Rund 2.000 überwiegend junge Menschen nahmen am 24. Mai in Paris an einer Versammlung von Révolution permanente (RP) teil, der französischen Sektion der selbsternannten Trotzkistischen Fraktion Vierte Internationale (FT-CI) unter Führung der argentinischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PTS). Die große Teilnehmerzahl spiegelte die wachsende Empörung über den Völkermord in Gaza, den Krieg und die rechtsextreme Entwicklung wider. Dennoch bestätigte die Konferenz die Warnungen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) im Vorfeld: Diese Bewegung ist eine politische Sackgasse.
Was Jugendlichen und Arbeitern mangelt, ist nicht Empörung, sondern eine klare revolutionäre Perspektive, um den Absturz des Kapitalismus in die Katastrophe aufzuhalten. Trotz aller Beschwörungen von „Internationalismus“ und „Sozialismus“ bot die Konferenz keine solche Perspektive. Der politische Kampf, der notwendig ist, um den Einfluss von Reformismus und Stalinismus und der Gewerkschaftsbürokratie zu brechen und den Weg zum revolutionären Kampf der Arbeiterklasse einzuschlagen, wurde so gut wie gar nicht angesprochen. Dabei ist dies das Herzstück im Aufbau einer revolutionären trotzkistischen Partei.
Dieses Versäumnis hat seine Wurzeln in der Geschichte der FT-CI und ihrer Opposition gegen die Verteidigung des Trotzkismus durch das IKVI. Dies geht auf Nahuel Morenos Bruch mit dem IKVI und dem Trotzkismus im Jahr 1963 zurück. Moreno wollte damals in Argentinien im Bündnis mit General Juan Peróns bürgerlicher Bewegung eine „linkszentristische“ Partei aufbauen. In Europa unterstützten pro-stalinistische, pablistische Revisionisten diesen Kurs. Zu diesen historischen Verbindungen der PTS zum Peronismus schwieg die Konferenz in Paris vollkommen, wie auch zur jahrzehntelangen Beteiligung der RP an der pablistischen Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) in Frankreich und deren Kriegskurs.
Die Redner der FT-CI spielten ihre Verbindungen zum Establishment herunter. Infolgedessen konnte die Frage, wie Faschismus, Völkermord und Krieg gestoppt werden können, nicht geklärt werden. Denn es ist gerade die große Enttäuschung über die reaktionäre Politik der US-Demokraten, der Peronisten in Argentinien und der stalinistischen oder pablistischen Kräfte in Frankreich, die den Wahlsieg Trumps, den Erfolg des argentinischen Präsidenten Javier Milei oder den von Marine Le Pen in Frankreich befeuert hat. Da die FT-CI verschweigt, wer der extremen Rechten zu diesem Einfluss verholfen hat, ist sie unfähig, eine Perspektive für den Kampf gegen ihren Aufstieg anzubieten.
Julia Wallace (Left Voice, USA) über Trump und die Demokratische Partei
Die erste Rednerin der Konferenz war Julia Wallace, Mitglied der US-amerikanischen Sektion der FT-CI Left Voice (LV). Als Funktionärin der Gewerkschaft SEIU und der Black Lives Matter–Bewegung griff sie sowohl Trump als auch jene Fraktionen der Demokraten, die mit dem Sozialismus geliebäugelt hatten, um Jugendliche und Arbeiter an die Demokratische Partei zu fesseln. Wallace sagte:
[Trump] ist ein milliardenschwerer Kapitalist; er hat sein Vermögen von einer Familie geerbt, die in die Nazis investiert hatte. Trump ist ein Frauenfeind, ein schmieriger Miethai, der auf der Grundlage von Bigotterie, Wissenschaftsfeindlichkeit und Angst an die Macht zurückgekehrt ist (...) Demokraten wie Alexandria Ocasio-Cortez und Sanders versuchen, den Widerstand zu kooptieren. Sie haben Kundgebungen organisiert, die sie ironisch „Fight Oligarchy“ benannten. Einige Zehntausend Menschen nahmen daran teil. Sie haben die Demokraten sogar milde dafür kritisiert, dass sie Trump nicht genug bekämpften. Aber sowohl AOC als auch Sanders haben dafür gestimmt, dass für den Völkermord in Palästina mehr Geld bereitgestellt wurde.
