Bei einem groß angelegten Drohnenangriff der Ukraine am Sonntag, den 1. Juni, wurden russische Luftwaffenstützpunkte in fünf verschiedenen Regionen des Landes angegriffen, darunter im Fernen Osten und Sibirien. Das am weitesten entfernte Ziel war der Militärflugplatz Belaja in der sibirischen Region Irkutsk, etwa 4.300 Kilometer östlich von der Ukraine. Laut den russischen Behörden attackierten 53 Drohnen die fünf Regionen innerhalb von eineinhalb Stunden. Weitere Ziele der „Operation Spinnennetz“, wie die Ukraine den Angriff nannte, waren der Luftwaffenstützpunkt Olenja auf der Halbinsel Kola in Murmansk nahe der Arktis, etwa 1.900 Kilometer von der Front entfernt, der Luftwaffenstützpunkt Djagilewo, etwa 200 Kilometer südöstlich von Moskau, und der Luftwaffenstützpunkt Iwanowo, 300 Kilometer nordöstlich von Moskau.
Die britische Financial Times feierte den Angriff begeistert als den „möglicherweise ... kühnsten [ukrainischen] Angriff des Kriegs.“ Nur wenige Tage zuvor hatte der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz erklärt, Deutschland – das 1941 in die Sowjetunion einmarschierte und dabei mehr als 27 Millionen Menschen ermordete – würde der Ukraine Langstreckenraketen liefern, um Ziele tief im Inneren des russischen Staatsgebietes anzugreifen.
Der Zeitpunkt wurde zweifellos bewusst gewählt. Die Angriffe tief im Inneren des russischen Staatsgebiets, Tausende von Kilometern vom Schlachtfeld entfernt, sollten sowohl Russland als auch den imperialistischen Hintermännern der Ukraine demonstrieren, dass die Ukraine diese Langstreckenraketen im Krieg gegen Russland einsetzen kann und wird, um den Krieg innerhalb von Russland zu eskalieren. Der Angriff ist umso bedrohlicher, da er weniger als einen Monat nach dem 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs stattfand. Der Bundeswehrgeneral, der für das „Lagezentrum Ukraine“ zuständig ist, hat den Jahrestag in der Gesellschaft des Neonazi-Kommandanten eines ukrainischen Drohnenbataillons verbracht.
Der Angriff vom Sonntag wurde unter der persönlichen Aufsicht von Präsident Wolodymyr Selenskyj von dem von Faschisten durchsetzten ukrainischen Sicherheitsdienst SBU durchgeführt. Der SBU, das ukrainische Pendant zum FBI, spielt eine immer zentralere Rolle in diesem Krieg, sowohl bei Militäroperationen als auch bei der Unterdrückung von Widerstand gegen den Krieg. Vor etwas mehr als einem Jahr verhaftete der SBU den ukrainischen Trotzkisten Bogdan Syrotiuk. Er ist einer von Tausenden von Arbeitern und Jugendlichen, die wegen fingierter Vorwürfe der „Kollaboration“ und des „Hochverrats“ im Gefängnis sitzen.
Selenskyj und Vertreter des SBU haben sich mit dem, was sie als „absolut brillantes Ergebnis“ bezeichneten, gerühmt. Der SBU behauptet, der seit 18 Monaten vorbereitete Angriff habe Schäden von sieben Milliarden Dollar verursacht und 34 Prozent der strategischen Bomberflotte Russlands zerstört. Doch laut einem begeisterten Bericht des Wall Street Journal ist unklar, wie viele dieser Flugzeuge noch eingesetzt wurden.
Ein ehemaliger ukrainischer Offizier erklärte gegenüber der Financial Times, der Angriff werde wahrscheinlich keine direkten Auswirkungen auf Russlands Position auf dem Schlachtfeld haben. Er fügte dennoch hinzu: „Er verringert Russlands strategische Fähigkeiten, d.h. die Fähigkeit, seine Macht weltweit nach außen zu zeigen, Atomschläge durchzuführen und sich insgesamt in Eurasien militärisch in Stellung zu bringen.“
Der Angriff markiert ein neues Stadium der Kriegsstrategie zur Destabilisierung Russlands von innen heraus, welche die Nato durch ihren Stellvertreter in Kiew verfolgt. In den letzten drei Jahren hat die Ukraine durch Terroranschläge wie den auf das Moskauer Crocus-Rathaus mit über 180 Toten bereits eine zweite Front im Inneren Russlands eröffnet.
