Die Auszählung der australischen Parlamentswahlen vom 3. Mai ist weitgehend abgeschlossen ist und die Gesamtzahl der Stimmen für die Kandidaten der Socialist Equality Party (SEP) beläuft sich auf 15.988 Erstpräferenzstimmen im Senat und 2.805 für die drei Sitze im Repräsentantenhaus, für die die Partei angetreten ist. Die SEP ist die australische Schwesterpartei der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) in Deutschland.
Im Bundesstaat New South Wales (NSW) erhielt die SEP 11.960 Stimmen für den Senat und im Bundesstaat Victoria 4.028. Für den Sitz im Unterhaus für Oxley, einem Arbeiterbezirk in Brisbane, erhielt die SEP 1.435 Stimmen. In Newcastle, einer Hafenstadt im Bundesstaat New South Wales, die viele mit der Stahlproduktion verbinden, entfielen 883 Stimmen auf die SEP und im Wahlbezirk Calwell, der verschiedene Arbeitervororte im Nordwesten von Melbourne umfasst, waren es 487.
Die Stimmen sind ein kleiner, aber wichtiger Hinweis auf die wachsende Unterstützung für die revolutionäre, sozialistische Perspektive, die die SEP vertritt. Die Gesamtzahl der für die Partei abgegebenen Stimmen ist die höchste in den letzten zehn Jahren.
Mehr noch als bei früheren Wahlen wurden die SEP-Kandidaten bewusst und mit Bedacht gewählt.
Aufgrund der politischen Zensur durch die australische Wahlkommission (AEC) war neben den Namen der SEP-Kandidaten auf dem Stimmzettel nicht der Name ihrer Partei zu lesen. Obwohl die SEP eine Mitgliederliste mit mehr als den vorgeschriebenen 1.500 Mitgliedern eingereicht und die äußerst hohen Hürden genommen hatte, die kleineren Parteien bei Wahlzulassung in den Weg gestellt werden, lehnte die AEC den Antrag der SEP auf offizielle Registrierung mit fadenscheinigen und undurchsichtigen Gründen ab.
Die Zensur gegen die SEP war Teil eines verzweifelten Versuchs, das Zweiparteiensystem abzustützen. Bereits im Vorfeld der Wahl war offensichtlich geworden, dass sich dieses System in einer tiefen Krise befindet. Über Monate zeigten die Umfragen, dass weder die Labor Party noch die Koalition aus Nationalen und Liberalen in der Lage sein würden, eine Mehrheitsregierung zu bilden.
Es herrschte eine verbreitete Feindseligkeit gegenüber der amtierenden Labor-Regierung, weil sie die heftigsten Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse seit Jahrzehnten durchführte, gleichzeitig dem Militär enorme Ressourcen zur Vorbereitung eines Krieges zur Verfügung stellte und den Völkermord Israels an den Palästinensern in Gaza unterstützte. Die liberal-nationale Koalition leidet noch immer unter ihrer Wahlschlappe von 2022, der schlimmsten seit Jahrzehnten.
Auf diese Stimmungslage reagierten die großen Parteien mit einem Wahlkampf, der auf Lügen und Banalitäten basierte. Angesichts enorm hoher Lebenshaltungskosten feilschten sie um winzige Steuersenkungen, unter anderem bei der Mineralölsteuer. Niemand glaubte, dass diese Maßnahmen die Situation der Masse der Bevölkerung wesentlich verbessern würden. Vor allem aber basierte der offizielle Wahlkampf auf der Lüge, dass Australien gegen die Auswirkungen der enormen globalen Schocks und Umwälzungen gewappnet sei.
Die Medien, die Labor Party und die Koalition sowie alle anderen Parteien propagierten das betrügerische nationalistische Narrativ, laut dem Australien unter den Nationen eine Sonderstellung einnehme. Im Gegensatz dazu bestand die SEP darauf, dass die Situation in Australien von der massiven Krise des globalen kapitalistischen Systems bestimmt wird.
Unsere Kandidaten erklärten, dass die Machtübernahme der faschistischen Regierung von US-Präsident Donald Trump einen Wendepunkt in der Weltgeschichte markiert. Trumps Versuche, in Amerika eine Diktatur zu errichten, seine Politik des globalen Wirtschaftskriegs und des nackten Militarismus seien keine Phänomene, die bloß in den USA zu beobachten sind, erklärte die SEP. Vielmehr komme dort jenes Programm am schärfsten zum Ausdruck, das von den herrschenden Eliten überall verfolgt wird.