Sie forderte „eine Arbeiterpartei, die für den Sozialismus kämpft“. Als Alternative bezeichnete sie Arbeiterfabriken in Argentinien, die von der PTS unterstützt werden: „Ich habe die Kraft des revolutionären Trotzkismus in Argentinien gesehen, als ich vor 15 Jahren die von Arbeitern kontrollierten Fabriken besuchte.“
Eine solch vage Beschwörung des Sozialismus lässt jedoch außen vor, wer ihn verwirklichen wird, und auch, auf welche Weise dies geschehen wird. Die gesamte Geschichte des Klassenkampfs zeigt, dass dies nicht durch die Wahl selbsternannter „Sozialisten“ innerhalb des kapitalistischen Staats geschehen kann. Dazu muss die Arbeiterklasse die Staatsmacht erobern, was nur auf der Grundlage ihrer eigenen Organisationen möglich ist. Dafür haben die Pariser Kommune 1871 oder die Sowjets in der Oktoberrevolution 1917 in Russland den historischen Beweis erbracht.
Diese marxistisch-internationalistische, revolutionäre Tradition verteidigt der Trotzkismus nicht nur gegen bürgerliche Kräfte, sondern auch gegen die Nachkommen der stalinistischen Bürokratie, die den „Sozialismus in einem Land“ postulierte. Diese Bürokratie hat im Jahr 1991 die Sowjetunion aufgelöst und den Kapitalismus wiederhergestellt. Wallaces Lobeshymnen auf die Arbeiterfabriken in Argentinien als Beispiel für „revolutionären Trotzkismus“ verschleiern solche zentralen Fragen.
Die Arbeiterfabriken in Argentinien existieren innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft. Sie sind den Preis- und Zollzwängen des kapitalistischen Weltmarkts und der Herrschaft von Mileis rechtem Polizeistaat ausgesetzt. Solche Fabriken mögen die Faschisten nervös machen, da die Arbeiter zu Recht zu dem Schluss kommen können, dass Kapitalisten für das Betreiben von Fabriken gar nicht notwendig sind. Allerdings sind solche Fabriken als Beispiel für Sozialismus oder „revolutionären Trotzkismus“ fehl am Platze. Solche Beispiele dienen nur dazu, sowohl den Sozialismus als auch den Trotzkismus zu verwässern.
Wallace kritisierte zwar einzelne Demokraten–Politiker, signalisierte jedoch wiederholt ihre Unterstützung für die Politik der Demokratischen Partei. Sie betonte die überlegene Rolle, die Arbeiter mit dunkler Hautfarbe wie sie selbst ihrer Meinung nach spielten. Sie sagte:
Schwarze Menschen sind in der Arbeiterklasse der Vereinigten Staaten die treibende Kraft. Von dem multiethnischen Kampf für demokratische Rechte über die Bürgerrechtsbewegung bis hin zur kämpferischen antiimperialistischen Tradition der schwarzen Revolutionäre gehören wir zu den kämpferischsten Teilen des Proletariats.
Auch hier beginnen die eigentlichen Fragen dort, wo Wallaces Äußerungen enden. Wird die Befreiung der schwarzen Arbeiter aus der sozialistischen Befreiung aller Arbeiter hervorgehen? Oder wird sie innerhalb des bürgerlichen Staates der USA erfolgen? Dieser nutzt bewusst die Spaltung entlang rassistischer Kriterien aus und ist durchaus bereit, bestimmten Individuen auf rassistischer Grundlage Positionen und Privilegien einzuräumen. Dazu sagte Wallace nichts. Aber genau diese Art bürgerlicher Identitätspolitik ist der Grund, warum die Ford Foundation 100 Millionen Dollar zur Unterstützung von Black Lives Matter bereitgestellt hat.
Wallace vermischt Appelle an den sozialistischen Internationalismus willkürlich mit schwarz-nationalistischen Konzepten. Das steht der Entwicklung sozialistischen Bewusstseins direkt entgegen. Anstatt Arbeiter und Jugendliche für einen unversöhnlichen sozialistischen Kampf gegen die derzeit vorherrschenden Formen der Politik zu wappnen, fördert sie die verwirrende Ansicht, dass eben diese Politik mit Sozialismus vereinbar sei.
