Die Vereinten Nationen beschreiben Gaza mittlerweile als „den Ort mit dem größten Hunger auf der Welt“. Der gesamten Bevölkerung von 2,2 Millionen Menschen droht eine Hungersnot aufgrund der anhaltenden Militäraktionen Israels und seinem systematischen Benutzen von Hunger als Taktik.
Die humanitäre Hilfsmission der UN für Gaza gilt als die „am stärksten behinderte der jüngeren Geschichte“. Hilfskonvois werden an den Grenzübergängen abgewiesen oder eingeschränkt. Jens Laerke vom Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten erklärte:
Die Hilfsoperation, die wir vorbereitet haben, wird durch eine operative Zwangsjacke eingeengt, sodass sie eine der am stärksten behinderten Hilfsoperationen auf der Welt nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der jüngeren Geschichte ist.
Vor Ort schildern Palästinenser ein Leben in unablässigem Hunger und Elend. Ein Einwohner erklärte gegenüber Al Jazeera: „Ich habe kein Mehl, kein Öl, keinen Zucker und nichts zu Essen. Ich sammle schimmeliges Brot... Ich will Mehl für meine Kinder. Ich will essen. Ich habe Hunger.“
Hani Mahmoud berichtete aus Gaza-Stadt, dass der Norden, einschließlich Gaza-Stadt selbst, in den letzten Tagen keine Hilfsgüter erhalten hat. Die Menschen in den zentralen und südlichen Gebieten, wie Chan Yunis und Rafah, kämpfen jeden Tag darum, selbst Grundnahrungsmittel wie Mehl zu bekommen.
Die Verteilung von Hilfsgütern ist zu einer weiteren Möglichkeit für Israel geworden, Palästinenser zu massakrieren. Laut Save the Children wurden bereits Dutzende von Palästinensern von den israelischen Streitkräften (IDF) an militarisierten Hilfsgüterausgabestellen getötet und verwundet, wo sich verzweifelte Zivilisten unzureichende Nahrungsmittelpakete abholen müssen, um dann beschossen zu werden.
Ahmad Alhendawi, der Regionaldirektor von Save the Children, verurteilte die Situation mit den Worten:
Das sind Hilfsgüter, auf die die Menschen einen rechtlichen Anspruch haben, und sie wird ihnen systematisch verweigert. Das ist eine eklatante und schockierende Missachtung des humanitären Völkerrechts.
Die Gaza Humanitarian Foundation (GHF), die von den USA und Israel unterstützt wird, ist jetzt der wichtigste Kanal für Hilfsgüter nach Gaza. Das US-Außenministerium zieht einen Beitrag von 500 Millionen Dollar in Erwägung, der sie zum größten Spender und faktischen Besitzer der Operation machen würde. Die GHF behauptet, sie würde Nahrungsmittel und Medikamente an hunderttausende Menschen liefern, doch ihr Vorgehen wird allgemein als Verschärfung der Krise angesehen.
Laut humanitären Organisationen und UN-Behörden verstößt das Vorgehen der GHF gegen die grundlegenden humanitären Prinzipien der Unabhängigkeit, Neutralität und Unparteilichkeit und dient den Interessen der USA und Israels bei der Vertreibung der Zivilbevölkerung von Gaza. Das Welternährungsprogramm (WFP) erklärte:
Die Tätigkeit der GHF verstößt gegen humanitäre Prinzipien... Dem WFP und seinen Partnern muss es ebenfalls erlaubt sein, Lebensmittelpakete direkt an die Familien zu verteilen, was die wirksamste Methode ist, eine umfassende Hungersnot zu verhindern.
Stattdessen hat die GHF hunderte von lokalen Verteilungszentren durch eine Handvoll von „sicheren Einrichtungen“ ersetzt, und zwingt die Palästinenser durch gefährliches Gelände zu laufen und biometrische Kontrollpunkte zu passieren, um nur um die Grundrationen zu erhalten. In diesen Zentren werden nur trockene Waren ausgegeben, ohne Rücksicht auf den Mangel an sauberem Wasser oder Brennstoff zum Kochen. Das Ergebnis ist ein primitives Abladen von Gütern und keine echte Hilfsaktion.
Die International Crisis Group veröffentlichte am 6. Juni eine Analyse mit dem Titel „Das Gaza-Hungerexperiment“, in der sie die GHF als integralen Teil von Israels militärischer Strategie bezeichnet, die Nahrungsmittel zur Kriegswaffe macht. Seit Beginn des Kriegs hat Israel die Hilfslieferungen streng kontrolliert, die Beschränkungen nur unter intensiver internationaler Aufsicht gelockert und verschärft, wenn die Aufmerksamkeit nachließ.
Die Crisis Group schreibt:
Die Welt scheint Zeuge eines Experiments zu sein: ein Versuch, die Bevölkerung von Gazas auf unbestimmte Zeit unterhalb der Schwelle zur Hungersnot zu halten und gleichzeitig Nahrungsmittel zur Kriegswaffe zu machen. Da die lokalen Kapazitäten zur Produktion von Nahrungsmitteln in Gaza fast vollständig zerstört sind, bedeutet die Kontrolle über die Grenzübergänge nun die Kontrolle über das Überleben selbst.
