Der Nato-Gipfel, der diese Woche in Den Haag stattfand, markiert einen gefährlichen Wendepunkt in der Weltpolitik. 75 Jahre nach ihrer Gründung hat sich die imperialistische Allianz aus 32 Mitgliedstaaten verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihres BIP für das Militär auszugeben. Diese Aufrüstung richtet sich nicht nur gegen Russland und China, sondern gegen die Arbeiterklasse aller Länder.
Der Gipfel fand nur wenige Tage nach der illegalen US-amerikanischen und israelischen Bombardierung des Iran und inmitten des anhaltenden Völkermords in Gaza statt. Er fiel zusammen mit der Eskalation des Stellvertreterkriegs der Nato gegen Russland in der Ukraine und den zunehmenden Vorbereitungen für eine militärische Konfrontation mit China. Hinter der zynischen Rhetorik von „Verteidigung“ und „Abschreckung“ verbirgt sich die Realität, dass die Nato einen globalen Krieg und die gewaltsame Neuaufteilung der Welt vorbereitet.
Das 5-Prozent-Ziel ist ein qualitativer Wandel. Alle Nato-Mitglieder haben sich nun zu diesem Richtwert verpflichtet und verwandeln das Bündnis damit effektiv in eine permanente Kriegswirtschaft. Das Ziel ist es, die militärischen Ausgaben innerhalb des nächsten Jahrzehnts von derzeit zwei Prozent auf fünf Prozent des BIP zu erhöhen. Davon würden 3,5 Prozent für traditionelle Militärausgaben wie Truppen und Waffen aufgewendet, während weitere 1,5 Prozent für umfassendere Initiativen wie Cybersicherheit, Infrastruktur und den Bau von Militäranlagen vorgesehen wären.
Diese Aufrüstungspläne würden die gesamten Militärausgaben der Nato von 1,5 Billionen Dollar im Jahr 2024 auf 2,8 Billionen Dollar erhöhen – beinahe eine Verdopplung der Rüstungsausgaben, ohne Berücksichtigung von Inflation und Wirtschaftswachstum. Allein diese Zahl würde das gesamte jährliche BIP von Ländern wie Kanada oder Italien übersteigen.
Für Großbritannien, dessen Militärbudget derzeit bei rund 60 Milliarden Pfund liegt, würde die 5-Prozent-Marke eine Erhöhung auf etwa 140 Milliarden Pfund pro Jahr bedeuten – mehr als eine Verdopplung der Verteidigungsausgaben.
Für Deutschland sind die Auswirkungen noch weitreichender. Die herrschende Klasse bereitet sich darauf vor, die Militärausgaben bis 2029 von rund zwei Prozent auf fünf Prozent des BIP anzuheben, was jährlich 225 Milliarden Euro entspricht. Mit dem 2022 verabschiedeten „Sonderfonds“ in Höhe von 100 Milliarden Euro und den in diesem Jahr geplanten zusätzlichen Militärpaketen in Höhe von über einer Billion Euro ist der deutsche Imperialismus entschlossen, seine „Führungsrolle“ auf der Weltbühne wieder aufzunehmen.
In seiner Regierungserklärung vor dem Gipfel betonte Bundeskanzler Friedrich Merz, dass die Militarisierung Deutschlands nicht nur auf Geheiß Trumps erfolge, sondern auf der Grundlage „eigener Anschauung und Überzeugung.“ Deutschland werde „die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee Europas machen“, wie es „angesichts unserer Größe, unserer Leistungskraft, unserer geografischen Lage“ zu erwarten sei. Merz fügte hinzu, Deutschland müsse nun „unsere Interessen […] aktiv und unmittelbar vertreten“ und habe die Aufgabe, „die geopolitische Umgebung, in der wir leben, nach Kräften selbst mitzugestalten.“
Im Klartext: Deutschland kehrt trotz seiner historischen Verbrechen im Ersten und Zweiten Weltkrieg zu einer Politik des Militarismus und der Großmachtpolitik zurück.
Die Umsetzung dieser Kriegspläne und -haushalte erfordert eine massive Umverteilung des Reichtums von der Arbeiterklasse zur kapitalistischen Oligarchie und zum militärisch-industriellen Komplex. Billionen Euro und Dollar werden in die Rüstung gepumpt, während öffentliche Dienstleistungen systematisch abgebaut werden. Gesundheitswesen, Bildung, Renten, Wohnraum und andere grundlegende soziale Sicherungen sollen zerstört werden, um den Krieg zu finanzieren.
