Am Sonntag, dem 8. Juni, fand in Detroit, Michigan, eine Gedenkfeier für den Holocaust-Überlebenden und pro-palästinensischen Aktivisten René Lichtman statt. Lichtman war am 28. Januar im Alter von 87 Jahren in einem Hospiz in der Nähe von Detroit an Herzversagen verstorben.
Die Gedenkveranstaltung in der St. Matthews & St. Peters Episcopal Church brachte einen Querschnitt von Renés Genossen, Freunden und Familienmitgliedern zusammen, jung und alt, einschließlich solcher mit jüdischen und arabischen Wurzeln. Die Redner beleuchteten verschiedene Aspekte von Lichtmans Geschichte und politischer Aktivität und betonten, dass seine Kindheitserfahrungen im von den Nazis besetzten Frankreich einen lebenslangen Hass auf Faschismus und imperialistischen Krieg hervorgebracht hatten.
In seinen letzten Lebensjahren trieben diese Prinzipien Lichtman dazu an, sich aktiv dem von den USA unterstützten israelischen Völkermord in Gaza zu widersetzen. Dafür erntete er den Hass von Zionisten im Großraum Detroit, in den gesamten USA und international. In einem Interview mit der World Socialist Web Site im Januar 2024 bezeichnete René Israel als einen faschistischen Staat und verurteilte die Unterstützung durch den US-Imperialismus, ohne die der Völkermord unmöglich wäre.

Ein Programm, das bei der Gedenkveranstaltung verteilt wurde, gab einen kurzen Überblick über Renés Leben. Er wurde 1937 in Paris als Sohn der aus Polen stammenden jüdischen Immigranten Helen und Jacob Zajdman geboren. Als er zwei Jahre alt war, fiel sein Vater als Kämpfer der französischen Fremdenlegion im Widerstand gegen die Nazis an der Front. Seine Mutter brachte ihn bei einem nicht-jüdischen, linken Ehepaar auf dem Land unter, das seine frühe Begeisterung für Kunst förderte – eine Leidenschaft, die ihn sein Leben lang begleitete.
Nach dem Krieg wurde René mit seiner Mutter wiedervereint. Mit zwölf Jahren emigrierten sie nach New York, wo er die High School of Music & Art besuchte. Nach seinem Abschluss trat er in die US-Armee ein. Anschließend studierte er dank des GI-Bills Malerei an der Cooper Union. Für ein Kunststudium in Brüssel erhielt er ein Fulbright-Stipendium.
Ein Nachruf auf der World Socialist Web Site beschrieb seine politische Entwicklung:
Während der Bürgerrechtsbewegung und des Vietnamkriegs wurde er politisch aktiv. In einem Interview zur mündlichen Überlieferung beim amerikanischen Holocaust Memorial Museum erklärte er im Jahr 1996: „Als Juden, als Überlebende dürfen wir nicht nur für uns selbst kämpfen, sondern müssen es überall dort tun, wo wir irgendeine Art von Unterdrückung erkennen. Wir müssen sensibler sein als alle anderen, denn wir wissen, wie es sich anfühlt. Deshalb war ich gegen den Vietnamkrieg. Ich wusste, dass mein Volk betrogen worden war, und das durfte niemandem sonst mehr passieren. Das habe ich immer als jüdischen Wert betrachtet.“
Während der ersten Trump-Regierung widersetzte sich René den gestapoartigen Methoden der Immigration and Customs Enforcement (ICE, „Einwanderungs- und Zollbehörde“). Ein Bild von René, auf dem er ein Schild mit der Aufschrift „ICE = Hakenkreuz” hält, wurde am Rednerpult der Gedenkveranstaltung befestigt. Bemerkenswerterweise fand die Veranstaltung am selben Tag statt, an dem Trump das Militär gegen Demonstranten einsetzte, die sich in Los Angeles der Entführung von Einwanderern durch die ICE widersetzten.
