Als Reaktion auf die größten regierungsfeindlichen Proteste in der Geschichte der Vereinigten Staaten hat Präsident Donald Trump am Sonntagabend zur massenhaften Verhaftung von „Millionen und Abermillionen” Migranten aufgerufen. In einem langen Social-Media-Beitrag, in dem er Razzien und Massenverhaftungen durch Bundesbeamte anordnete, verwendet er eine Sprache, die in der amerikanischen Politik außer in den Tiraden von Neonazi-Gruppen und weißen Supremacisten keine Entsprechung hat.

Trump fordert die Beamten der US-Einwanderungsbehörde (ICE) auf, „das größte Massenabschiebungsprogramm der Geschichte“ durchzuführen. Und weiter:

Um dies zu erreichen, müssen wir unsere Bemühungen zur Inhaftierung und Abschiebung illegaler Einwanderer in den größten Städten Amerikas, wie Los Angeles, Chicago und New York, wo Millionen und Abermillionen illegaler Einwanderer leben, verstärken. Diese und andere Städte sind das Zentrum der Macht der Demokraten, wo sie illegale Einwanderer dazu benutzen, ihre Wählerbasis zu vergrößern, Wahlen zu manipulieren und den Sozialstaat auszubauen, indem sie hart arbeitenden amerikanischen Bürgern gut bezahlte Arbeitsplätze und Sozialleistungen wegnehmen.

Trump greift die Demokratische Partei, die nominelle Opposition innerhalb des von Großkonzernen kontrollierten Zweiparteiensystems, direkt an. Damit droht Trump, das Wenige, was von der konstitutionellen Demokratie in den Vereinigten Staaten noch übrig ist, abzuschaffen. Warum sollte nach dieser Tirade noch jemand davon ausgehen, dass es 2026 legitime Parlamentswahlen in den USA geben wird? Oder Präsidentschaftswahlen im Jahre 2028, wenn Trump sein Interesse an einer verfassungswidrigen dritten Amtszeit im Weißen Haus bekundet?

Trumps Schmähreden gegen die Demokraten haben einen finsteren Unterton. Sein Social-Media-Beitrag erschien kaum einen Tag, nachdem ein faschistischer Amokläufer in Minnesota, Vance Boelter, die Demokratische Abgeordnete Melissa Hortman und ihren Ehemann ermordet und auf einen weiteren Abgeordneten und dessen Frau geschossen hat. Der Attentäter, der inzwischen von der Polizei gefasst wurde, trug eine lange Liste weiterer Demokratischer Abgeordneter mit deren Adressen bei sich und suchte die Häuser von zwei weiteren Abgeordneten auf, um seine Mordserie fortzusetzen, was ihm jedoch nicht gelang.

Unter „normalen“ Umständen würden kapitalistische Politiker nach einem so schrecklichen Ereignis eine Haltung der Einheit einnehmen und dazu aufrufen, die politischen Konflikte zu „deeskalieren“, wie es die Demokraten nach dem Mord an Hortman getan haben. Trumps Reaktion ist das Gegenteil: Er gießt Öl ins Feuer und stachelt seine Anhänger auf, Demokraten ins Visier zu nehmen.

Das ist ein ganz bewusstes Vorgehen. Trump hat der Einwanderungsbehörde ICE den Befehl gegeben, ihre Angriffe auf Einwanderer massiv zu verstärken. Dies geschah nicht durch eine Durchführungsverordnung, die über die Befehlskette an das Heimatschutzministerium weitergeleitet worden wäre, sondern durch einen Beitrag in den sozialen Medien. Er will, dass seine gewalttätige Verurteilung der Demokraten seine faschistische Online-Anhängerschaft erreicht und einige von ihnen zu Aktionen wie denen von Boelter veranlasst.

Trump teilt den ICE-Beamten mit, dass „echte Amerikaner euch jeden Tag zujubeln“. Mit anderen Worten: Die Millionen Menschen, die am Samstag bei den „No Kings“-Protesten gegen seine diktatorischen Angriffe auf Migranten und die brutale Unterdrückung durch die ICE demonstriert haben, sind keine „echten“ Amerikaner. Sie haben kein Recht, sich Gehör zu verschaffen, sondern sollten ignoriert oder unterdrückt werden.

„Ich habe meine gesamte Regierung angewiesen, alle verfügbaren Ressourcen für dieses Vorhaben einzusetzen“, so Trump. „Unsere Bundesregierung wird sich weiterhin auf die RÜCKFÜHRUNG von Ausländern an ihre Herkunftsorte konzentrieren und die Einreise von JEDEM verhindern, der den inneren Frieden der Vereinigten Staaten untergräbt.“

Trumps wendet sich zuletzt an „ICE, FBI, DEA, ATF, die Patrioten im Pentagon und im Außenministerium“ mit den Worten: „ERLEDIGT EUER JOB!“ Am Tag zuvor, als Millionen Menschen in 2.000 amerikanischen Städten und Gemeinden auf die Straße gingen, um gegen ihn zu protestieren, beaufsichtigte Trump eine Militärparade in Washington DC. Dabei wurden Truppen, Panzer, gepanzerten Fahrzeuge und Hubschrauber präsentiert, die er für die Massenunterdrückung des amerikanischen Volkes einsetzen will.