Diese Agenda kann nicht mit demokratischen Mitteln umgesetzt werden. Um den unvermeidlichen Widerstand von Arbeitern und Jugendlichen zu unterdrücken, werden in allen Nato-Mitgliedstaaten autoritäre Herrschaftsformen vorbereitet und eingeführt.
Die Unterwürfigkeit des Bündnisses gegenüber dem faschistischen US-Präsidenten Donald Trump war in Den Haag deutlich zu sehen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs verbeugten sich vor Trump und den Vereinigten Staaten, um ihre Loyalität zu bekunden. Insbesondere Nato-Generalsekretär Mark Rutte überschüttete Trump mit Lob und soll ihn sogar als „Daddy“ bezeichnet haben. Die EU-Mächte agieren dabei nicht als vorsichtige oder weniger aggressive Gegengewichte zum US-Imperialismus. Im Gegenteil, sie sind vollwertige und willige Partner in einem globalen Programm des Militarismus, der Unterdrückung und der Barbarei.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Inmitten des Chors der Einheit treten jedoch auch tiefe Spaltungen innerhalb des imperialistischen Lagers zutage. Die Nato-Mächte rüsten gemeinsam auf – aber sie bereiten sich auch auf Konflikte untereinander vor. Wie im Vorfeld des Ersten und Zweiten Weltkriegs verschärft sich der Wettbewerb um Märkte, Ressourcen und globalen Einfluss. Genau dieselben Widersprüche, die das Bündnis in den Krieg mit Russland und China treiben, schüren auch die inter-imperialistischen Rivalitäten, die die Nato zu zerreißen drohen.
Der Drang zum Krieg im Ausland ist untrennbar mit dem Krieg gegen die Arbeiterklasse im eigenen Land verbunden. Genau wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts reagieren die kapitalistischen herrschenden Klassen auf interne Krisen – wirtschaftliche Stagnation, soziale Unruhen und den Zerfall ihrer politischen Legitimität – mit Krieg und Diktatur.
Doch während das kapitalistische System auf einen dritten Weltkrieg zusteuert, schaffen dieselben grundlegenden Widersprüche, die imperialistische Konflikte hervorbringen, auch die objektive Grundlage für die sozialistische Revolution. Der Widerspruch zwischen einer global integrierten Wirtschaft und dem System der Nationalstaaten sowie der Konflikt zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der modernen Produktion und ihrer Unterordnung unter den privaten Profit können im Rahmen des Kapitalismus nicht gelöst werden.
Das macht die gegenwärtige Situation so explosiv. Der Widerstand wächst weltweit. Massenproteste gegen den Völkermord in Gaza haben alle Kontinente erfasst. Arbeiter streiken in Rekordzahlen gegen Sparmaßnahmen und Lohnkürzungen. Und in den Vereinigten Staaten hat die Opposition gegen Trump und den Kurs in Richtung Diktatur ein beispielloses Ausmaß erreicht. An den Protesten gegen Trump vor zwei Wochen nahmen mehr als fünfzehn Millionen Menschen teil, die größten Massendemonstrationen in der Geschichte der USA.
Was dringend erforderlich ist, ist die Umwandlung dieser Opposition in eine bewusste politische Bewegung der Arbeiterklasse, die mit einem revolutionären sozialistischen Programm bewaffnet ist. Der Kampf gegen Militarismus und Krieg und die Verteidigung demokratischer und sozialer Rechte sind untrennbar mit dem Kampf für den Sturz des kapitalistischen Systems verbunden.
Die Weltkriegspläne zu stoppen bedeutet, für die Abschaffung der Nato, den Abbau der imperialistischen Kriegsmaschinerie und die demokratische Kontrolle der Gesellschaft über den Reichtum und die Produktivkräfte durch die Arbeiterklasse zu kämpfen. Das ist das Programm des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI). Seine Sektionen, die Sozialistischen Gleichheitsparteien auf der ganzen Welt, müssen jetzt als neue revolutionäre Führung der internationalen Arbeiterklasse aufgebaut werden.