Risa Lichtman, eines von Renés vier Kindern, und ihre Partnerin Jamie Thrower, die beide die Gedenkveranstaltung maßgeblich organisiert hatten, sprachen über den tiefgreifenden Einfluss, den René auf das Leben all jener hatte, die ihn kannten – sowohl persönlich als auch politisch. Die Ausführungen der nachfolgenden Redner griffen dieses Thema auf. Alle Sprecher bezeugten seine Wärme und Energie.
Bei der Veranstaltung wurde ein Film über Renés Leben gezeigt, der Interviews mit ihm enthält und von der Journalistin und Podcasterin Katherine „Katie“ Halper produziert wurde. Halper war anwesend, hielt eine Rede und erklärte, dass sie René kennengelernt habe, als sie für einen Film recherchierte, den sie über Juden produzierte, die gegen den Völkermord in Gaza protestierten. Halper, die selbst jüdischer Herkunft ist, wies auf die langjährige Beteiligung jüdischer Intellektueller und Arbeiter in der Arbeiter- und sozialistischen Bewegung hin. In ihrem Film identifiziert sich René als Sozialist und Marxist.
Die Fotografin und Keramikkünstlerin Barbara Barefield erinnerte daran, wie René und sie gegenüber dem Zekelman Holocaust Center protestiert hatten. René war mehr als ein Jahrzehnt lang regelmäßiger Dozent an dem Museum, bis er im Dezember 2023 entlassen wurde, weil er gemeinsam mit Mitgliedern von „Jewish Voice for Peace” einen Protest vor dem Museum organisiert hatte, um sich dem israelischen Massaker an den Palästinensern zu widersetzen.
„René war ein Mann, der keine Angst hatte, sich auf die Straße zu legen, um gegen die Barbarei in Gaza zu protestieren, Seite an Seite mit seinem Freund Nabil. ... Sie warfen ihn raus und verstießen ihn. Ich weiß, dass das sehr schmerzhaft für ihn war, denn er hatte den Menschen jahrelang seine persönlichen Geschichten vermittelt und klargemacht, dass die Lehre aus dem Holocaust ‚Nie wieder‘ bedeutet – ‚Nie wieder‘ für niemanden, nirgendwo, niemals wieder.“
Mitte 2024 begannen René und seine Unterstützer von der Coalition Against Genocide (Koalition gegen Völkermord) damit, regelmäßige Mahnwachen vor dem Zekelman Holocaust Center abzuhalten. Sie forderten, dass alle Museen dieser Art einen Waffenstillstand fordern und die Arbeiten prominenter Historiker jüdischer Herkunft wie Ilan Pappé, Avi Schlaim und Norman Finkelstein zur Vertreibung der Palästinenser im Jahr 1948 in ihre Ausstellungen aufnehmen.
Barefield beschrieb eine Demonstration am 14. Juli vor dem Museum, bei der Lichtman und seine Unterstützer den Rufen und Drohungen zionistischer Gegendemonstranten trotzten. „Er hatte keine Angst, auf der anderen Straßenseite des Holocaust-Museums zu protestieren, konfrontiert mit Hunderten von Zionisten und einer Lautsprecheranlage, die unser Lautsprechersystem übertönte. ... Also stand er mit uns auf der anderen Straßenseite, gegenüber all diesen Leuten, die uns anschrien und uns Babymörder schimpften. ... Sie riefen seinen Namen und behaupteten, er sei kein wahrer Holocaust-Überlebender und ein Lügner. Aber er blieb standhaft und stark.“

Heather Burnham, eine Vorschullehrerin, deren Großvater Holocaust-Überlebender war, sagte über denselben Protest: „Als Hunderte von Zionisten auf der anderen Straßenseite standen, erinnere ich mich, dass ich nervös war. Aber René sagte: ‚Heather, das ist heute eine gute Beteiligung. Schau dir an, was sie tun. Sorge dafür, dass es aufgezeichnet wird. ... Wenn sie wütend auf uns sind, machen wir etwas richtig.‘ ... Ich dachte nur, er ist der mutigste Mann, den ich je getroffen habe, und ich möchte diesen Mut weitertragen.“
Der arabische Aktivist Ismail Noor, der René während der Proteste gegen den Genozid kennengelernt hatte, verwies auf ein Zitat von Lichtman. Darin erklärte dieser, dass der Völkermord kein religiöser, sondern ein geopolitischer Konflikt sei. „Vom ersten Moment an, als ich René traf, machte er einen sehr positiven und starken Eindruck auf mich. Er war ein außergewöhnlicher Mensch. Er war eine Art Historiker. Er las Geschichte, und er analysierte Geschichte.'