Die SEP widerlegte die Behauptung, dass sich Australien den Folgen des von Trump in Gang gesetzten Zollkriegs entziehen könne. Da sich die Wirtschaft bereits in einer Flaute befinde, sei Australien einerseits stark vom Handel mit China und andererseits von Direktinvestitionen und Finanzströmen aus den USA abhängig. Nicht die von den großen Parteien versprochene „bessere Zukunft“ stehe bevor, sondern eine Wirtschaftskrise und Sparmaßnahmen.
Im Gegensatz zu allen anderen Parteien warnte die SEP außerdem vor der wachsenden Gefahr eines Weltkriegs. Sie war die einzige Partei, die die Einbindung Australiens in die Kriegspläne gegen China, die von den USA angeführt werden und bereits weit fortgeschritten sind, ins Zentrum ihres Wahlkampfs stellte. Die scheidende Labor-Regierung hatte die Verwandlung Australiens in einen Frontstaat für einen solchen katastrophalen Krieg abgeschlossen, unter anderem durch die umfassendste militärische Aufrüstung seit dem Zweiten Weltkrieg und zahlreiche neue Vereinbarungen über US-Stützpunkte.
Die SEP stellte den Völkermord im Gazastreifen in diesen Kontext des weltweiten Ausbruchs des imperialistischen Militarismus. Mit ihrer Protestpolitik haben die Grünen und pseudolinken Gruppen die Feindseligkeit der Massen in ohnmächtige Appelle an eben jene Labor-Regierung verwandelt, die bei den historischen Kriegsverbrechen als Mittäter agiert. Im Gegensatz dazu bestand die SEP darauf, dass die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen imperialistischen Krieg und Kapitalismus erforderlich ist, um dem Völkermord ein Ende zu setzen.
Ebenso setzte sich die SEP für den Aufbau von Aktionskomitees an den Arbeitsplätzen und in den Stadtvierteln ein. Sie betonte, dass diese Komitees für die Arbeiter das einzige Mittel sind, um einen politischen Kampf und einen Kampf in den Betrieben gegen die Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen zu führen, die von der Labor Party und den korporatistischen Gewerkschaften durchgesetzt werden. Das gleiche gilt auch für die Kürzung der Sozialausgaben – von der Dezimierung des öffentlichen Bildungs- und Gesundheitswesens bis zur Zerstörung des öffentlichen Wohnraums.
Die SEP betonte, dass die Entwicklungen in den einzelnen Ländern von der Weltentwicklung bestimmt wird. Das wurde durch das Wahlergebnis bestätigt. Entgegen den Vorhersagen kann die Labor Party wieder eine Mehrheitsregierung bilden. Doch anders als Labor selbst und die Medien behaupteten, war dies nicht das Ergebnis eines meisterhaften Labor-Wahlkampfs. Vielmehr liegt die Mehrheit für Labor in der massenhaften Ablehnung der Koalition begründet, weil diese mit Trump und dessen faschistischer Agenda in Verbindung gebracht wurde.
Ungeachtet dessen, dass die Labor Party wieder an die Regierung zurückgekehrt ist, hat die Wahl die sich vertiefende Krise des gesamten kapitalistischen politischen Establishments deutlich gemacht. Die Liberalen wurden dezimiert und die Koalition befindet sich in Auflösung. Die Labor Party erhielt nur 34,8 Prozent Stimmenanteil der Erstpräferenz und lag damit weniger als 2 Prozentpunkte über dem Ergebnis von 2022, das für die Partei das niedrigste seit den 1930er Jahren war. Nachdem sie jahrzehntelang das Diktat der Banken und Konzerne durchgesetzt hat, verfügt Labor nicht mehr über eine stabile Massenbasis in der Arbeiterklasse.
Die Wahl war erneut durch einen Anstieg der Unterstützung für dritte Parteien und Unabhängige gekennzeichnet. Deren Anteil an den Stimmen erreichte mit 33 Prozent einen historischen Rekord. Zum ersten Mal lag die Zahl der Stimmen für Dritte über denen für eine der großen Parteien, die Koalition.
Im Rahmen dieses allgemeinen Trends nahm die antikapitalistische Stimmung deutlich zu. Zusätzlich zu den Stimmen für die SEP entfielen bei der Senatswahl landesweit mehr als 116.000 Stimmen auf Parteien, die das Wort „sozialistisch“ im Parteinamen tragen – fast doppelt so viele wie im Jahr 2022 (60.515) und mehr als fünfmal so viele wie im Jahr 2019 (22.420). Das unterstreicht, dass es unter Arbeitern und jungen Menschen eine wachsende Basis für eine sozialistische Alternative zum Kapitalismus gibt.
