Während Präsident Donald Trump in den USA die Nationalgarde und das Militär gegen die Bevölkerung mobilisiert, bewegt sich auch die deutsche Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in Richtung eines autoritären Polizeistaats. Die jüngsten Beschlüsse des Bundeskabinetts zur Migrationspolitik sowie die geplante Bewaffnung der Bundespolizei mit Tasern markieren eine weitere Eskalation. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) verfolgt dabei offen das Programm der rechtsextremen AfD.
In den vergangenen Wochen beschloss das Kabinett mehrere Gesetzentwürfe, die das Asylrecht und den humanitären Schutz de facto abschaffen und die Deportation von zehntausenden Menschen erleichtern.
U.a. will die Bundesregierung sogenannte „sichere Herkunftsländer“ per Rechtsverordnung festlegen und damit die Abschiebungen in diese Länder massiv ausweiten. Anders als ein formales Gesetz müssen solche Verordnungen weder im Bundestag noch im Bundesrat zwingend beraten und beschlossen werden. Bereits im Koalitionsvertrag hatten CDU, CSU und SPD angekündigt, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten zu erweitern. Die Rede ist etwa von Algerien, Indien, Marokko und Tunesien.
Gleichzeitig werden zentrale Schutzrechte ausgehöhlt: Der Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter wird gestoppt, die erleichterte Einbürgerung gestrichen. Diese Maßnahmen verstoßen nicht nur gegen elementare Menschenrechte, sie widersprechen auch geltendem europäischem Recht. Das Recht auf Achtung des Familienlebens (Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention) wird ebenso mit Füßen getreten, wie das individuelle Asylrecht.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl reagierte mit Entsetzen auf die Maßnahmen. Damit würden legale und sichere Fluchtwege geschlossen. „Es ist eine Katastrophe für die betroffenen Familien“, sagte Tareq Alaows. „Die faktische Trennung ist länger als zwei Jahre, vor allem für Familien, die bereits seit Jahren auf die Bearbeitung ihrer Anträge warten.“
Besonders weit gehen die Zurückweisungen an den deutschen Außengrenzen. Trotz eines Urteils des Berliner Verwaltungsgerichts vom 2. Juni, das die Zurückweisung Asylsuchender an den Grenzen als rechtswidrig eingestuft hat, erklärte Innenminister Dobrindt: „Wir werden weiterhin an der Grenze handeln, wenn es notwendig ist. Deutschland muss selbst entscheiden, wer ins Land kommt.“
Mit dieser offen rechtswidrigen Haltung folgt die Regierung dem Vorbild Trumps, der in den USA ebenfalls Gerichtsbeschlüsse ignoriert. Das Grundgesetz und internationale Abkommen werden in autoritärer Weise ausgehebelt.
Das Projekt zur Förderung der Informationsfreiheit „FragDenStaat“ hat Strafanzeige gegen das Bundesinnenministerium und gegen den Präsidenten der Bundespolizei, Dieter Romann, wegen „Verleitung von Untergebenen zu einer Straftat“ eingereicht. „Die Zurückweisungen“ seien „Straftaten“ und könnten „als Nötigung unter Missbrauch der Befugnisse eines Amtsträgers gewertet werden“. Auch das juristische Fachportal Legal Tribune Online spricht von einem „offensichtlichen Rechtsbruch“.
Gleichzeitig vollziehen die Behörden brutale Deportationen, die zunehmend auf die Opposition der Bevölkerung stoßen. In Frankfurt hatte eine afghanische Familie mit zwei schulpflichtigen Kindern 20 Minuten Zeit zum Packen, ehe sie nach Indien abgeschoben wurde. In Offenbach wurde eine Erzieherin nach Litauen deportiert – obwohl sie als dringend benötigte Fachkraft galt. Solche Einzelschicksale sind keine Ausnahmen, sondern der systematische Ausdruck einer unmenschlichen Abschiebepolitik.
Nach dem Willen der Bundesregierung soll diese auch auf europäischer Ebene verschärft werden. „Wir arbeiten mit einer Zwei-Säulen-Strategie zur Bekämpfung der illegalen Migration, eben mit einer europäischen und einer nationalen Säule“, erklärte Dobrindt am 6. Juni im Bundestag.