Nachdem es ihm mit seiner Militärparade nicht gelungen ist, die Unterstützung der Öffentlichkeit zu gewinnen oder die Opposition einzuschüchtern, wendet sich Trump nun dem Aufbau einer verfassungs- und gesetzeswidrigen Truppe zu. Er sagt seinen faschistischen Anhängern immer offener: Macht weiter und tut, was ihr tun müsst - ich stehe hinter euch. Trump hat bereits die Schläger begnadigt und freigelassen, die am 6. Januar 2021 das Kapitol angegriffen haben. Diejenigen, die seinen Anweisungen folgen, erwarten nun ähnliche Unterstützung.

Während Trump die „radikalen linken Demokraten“ angreift, sind sein eigentliches Ziel die Arbeiterklasse und große Teile der Jugend. Sie sind es, die sich radikalisieren und nach links wenden – nicht die Demokratische Partei, die ebenso wie die Republikanische Partei ein politisches Instrument der Finanzoligarchie ist.

Eines der auffälligsten Merkmale der Proteste am Samstag war, dass sie spontan und weitgehend ohne Beteiligung des politischen Establishments organisiert wurden. Unter den Demonstranten herrscht tiefe Feindseligkeit gegenüber beiden kapitalistischen Parteien. Genau aus diesem Grund versuchen die Demokraten, die Proteste herunterzuspielen, während die Medien sie weitgehend ignorieren.

Das Ausbleiben jeglicher Reaktion auf Trumps Drohungen in den Medien und in der Demokratischen Partei ist ein weiteres Zeichen für den völlige Niedergang des politischen Systems. Die Demokraten rühren keinen Finger gegen Trump, selbst wenn er sie als Kriminelle brandmarkt und damit droht, die großen Städte, in denen sie regieren, mit massiven Repressionen gegen Migranten zu überziehen.

Dies unterstreicht die Perspektive der Socialist Equality Party, dass die Verteidigung demokratischer Rechte auf der Arbeiterklasse basieren muss. Sie ist mit der Schaffung neuer Organisationsformen – Aktionskomitees – verbunden, die unabhängig sind sowohl von der Demokratischen Partei als auch vom Gewerkschaftsapparat.

In einem gut besuchten Webinar der Socialist Equality Party am Sonntag unter dem Titel „Trump‘s Coup and how to stop it“ diskutierten Vertreter der SEP die Fragen, die sich aus den parallelen Ereignissen vom 14. Juni stellten: den größten Antiregierungs-Protesten aller Zeiten in den USA, der offenen Mobilisierung von Militärkräften in Washington und dem Ausbruch rechter politischer Gewalt.

Die Analyse der SEP konzentriert sich auf die historischen Dimensionen der gegenwärtigen politischen Krise in den Vereinigten Staaten. Sie ist nicht das Produkt von Trumps gestörter Persönlichkeit, sondern das Ergebnis eines langanhaltenden Niedergangs des amerikanischen Kapitalismus. Eine verzweifelte herrschende Klasse steht vor unlösbaren Problemen. Sie will ihre Herrschaft aufrechterhalten und ihren riesigen Reichtum schützen, sieht sich jedoch mit einer wachsenden Bewegung der Arbeiterklasse in den USA und international konfrontiert. Die Finanzoligarchie hat auf diese Krise keine andere Antwort als imperialistische Kriege im Ausland und politische Unterdrückung und Diktatur im Inland.

In der Erklärung der SEP, die bei den „No King“-Demonstrationen zu Tausenden verteilt wurde, haben wir ein Vier-Punkte-Programm zur Bekämpfung von Trumps Staatsstreich vorgelegt.

• Der Kampf gegen Trump muss in der Arbeiterklasse verwurzelt sein und von ihr geführt werden. Dabei muss der Aufruf zu einem Generalstreik, um die Trump-Vance-Regierung zu stürzen, im Mittelpunkt stehen.
• Der Massenwiderstand gegen Trumps Angriffe muss mit konkreten demokratischen Forderungen verbunden werden: Abzug der Truppen aus amerikanischen Städten, Auflösung der ICE, Suspendierung und strafrechtliche Verfolgung der Beteiligten am Versuch des Staatsstreichs.
• Der Kampf gegen die Diktatur muss auf internationaler Ebene geführt werden und die Arbeiter in Amerika mit ihren Klassenbrüdern und -schwestern in Ländern auf der ganzen Welt verbinden.
• Der Kampf gegen Diktatur und Krieg muss ein Kampf sein gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus. Die Verteidigung demokratischer Rechte erfordert die Abschaffung des Profitsystems und der damit verbundenen enormen sozialen Ungleichheit.

Die Erklärung der SEP schließt mit den Worten:

Der Kampf gegen die Diktatur erfordert die Wiederbelebung des echten Sozialismus, der in den revolutionären, internationalistischen Traditionen des Marxismus wurzelt und im Programm und der Geschichte der trotzkistischen Bewegung und des Internationalen Komitees der Vierten Internationale verankert ist. Nur auf dieser Grundlage kann die Arbeiterklasse die Führung aufbauen, die notwendig ist, um den immensen Gefahren entgegenzutreten, denen sie gegenübersteht.

Die Trump-Regierung demonstriert mit all ihren Aktionen den historischen Bankrott des Kapitalismus. Die Menschheit steht erneut vor der grundlegenden Alternative: Sozialismus oder Barbarei.