Austrittswellen nach dem miesen Abschluss zu verhindern und Arbeiter an ihre Organisation zu ketten.

Verdi und die pseudolinken Unterstützer werden nicht müde, das Ergebnis als riesigen Erfolg darzustellen, mit dem nun das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ an Europas größter Universitätsklinik gelte.

Tatsächlich ist die Einigung nichts dergleichen. Sie zementiert vielmehr die Ausgliederung der Servicegesellschaft und die miserablen Arbeitsbedingungen.

2006, vor beinahe 20 Jahren, gliederte die damalige Landesregierung von SPD und PDS (heute Linke) die Servicesparte der Charité aus, um Löhne zu senken und Kosten zu sparen. Dabei wurden diverse nicht-ärztliche und nicht pflegerische Berufsgruppen wie Wachleute und Reinigungskräfte aus dem Charité-Tarifsystem herausgenommen und von der eigens gegründeten CFM beschäftigt. Ein Großteil der Mitarbeiter dort erhält seither hunderte Euro weniger Lohn im Monat als die Kollegen, die nach dem Charité-Stammtarif bezahlt werden.

Seither gab es eine Vielzahl von Streiks und Protesten. Bereits 2011 hatten die CFM-Beschäftigten mehr als zwei Monate gestreikt, aber Verdi war es immer gelungen, die Streiks ins Leere laufen zu lassen, die Belegschaften an der Charité zu spalten und die Niedriglöhne festzuschreiben.

Nachdem 2019 die Anteile privater Unternehmen an der CFM vom Land aufgekauft wurden, vereinbarte Verdi mit Management und Senat den letzten Tarifvertrag, der entgegen aller zuvor gemachten Versprechungen, nicht am TVöD angelehnt war. Dem war eine lange Kampagne von Senat und Gewerkschaften vorausgegangen, laut der Löhne und Arbeitsbedingungen durch den Rückkauf deutlich verbessert würden.

Auch diese Vereinbarung war auf vier Jahre Laufzeit angesetzt. Da zwischenzeitlich die Inflation enorm anzog und die CFM-Beschäftigten – im Gegensatz zu Angestellten beim Mutterkonzern – keinerlei Inflationsausgleich erhielten, wuchs die Wut und der Ärger. Daher sah sich Verdi zu dem verhältnismäßig langen Streik gezwungen.

Betrachtet man die Einigung genau, wird deutlich, dass sie völlig im Interesse des CFM-Managements und des Berliner Senats ist.

Das erklärte Ziel des Streiks, für das es bei der Urabstimmung über 99 Prozent Zustimmung gab, war die Rückführung in die Charité und die vollständige Wiedereingliederung in den TVöD. Dies hat Verdi im Tarifkonflikt bewusst komplett verworfen.

Weiterhin gilt für die CFM-Beschäftigten der Haustarifvertrag. Selbst wenn es zu einer vollständigen Angleichung die Gehälter des TVöD kommen sollte, gibt es weitreichende Unterschiede. Schichtzulagen, Sonderzahlungen, Urlaubsanspruch, Altersvorsorge und weitere Punkte, die im Manteltarifvertrag geregelt sind, gelten auch weiterhin nicht in der CFM. So müssten die CFM-Mitarbeiter beispielsweise wöchentlich eine halbe Stunde mehr arbeiten als Charité-Kollegen.

Dabei ist der Abschluss, selbst wenn nur die Gehaltssteigerung betrachtet wird, alles andere als ein „großer Schritt“ für die Beschäftigten. Die Höhe der vereinbarten Lohnsteigerung hängt zum einen an der künftigen Eingruppierung. Zwar sei diese zwischen Verdi und der CFM laut Gewerkschaftsvertretern vereinbart, wie diese aber konkret aussieht und welche Folgen sie für die Löhne hat, ist nicht klar. Zum anderen muss die extrem lange Laufzeit betrachtet werden und die Tatsache, dass die Beschäftigten jahrelang Reallohnsenkungen hinnehmen mussten.

Laut der taz ist der Stufenplan für die Anhebung das direkte Ergebnis einer informellen Einigung des Senats, dessen Mitglieder auch den Aufsichtsrat der landeseigenen Charité bilden. Für die Umsetzung billigten CDU und SPD dazu Mittel, deren Höhe bislang nicht bekannt ist.

Von Anfang an ging es Verdi und der Berliner Landesregierung im Wesentlichen darum, eine Rückführung in die Charité zu unterbinden und weitere Streiks für eine möglichst lange Zeit zu verhindern.

Damit haben Senat und Verdi auch weiterhin einen Hebel, um die Beschäftigten von Charité und CFM zu spalten. Seit 20 Jahren hält Verdi den Protest bei der CFM streng isoliert von anderen Beschäftigten der Charité.

Während nach Innen und Außen aufgerüstet wird, verabschiedete die Berliner Landesregierung jüngst ein brutales Sparpaket, welches massive Kürzungen in allen sozialen Bereichen vorsieht. Es steht völlig außer Frage, dass gerade die landeseigenen Kliniken davon betroffen sein werden.

Schon jetzt ist beschlossen, dass die Charité allein bei den Landeszuschüssen für Lehre und Forschung 20,5 Millionen Euro weniger erhalten wird. Insgesamt sind bisher von der Landesregierung insgesamt rund 280 Millionen Euro an Kürzungen im Bereich Wissenschaft und Gesundheit eingeplant.

Mit dem Abschluss sollen Arbeitskämpfe daher in den kommenden Jahren möglichst unterbunden werden. Nicht ohne Grund zeigte sich Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hoch erfreut, dass „nun eine Lösung gefunden wurde“.

Die Verdi-Führung hat erneut bewiesen, dass sie und ihr Funktionärsapparat uneingeschränkt den politischen Vorgaben der Berliner Landesregierung folgen. Der Ausverkauf der CFM reiht sich in eine Serie ein, bei der die Kampfbereitschaft der Belegschaften durch die Gewerkschaften untergraben und den Interessen von Unternehmen und Regierungen untergeordnet wurden.

So wurde in diesem Jahr den Beschäftigten bei der Bahn und der Post mit Hilfe der Gewerkschaften jeweils eine dreijährige Friedenspflicht und empfindliche Reallohnsenkungen aufgezwungen. Im Öffentlichen Dienst setzte Verdi gemeinsam mit der Bundesregierung dasselbe durch. Zuletzt hat Verdi in Berlin zusammen mit dem Management und dem Senat bei der BVG einen für die Beschäftigten katastrophalen Abschluss durchgedrückt.

Es ist zwingend notwendig, den üblen Machenschaften von Verdi und anderen Gewerkschaften einen Riegel vorzuschieben. Um Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen zu verteidigen, müssen sich die Beschäftigten unabhängig von den Gewerkschaften organisieren und international in Aktionskomitees zusammenschließen.

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