Sasha Yampolskaya über den Nato–Krieg gegen Russland in der Ukraine
Sasha Yampolskaya, eine russische Trans-Aktivistin und RP-Mitglied, sprach bei ihrer Ankunft in Frankreich 2018 über den Ukrainekrieg zwischen der Nato und Russland. Sie beschrieb, warum sie von Russland enttäuscht sei: „Zunächst einmal gab es die Morde an LGBT-Menschen. Aber dann, und vor allem, gab es die Wehrpflicht. Das war vor dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine. Aber schon damals war die Militarisierung allgegenwärtig.“
Yampolskaya kritisierte die unbestreitbare Heuchelei der Kriegspropaganda der USA und der Nato, da die europäischen imperialistischen Mächte behaupten, in der Ukraine für Freiheit und Demokratie zu kämpfen, während sie gleichzeitig den Völkermord des israelischen Regimes in Gaza unterstützen:
[Französische] Rüstungsunternehmen suchen nach Rohstoffen, und die Ukraine kann sie liefern. Während wir versuchen, die russischen Arbeiter vom Chauvinismus ihrer Regierung zu befreien, ist es ebenso dringend notwendig zu verstehen, dass die Selbstbestimmung der Ukraine nicht aus der Unterstützung durch die Nato erwachsen kann. Denn über die Frage der Rohstoffe hinaus hat der westliche Imperialismus die ukrainische Regierung mehrfach dazu gedrängt, das Wehrpflichtalter zu senken, um den Krieg fortzusetzen.
Yampolskayas Äußerungen weisen jedoch auf die Beschränktheit ihrer Opposition gegen die Nato und das Regime des russischen Präsidenten Wladimir Putin hin. Es ist natürlich legitim und notwendig, Homophobie und die Militarisierung der Gesellschaft zurückzuweisen, und zwar sowohl in Russland als auch auf der ganzen Welt. Dies reicht jedoch allein nicht aus, um eine trotzkistische Opposition gegen den Krieg in der Ukraine zu begründen.
Eine solche Opposition basiert auf der unversöhnlichen revolutionären Zurückweisung aller imperialistischen Mächte und auch der kapitalistischen Kleptokratien, die durch die stalinistische Auflösung der UdSSR entstanden sind. Weder Putins Regime in Russland noch das Regime in der Ukraine, das die Nato unterstützt, wird irgendeine progressive Rolle spielen, und genauso wenig irgend ein anderes Regime einer ehemaligen Sowjetrepublik. Sie sind organisch reaktionär und chauvinistisch, und sie wurzeln in der Usurpation der Macht in der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie.
Während die imperialistischen Mächte versuchen, Eurasien zu plündern, indem sie Konflikte zwischen ehemaligen Sowjetrepubliken wie Russland und der Ukraine ausnutzen, besteht die einzige gangbare Strategie darin, die Macht in einem internationalen revolutionären Kampf in der gesamten ehemaligen Sowjetunion und Europa an die Arbeiterklasse zurückzugeben.
Ungeachtet Yampolskayas Kritik an der Nato kann Révolution permanente (RP) nicht als antiimperialistische Partei bezeichnet werden. Von 2009 bis 2022 arbeitete sie innerhalb der französischen NPA, die nicht nur die von der Nato gesponserten islamistischen Milizen in Syrien unterstützte, sondern auch die rechtsextremen Kräfte, die 2014 einen von der Nato unterstützten Putsch in der Ukraine anführten und damit den Boden für den aktuellen Krieg bereiteten. Obwohl die RP 2022 aus der NPA austrat, ist sie nach wie vor tief in die Beziehungen zu kriegsbefürwortenden Gewerkschaftsbürokratien und Parteien in Frankreich eingebunden.
Elsa Marcel über den Völkermord in Gaza
Elsa Marcel sprach über die weit verbreitete Wut breiter Schichten von Arbeitern und Jugendlichen weltweit über den Völkermord in Gaza. Die Anwältin verteidigt den RP-Sprecher Anasse Kazib gegen reaktionäre und falsche Anschuldigungen der französischen Polizei, Kazib sei wegen seiner Verteidigung der Palästinenser in Gaza am Terrorismus mitschuldig.
Gaza, so Marcel, „ist wahrscheinlich der erste Völkermord in der Geschichte, bei dem die Opfer, während sie massakriert werden, live übertragen werden. (...) Wir gehören zu denen, die niemals vergessen werden, dass die Regierungen [Europas] an diesem Massaker mitschuldig sind und dass die Geschichte über sie richten wird.“ Sie forderte „eine massive kollektive Reaktion, die nicht nur für Palästina, sondern auch im weiteren Sinne unverzichtbar ist, um eine Katastrophe zu vermeiden“.
