Donald Trump, der Inbegriff von Ignoranz und Reaktion, besuchte am 11. Juni eine Aufführung des Musicals Les Misérables im Kennedy Center for the Performing Arts in Washington D.C. Auch seine faschistischen Kollegen Vizepräsident J.D. Vance und Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. waren anwesend.
Trump hat zwar nicht ausdrücklich die Nazidrohung verwendet: „Wenn ich das Wort Kultur höre, greife ich zur Waffe“, aber das kann nicht an mangelnder Sympathie für diesen Gedanken liegen.
Während das Publikum vermeintlich überwiegend aus seinen Anhängern bestehenden sollte, wurde Trump am Mittwoch neben Jubel auch mit lauten Buhrufen empfangen. Dass er bei der Aufführung anwesend sein würde, war zuvor gut vernehmlich angekündigt worden.
Laut Josephine Harvey und dem Daily Beast:
Laute Buhrufe waren aus dem Publikum zu hören, als Trump von der Präsidentenloge aus winkte. Aber es gab auch Jubel und „USA! USA!“-Rufe. Zuvor hatte es Applaus für mehrere Drag Queens gegeben, die zur Veranstaltung auftauchten. Eine Gruppe von Drag-Performern nahm aus Protest teil, nachdem mehrere Besucher nach Trumps Umbesetzung ihre Tickets abgegeben hatten.
Im Mai berichtete CNN, dass mindestens „zehn bis zwölf Künstler“ geplant hatten, der Show am 11. Juni fernzubleiben:
Dem Ensemble war die Möglichkeit eingeräumt worden, an dem Abend, an dem Trump im Publikum sitzen würde, nicht aufzutreten. Den Quellen zufolge gehören sowohl Hauptdarsteller als auch andere Ensemble-Mitglieder zu denen, die nicht auftraten.
Im Geiste von Trumps unerbittlichen Angriffen auf demokratische Rechte und die freie Meinungsäußerung forderte Richard Grenell, sein Lakai und Interimsdirektor des Kennedy Centers, dazu auf, die Schauspieler, die Trump boykottierten, öffentlich anzuprangern und auf die schwarze Liste zu setzen.
Grenell behauptete, dass Künstler, die nicht „professionell genug“ seien, um vor „Gönnern aller Herkunft unabhängig von deren politischer Zugehörigkeit aufzutreten“, seien nicht willkommen. Gegenüber CNN sagte er:
Tatsächlich [halten wir es für wichtig, diese oberflächlichen und intoleranten Künstler zu entlarven, damit Produzenten wissen, wen sie nicht engagieren sollten – und damit das Publikum weiß, welche Shows politische Lackmustests sind, wenn sie im Publikum sitzen. [Hervorhebung hinzugefügt.]
Als Reaktion auf die Buhrufe, mit denen Trump begrüßt wurde, kommentierte Grenell gegenüber dem Fernsehsender WUSA9:
Wir alle müssen tolerant sein. … Aber [!] wir wollen keine Buh-Rufe hören. Wir wollen nicht, dass Leute Auftritte von Personen absagen, mit denen sie nicht einer Meinung sind. Wir wollen große Shows, wollen finanziell verantwortungsvoll handeln und die Kunst in Amerika wirklich feiern.
Grenell, der heute dieses bedeutende Zentrum für darstellende Künste leitet, hat seine antidemokratischen und bedrohlichen Ansichten als ehemaliger Geheimdienstchef und Unterstützer des europäischen Faschismus entwickelt. Er diente 2020 als kommissarischer Direktor des Nationalen Geheimdienstes in der ersten Trump-Administration! Zuvor, als Trumps Botschafter in Deutschland (2018–2020), wurde Grenell (wie der Independent berichtete) „mit einem ‚rechtsextremen Kolonialoffizier‘ verglichen. Er sagte, er wolle während seiner Zeit als Botschafter Europas rechte Szene [d. h. Neonazis] ‚stärken‘.“
Im Februar entließ Trump zahlreiche Mitglieder des Kuratoriums des Kennedy Centers, einer Einrichtung der Bundesregierung, und ernannte sich selbst zum Vorsitzenden. Damals verkündete er:
Auf meine Anweisung hin werden wir das Kennedy Center in Washington D.C. wieder großartig machen. Ich habe beschlossen, mehrere Mitglieder des Kuratoriums, darunter den Vorsitzenden, umgehend zu entlassen, die unsere Vision eines goldenen Zeitalters für Kunst und Kultur nicht teilen. Wir werden in Kürze einen neuen Vorstand mit einem großartigen Vorsitzenden bekannt geben: DONALD J. TRUMP!