In einer Videobotschaft erklärte Wolodymyr Selenskyj stolz, der Drohnenangriff sei aus dem Inneren Russlands vorbereitet worden, und ukrainisches Personal sei in drei verschiedenen Regionen präsent gewesen. Die Drohnen wurden zunächst ins Land geschmuggelt und dann auf Lastwagen verladen, von denen sie abgefeuert wurden. Selenskyj behauptete zwar, alle Beteiligten seien in die Ukraine zurückgekehrt, doch die russischen Behörden gaben am Sonntagabend bekannt, dass sie eine noch nicht genannte Zahl von Teilnehmern der Angriffe verhaftet hätten.
Selenskyjs Prahlerei über das Eindringen des SBU in russisches Staatsgebiet war umso provokanter, als kaum 24 Stunden zuvor, in der Nacht von Samstag auf Sonntag, in den russischen Grenzregionen zwei Brücken gesprengt wurden. Russische Behörden bezeichneten die Explosionen als „Terroranschläge“.
In der Region Brjansk fielen beim Einsturz einer Brücke Trümmer auf einen Personenzug. Dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und 73 verwundet. Beim Anschlag auf eine Brücke in Kursk entgleiste eine Güterlok auf eine Straße und verletzte drei Bahnarbeiter. Die Ukraine hat zwar offiziell keine Verantwortung für die beiden Vorfälle übernommen, doch Selenskyjs Prahlerei über ukrainisches Personal auf russischem Boden und die früheren Terroranschläge auf russischem Staatsgebiet, die nach Kiew zurückverfolgt werden konnten, sprechen für sich selbst.
Während die Ukraine den Krieg demonstrativ eskaliert, sollen sich am 2. Juni Delegationen aus Kiew und Moskau in Istanbul zu einer weiteren Verhandlungsrunde treffen. Am Sonntagabend führte Moskau einen Angriff mit 472 Drohnen durch, den die ukrainische Luftwaffe als den größten russischen Drohnenangriff seit 2022 bezeichnete. Andere Berichte deuten darauf hin, dass Russland sich mitten in einer neuen Sommeroffensive befindet. Unabhängig vom Ergebnis der Gespräche unter diesen Bedingungen zeigt der Drohnenangriff vom Sonntag, dass sich der Krieg bereits weit über die Grenzen der Ukraine ausgeweitet hat.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Die imperialistischen Mächte haben das oligarchische Putin-Regime bewusst zum Einmarsch in die Ukraine provoziert und das Land zum Ausgangspunkt eines weitaus umfassenderen Kriegs gemacht. Ihr Hauptziel ist die volle Kontrolle über die eurasische Landmasse und ihre enormen Ressourcen.
Der SBU und die ukrainische Oligarchie signalisieren mit Aktionen wie dem Drohnenangriff vom Sonntag ihre Entschlossenheit, weiterhin eine zentrale Rolle in diesen imperialistischen Bestrebungen zu spielen, die gesamte Region aufzuteilen. Damit wollen sie sich das „Recht“ auf einen Anteil an der Beute verdienen, selbst nachdem Hunderttausende von Ukrainern getötet und verwundet wurden.
Die Arbeiterklasse Russlands und der gesamten ehemaligen Sowjetunion ist mit einer existenziellen Bedrohung durch den Imperialismus konfrontiert. Doch das Putin-Regime bietet keinen „Schutz“ gegen diese Bedrohung. Genau wie die ukrainische Oligarchie ist es aus der stalinistischen Zerstörung der Sowjetunion hervorgegangen, welche die gesamte Region für imperialistische Provokationen und Kriege geöffnet hat.
Das Putin-Regime will die Interessen und Privilegien der russischen Oligarchie durch eine Kombination aus militärischem Druck und Verhandlungen mit den imperialistischen Mächten verteidigen. Als seinen Hauptfeind betrachtet es nicht den Imperialismus, sondern die Arbeiterklasse. Ihre Politik des militärischen Abenteurertums und des russischen Chauvinismus spaltet die Arbeiterklasse und spielt dem Imperialismus in die Hände.
Der einzige gangbare Weg im Kampf gegen den Imperialismus führt über die politische Wiederbelebung der Prinzipien des revolutionären Internationalismus in der russischen und ukrainischen Arbeiterklasse und ihre unabhängige Mobilisierung, gemeinsam mit den Arbeitern in Europa und den USA, gegen den Imperialismus und das gesamte kapitalistische System.