Was Marcel nicht ansprach, ist die Frage, wie eine „massive kollektive Reaktion“ aufgebaut werden soll, und wie sie aussehen könnte. Seit zwei Jahren gibt es internationale Massenproteste und Aufrufe von Hafen- und Logistikarbeitern zu internationalen Streiks, um den Transport von US-amerikanischen und europäischen Waffen nach Israel zu stoppen.
Es ist aber noch keine Massenbewegung entstanden, um den Völkermord zu stoppen, und das liegt nicht an mangelnder Empörung und Wut. Es liegt am Bankrott der bürgerlichen, stalinistischen und pablistischen Parteien. Sie richten alles darauf aus, Druck auf ihre imperialistischen Regierungen und die Gewerkschaftsbürokratien auszuüben, damit sie ihre Politik ändern – doch ihre Appelle verhallen ergebnislos. Wie zu erwarten, unterstützen die imperialistischen Regierungen den Völkermord, und die Gewerkschaftsbürokratien sabotieren die Streikmaßnahmen.
Die Politik der FT-CI in Frankreich verdeutlichte ihre Unfähigkeit, eine prinzipielle Opposition gegen den Völkermord in Gaza aufzubauen. RP rief bei der Wahl im vergangenen Jahr dazu auf, eine „kritische Stimme“ für die Neue Volksfront (NPF) abzugeben, die Jean-Luc Mélenchon gegründet hatte. Dieser NPF gehörten ausdrücklich auch pro-zionistische Parteien wie die bürgerliche Sozialistische Partei (PS) an. Mélenchon forderte alle dazu auf, innerhalb der NPF alle Differenzen mit der PS und ihren Verbündeten über den Völkermord in Gaza „in den Fluss zu werfen“. Die Forderung der RP nach einer „kritischen Stimmabgabe“ für ein solches Bündnis bedeutet den vollständigen Verzicht auf eine prinzipielle Opposition gegen den Völkermord.
Um den Völkermord in Gaza zu stoppen, muss eine internationale Mobilisierung der einfachen Arbeiterinnen und Arbeiter aufgebaut werden, die von den Gewerkschaftsbürokratien unabhängig handeln kann. Im Nahen Osten öffnet dies den Weg zum revolutionären Sturz des überlebten Nationalstaatssystems (dessen Bankrott der israelische Völkermord beispielhaft verdeutlicht) und zum Aufbau der Vereinigten Sozialistischen Staaten des Nahen Ostens. Die Grundlage eines solchen Kampfes ist die unversöhnliche trotzkistische Opposition gegen den Stalinismus und den bürgerlichen Nationalismus, was die FT-CI und die RP jedoch ablehnen.
Myriam Bregman von der PTS: das Bündnis der Morenisten mit dem Peronismus
Als Nächste sprach die Anwältin Myriam Bregman von der argentinischen PTS über Mileis repressives Regime. Bregman war die einzige Rednerin, die versuchte, auf die Frage einzugehen, wie es möglich ist, dass die Bourgeoisie rechtsextreme Regierungen an die Macht bringen kann.
Sie räumte ein, dass die Peronisten die Arbeiter demobilisiert und demoralisiert hätten, und sie sagte:
[Der Peronismus] weigert sich, die extreme Rechte an dem einzigen Ort zu bekämpfen, an dem sie besiegt werden kann. Und das ist sehr ernst, und daraus müssen wir Lehren ziehen, denn der Peronismus ist nicht nur die wichtigste bürgerliche Oppositionspartei. Er führt auch die CGT [d. h. den Allgemeinen Gewerkschaftsbund], der in all dieser Zeit nichts, absolut nichts unternommen hat, damit die Arbeiter sich gegen die Regierung von Javier Milei verteidigen können.
Zu Recht argumentierte Bregman gegen eine Einheit mit den Peronisten gegen Milei und die extreme Rechte. Sie sagte:
Warum jedoch schließen wir uns nicht alle zusammen, um die extreme Rechte zu bekämpfen? (...) In Argentinien ist das schon passiert, alle haben sich gegen die rechte Regierung von Macri zusammengetan. Gewerkschaften, feministische Führerinnen, Gouverneure der peronistischen Rechten, zusammen mit denen, die sich als peronistische Linke bezeichnen, haben sich mit den Progressiven verbündet. Und wissen Sie, was passiert ist? Sie sind in die Regierung gegangen und haben eine Politik betrieben, die das Volk verbittert hat, weil sie die Strukturanpassungs- und Sparpolitik des Internationalen Währungsfonds umgesetzt haben. Und Milei hat gewonnen.