„Lange bevor ich ihn persönlich traf, demonstrierte ich in den 1960er Jahren in Palästina gegen den Vietnamkrieg, und er tat dasselbe hier in den Vereinigten Staaten. Das ist ein Hinweis darauf, wie wir uns auf der Grundlage von Prinzipien trafen und viele Werte teilten, die uns verbanden. Wir wurden Freunde. Obwohl ich ihn nur kurz kannte, wurden wir mehr als Freunde: Wir wurden Genossen. ... Als ich ihn das letzte Mal lebend in seinem Krankenhausbett sah, [sagte] er: ‚Palästina wird frei sein‘. Er lächelte und wir skandierten gemeinsam dreimal ‚Free Palestine‘.“
Auch die demokratische Kongressabgeordnete Rashida Tlaib aus Michigan, die als einzige Abgeordnete palästinensischer Herkunft im US-Kongress sitzt, hielt eine Rede. Sie erinnerte daran, dass René sie öffentlich verteidigt hatte, als das US-Repräsentantenhaus sie mit Unterstützung eines erheblichen Teils der Demokraten für ihre Israel-Kritik im Kongress gerügt hatte. Alledings sagte sie nichts zu der Frage, wie der Widerstand gegen den Völkermord in Gaza mit der Unterstützung für die Demokratische Partei vereinbar sei. Die Demokraten unterstützen die Bewaffnung Israels und die gewaltsame Unterdrückung von Protesten gegen den Völkermord durch Studierende voll und ganz.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Jerry White, Mitglied der Socialist Equality Party und Autor für die World Socialist Web Site, ergriff während der offenen Mikrofonrunde das Wort. Er betonte: „Renés Leben war so tiefgreifend von der Geschichte geprägt – und bis zu seinem letzten Atemzug war er entschlossen, sie zu verändern.“
White stellte fest, René sei „zutiefst vertraut mit der Rolle der Großen Lüge in der Geschichte gewesen: Hitler beging die schrecklichsten Verbrechen im Namen des Kampfes gegen eine sogenannte ‚jüdisch-bolschewistische Verschwörung‘. Der McCarthy-Kreuzzug gegen den Kommunismus wurde genutzt, um US-Invasionen und CIA-Putsche zu rechtfertigen. Die imperialistische Plünderung des Irak wurde unter der Lüge durchgeführt, die Welt vor ‚Massenvernichtungswaffen‘ zu schützen.“
„Aber es gab keine Lüge, die er mehr hasste, als die Behauptung, der Widerstand gegen die ethnische Säuberung der Palästinenser durch den israelischen Staat sei ‚antisemitisch‘“, sagte White unter dem Applaus des Publikums.
Anschließend zitierte er aus einer kürzlich erschienenen Erklärung von David North, dem Vorsitzenden des internationalen Redaktionsausschusses der World Socialist Web Site und Autor des Buches „Die Logik des Zionismus: Vom nationalistischen Mythos zum Völkermord in Gaza“:
Die größte Lüge überhaupt ist die Behauptung, der Widerstand gegen Israels völkermörderischen Krieg gegen die Bevölkerung in Gaza sei „antisemitisch“.