Die europäische Säule umfasse dabei u.a. „die Umsetzung und das Nachschärfen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, ... eine gemeinsame europäische Rückführungsverordnung und, ja, die Einrichtung von europäischen Asylzentren an den Außengrenzen der Europäischen Union“. Mit anderen Worten: Massenabschiebungen und das Wegsperren von Flüchtlingen in Konzentrationslagern an den Außengrenzen.
Bezeichnenderweise vermerkt das Bundestagsprotoll nach Dobrindts Auflistung der geplanten Maßnahmen den Zwischenruf eines AfD-Abgeordneten: „AfD wirkt, würde ich sagen!“
Und damit nicht genug: Parallel zur Verschärfung der Migrationspolitik wird der staatliche Unterdrückungsapparat massiv aufgerüstet. Dobrindt verkündete, die Bundespolizei flächendeckend mit sogenannten „Tasern“ auszustatten. Es gehe „darum, das Einsatzrepertoire unserer Kräfte zu erweitern und Leben zu schützen“. Das ist der pure Zynismus.
Taser sind keine harmlose oder gar „Leben schützende“ Alternativen, sondern gemeingefährliche Waffen. Die Elektroschockpistolen verschießen unter Hochspannung stehende Pfeile, die die Kleidung durchdringen und sich mit Widerhaken im Körpergewebe verhaken. Der Stromimpuls kann mehrfach ausgelöst werden und führt regelmäßig zu schweren Verletzungen oder gar zum Tod.
In den USA, wo Taser längst zum Polizeialltag gehören, ist die Zahl der Todesfälle durch solche „Einsätze“ gut dokumentiert. Eine von Associated Press durchgeführte Untersuchung ergab, dass zwischen 2012 und 2021 538 Menschen durch Elektroschocker getötet wurden.
Die geplante Aufrüstung der Polizei dient nicht dem Schutz der Bevölkerung, sondern der Einschüchterung und gewaltsamen Repression. Sie richtet sich, wie die Angriffe auf Migranten, gegen die gesamte Arbeiterklasse. Inmitten wachsender sozialer Ungleichheit, massiver Aufrüstung und Kriegsvorbereitung will die herrschende Klasse jede Opposition im Keim ersticken und notfalls mit potentiell tödlichen Waffen unterdrücken.
Die Kritik der Grünen und der Linkspartei an den jüngsten Beschlüssen ist zahm und heuchlerisch. So bezeichnete die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Filiz Polat, die „Aussetzung des Familiennachzugs“ als „problematisch“. Als Teil der letzten Bundesregierung hatten die Grünen selbst die Flüchtlingspolitik ständig verschärft. Auch Die Linke kritisiert in Sonntagsreden „die rechte Politik der Regierung“, hat jedoch im Bundesrat wie die Grünen für Kriegskredite der Merz-Regierung gestimmt und trägt auf Landesebene als Regierungspartei selbst brutale Abschiebungen mit.
Die Verschärfung der Migrationspolitik und der Ausbau des Polizeistaats sind zwei Seiten derselben Medaille: Sie dienen der Vorbereitung auf soziale Auseinandersetzungen und der Durchsetzung des massiven Aufrüstungs- und Kriegskurses gegen die enorme Opposition in der Bevölkerung.
80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs soll Deutschland wieder „kriegstüchtig“ werden, wie es Verteidigungsminister Boris Pistorius bereits im Herbst 2023 forderte. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht, ein angestrebter Rüstungshaushalt von 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (rund 225 Milliarden Euro), die Vorbereitung auf einen Krieg gegen die Atommacht Russland und die wachsenden Spannungen zwischen den imperialistischen Mächten, insbesondere den USA – all das erfordert, wie schon in den 1930er Jahren, den Bruch mit allen demokratischen Regeln und die Errichtung einer Diktatur.
Die herrschende Klasse weiß, dass ihre Politik – wie in den USA – auf wachsenden Widerstand stoßen wird. Deshalb rüstet sie im Inneren auf. Die einzige Antwort auf diesen Kurs ist die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse auf einer internationalen und sozialistischen Grundlage. Nur so kann der Vormarsch in Richtung autoritärer Staatsumbau, Militarismus und Krieg gestoppt werden.