Aber das wirft nur die Frage auf: Welche Rolle spielte die PTS in diesem politischen Schiffbruch? Sie hat sich als loyale Kritikerin der Peronisten hergegeben, marschierte an ihrer Seite bei sozialen Protesten und präsentierte sich als „radikale“ Fraktion einer von Peronisten geführten Bewegung. Ihr Lippenbekenntnis zu einem Generalstreik, den weder die CGT noch die PTS vorbereiten wollten, störte ihre Beziehungen zu den Peronisten nicht. Letztendlich entlarvt Bregmans Kritik am Peronismus auch die PTS selbst.
Anasse Kazib und die Politik der französischen Gewerkschaftsbürokratie
Der letzte Redner war RP-Sprecher Anasse Kazib, ein Funktionär der pablistischen Gewerkschaft Solidarité-Unité-Démocratie (SUD) im Eisenbahnbereich. Er sagte: „Ich bin Eisenbahner im Rangierbahnhof Le Bourget. Jeden Tag fahren dort Züge vorbei, die Waren transportieren, die von Proletariern in allen Teilen der Welt hergestellt wurden. Sie und wir halten die Welt am Laufen, und wir müssen gemeinsam kämpfen.“ Er rief zum Widerstand gegen den Nationalismus auf und berief sich dabei auf den Titel des berühmten Antikriegsartikels des deutschen Marxisten Karl Liebknecht aus dem Jahr 1915: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“
Kazib begrüßte Delegationen von französischen CGT-Gewerkschaftsfunktionären auf der Konferenz. Er sagte, der Unterschied zwischen Gewerkschaftsfunktionären der unteren und der oberen Ebenen bestehe darin, dass erstere die Interessen der Arbeiter verteidigten, während letztere gemeinsame Sache machten mit dem französischen Staat und den Wirtschaftsverbänden. Mit Blick auf die versammelten CGT-Funktionäre erklärte Kazib begeistert:
Auch das ist die Gewerkschaftsbürokratie! Es sind wertvolle Aktivisten, die sich jeden Tag vor Ort die Hände schmutzig machen, um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu erreichen. Aber Gewerkschaftsorganisationen, das sind auch die Leute an der Spitze, die ihre Position ausnutzen, die diese Stunden nutzen, in denen [die Gewerkschaftsaktivisten] sich vor Ort die Hände schmutzig machen, die dieses Kräfteverhältnis ausnutzen, um sich als Beschützer der französischen Interessen zu positionieren.
Was bedeutet das, wenn man es aus der Sprache von Kazibs blauäugiger Lobhudelei für die Bürokratie in die Sprache des Marxismus übersetzt?
Die Bürokratie rekrutiert Schichten von Arbeitern, die Illusionen in die Gewerkschaften haben, und unterwirft sie der imperialistischen Politik, die von den französischen Staatsbeamten, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaftsspitzen ausgearbeitet wird. Die unteren Ränge der Bürokratie sind natürlich permanent unzufrieden mit dem Verrat an den Streiks durch die oberen Ränge, weil es sie bei den einfachen Arbeitern diskreditiert. Kazib und andere Gewerkschaftsfunktionäre innerhalb von Révolution permanente (RP) gehören in der Tat zu den prominenteren unzufriedenen Bürokraten Frankreichs.
Diese Unzufriedenheit hat jedoch keinen progressiven Inhalt: Sie fördert nur die alten Illusionen, dass der Aufstieg einiger weniger Funktionäre innerhalb der Bürokratie deren Politik ändern könne. Diese Illusionen werden jedoch ausnahmslos enttäuscht.
Um es ganz offen zu sagen: Die RP stellt den Arbeitern eine Falle. Sie erkennt zwar verbal den Bankrott der Gewerkschaftsführung an, weigert sich aber, die Basis dazu aufzurufen, sich unabhängig zu organisieren. Sie bekennt sich zwar verbal zum Internationalismus und zur Globalisierung der wirtschaftlichen Produktion, schlägt aber vor, den Klassenkampf von nationalen Bürokratien kontrollieren zu lassen. Sie lehnt die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees ab. Stattdessen ruft sie die französischen Gewerkschaftsfunktionäre dazu auf, ein „Netzwerk für einen Generalstreik“ aufzubauen.