Diese Parteien stellen jedoch keine solche Alternative dar, sondern bilden eine pseudolinke Tendenz, die mit Labor, den Grünen und der Gewerkschaftsbürokratie verbunden ist. Die Mehrheit der Stimmen für „Sozialisten“ – über 60.000 – ging an die Victorian Socialists (VS). Im Gegensatz zur SEP, die aus der Berichterstattung ausgeschlossen wurde, berichtete die offizielle Presse ausführlich über die VS.
Das lag vor allem daran, dass die VS als ihren Spitzenkandidaten Jordan van den Lamb aufgestellt hatten. Van den Lamb ist in den sozialen Medien eine kleine Berühmtheit geworden und hat sich durch seine Kritik an der Wohnungskrise ein großes Online-Publikum aufgebaut. Er ist in der sozialistischen Bewegung bisher nicht in Erscheinung getreten und seine Politik ist kaum von der der Grünen, einer pro-kapitalistischen Organisation, zu unterscheiden. Er brachte in besonders grober Form die Tatsache auf den Punkt, dass die VS den nationalen Reformismus unterstützen, als er beispielsweise erklärte, dass Sozialismus bedeute, die „Demokratie zu vergrößern“, was „man auch im Kapitalismus selbst quasi etappenweise tun kann“.
Socialist Alliance, die andere pseudolinke Partei, konzentrierte sich in ihrer Kampagne ebenfalls darauf, zur Wahl von Labor als „kleineres Übel“ aufzurufen. Darüber hinaus betätigten sie sich als Unterstützer der Grünen, gerade als diese Partei für eine Koalition mit Labor auf der Grundlage eines Programms für Krieg und die Interessen der Wirtschaft warb. Der Rechtsruck der Pseudolinken wurde dadurch auf den Punkt gebracht, dass Socialist Alliance eine Halbierung des Militärbudgets forderte, wodurch sie im Umkehrschluss ihre Unterstützung dafür zu erkennen gaben, jedes Jahr mindestens 28 Milliarden Dollar für die Kriegsmaschinerie bereitzustellen.
Während viele Arbeiter und Jugendliche diese Parteien in dem Irrglauben wählten, sie stünden für den Sozialismus, unterstreicht ein Vergleich der Senatsstimmen für die Socialist Alliance und die SEP in New South Wales ihre diametral entgegengesetzte Klassenorientierung.
Der größte Anteil der Senatsstimmen für die Socialist Alliance entfiel auf die Wahlkreise Sydney und Grayndler. Diese liegen in den Innenstädten und werden von einer relativ wohlhabenden Mittelschicht dominiert, die sich zu einem großen Teil mit Fragen der individuellen Identität und des Lebensstils beschäftigt.
Im Gegensatz dazu erhielt die SEP die meisten Senatsstimmen in fünf Arbeiterwahlkreisen im Südwesten Sydneys, nämlich in Fowler, Watson, Blaxland, McMahon und Werriwa. Sie erhielt dort 21 Prozent der Gesamtstimmen. In diesen Wahlkreisen, in denen viele Einwanderer und Menschen aus dem Nahen Osten leben und bei denen jahrzehntelang als sicher galt, dass die Labor Party dort gewinnt, stieß die SEP auf massiven Widerstand gegen die Unterstützung von Labor für den Völkermord in Gaza.
Insgesamt herrscht in der Arbeiterklasse das Gefühl vor, dass das gesamte politische Establishment die Interessen des Großkapitals vertritt und dass die Zukunft – egal wer an der Regierung ist – von Krieg und wachsender sozialer Not geprägt sein wird.
Das wird der Fall sein, denn der Auftrag der Labor-Regierung besteht darin, die Krise des australischen und des Weltkapitalismus im Sinne der herrschenden Klasse beantworten: mit weitreichenden Kürzungen der Sozialausgaben sowie einer noch umfassenderen Stärkung des Militärs zur Vorbereitung eines Kriegs. Der Widerstand dagegen wird wachsen und die Mechanismen, mit denen Labor und die Gewerkschaften den Klassenkampf unterdrücken, werden mehr und mehr zusammenbrechen. Dann stehen bedeutende Aufstände der Arbeiterklasse auf der Tagesordnung.
Wie die SEP in ihrem Wahlkampf betonte, besteht die entscheidende Aufgabe in allen Ländern darin, sozialistische und revolutionäre Parteien der Arbeiterklasse aufzubauen, um die vor uns liegenden Kämpfe zu führen. Wir appellieren an unsere Leser und Unterstützer, einer der Sozialistischen Gleichheitsparteien noch heute beizutreten!
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