Laut der Integrated Food Security Phase Classification (IPC) leiden alle 2,2 Millionen Palästinenser in Gaza unter einer lebensbedrohlichen Ernährungsunsicherheit. Mehr als die Hälfte befinden sich in der Phase 4 („Notsituation“), d.h. sie überleben von Resten. Fast ein Viertel befindet sich in Phase 5 („Katastrophe“), in der Nahrungsmittel verschwinden und Gesellschaften zusammenbrechen. Die GHF verspricht, Lebensmittel mit 1.750 Kalorien pro Tag für diejenigen zur Verfügung zu stellen, die ihre Zentren erreichen – deutlich weniger als die 2.279 Kalorien pro Tag, die Israel selbst einmal als das Minimum angesehen hat, um Unterernährung zu verhindern.
Die Crisis Group kommt zu dem Schluss:
Das Ergebnis ist eine bewusst gesteuerte Hungersnot als Politik, nicht als Nebeneffekt. Das Problem war nie die Logistik, sondern die Entscheidungsfindung: Wie viel Elend dient Israels Zielen, und wie groß ist das Risiko für das internationale Ansehen des Landes?
Der Lagebericht Nr. 174 des UN-Hilfswerks UNRWA vom 7. Juni zeichnet ein düsteres Bild der humanitären Katastrophe in Gaza und dem Westjordanland. Laut dem Bericht wurden zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 4. Juni 2025 mindestens 54.607 Palästinenser getötet, die meisten davon in Gaza. Dazu kommen Zehntausende von Verwundeten.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Der Bericht weist darauf hin, dass die Bevölkerung in „noch nie dagewesenem Ausmaß an Hunger, Vertreibung und Trauma“ leidet. Mehr als 1,7 Millionen Menschen oder etwa 75 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens wurden bereits vertrieben, viele von ihnen mehrfach.
Das UNRWA warnt, seine Fähigkeit, lebensrettende Hilfe zu leisten, stehe „am Rande des Zusammenbruchs“. Die Gesundheits-, Bildungs- und Lebensmittelverteilungssysteme des Hilfswerks sind durch anhaltende Kampfhandlungen, fehlenden Treibstoff und wiederholte Angriffe auf seine Einrichtungen lahmgelegt. Im Bericht heißt es: „Die Fähigkeit des UNRWA, selbst die grundlegendste Hilfe zu leisten, nimmt rapide ab, da die Vorräte zur Neige gehen und Mitarbeiter bei der Ausübung ihrer Tätigkeit getötet oder verletzt werden.“
Die Blockade und die Zugangsbeschränkungen für humanitäre Hilfe verhindern weiterhin die Lieferung wichtiger Hilfsgüter wie Nahrungsmittel, Wasser und Medikamente. Das UNRWA betont: „Die Gefahr einer Hungersnot ist weiterhin akut.“ Unterernährung und vom Wasser übertragene Krankheiten breiten sich weiterhin rapide aus, vor allem unter Kindern. Das Hilfswerk fordert „ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe, Schutz der Zivilbevölkerung und einen sofortigen Waffenstillstand“, um weitere Verluste von Menschenleben und irreversible Schäden an der Bevölkerung zu verhindern.
Der jüngste Bericht verdeutlicht den systematischen Mangel und die eskalierende Notlage, in der sich die Palästinenser befinden, und bekräftigt die Warnungen humanitärer Gruppen, Gaza stehe am Rande eines vollständigen sozialen Zusammenbruchs.
Während sich die humanitäre Krise verschärft, haben internationale Aktivisten versucht, die Blockade zu durchbrechen. Die Freedom Flotilla, der u.a. die Klimaaktivistin Greta Thunberg angehört, bereitete eine direkte Hilfslieferung nach Gaza vor, bevor sie Israel gewaltsam stoppte.
Israelische Regierungsvertreter hatten zuvor erklärt, sie würden „nicht zulassen, dass die Flottille die Küste des Gazastreifens erreicht“, wobei sie sich auf Sicherheitsbedenken berufen.
Vertreter der US-Regierung schlossen sich Israels harter Haltung gegen die Freedom Flotilla an. Das Weiße Haus erklärte auf Anfrage nach der Mission der Flottille, dass „keine Schiffe ohne Erlaubnis Gaza erreichen dürfen“, und die USA würden „alle notwendigen Maßnahmen“ zur Durchsetzung der Blockade unterstützen.
Der republikanische Senator Lindsey Graham aus South Carolina ging noch weiter und sprach ausdrücklich eine bedrohliche Warnung speziell an die schwedische Klimaaktivistin Thunberg aus: „Wenn Greta Thunberg und ihre Freunde versuchen, die Blockade zu durchbrechen, dann sollten sie besser schwimmen können.“
Diese Äußerung verdeutlicht die Bereitschaft der US-Regierung, friedliche humanitäre Bemühungen gewaltsam zu stoppen. Grahams Worte sind Teil der eskalierenden Drohungen gegen alle, die versuchen, die Blockade zu durchbrechen und der hungernden Bevölkerung von Gaza dringend benötigte Hilfsgüter zu bringen.
Gaza droht eine menschengemachte Hungerkatastrophe, die nicht nur durch Bomben und Kugeln durchgesetzt wird, sondern auch durch die vorsätzliche Manipulation von Hilfsgütern und Nahrung als Mittel des imperialistischen Kriegs und Völkermords. Die Welt wird in Echtzeit Zeuge des Einsatzes von Hunger als Waffe zur ethnischen Säuberung gegen die Palästinenser, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit von historischem Ausmaß.