Kazib schloss mit einem Aufruf an die Konferenzteilnehmer, sich der RP anzuschließen, um die Mitgliederzahl von 500 auf 1.000 zu erhöhen: „Wenn wir morgen sagen würden, dass die Révolution permanente doppelt so groß ist und noch mehr Jugendliche und Arbeiter in ihren Reihen hat, die bereit sind, für die Veränderung des Schicksals der Menschheit zu kämpfen, dann würde die Bourgeoisie wirklich ausrasten.“
Aber wie sehen die Politiker der französischen Bourgeoisie die RP? Zwar fürchten sie zweifellos die explosive soziale Wut in der Bevölkerung, aber sie sind weit davon entfernt, beim Anblick der RP „auszurasten“.
Sie haben jahrzehntelange Erfahrung darin, kleinbürgerliche Abtrünnige des Trotzkismus als Werkzeug der bürgerlichen Politik einzusetzen. Sie bedienten sich nicht nur der NPA, die den Krieg befürwortet, sondern auch der Organisation communiste internationaliste (OCI) von Pierre Lambert. Die OCI hat im Jahr 1971 mit dem IKVI gebrochen, um sich der bürgerlichen PS zuzuwenden. Unter den ehemaligen OCI-Mitgliedern finden sich so illustre Leute wie der ehemalige PS-Premierminister Lionel Jospin oder auch Mélenchon, dessen populistische Partei La France Insoumise (Unbeugsames Frankreich, LFI) die NFP-Allianz mit der PS, der PCF und der NPA anführt.
Die Rolle, die Révolution permanente (RP) seit ihrem Austritt aus der NPA in den wichtigsten politischen Kämpfen Frankreichs spielt, deutet darauf hin, dass die RP sich letztendlich auf eine ähnliche Rolle vorbereitet.
Im Jahr 2023 kam es zu den Rentenstreiks, als Macrons äußerst unpopuläre Kürzungen, die er ohne Abstimmung im Parlament durchsetzte, massive Unruhen provozierten. Millionen legten die Arbeit nieder. Da erklärte die RP, die Situation sei „nicht revolutionär“. Zwei Drittel der französischen Bevölkerung sprachen sich für einen Generalstreik aus, um Macron und seine Kürzungen zu Fall zu bringen. Dennoch erklärte die RP, die „einzig gangbare demokratische Perspektive“ bestehe darin, Arbeiter dazu zu ermutigen, „Erfahrungen mit der bürgerlichen repräsentativen Demokratie zu sammeln“.
Den Aufruf der PES zum Sturz Macrons lehnte die RP ab. Sie behauptete, Demokratie würde nicht aus dem Kampf der Arbeiterklasse für den Sozialismus hervorgehen, sondern unter einem bürgerlichen Regime, das gegen das Volk regiert. Die RP appellierte an die Gewerkschaftsführungen, sie sollten einen „Kampfplan“ gegen Macron vorlegen. Damit passte sie sich der Gewerkschaftsbürokratie an, die die Streiks so rasch wie möglich beendete, als Macron seine Kürzungen zum Gesetz erklärt hatte.
Bei den Parlamentswahlen 2024 rief die RP zu einer „kritischen Stimmabgabe“ für die Kandidaten der NFP auf – obwohl die NFP Macrons Kandidaten unterstützt hatte. Macron trat die Wahlergebnisse mit Füßen, verwehrte der NFP das Recht, eine Regierung zu bilden, und ernannte stattdessen seine eigene rechte Regierung. Die RP bildete keine revolutionäre Opposition zu Mélenchon, der PS und ihrer Verteidigung Macrons, sondern ein politischer Satellit der NFP und ein Feigenblatt, das ihre linke Flanke abdeckte.
Die wortreichen Beiträge zum Internationalismus und zur Ablehnung von Völkermord und Faschismus auf der Pariser Konferenz stellen keinen Bruch der RP mit dieser Bilanz dar, geschweige denn eine prinzipielle trotzkistische Stellungnahme. Indem sie die zentralen Fragen ausklammern, verpassen sie den Sektionen der FT-CI ein politisches Facelifting, während sie ihnen erlauben, ihre bürokratischen Manöver fortzusetzen. Sie sind keine revolutionären trotzkistischen Parteien, sondern Hindernisse für den Kampf des IKVI zum Aufbau solcher Parteien in der Arbeiterklasse.
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