In Anlehnung an Hitlers Vorgehen haben Trump und seine Komplizen versucht, Rückständigkeit und Vorurteile zu schüren, indem sie ihre Version von „entarteter Kunst“ an den Pranger stellten. Der Präsident behauptete, das Kennedy Center müsse erneuert werden, weil dort „Drag-Shows speziell für unsere Jugend“ stattgefunden hätten.
Die WSWS argumentierte damals:
In seinem „goldenen Zeitalter“ wirbt Trump für eine patriotische, nationale Kunst, die die Größe des amerikanischen Kapitalismus und seine vermeintlichen Errungenschaften würdigt. Eine solche Kunst ist per Definition unehrlich und unaufrichtig und in Wirklichkeit überhaupt keine Kunst.
Sie soll dazu beitragen, eine amerikanische Version der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ zu schaffen – eine mythologische Schöpfung, die den Klassenkampf überdecken und die Bevölkerung in chauvinistische und nationalistische Bahnen lenken soll.
Künstler wie die Schauspielerin Issa Rae, Shonda Rhimes und Ben Folds haben als Reaktion auf die Änderungen ihre Führungspositionen im Kennedy Center niedergelegt oder Veranstaltungen abgesagt.
Rae sagte eine ausverkaufte Vorstellung ab, nachdem Trump den Vorsitz des Kennedy Centers übernommen hatte. Sie erklärte:
Bedauerlicherweise musste ich mich entschließen, meinen Auftritt an diesem Ort abzusagen, da ich der Meinung bin, dass dies ein Verstoß gegen die Werte einer Institution ist, die seit jeher Künstler jeglicher Couleur in allen Medien feiert.
Der Musiker Ben Folds, der als künstlerischer Berater des National Symphony Orchestra fungierte, gab am 12. Februar bekannt, dass er „angesichts der Entwicklungen im Kennedy Center“ von seinem Posten zurücktrete. „Nicht für mich“, erklärte er auf Instagram.
The Daily Beast berichtet, dass die Einnahmen aus den Abonnements des Kennedy Centers für die kommende Saison gegenüber 2024 um 36 Prozent gesunken sind. Auch der Verkauf von Einzelkarten ist im April und Mai im Vergleich zu denselben Monaten des letzten Jahres um 50 Prozent zurückgegangen.
Die Einnahmen aus Theateraufführungen, die Trump zu „non woke“ erklären wollte, wurden am härtesten getroffen und gingen in den ersten zwei Wochen der Abonnementkampagne im Vergleich zum Vorjahr um 82 Prozent zurück.
Für mehr als ein Dutzend Theaterstücke wurden die geplanten Aufführungen im Zuge von Trumps Übernahme abgesagt, darunter auch das äußerst beliebte Musical Hamilton, dessen Schöpfer Lin-Manuel Miranda erklärte: „Das Kennedy Center wurde nicht in diesem Sinne gegründet, und wir werden kein Teil davon sein, solange es das Trump Kennedy Center ist.“
Trump hat unter anderem die Kultureinrichtungen und Stiftungen National Endowment for the Arts (NEA), die National Endowment for the Humanities (NEH), die Corporation for Public Broadcasting und das Institute of Museum and Library Services ins Visier genommen, mit der Absicht, sie zu zerstören.
