Am 15. Juni fand in Deutschland erstmals ein nationaler Veteranentag statt – ein unheilvoller Meilenstein in der Rückkehr des deutschen Militarismus. Unter der Schirmherrschaft der Bundesregierung und der Bundeswehr wurde der Tag bundesweit mit über 100 Veranstaltungen begangen. Im Zentrum stand ein offizieller Festakt in Berlin, ergänzt durch martialische Zeremonien in Städten wie Hamburg und Kiel sowie eine Live-Schalte zur neu aufgestellten Kampfbrigade der Bundeswehr in Litauen.
Der neue Feiertag zielt auf nichts Geringeres als auf die ideologische Verankerung des Militärs in der Gesellschaft – in Vorbereitung auf neue imperialistische Kriege und auf die Unterdrückung des wachsenden sozialen Widerstands im Innern.
Wie Donald Trump in den Vereinigten Staaten, wo Militär und Nationalgarde gegen Proteste in Stellung gebracht werden, arbeitet auch die herrschende Klasse Deutschlands mit Hochdruck am Aufbau eines autoritären Staates. Dabei kommt der Bundeswehr eine zentrale Rolle zu. Der Veteranentag dient dazu, die tief verwurzelte Opposition gegenüber dem Militär, die aus den Verbrechen des deutschen Imperialismus in zwei Weltkriegen herrührt, zu unterminieren und durch eine Kultur der Verehrung des Soldatentums zu ersetzen.
In Hamburg marschierten hunderte Offiziersanwärter auf dem Marktplatz auf, um vor den Augen von Verteidigungsminister Boris Pistorius und des Hamburger Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher (beide SPD) zu Leutnants befördert zu werden. Das martialische Spektakel wurde von Scharfschützen auf den Dächern gesichert – ein deutliches Zeichen dafür, wie entfremdet die herrschende Klasse von der Bevölkerung ist und wie sehr sie auf Gewalt und Repression setzt, um ihren militaristischen Kurs durchzusetzen.
Pistorius sprach beim zentralen Festakt in Berlin von einem „Tag der Anerkennung und Wertschätzung“ für die Truppe. Dabei machte er keinen Hehl daraus, dass es um die dauerhafte Einbindung des Militärs in das gesellschaftliche Leben geht – und um die ideologische Vorbereitung der Bevölkerung auf neue Kriegseinsätze. Wörtlich erklärte er: „Damit diese Bereitschaft eben nicht verloren geht – auch in den kommenden Generationen – brauchen wir endlich eine Veteranenkultur in Deutschland, weil sie genau diese Sichtbarkeit erzeugt.“
Der Veteranentag solle nicht nur ein symbolisches Ereignis bleiben, betonte Pistorius. Es brauche „mehr Sichtbarkeit, mehr Anerkennung und mehr konkrete Zeichen“. Eines dieser Zeichen ist das sogenannte „Veteranenabzeichen“, das bereits an über 110.000 Soldaten vergeben wurde. Ziel ist es, militärisches Denken, Auftreten und Selbstverständnis in den Alltag zu übertragen – Soldaten sollen wieder als Helden des Vaterlands erscheinen, sichtbar im Stadtbild, im Arbeitsleben, in Schulen und Universitäten.
Die Parallelen zur Vergangenheit sind unübersehbar. Der Veteranentag ruft Erinnerungen an die Heldenverehrung im Kaiserreich und im Nationalsozialismus wach, wo gefallene „Kriegshelden“ kultisch gefeiert wurden, um die Gesellschaft auf neue Eroberungskriege einzuschwören. Die aktuelle Politik ist zwar bemüht, sich rhetorisch etwas geläutert zu geben, verfolgt aber dasselbe Ziel: die umfassende Mobilmachung der Bevölkerung für neue imperialistische Raubzüge.
Bereits in den im Herbst 2023 verabschiedeten Verteidigungspolitischen Richtlinien wurde dieses Ziel klar formuliert. Dort heißt es: „Die Bundeswehr wird den wechselseitigen und kontinuierlichen Austausch mit der Gesellschaft weiter pflegen und das Verständnis dafür fördern, dass Wehrhaftigkeit zum Schutz Deutschlands eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Eine aktive, auch von der Gesellschaft getragene Veteranen- und Gefallenenkultur ist eine stete Verpflichtung.“
Mit anderen Worten: Die Gesellschaft soll militarisiert werden. Jede und jeder soll sich in den Dienst des Militärs stellen – sei es durch direkte Teilnahme, ideologische Unterstützung oder Akzeptanz militärischer Gewalt nach innen und außen.
Die Verteidigungspolitischen Richtlinien, die auch der Merz-Regierung als Leitfaden dienen, bringen die neue Leitlinie deutscher Verteidigungspolitik auf den Punkt: „Kriegstüchtigkeit als Handlungsmaxime.“ Das bedeutet, dass die Bundeswehr personell, technisch und psychologisch auf Kriege mit einem „mindestens ebenbürtigen Gegner“ vorbereitet werden muss – also auf direkte Konfrontationen mit Russland oder China und notfalls sogar mit den USA.