Diese Lüge ist die schmutzigste Verleumdung gegen das jüdische Volk seit den „Protokollen der Weisen von Zion”. Im Grunde genommen behauptet sie, das entscheidende Merkmal eines Juden sei die Unterstützung für die Tötung von Palästinensern. Die Identität der Juden wird demnach durch die Politik des israelischen Staates und seiner faschistischen, zionistischen Ideologen definiert. Antisemiten sind all jene, einschließlich und insbesondere Juden, die sich diesem Völkermord widersetzen.
Dies ist ein Fall von „semantischer Inversion“, also dem Zuschreiben der entgegengesetzten Bedeutung eines Wortes, in einem Ausmaß, das alles übersteigt, was sich George Orwell in der Darstellung von „Neusprech“ in „1984“ vorgestellt hat.
René Lichtman trat dieser Inversion entschieden entgegen. Er wusste, was Antisemitismus war. Er hatte ihn durchlebt. Und er ließ nicht zu, dass die Wahrheit auf den Kopf gestellt wird, um den Interessen von Krieg und Imperialismus zu dienen. „Die Trump-Anhänger, die Steve Bannons, das sind die wahren Judenhasser“, mahnte René uns.
Er hatte Recht. Erst letzte Woche ernannte Verteidigungsminister Pete Hegseth Kingsley Wilson, einen berüchtigten Unterstützer der weißen nationalistischen „Great Replacement“-Theorie, zum Chef-Pressesprecher des Pentagons. Wilson verteidigt bis heute die Lynchjustiz an Leo Frank, einem jüdischen Fabrikleiter in Georgia, der 1915 fälschlicherweise der Vergewaltigung und des Mordes beschuldigt, von einem antisemitischen Mob aus dem Gefängnis gezerrt und an einem Baum erhängt wurde.
René ließ sich weder von Medienkampagnen noch von politischem Druck beeinflussen. Er sah, wie diese Lüge genutzt wurde, um Dissens, insbesondere unter Studenten und Jugendlichen, zu kriminalisieren. Er beobachtete, wie die Regierung unter Joe Biden diese Desinformation einsetzte, um Proteste zu unterdrücken, Visa zu widerrufen und die Polizei zu Demonstrationen an Universitäten zu schicken.
Aus der Geschichte wusste René, dass moralische Appelle an imperialistische Unterstützer den Völkermord nicht stoppen würden. „Biden, Harris und die Demokraten haben genauso viel Blut an ihren Händen wie Trump und die Republikaner“, sagte White unter lautem Applaus.
White schloss mit den Worten:
Er lud die World Socialist Web Site ein, auf seinen Kundgebungen zu sprechen, da er jungen Menschen eine sozialistische Perspektive präsentieren wollte. Er verstand, dass nur der unabhängige, internationale Kampf der Arbeiterklasse zur Abschaffung des Kapitalismus, Krieg und Faschismus aufhalten kann.
Lasst uns René Lichtman nicht nur als Überlebenden, sondern als Kämpfer in Erinnerung behalten. Als einen Mann, der an der Seite palästinensischer Kinder stand, die Bomben ausgesetzt waren, genauso wie andere einst an seiner Seite standen. Als einen Mann, der glaubte, dass Geschichte nicht nur Wissen, sondern auch Verantwortung mit sich bringt. Und er wurde ihr gerecht.
René zu ehren bedeutet, sich nicht nur an ihn zu erinnern, sondern auch seine Arbeit fortzusetzen. Er forderte junge Menschen auf, sich die linken Kämpfer des Warschauer Ghettoaufstands zum Vorbild zu nehmen. Die Wahrheit auszusprechen, gerade im Angesicht von Lügen. Solidarität über Grenzen hinweg aufzubauen. Und – kompromisslos – für eine Welt ohne Völkermord, Faschismus oder Krieg zu kämpfen.