In einer Durchführungsverordnung vom 27. März mit dem Titel „Restoring Truth and Sanity to American History“ (Wiederherstellung von Wahrheit und Vernunft in der amerikanischen Geschichte) nahm Trump wichtige staatlich finanzierte Museen und Kultureinrichtungen – insbesondere die Smithsonian Institution – ins Visier, weil sie angeblich „konzertierte und weit verbreitete Anstrengungen unternommen habe, die Geschichte unserer Nation umzuschreiben und objektive Fakten durch eine verzerrte Erzählung zu ersetzen, die eher von Ideologie als von Wahrheit bestimmt ist“.
Am 30. Mai gab der Präsident bekannt, dass er Kim Sajet, die Direktorin der National Portrait Gallery, die zur Smithsonian Institution gehört, entlassen habe. Sajet weigerte sich, die Entlassung zu akzeptieren und blieb auf ihrem Posten, womit sie mehr Mut bewies als verschiedene Universitätsverwaltungen und die gesamte Demokratische Partei. Am 9. Juni erklärte der Smithsonian Board of Regents nach einer Dringlichkeitssitzung in einer öffentlichen Erklärung:
Alle Personalentscheidungen werden von der Direktion des Sekretariats getroffen und unterliegen ihrer Weisungsbefugnis, wobei der Vorstand die Aufsicht hat.
(Inzwischen hat Sajet ihren Posten verlassen. Anmerkung d. Übersetzerin)
Medienberichten zufolge sollen die bei der NEA und NEH gestrichenen Mittel zum Teil für den Bau eines „Nationalen Gartens der amerikanischen Helden“ verwendet werden, eines der Lieblingsprojekte des Präsidenten.
Im April wurde der NEH-Beirat vom amtierenden Vorsitzenden Michael McDonald darüber informiert, dass die Stiftung „die Agenda des Weißen Hauses unterstützen werde“ und insbesondere „den von Herrn Trump geplanten patriotischen Skulpturengarten sowie die umfassenderen Feierlichkeiten zum 250. Jahrestag der amerikanischen Unabhängigkeit am 4. Juli 2026“.
Das ist Trumps kulturelle Gegenrevolution. Der Angriff auf „woke“-Theaterproduktionen und Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) im Allgemeinen ist nur die Spitze des Eisbergs. Letztlich geht es darum, die ernsthafte Beschäftigung mit der amerikanischen Gesellschaft und ihren Widersprüchen, vor allem mit der Geschichte des Klassenkampfes, mit der Ermordung der Ureinwohner, der Sklaverei und den wirklichen Problemen des Bürgerkriegs, den Verbrechen und dem Charakter des modernen globalen Kapitalismus und Imperialismus zu unterbinden oder zu behindern.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Trump, Vance und Kennedy ausgerechnet einer Aufführung von Les Misérables beiwohnten. Das Musical, so banal es auch sein mag, geht letztlich auf Victor Hugos gleichnamigen epischen Roman von 1862 zurück, der von Armut, Polizeigrausamkeit, Ungleichheit und Aufruhr handelt.
AP berichtete, dass in der Show, die sich mit Themen wie Protest, Macht, Ungerechtigkeit und Armut befasst, Explosionen und Schüsse zu hören waren und dass Zivilisten auf der Bühne mit Soldaten aneinandergerieten, und zwar genau zu der Zeit, als in Los Angeles eine Ausgangssperre verhängt wurde. Zuvor hatten sich Demonstrierende einen sechsten Tag lang mit der Polizei über Razzien der Einwanderungsbehörde ICE auseinandergesetzt, und Trump hatte Marines und Truppen der Nationalgarde eingesetzt, um die Proteste niederzuschlagen.
Auf jeden Fall gab Vance in den sozialen Medien an, er habe keine Ahnung, worum es in dem Musical gehe, während Trump sich ebenso unwissend zeigte. Auf die Frage eines Journalisten, ob er sich mit Jean Valjean (der im Hugo-Roman wegen Brotdiebstahls ins Gefängnis kommt) oder mit Javert (dem Polizisten, der Valjean unerbittlich verfolgt) identifiziere, antwortete der Präsident: „Das ist schwer, ich habe keine Ahnung.“