„Unsere Wehrhaftigkeit erfordert eine kriegstüchtige Bundeswehr“, heißt es in den Richtlinien. Das bedeute, „dass ihr Personal und ihre Ausstattung auf die Wahrnehmung ihrer fordernden Aufträge ausgerichtet sind“. Maßstab hierfür sei „jederzeit die Bereitschaft zum Kampf mit dem Anspruch auf Erfolg im hochintensiven Gefecht“. Die Auseinandersetzung mit einem „mindestens ebenbürtigen Gegner“ wollen wir „nicht nur gewinnen, sondern wir müssen“.
Der Begriff der „Kriegstüchtigkeit“ durchzieht das gesamte sicherheitspolitische Denken der Bundesregierung. Er umfasst nicht nur die Aufrüstung der Bundeswehr, sondern die Ausrichtung aller gesellschaftlichen Bereiche auf Kriegsfähigkeit – von der Wirtschaft über das Bildungssystem bis hin zur Kulturpolitik.
Ein besonders deutliches Zeichen für diesen Kurs war die Live-Schalte vom Berliner Festakt zur Bundeswehrbrigade im litauischen Rukla. Dort hatte die Bundesregierung wenige Wochen zuvor unter großem propagandistischem Aufwand die erste permanente Stationierung deutscher Kampftruppen im Ausland seit dem Zweiten Weltkrieg gefeiert. Pistorius und Merz zelebrierten die Zeremonie mit Leopard-Panzern, Haubitzen, Kampfflugzeugen und wehenden Fahnen. Das Ganze wurde als „Dienst für Frieden, Freiheit und Sicherheit“ verkauft. Doch in Wirklichkeit ist die Stationierung Teil der umfassenden NATO-Vorbereitungen auf einen Krieg gegen Russland.
Die Symbolik ist unmissverständlich: Deutsche Truppen, in deutscher Uniform, mit deutscher Flagge und deutscher Technik stehen wieder im Osten – 30 Kilometer von der Grenze zu Belarus und etwas mehr als hundert Kilometer von der russischen Enklave Kaliningrad entfernt. 80 Jahre nach Hitlers Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion rollen wieder deutsche Panzer über osteuropäischen Boden. Dass diese revanchistische Wende der deutschen Außenpolitik im offiziellen Berlin nahezu geräuschlos vollzogen wird, zeigt, wie grundsätzlich alle etablierten Parteien den deutschen Militarismus unterstützen.
Die neue deutsche Kriegspolitik wird von allen Bundestagsparteien getragen. Der gemeinsame Antrag zur Einführung des Veteranentags im April 2024 wurde von SPD, FDP, CDU/CSU und den Grünen eingebracht. Die AfD, die schon lange eine Rückkehr zur soldatischen Heldenverehrung nach dem Vorbild des Kaiserreichs und des Dritten Reichs fordert, sieht ihre Agenda damit bestätigt. Die anderen Bundestagsparteien haben ihre Forderungen praktisch umgesetzt.
Die Linkspartei wiederum versucht, mit handzahmer Kritik an einzelnen Aspekten – etwa am Veteranentag – die enorme Opposition in der Bevölkerung zu kanalisieren und zu entschärfen. In Wahrheit trägt auch sie den Kriegskurs mit. Sie stimmte im Bundesrat für die massiven Kriegskredite in Höhe von einer Billion Euro und ebnete anschließend den Weg für die Wahl von Friedrich Merz zum Kanzler. In entscheidenden Momenten steht sie fest auf der Seite der herrschenden Klasse.
Der erste nationale Veteranentag ist deshalb weit mehr als eine symbolische Geste. Er markiert eine Eskalation der Militarisierung der deutschen Innen- und Außenpolitik. Während sich weltweit soziale, wirtschaftliche und geopolitische Spannungen zuspitzen, bereitet sich die deutsche Bourgeoisie auf Krieg und innere Repression vor. Die Militarisierung des öffentlichen Raums, die ideologische Aufrüstung der Gesellschaft und die Umwandlung der Bundeswehr in eine „kriegstüchtige“ Armee sind Ausdruck eines tiefgreifenden, autoritären Projekts.
Die arbeitende Bevölkerung muss diesem Kurs entschlossen entgegentreten. Die Verherrlichung des Militarismus, die systematische Kriegspropaganda und die Verwandlung der Gesellschaft in eine Kriegsmaschine können nur durch eine internationale Bewegung der Arbeiterklasse gestoppt werden – auf der Grundlage eines sozialistischen Programms, das den Kampf gegen Krieg mit dem Kampf gegen Kapitalismus verbindet.